Interview mit Dirk Sauer von Edguy

Mancher mag sie für albern halten, mancher schlicht für die Könige des Melodic Metals aus Deutschland. Kennen tut sie jedenfalls jeder – die Rede ist von EDGUY. Anlässlich des Releases ihres aktuellen Albums „Space Police – Defenders Of The Crown“ telefonierten wir mit Gründungsmitglied und Gitarrist Dirk Sauer, der uns auf unsere Fragen ausführliche Antworten gab. Lest jetzt, was er zu dem aktuellen Album, seinem schrägen Titel und Coverartwork, aber auch zur langen Line-Up-Konstanz bei Edguy und den Abstimmungen mit dem Terminplan von Avantasia zu sagen hat!

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Hey Dirk, schön, dass du Zeit für uns hast. Wie ist es, hast du momentan viel Arbeit mit der Promotion?
Ach, ich habe heute schon ein paar Interviews gegeben, aber nicht allzu viel. Ich hatte also etwas von dem schönen sonnigen Tag hier. Insgesamt sind wir mittendrin in der Promo. Es ist schon viel gemacht worden, aber da kommt auch noch einiges – in zwei Wochen haben wir zum Beispiel einen Fernsehauftritt beim Boxen.
Erfahrungsgemäß: Wie lange hat man damit zu tun? Drei, vier Wochen, länger?
Ach, es geht ja weit vor dem Release los. Meist kommt der Studioreport sechs bis acht Wochen vor dem Album, die vier Wochen direkt vor dem Release sind dann aber am intensivsten, aber vorbei ist es danach auch noch nicht. Es gibt ja immer ein paar Nachzügler, wie gerade die Mainstreampresse, die interessiert sich oft erst für einen, wenn die Platte raus ist.
So wie Metal1 …
… jaja, sag ich doch, Mainstream! (lacht)

Sauer1Die neue Scheibe heißt „Space Police – Defenders Of The Crown“. Wie kommt man denn auf so einen Titel?
Das war ein komischer Zufall. Ursprünglich sollte die Platte „Defenders Of The Crown“ heißen. Darauf waren wir gekommen, weil wir diesen gleichnamigen Song hatten und alle es gut fanden, die Scheibe so zu nennen. Das haben wir dann unserer Plattenfirma mitgeteilt und die fand das auch super. Die sagten uns „Mensch, das ist super, dann ist das ja alles mit Schwertern und Burgen und Rittern, ist gekauft!“ Das war der Punkt, wo wir gesagt haben: „So, Freunde, genau das wollen wir eben nicht.“ Der Titel ist zwar monumental und episch und eindeutig Metal – er strahlt alles aus, was wir verkörpern wollten. Aber dadurch, dass schon unsere Plattenfirma das so verengt hat, haben wir uns dagegen entschieden. Die zweite Wahl fiel auf Space Police, weil der Titel auch sehr gut zu uns passt und er in Kombination mit dem Cover ziemlich einzigartig ist – welche andere Band würde noch so einen Titel nehmen? Schließlich haben wir uns dann gedacht, eigentlich können wir auch beide nehmen. Dabei ist es dann geblieben und das war eine gute Wahl, finde ich. Alleine schon, dass wir immer wieder danach gefragt werden, ist ein gutes Zeichen. (lacht)

Du hast gerade schon das Artwork angesprochen, das nicht weniger speziell ist. Wer hat das gemacht und wie viel habt ihr davon vorgegeben?
Das hat ein amerikanischer Kunstprofessor gemacht, der auch schon das von „Age Of The Joker“ gemacht hat. Wir wollten etwas comicmäßiges, das den Schmiss und den Charme der 70er, 80er Highway-Patrol-Filme wiedergibt – Thomas Magnum, Terence Hill, diese Art von Filmen und Schauspielern, die mit Coolness nicht gegeizt haben. Letzten Endes ist dann das hier daraus geworden, und das war wirklich genau das, was wir uns vorgestellt hatten. Es eckt an, klar, aber das passt zu der Scheibe und ihrer Attitüde.Edguy - Space Police - Defenders Of The Crown
Man kriegt ja überall Regeln von außen aufgezwungen. Alle sagen zwar, Rock’n’Roll ist super und alles ist frei, gerade meinungsfrei und tolerant, und gerade der Rock’n’Roll sollte der Lebensstil davon sein. Aber wenn man dann genauer hinschaut, gibt es eigentlich doch ganz viele Regeln. Wir wollten da auf niemanden hören und uns die Freiheit nehmen, ein Cover zu haben, das genau das verkörpert, was wir wollen. Und es hat doch auch alles, was ein Heavy-Metal-Cover haben muss – ein Monster und eine coole Sau, wenn auch mit Oberlippenbart und Sonnenbrille, was andere vermutlich mit Schwert und Muskeln dargestellt hätten. Aber das ist unsere Freiheit, es anders zu machen. Es ist genau richtig, wie es ist.

Wenn ich jetzt sagen würde, dass das neue Album deutlich härter und straighter klingt als noch „Age Of The Joker“, würdest du dem zustimmen?
Ja, das würde ich sofort unterschreiben.
Habt ihr das so geplant?
Nein, nicht unbedingt. Aber wir hatten „Sabre & Torch“ als ersten Song fertig und konnten dann mit der Richtung gut leben, die er eingeschlagen hat. Wir hatten doch auf dem letzten Album auch nicht versucht, anders zu sein. Der Sprung wird deshalb so stark, weil das Soundgewand auf „Age Of The Joker“ ganz anders war. Wir wollten damals weg vom „totmastern“, was alle gemacht haben, also immer lauter werden, dafür platter und weniger dynamisch. Das wollten wir auf der „Joker“ nicht. Das hat die Platte für manche aber leise klingen lassen. Ich sehe das übrigens anders, die Platte hat zwar eine geringere Grundlautstärke, aber sie hat Headroom nach oben, ist dynamischer. Bei der neuen ist es so, dass sie stärker auf die Mütze gibt und stärker wirkt als das letzte Album, aber da ist nichts, was ganz neu wäre – mit „Hellfire Club“ gingen wir 2004 in eine ganz ähnliche Richtung, und deshalb stimme ich auch zu, wenn viele Leute sagen, „Space Police“ ginge in Richtung „Hellfire Club“. Es ist aber ein typisches EDGUY-Album, genau der Sound, der die Band groß gemacht hat und was uns immer zu Gesicht stand: Geile Melodien, gute Riffs und ein paar gute Rucks.

Das ist eine gar nicht schlechte Beschreibung. Ihr habt das neue Album aber beworben als „das stärkste und härteste Album der Bandgeschichte“. Einmal angenommen, irgendjemand auf der ganzen Welt nähme Promo-Aussagen ernst: Würdest du dem noch etwas hinzufügen oder stimmt das so aus deiner Perspektive?
Naja, ob das ultimativ härteste Album aller Zeiten ist – aber es gibt schon auf die Mütze. Der Opener oder „Defenders Of The Crown“, das sind harte Songs und deshalb würde ich das so stehen lassen. Man hat natürlich auch immer nur Platz für einen Satz, und der muss dann entsprechend catchy sein.

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Recht catchy geraten, aber so gar nicht auf die Mütze ist auf jeden Fall eine Coverversion von Falcos „Rock Me Amadeus“. Wie kommt man darauf, ist das gar eine Verbeugung vor einem Vorbild?
Nee, Vorbild würde ich nicht sagen, aber Falco ist jemand, der zu recht sehr erfolgreich war und an dem wir alle in den 80ern, als wir groß geworden sind, nicht vorbeikamen, egal ob das jetzt von den Eltern oder uns selbst gehört wurde. Wir hatten da schon länger drüber nachgedacht, und auf den Touren laufen nachts öfter mal deutsche Bands in der Playlist bei uns. Der Track war ist aber abschreckend, eben weil er auf deutsch ist. Das letzte deutsche Stück, das wir gemacht haben, war „Das Reh“ (lacht), auf unserem Demo von 1996. Das war schwierig für uns. Zudem ist es eine Art von Musik, die meilenweit von unserer entfernt ist, und auch der Gesang ist sehr speziell. Der Anspruch ist also gigantisch. Wir haben es zwar probiert, aber wir waren uns in einem einig: Wenn es nicht ein gewisses Maß von Qualität erreichen wird, verschwindet es einfach in der Versenkung und keiner wird je davon erfahren. Zuerst wollten wir übrigens „Der Kommissar“ machen, aber da ging es viel um Drogen, und wir wollten nicht in ein falsches Licht gerückt werden – damit haben wir nichts zu tun, und das ist auch gut so.
Sascha Paeth hatte dann die Idee, stattdessen „Rock Me Amadeus“ zu nehmen. Ist ja für eine Rockband auch passend. Das ist uns auch gut gelungen, ich bin sehr stolz auf den Song, auch wenn es einige Leute gibt, die ihn sicher abgrundtief hassen werden. Aber der Song war schon im Original zu Recht erfolgreich, weil es einfach ein tierisches Lied ist. Die Art und Weise, wie Falco das singt – das hat Tobi genial hinbekommen.

Du hast schon Sascha erwähnt, mit dem ihr wieder zusammengearbeitet habt. Habt ihr inzwischen eine richtige Routine beim Aufnehmen von Alben?
Nee, Routine ist es nie, dann würden wir auch was falsch machen. Es ist aber besser, wenn man schon mehrere Produktionen zusammen gemacht hat. Man kennt dann die Stärken und Schwächen der anderen, weiß, wie man miteinander umzugehen hat. Ich glaube, dass die Arbeit immer fruchtbarer wird, weil man bestimmte Dinge immer weiter ausreizen kann. Man versucht immer, besser zu sein und gibt sich mehr Mühe, sodass man 120% herauskitzeln kann. Deswegen halte ich es für sehr sinnvoll, mit den selben Leuten zusammenzuarbeiten. Man kennt auch die Gegebenheiten, das Studio, Saschas Arbeitsstil, man kann dann direkt loslegen. Das war bei dieser Produktion ein großer Vorteil – man verwendet keine Zeit darauf, sich erst einmal kennenzulernen, man muss sich nicht beschnuppern, sondern man freut sich, nach langer Zeit mal wieder alle zusammen zu treffen und loszulegen. Das ist einfach eine geile Ausgangspositionen, weil man über all die Jahre ja auch eine Freundschaft aufgebaut hat. Das hilft der Sache ungemein.

Band3Ja, eure Beziehung scheint mir ohnehin bemerkenswert – jedes Mal, wenn ich auf euer Line-Up gucke, bin ich total überrascht, dass ihr das so konstant schafft.
Ja, wir sind halt immer noch dieselben. (lacht)
1998 habt ihr die Rhythmus-Fraktion einmal getauscht, aber ansonsten habt ihr 22 Jahre lang zusammen Musik gemacht, das ist doch schon außergewöhnlich.
Ja, ziemlich. Jens, Tobi und ich, wir machen das jetzt seit 22 Jahren, die anderen beiden, zu denen ich immer ganz gerne „die Neuen“ sage, sind ja auch schon seit 17, 18 Jahren dabei. Das ist sehr gut. Es ist natürlich auch wie eine lange gewachsene Ehe: eine sehr gute und tiefe Freundschaft – es kracht auch mal, das ist normal –, aber wir können da wirklich stolz drauf sein. Das ist doch eigentlich auch das, was eine Band ausmacht. Es gibt, wie du schon festgestellt hast, nur wenige andere Bands, bei denen das so ist. Ich hoffe, wir schaffen das auch noch drei weitere Dekaden. Das würde ich mir wünschen. Es ist einfach eine ganz tolle Konstellation und ich bin sehr zufrieden. Das macht Spaß. Man muss jetzt nicht auch noch jede freie private Minuten miteinander verbringen, wir haben ja schon durch das Studio und die Tour sehr viel Zeit miteinander – nicht selten mehr Zeit als mit den jeweiligen Partnern. (lacht) Das macht übrigens auch die künstlerische Arbeit sehr viel leichter. Man weiß, wie die anderen ticken und wie sie auf bestimmte Dinge reagieren. Es ist schön, dass wir schon so lange zusammen Musik zusammen machen dürfen, und das schweißt einfach zusammen. Für Allüren oder so etwas ist da übrigens gar kein Platz, dafür hat die Musik und das Zusammensein einen zu großen Stellenwert.

Ist es denn mal ein Problem gewesen, dass Tobias noch so viel mit Avantasia macht? Ich meine, für euch bedeutet das – hart formuliert – doch auch immer eine Art Verdienstausfall.
Ach, das kann man so sagen, muss man aber nicht. Er platziert das immer so, dass es mit EDGUY nicht kollidiert. Bei der letzten Veröffentlichung war es so, dass wir 2011 und 2012 wirklich viel getourt sind und Mitte 2012 war uns klar, dass wir nach der Deep-Purple-Tour Ende 2012 wirklich eine Pause brauchen. Ich glaube, es kommt dann auch der Punkt, an dem man als Band so überpräsent ist, dass einen keiner mehr sehen will. Wir hatten das in der Vergangenheit gut vermeiden können, aber wir waren 2011/12 wirklich viel unterwegs. So haben wir eigentlich bei jedem wichtigen Festival 2012 gespielt, waren im selben Jahr in Südamerika und das war wirklich viel. Deswegen war es dann auch gut, mal diese Pause zu machen, um Batterien aufzuladen.
Tobias hat dann ja [mit Avantasia] eigentlich gar nicht so viel gemacht, wenn man es runterbricht, war es eine Tour mit 24 Shows oder so, mehr wird es nicht gewesen sein. Auch beim Songwriting, damit fing er ja schon 2012 an, das hat er auch gemacht, als wir mit Edguy unterwegs waren. Dazu kommt dann ja noch, dass Sascha sein Kompagnon ist und die beiden entsprechend viel auch zu zweit bei ihm im Studio machen können, ohne großen Aufwand – da geht also auch viel nebenbei zu machen. Wobei: (lacht) nebenbei, das soll jetzt nicht abwertend klingen, das ist schon eine geile Kooperation, die die beiden da haben.
Also von der Seite her keine Bedenken.
Nee. Weißt du, ich habe gerade von jemandem ein Zitat gelesen, wo er sich fragt, ob sich die beiden Bands nicht sehr im Weg stehen. Ich glaube, dass zwar immer der Vergleich zwischen beiden da ist, dass es auf der einen Seite aber Avantasia nicht ohne EDGUY gäbe und dass auf der anderen Seite Avantasia heute auch Leute hellhörig auf EDGUY machen, die uns sonst vielleicht gar nicht angefasst hätten, wie Fans von Alice Cooper oder Bruce Kulick, oder auch von Leuten wie Michael Kiske, die wiederauferstanden sind und wieder Teil der Szene sind.
Ich kannte auch erst Avantasia und dann EDGUY.
Echt? Gut, siehste.

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Ihr geht dann im September mit EDGUY auf Tour. Im Vorfeld gab es noch eine etwas kryptische Ankündigung für die Tour, von wegen einer Kooperation mit der NASA – könnt ihr darüber schon etwas verraten?
Nee, wir sind noch mittendrin in der Planung. Wir versuchen jedes Mal, wenn wir auf Tour gehen, etwas Besonderes zu machen. Das unterscheidet uns auch von manchen anderen Bands. Sei das der riesige Gargoyle auf der Hellfire-Tour, sei es der Lift auf der letzten Tour, das war ja auch schon was Spezielles. Wir sind da jetzt aber noch in der Planung, die Tourdaten stehen, wir schauen, was wir machen können. Da gibt es immer so viel zu berücksichtigen. Seid euch aber sicher, EDGUY werden weder Kosten noch Mühen scheuen!

Dann freuen wir uns schon mal. Meine letzte Frage wirkt dann sehr prophetisch: 2017 gibt es das 25-jährige Jubiläum – was wird uns da erwarten?
Ich glaube, ganz ehrlich, das werden wir nicht besonders begehen. Das Problem bei solchen Jubiläen ist doch immer, dass man dann merkt, wie alt man eigentlich schon ist. Wir sind natürlich sehr stolz, dass es uns schon so lange gibt – mit einem 25-jährigen Bandjubiläum ist man doch wirklich schon ganz schön alt. Ich meine, zwei von uns sind jetzt schon jenseits der 40, die anderen schaffen bis dahin geradeso die 40 – ich meine, 40 ist ja nicht alt, das ist schon völlig okay, aber ich glaube nicht, dass wir deshalb etwas Besonderes machen.
Wir werden dann eher so eine Sache machen wie „Wir werden 25 Jahre und 7/8“ oder so etwas. Wir hatten das schon einmal, damals wurden wir acht Jahre und was weiß ich wie viele Monate. Aber da gibt es jetzt keine konkreten Pläne. Man muss nicht immer einen konkreten Plan in der Schublade haben.

Gut, dann lassen wir uns einfach überraschen! Vielen Dank für das Interview.

 

Alle Fotos: © Alex Kuehr. 

Publiziert am von Marc Lengowski

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