Interview mit M. „Blutkehle“ Roth von Eisregen

Nach über 22 Jahren haben die Thüringer EISREGEN in diesem Jahr ihr erstes waschechtes Konzeptalbum herausgebracht und sich eingehend mit dem italienischen Kino der 1970er und frühen 1980er beschäftigt. Lieblingsfilme, favorisierte Regisseure und Filmmusik – an Themen mangelt es unserem Dialog mit Fronter und Bandkopf M. Roth wahrlich nicht. Ein Interview zu EISREGENs musikalischer Verbeugung gen Italien.

Euer neues Album „Fleischfilm“ ist jetzt einige Zeit raus – wie sind die Resonanzen? Seid ihr zufrieden?
Die Resonanzen waren ganz OK, gerade wenn man im Hinterkopf behält,  dass es ein Konzeptalbum über den italienischen Genrefilm der 70er Jahre ist und diese Thematik sicherlich nicht jedermanns Sache ist. Allgemein gebe ich aber nichts auf Resonanzen von außerhalb. Ich selbst bin mit dem Album höchst zufrieden, es ist ja praktisch eine Herzensangelegenheit, da ist es für mich persönlich unwichtig, was andere Leute dazu sagen.

Das Album ist kein typisches EISREGEN-Album. Gab es auch negatives Feedback?
Das gibt es doch zu jedem neuen Album. Die Fraktion „Früher war eh alles besser“ ist ja nicht nur bei uns aktiv. Überhaupt ist sehr auffällig, dass Genörgel allgemein anscheinend zum „guten Ton“ gehört … nicht nur auf uns bezogen, sondern allgemein. Die Filmforen, in denen ich mich gelegentlich rumtreibe, sind jedenfalls voll von den Meinungen selbsternannter Experten, die jeden Furz kommentieren müssen und ihre Weisheit eimerweise rauskotzen. Widerliche Selbstdarsteller, unsere Gesellschaft ist voll von ihnen.

Ihr habt zu „Fleischfilm“ auch vier Releaseshows gespielt. Wie gut lassen sich die neuen Songs, die viele Sounds und Zusatzinstrumente beinhalten, live umsetzen?
Wir haben vier der Albumsongs live umgesetzt („Drei Mütter“, „Hauch des Todes“, „Tiefrot“ und „Menschenfresser“).  Die neuen Songs haben live sehr gut funktioniert und sind auch extrem gut bei den Hörern angekommen, viel besser als erwartet. Bedenken hat man immer, wenn man neue Songs in das Set aufnimmt, aber es ist ja auch kein Problem, Songs wieder auf Eis zu legen, wenn man merkt, dass das Publikum bei Konzerten nichts mit ihnen anfangen kann.

Es handelt sich um euer erstes Konzeptalbum. Was hat euch auf die Idee gebracht, warum ein Konzeptalbum?
Ich hatte ja bereits mit Marienbad und „Werk 1: Nachtfall“ ein Konzeptalbum gemacht, es war also kein komplettes Neuland für mich. Das italienische Kino der 70er und 80er Jahre hat mich schon in meinen Jugendjahren entscheidend geprägt und viele der Filme sind persönlich für mich sehr wichtig, da lag es natürlich nahe, dies in einem Konzeptalbum aufzuarbeiten. Die Idee dazu trage ich schon länger mit mir herum, nun war es endlich an der Zeit, dies auch umzusetzen.

Musikalisch, aber auch vom Stil der Texte her erinnert das „Fleischfilm“-Material tatsächlich an Marienbad: Es klingt ernster gemeint als so mancher andere EISREGEN-Song. Würdest du das so unterschreiben?
Da bin ich als Urheber etwas befangen.  „Ernster gemeint“ würde ich nicht unbedingt sagen, da ich eigentlich alles, was ich musikalisch veröffentliche, mit dem gleichen Ernst betreibe.

Wie erwähnt ist das Thema „das wilde italienische Kino der 1970er und frühen 1980er“. Was fasziniert dich an den Filmen aus dieser Zeit, was macht sie aus?
Ich bin jetzt Mitte 40 und quasi im VHS-Videothekenzeitalter groß geworden, fernab vom Internet und solchen Dingen. Die italienischen Filme waren sehr entscheidend für meinen persönlichen Film-und Kunstgeschmack. Gerade heute kann man sich viel leichter mit Perlen aus dieser Zeit eindecken, dem Netz und seinen Recherche- und Bestellmöglichkeiten sei Dank. Und es gibt nach wie vor sehr viele kleine Filmlabels, die noch ihr Herzblut in Wieder- und Erstveröffentlichungen aus dieser Zeit stecken. Da gibt es noch sehr viel Interessantes für den Freund des Abseitigen zu entdecken.

Welche  Regisseure würdest du hervorheben, welche Filme empfehlen?
Das ist ein sehr, sehr umfangreiches Gebiet, viel zu komplex, um es in ein paar Worten abzuhandeln. Ich persönlich schätze sehr die Arbeiten von Mario Bava, Dario Argento, Lucio Fulci, Aristide Massacesi oder Sergio Martino, aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Filmempfehlungen gibt es da natürlich auch zuhauf, bei Interesse kann man sich ja mal die Filme anschauen, auf denen die „Fleischfilm“-Songs basieren.

Haben dich für die Texte also konkrete Filme inspiriert?
Oh ja, jedes Lied beruht auf einem Film, bis auf „Drei Mütter“, welches die entsprechende Filmtrilogie von Dario Argento behandelt und „Tiefrot“, was das Giallogenre an sich thematisiert. Ansonsten überlasse ich es euch, herauszufinden, um welche Filme es sich handelt – so richtig schwer habe ich es euch ja nicht gemacht … (lacht)

Inwiefern haben dich die Filme dieser Zeit als Künstler inhaltlich, aber auch musikalisch geprägt?
Sicher gab es da auch in der Vergangenheit immer gewisse Inspirationen,  und gerade die italienischen Horror- und Splatterfilme waren sicherlich sehr prägend, was mein Interesse für morbide Thematiken allgemein angeht. Viele meiner Texte ließen sich sicherlich in interessante Filme umsetzen, wenn die Möglichkeit bestünde. „Fleischfilm“ bot quasi die Möglichkeit,  dies konsequent umzusetzen, praktisch meine Art, jenen italienischen Kreativköpfen „Danke“ zu sagen, deren Arbeiten ich sehr schätze.

„Fleischfilm“ handelt nicht nur in den Texten von typischen Filmthemen, sondern greift auch viele Soundtrack-Motive auf. Wie seid ihr das Songwriting dahingehend angegangen, habt ihr euch gezielt darauf vorbereitet, nochmal bestimmte Filme geschaut und analysiert?
Genau so sieht es aus: Ich habe eine Liste mit Filmen und Regisseuren erstellt, die ich unbedingt dabei haben wollte, dann habe ich mich ausgiebig mit unserem Keyboarder Gemser darüber unterhalten, der ein ebensolcher Filmfreak ist wie ich selbst. Er hat dann die Grundgerüste der Songs erarbeitet und zusammen mit Yantit Demos erstellt, die wir dann gemeinsam bearbeitet haben und anhand derer ich die Lyrics verfasst habe. Gerade zur Zeit der Textausarbeitung habe ich mir viele der Filme noch mal eingehender angeschaut.

Lief das Songwriting also anders ab als bei den bisherigen EISREGEN-Alben?
Definitiv. Gerade das Komponieren der Stücke auf dem Keyboard ist eher untypisch für uns.

Das Album ist zugleich auch das erste ohne euren langjährigen Gitarristen Bursche Lenz. Hat sich das auch auf die Songs ausgewirkt?
Nicht ganz, bereits der Vorgänger „Marschmusik“ ist komplett ohne Bursche Lenz entstanden. Auf das Songwriting hatte das ohnehin keinen Einfluss, da Bursche sich bereits seit Jahren nicht mehr sehr dafür interessiert hat und sich dementsprechend auch bei den Alben, wo er noch dabei war, nicht wirklich eingebracht hat. Die Trennung war also wichtig für beide Seiten.

Habt ihr noch Kontakt, weißt du, was er von dem Album hält?
Yantit hat ihn erst vor ein paar Tagen besucht, es geht ihm gut und er ist beruflich sehr ausgelastet. Die Trennung ist ja sehr kameradschaftlich und in beiderseitigem Einverständnis erfolgt, da gibt es kein böses Blut. Yantit hat ihm da auch eine Fleischfilm-CD übergeben, ich habe aber noch keine Rückmeldung, wie sie ihm gefallen hat.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten – zum Abschluss ein Brainstorming:
Lieblingsfilm:
Da gibt es viele. Aus Italien wäre es wohl „Dellamorte Dellamore“.
Donald Trump: Ein Eimer Scheiße, leider sehr gefährlich.
Kino: Habe ich zu Hause. Leinwand und HD-Beamer ersparen popcornfressende Handykids.
Bestes Album 2017:  EISREGEN – „Fleischfilm“
Vampire:  Hatte ich am liebsten in Polanskis „Tanz der Vampire“. Davon gibt es immer noch keine deutsche Blu-ray, sehr schade …
EISREGEN in 10 Jahren: Hoffentlich noch aktiv. Wer weiß das schon zu sagen.

Die letzten Worte gehören dir:
Ich fickte Trixi in den Rücken,
Wir ham‘ uns beide nicht geschämt.
Von hinten stieß ich mit Entzücken
– seitdem ist sie gelähmt.

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