Interview mit Gerhard Storesund von Einherjer

Jeder Redakteur durfte wohl schon die Erfahrung machen: Manchmal dauert es eben etwas länger. Vier Monate ließen uns EINHERJER warten, bis uns interessante Antworten von Schlagzeuger Gerhard „Ulvar“ Storesund zur aktuellen Platte „Norrøn“, Bier und Lauch sowie die Wiedervereinigung der Band erreichten.Lest hier zudem, was der Schlagzeuger über Konzert-Massenveranstaltungen, Songkonzeptionen und kommerzielle Interessen zu sagen hat.

Hei und danke, dass ihr euch Zeit genommen habt, auf unsere Fragen zu antworten. Wie ist nun die Stimmung in der Band, wo „Norrøn“ seit ein paar Wochen zwischen Konkurrenz und Kritikern auf dem Markt ist?
Die Stimmung in der Band ist sehr gut. Es fühlt sich wie eine große Erleichterung an, die Platte nach so langer Zeit veröffentlicht und gute Aufnahme gefunden zu haben.

Seid ihr mit der Platte selbst und mit den Reaktionen zufrieden? Ursprünglich sagtet ihr, dass „Blot“ das ultimative Einherjer-Album sei; liegt eine neue Art Motivation hinter der Reunion und der neuen Platte?
Ja, wir sind zufrieden mit der Platte, und das Feedback, was wir bekommen haben, ist überwältigend. Das gibt uns sehr viel nach dieser langen Zeit des Winterschlafs. „Blot“ ist für mich immer noch ein ultimatives Album, aber das ist „Norrøn“ auch. Sie sind nur von Natur aus sehr verschieden. Eine neue Platte im „Blot“-Stil zu machen, ging einfach nicht. Nun hatten wir ein paar Jahre, die Dinge neu zu bewerten und uns neu zu formieren. Alle Einherjer-Alben haben ihre eigene Identität, und das war auch die Vision mit „Norrøn“. Wir wollten etwas machen, was die Leute nicht erwarten, aber gleichzeitig Einherjer-Geist versprüht.

Was bedeutet der Name „Norrøn“ (norwegisch für „altnordisch“, Anm. d. Red.) für euch? Ist das eine Art patriotisches/nationalistisches Konzept?
Nein, absolut nicht. Es ist ein kurzer, konziser Titel, der eigentlich auf alles anspielt, womit wir uns beschäftigen. Wir erzählen Geschichten aus alten Zeiten. Ja, wir huldigen unseren alten Wurzeln, aber ich kann darin nichts Falsches sehen.

Lasst uns über die Musik reden: Woher kam die Idee, ein so langes Stück wie „Norrøn kraft“ direkt an den Anfang der Platte zu setzen?
Wir hatten schon länger die Idee, ein großes, episches Werk zu erschaffen. In unserem Genre spielt das aus kommerzieller Hinsicht keine Rolle, wie lang in Stück ist. Wir betreiben keine „Hit-Macherei“. Das war eigentlich sogar der Grund, warum wir das Stück an den Anfang gestellt haben. Außerdem finden wir, dass das ein sehr starkes Stück ist, was viel darüber aussagt, was du auf dem Album erwarten kannst.

„Alu alu laukar“ hört sich an wie ein Marsch eines totalitären Heeres. War das so gewollt? Eigentlich sind es ja nur die Runenwörter „Bier“ und „Lauch“/„Zwiebel“…
Ja, man kann schon sagen, dass das eine Art Marsch ist, allerdings nicht in einem totalitäteren Heer. Diese Nummer ist unsere Interpretation eines alten Ym:Stammen-Schlagers. Er handelt von einer der ersten bekannten Schlachten in Norwegen um das Jahr 200. Dort hatten die Norweger die Worte „Alu alu laukar“ in ihre Waffen geritzt. Selbst, wenn die Worte ursprünglich „Bier, Bier, Lauch“ bedeuten (was an und für sich fett genug ist), waren es auch magische Worte, die einen heil- und siegbringenden Effekt haben sollten.

Ihr benutzt die Hávamál-Verse 76-77 in „Balladen om Bifrost“, wie viele vor euch. Was bedeuten diese Worte für euch?
Das Hávamál ist zunächst mal ein Einblick in die Gedankengänge der Menschen in vorchristlicher Zeit, auch wenn es offensichtlich von „Christen“ nach langer mündlicher Überlieferung niedergeschrieben wurde. Man kann wohl sagen, dass es der Vorläufer des „gesunden Menschenverstandes“ ist. Die Verse, die wir in „Balladen om Bifrost“ benutzt haben, sind für mich eine Mahnung daran, dass, selbst wenn deine Freunde oder Familie fortgegangen sind, ihre Erinnerung nie verschwindet.

Welche Bands würdet ihr sagen haben und hatten den größten Einfluss auf Einherjers Musik?
Wir werden wie alle von all der guten Musik inspiriert, die wir hören. Manche Bands wie beispielsweise Bathory hatten größeren Einfluss auf uns als andere. Seine [Quorthons, Anm. d. Red.] Vision und der Geist seiner Musik war eins der Dinge, die uns überhaupt erst dazu brachten, Einherjer zu gründen. Er singt zwar wie eine Krähe, aber in Bathory funktioniert das. Außerdem werde ich persönlich viel von klassischer und Filmmusik inspiriert. Grieg ist der „King of the hill“, wenn es heute darum geht, norwegische Volksmusik zu machen. Auch sind wir, die ganze Bande, mit 80er-Jahre-Heavy Metal aufgewachsen, das hatte zweifellos seine Wirkung über all die Jahre.

2009 spieltet ihr beim Ragnarök-Festival und auf dem Wacken Open Air. Mögt ihr lieber kleine, spezielle Festivals oder große Genremischungen wie das W:O:A?
Beides sehe ich als mit das Coolste, was wir je gemacht haben. Das betrifft das ganze Erlebnis, wenn ich an Gastfreundschaft und die Organisation denke, beide waren sehr gut darin. Bei Festivals mit weniger Genres hat eine Band wie Einherjer die Tendenz, bei der typischen Pagan/Folk-Geschichte (Korpiklaani…) zu landen, wo wir uns überhaupt nicht zu Hause fühlen. Daher ist das ganz ok, auch mal auf der gleichen Bühne wie unter anderem Testament zu spielen. Das Wichtigste ist ja nicht die Größe des Festivals, sondern ob die Leute bei der Sache sind oder nicht.

Hatten die Konzerte Einfluss auf die Idee, sich wieder zu vereinen?
Nein, die Wiedervereinigung stand schon recht lange vorher zur Diskussion, und diese Konzerte waren ein Ergebnis davon. Aber auf jeden Fall haben sie uns auf den Geschmack gebracht.

Wenn man einige Zeit raus aus der Szene ist – was, denkt ihr, sind die größten Veränderungen zwischen 2003 und 2009/2011? Ich erinnere mich, dass es nur eine einzige Viking Metal-Band (Thyrfing) auf dem W:O:A vor acht Jahren gab, nun gibt es Touren wie das „Heidenfest“.
Ich finde, es gibt große Unterschiede zwischen Old School Viking Metal und der Band mit beißender Fiedel/Flöte, Chören und Wodkaquatsch, die in letzter Zeit aufgetaucht sind. Ganz zu schweigen von diesem Piratenzeug. Für mich ist das eher DDE [ehemalige norwegische Pop Rock-Gruppe, Anm. d. Red] als Viking Metal. Nun laufe ich sicherlich Gefahr, jemandem auf den Schlips zu treten, aber ich verstehe den Kram einfach nicht. Sicherlich gibt es ehrenwerte Ausnahmen. Ich denke nicht, dass das Genre Viking Metal so viel größer geworden ist, es hat sich nur zu etwas völlig Anderem entwickelt.

Wie waren eure „stillen Jahre“? „Battered“, die Band, die ihr nach Einherjers Auflösung gegründet habt, bekam nicht gerade viel Aufmerksamkeit. Soll das Projekt weitergeführt werden?
Es war ziemlich… still. Aber es war auch ein wenig die Sache, dass wir Zeit haben wollten, etwas ganz Anderes zu machen. Thrash Metal ist schließlich der Kleber, der uns alle zusammenhält, und Battered gab mir persönlich sehr viel. Wir haben mit der Band sicherlich das Rad nicht neu erfunden, aber das tut irgendwie keine neue Thrash Metal-Band. Thrash ist per Definition fett. Wird das zu neumodisch, ist es nicht mehr fett. Daher ist New Metal auch nicht fett. Derzeit ist Battered verhältnismäßig tot. Aber man weiß ja nie.

Viele Bands nutzen das System von Auflösung und Wiedervereinigung aus PR-Gründen. Dachtet ihr schon daran, zurückzukehren, als ihr euch trenntet?
Nun, wir haben uns eigentlich nie getrennt, wir waren dieselbe Bande, die Battered gründete (plus ein paar zusätzliche Leute). Einherjer war mausetot, und wir hatten keine Pläne wiederzukommen. Aber viel Scheiße gerät in Vergessenheit in acht Jahren. Einherjer ist nichts, womit man reich wird. Nicht früher, nicht jetzt und in Zukunft nicht. Im Gegensatz zu Battered fühlen wir, dass Einherjer etwas Einzigartiges hat, auf dem man aufbauen kann, und es ist des Schöpfers Freude, der dies weiterführt. Es liegt mehr Geld in der Kasse von Rimi [norwegische Supermarktkette, Anm. d. Red.] als bei Einherjer, um es so zu sagen.

Gibt es kritische Stimmen zur Wiedervereinigung?
Nun, ist es immer schwer, alle zufrieden zu stellen. Aber wir sind glücklicherweise nie ganz in Vergessenheit geraten, und die Aufnahme war sehr gut.

Ok soweit, schließlich kommt unser obligatorisches Metal1.brainstorming. Woran denkt ihr zunächst, wenn ich sage…
2011 in Norwegen:
[nichts]
Euro:Ein Segen auf Tournee
Smartphones:Nicht so smart, wie die Leute sie gern hätten.
Viking Metal aus Südeuropa:Wusste nicht, dass es das überhaupt gibt, aber fett, dass die Leute sich engagieren.
Äpfel:Idunn
Ehe:Ansonsten danke.

Vielen Dank fürs Interview!

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