Interview mit Eivør

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EIVØR ist auf den Färöer Inseln eine sehr bekannte Sängerin, in deren Musik sich Einflüsse aus Bereichen wie Jazz, Folk oder Alternative finden. Schon als Jugendliche stand sie auf der Bühne und hatte nie einen Plan B für ihr Leben. 2018 ging sie als Support und Gastsängerin mit Wardruna auf US-Tour und erspielte sich so die Aufmerksamkeit der dortigen Metal- und Folk-Fans. Nicht zuletzt deshalb baten wir die Lady bei ihrer Europatour zum Interview.

Du hast gerade das Album “Eivør Live In Tórshavn” veröffentlicht. Wie hast du die Songs hierfür ausgesucht?
Ich habe letztes Jahr drei Auftritte auf den Färöer Inseln aufgenommen, alle in der gleichen Halle. Dann habe ich meine Favoriten ausgesucht, was zum Beispiel die Reaktionen im Publikum, unsere Leistung auf der Bühne bzw. die allgemeine Stimmung betrifft.

Weißt du denn, welche die Lieblingssongs deiner Fans sind? Fragst du sie manchmal?
Ich versuche manchmal, sie in den sozialen Medien zu fragen, schon allein, weil ich neugierig bin. Das haut mich um, wie unterschiedlich es ist. Die einen mögen dieses, die anderen jenes. Ich denke, meine Fans haben ihren eigenen Geschmack.

Hast du schon mal darüber nachgedacht, einfach eine Umfrage zu starten, welche Songs auf das nächste Live-Album kommen sollten?
Vielleicht sollte ich das mal machen. Eigentlich ist das keine schlechte Idee, die Fans die Songs wählen zu lassen.

Hast du für diese Europa-Tour mehr englischsprachige Lieder gewählt, damit die Texte besser verstanden werden können? Oder hast du dich für eine gute Mischung aus Englisch und deiner Muttersprache entschieden?
Ich mag es, die Sprachen zu mischen, da ich ja auch in Englisch und Färöisch Texte schreibe. Auch auf meinen letzten Alben waren die Sprachen gemischt. Insofern gibt es einen reichhaltigen Sprachen-Mix auf meiner Tour, aber es sind schon auch viele färöische Songs dabei.

Für uns hier klingt es exotischer, wenn du auf Dänisch oder Färöisch singst. Ich meine, dass einige Fans das sogar bevorzugen.
Das habe ich auch bemerkt, dass viele Fans es mögen, wenn ich Färöisch singe. Das erstaunt mich, da sie ja die Texte gar nicht verstehen. Aber Musik ist ja eine universelle Sprache. Musik bedeutet Emotionen, und die kommen rüber, egal in welcher Sprache man singt. Das ist eine wunderbare Sache.

Wenn man den Song „Slør“ (vom Album „Slør“, welches es in verschiedenen Sprachen gibt) als Beispiel nimmt, dann scheint die Originalfassung von der Übersetzung abzuweichen.
Ja. In der originalen Version heißt es: „Niemand liebt mich so, wie du mich liebst“, während es in der englischen Version heißt: “Niemand kann dich so sehr lieben, wie ich dich liebe”. Diese Textversion ist im Prinzip eine neue, der Song wurde für die Übersetzung etwas umgeschrieben.

Ist es denn nicht ein wenig schade, dass durch die Übersetzungen manches vom Originaltext verlorengeht?
Das war mein erstes Mal, dass ich versucht habe, ein komplettes Album auf Englisch neu aufzunehmen. Und das war ein kleines Abenteuer, denn da gab es so viele Herausforderungen. Manche Sprachen haben ihre eigene Identität, und es gibt so viele Metaphern. Und ich habe ein Übersetzungsprogramm benutzt und dann entschieden, komplett offen zu sein. Es sollte sich einfach richtig anfühlen, daher habe ich es zugelassen, dass die Texte quasi neu interpretiert werden. Der Kerninhalt ist natürlich immer der gleiche. Die tiefere Bedeutung jedes Liedes blieb gleich, aber die Metaphern wurden anders verwendet.

Metal1.info ist ja eher ein Metal-Magazin. Und viele der Leser kennen dich eventuell erst oder nur durch deine Zusammenarbeit mit Einar Selvik von Wardruna. Wie kam es dazu?
Das war interessant, denn eigentlich sind meine Fans daran schuld. Ich kannte Wardruna nicht, aber die Fans haben in den sozialen Medien immer wieder geschrieben: „Du solltest mal mit Einar von Wardruna zusammenarbeiten. Das würde vom Stil her gut passen“ usw. Und ich dachte mir „Wer ist das nur?“ und habe mal in die Musik reingehört. Es hat mir gefallen. Eines Tages hatte ich einen Auftritt in Schweden und Einar hat mich kontaktiert, ob er die Show anschauen könnte, einfach so zum Spaß. Also sagte ich ihm „Na klar. Komm vorbei!“ Das war vor über einem Jahr. Dort tragen wir uns also zum ersten Mal und sind seither gute Freunde. Wir haben Musik ausgetauscht usw. Und dann lud er mich ein, ihn auf der US-Tour zu begleiten.

Wie war das? Wardruna ziehen ja unglaublich viele verschiedene Leute in ihre Konzerte, Folk-Fans, Metal-Fans, Viking-Fans usw.
Ja, das Publikum war ganz unterschiedlich. Metal-Fans, Folk-Fans, alles. Ich mag das, und ich denke, dass das bei meinen Konzerten genauso ist, dass viele Kulturen zusammenkommen. Genau wie bei Wardruna. Insofern passen wir gut zusammen.

Hast du einen Lieblingssong von Wardruna?
Natürlich habe ich “Helvegen” schon immer geliebt. Aber auch unter ihren neuen Songs habe ich Favoriten gefunden. Manche Songs haben mich auch ein wenig an traditionelle Färöische Musik erinnert, zum Beispiel Lieder mit choralem Gesang. Oder in einem anderen Track wird immer wieder das Gleiche wiederholt, bis es einen hypnotischen Charakter bekommt. Ich muss rausfinden, wie der Song heißt.

Magst du auch den ursprünglichen Trommelklang?
Ja, Einar baut ja auch seine eigenen Trommeln und Percussions. Das fasziniert mich sehr.

Woher hast du deine Shamanen-Trommel, die du auf der Bühne benutzt?
Ich habe sie gekauft. Zum ersten Mal kam ich mit dieser Art von Trommeln in Berührung, als ich in Trondheim in Norwegen war. Da baute jemand diese Shamanen-Trommeln auf der Straße. Ich habe mich gleich verliebt und eine gekauft und meinen ersten Song mit diesem Instrument geschrieben, „Trollabundin“. Insgesamt habe ich mir seither drei dieser Trommeln zugelegt, zwei in Dänemark, eine in Norwegen. Aber man bekommt sie natürlich nicht im Musikgeschäft, sondern muss zu jemandem gehen, der spezielle diese baut.

In vielen deiner Lieder gibt es diese subtile oder auch offene Traurigkeit. In einem alten Interview sollst du mal Nick Cave zitiert haben mit „Ein Liebeslied ist kein Liebeslied, solange es nicht traurig ist“. Stimmt das?
Ich erinnere mich, dass Nick Cave gesagt hat, dass alle seine Songs Liebeslieder sind. Ich mag das und sehe das genauso. Es ist wie mit all diesen Emotionen im Leben: Mit großer Liebe kommt großer Schmerz. Wenn du jemanden wirklich liebst, musst du darauf gefasst sein, dass dein Herz gebrochen wird. Ich denke, das ist wirklich so.

Aber momentan scheint doch in deinem Leben alles gut zu laufen. Trotzdem schreibst du traurige Liebeslieder…
Ich hatte schon immer eine Schwäche für traurige Liebeslieder. Ich weiß nicht warum. Wenn ich komponiere, arbeite ich gerne mit Gegensätzen. Ein wirklich heiteres Liebesgedicht bekommt von mir eine traurige Melodie, während ein abgründiger Text eine heitere Melodie bekommen kann. Es hat was mit Gegensätzen zu tun. Ich mag es damit zu spielen, um ein Resultat zu bekommen, das tiefer unter die Haut geht.

Ich habe gelesen, dass du gerne malst. Hast du schon mal darüber nachgedacht, selbst etwas für das Design deiner Album-Booklets zu malen?
Nein, habe ich nicht. Aber vielleicht sollte ich. Ich habe schon länger nicht mehr gemalt, ich sollte wieder damit anfangen.

Des Weiteren habe ich gelesen, dass dein Vater immer kleine Geschichten für dich geschrieben hat. Möchtest du darüber sprechen?
Mein Vater war immer eine große Inspiration für mich, als ich ein kleines Mädchen war. Er hat immer Gedichte für mich geschrieben. Als ich ein Teenager war und die ganzen Herzschmerz-Probleme hatte, oder einfach einen harten Tag, dann hat er mir immer kleine Notizen oder Reime geschrieben. Etwas, was mich wieder aufgebaut hat, zum Beispiel, dass nach Regen immer Sonnenschein folgt oder etwas in der Art. Etwas, was mir wieder Hoffnung gegeben hat. 
Und auch in meinen Songs versuche ich, immer einen Hoffnungsschimmer einzubauen, auch wenn die Lyrics ansonsten sehr düster sind.

Vor einiger Zeit hast du ein Lied als Hommage an Mutter Theresa geschrieben. Aber sie hat ja vor ihrem Tod Gott infrage gestellt. Inwieweit hat denn das Thema „Gott“ einen Einfluss in deiner Musik? Oder sind deine Ursprünge komplett heidnisch?
Obwohl ich in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen bin, war ich selbst nie einer bestimmten Religion verpflichtet. Ich habe Religionen immer als Mittel zum Zweck angesehen für die Menschen, damit sie sich mit dem, was „Gott“ bedeuten könnte, auseinander setzen können. Als Künstler lässt man die großen Fragen des Lebens ja schon in die Musik einfließen. „Warum sind wie hier?“, „Wozu das alles?“, all diese Fragen spielen natürlich eine Rolle. Mein Mutter-Theresa-Song war als Inspiration gedacht. Sie hat die Absichten Gottes letztendlich angezweifelt. Und auf eine gewisse Art und Weise setzen wir uns doch alle damit auseinander. Aber ich finde eine göttliche Verbindung nicht durch Religionen, sondern in der Natur und in der Reflexion universeller Dinge. Allerdings kann man den Sinn nicht wirklich fassen. Ich weiß nur, dass es ein Wunder ist, dass wie hier sind. Und für mich reicht das.

Möchtest du deine aktuelle Live-Band vorstellen?
Seit meinen letzten drei Alben habe ich die gleiche Band. Wir sind zu viert. Neben mir ein Tontechniker und zwei Live-Musiker. Am Bass spielt Mikael Blak und der Schlagzeuger ist Høgni Lisberg. Wir kennen uns schon, seit wir Teenager sind. Meine erste Band hieß Clickhaze und wir waren acht Leute in der Band, was es natürlich schwierig machte, zusammen zu komponieren. Gerade als wir es einigermaßen auf die Reihe bekamen, musste sich die Band wieder auflösen. Aber später im Leben kreuzten sich meine Wege wieder mit denen von Mikael und Høgni. Und nun touren wir seit Jahren zusammen. Wir sind eine innige Einheit auf der Bühne.

Woran arbeitest du momentan?
Ich bin manisch in Sachen Arbeit. Die vergangenen zwei Jahre habe ich an meinem neuen Album gearbeitet, welches 2019 erscheinen wird. Ich habe eine Menge Songs hierfür geschrieben.

Das letzte Live-Album war also nur ein Bonus?
Ja. Es war eine Art Würdigung von der Arbeit der letzten Jahre. Ich mache das gerne, dass ich in einer Art Reflexion ein Live-Album herausbringe, bevor ich einen neuen Abschnitt beginne. Ich habe ca. 40 neue Songs geschrieben. Demnächst werde ich davon meine zehn Favoriten heraussuchen und im Januar/Februar 2019 alles fertigstellen.

Wie viele unveröffentlichte Songs haben sich denn über die Jahre angesammelt?
Unglaublich viele. Ich schreibe echt viel, was ich dann nicht veröffentliche.

Hast du in Betracht gezogen, diese Songs anderen Künstlern zur Verfügung zu stellen?
Das sollte ich vielleicht tun. Ich hatte noch keine Zeit dazu, mich wirklich mit dem Thema auseinander zu setzen. Es ist natürlich Wahnsinn, so viele Songs ungenutzt herumliegen zu lassen. Ich brauche immer wirklich lange, bevor ich mit einer Komposition zufrieden bin. Oftmals bin ich solange unsicher, bis ich den Song vor Publikum spiele und die Reaktion der Fans sehe. Sie sind wie ein Spiegel für mich. Ein Lied wird nicht wirklich lebendig, wenn es nicht vor Publikum gespielt wird.

Weinst du manchmal zu deinen eigenen traurigen Songs, beim Komponieren oder Singen?
Das passiert nicht allzu oft, nur wenn ich wirklich außergewöhnlich traurig bin. Aber als mein Vater vor ca. acht Jahren starb, da ging ich direkt danach auf Tour und es war extrem hart, denn quasi jedes Lied hat mich an ihn erinnert. Und ich denke, das ist die Macht, die ein Lied haben kann. Es ist dann auch nicht mehr mein Song, sondern es kann deiner sein, oder jemandes anderen Lebensgeschichte. Wenn man eine schwere Zeit durchmacht, kann man sich in vielen Liedern wiedererkennen. Das ist die Magie der Musik. Und deshalb liebe ich die Musik so sehr.

Ich denke, das waren wunderbare Schlussworte. Vielen herzlichen Dank.
Ich danke euch.

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Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

Fotos von: Uta A. (Gastredakteurin)

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

Ein Kommentar zu “Eivør

  1. Sie ist selbst ziemlich Metal affin und offen. Zur Stromgitarre hat sie ein positives Verhältnis ;) Vor einigen Jahren bei Bardenfest in Nürnberg dreht sie ziemlich lange am Verstärker bis es denn für dieses Sommerkonzert endlich hart genug war – schöner Röhrensound eben. Sie lässt und will sich eben nicht auf einen Stil festlegen – als breit ausgebildete Frau (Opern- und Jazzausbildung) kann sie machen was sie will und auch mal 80er Electropop machen oder gar die Welturaufführung einer inzwischen nicht mehr unbekannten Kammeroper von Bryars über Marilyn Monroe singen, bei der sie wegen eigentlich verstärkt singen sollte, als dann die Technik schwächelte sang sie einfach weiter, man hörte sie trotzdem gut. Als Metalhead würde ich sie vielleicht nicht bezeichnen, wobei sie kulturell seit ihrer WGT Teilnahme wohl offen Richtung Gothic tendiert – ist der Ruf erstmal ruiniert ;) Aber Metalsound macht ihr offensichtlich Spaß. Und dann wieder mit Kammerorchester oder Keyboard oder nur mit der Schamanentrommel ….

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