Interview mit Vicotnik von Dødheimsgard

Nach acht Jahren Abstinenz melden sich DØDHEIMSGARD mit neuer Besetzung, aber weiterhin Bandgründer Vicotnik zurück. Mit uns sprach er über das neue Album „Supervillain Outcast“ und den musikalischen Wandel.

Die Resonanz, die ich bisher mitbekam, fällt durchweg positiv aus. Überrascht oder einfach nur schön für euch?
Ich kann nicht sagen, dass ich es erwartet habe, denn ich habe es nicht. Du weißt, wir haben den Sänger ausgetauscht und unseren Sound wieder mal geändert. Ich machte mich sehr schnell von jeglichen Gedanken bezüglich der Erwartungen frei, da es der einzige Weg war um nicht „mindfucked“ zu werden. Die Reaktionen waren überwältigend. Ich dachte, „Supervillain“ würde niemals „666“ in den Kritiken schlagen, aber es geschah in wenigen Wochen.

Auf meinem Infoblatt steht Avantgarde Black Metal. Würdest du das so absegnen oder eure Musik anders einstufen wollen?
Es ist okay für mich, egal wie die Leute unsere Musik kategorisieren. Es liegt außerhalb meines Bereiches. Ich stufe DHG als Black Metal ein, eindeutig und simpel.
Ich denke, Black Metal ist mehr eine mentale Sache als eine akustische. Früher war es wichtig, deinen eigenen Sound zu haben um Black Metal zu sein. Wenn du zurück in die frühen 90er reist, siehst du, dass all die Bands, welche diese Ära ausmachen, ihren eigenen Sound hatten. Ich schulde alles, was ich in dieser Szene besitze dem Black Metal. Es ist durch meinen Namen und den Ausdruck. Ich bin loyal gegenüber den Dingen, die mich als Künstler ausmachen. Ich sage nicht, dass ich niemals etwas anderes als BM machen werde, aber ich sage, dass DHG immer BM spielen werden.
Black Metal hat nichts mit unterproduziertem, schlecht ausgeführtem und verräterischem Nonsens zu tun. Wie ich sagte, ich sehe das als mentale Sache an; wo du mental bist, was dein Geistesgehalt ist und ob du ein Verbindungsgefühl zum Black Metal besitzt.

Kennst du „Armada“ von Keep of Kalessin? Kannst du dir vorstellen, „Supervillain Outcast“ damit hinsichtlich der musikalischen Entwicklung zu vergleichen?
Ich mag das Album wirklich. Ich sehe, was du meinst und kann dir generell zustimmen, wenn es um Tempowechsel und Songstrukturen geht. Ausser diesen Punkten haben wir jedoch nichts gemeinsam, denke ich. Weder musikalisch noch konzeptionell.
Ihr Konzept hat keine Relevanz für mich…über eine Fantasiewelt zu singen, welche mich an Rollenspiele erinnert. Die DHG-Fantasiewelt ist direkt mit der richtigen Welt verknüpft. Wir nutzten das Helden/Verbrecher-Thema, um gewisse Aspekte des menschlichen Inhaltes, der Funktionen und des Verhaltens herauszustellen. Es geht außerdem um eine duale Dynamik zwischen zwei Kontrastpunkten. Balance und Unbalance, Ordnung und Chaos, sie definieren sich gegenseitig und sind notwendige Dinge in der Evolution. Aber ich mag das Album („Armada“), sehr intelligent handgefertigt.

Was will uns der Albentitel (auf Deutsch: ausgestoßener Superschurke) mitteilen?
Es geht um das Erkennen mechanischer, gesichtsloser Strukturen, emanzipiere dich selbst von ihnen. Erreiche einen einsamen, dunklen Platz in dir selbst und redefiniere all diese Sachen. In diesem Prozess findest du deine Geistesinhalte und erreichst ein größeres Sein. Wenn wir „Supervillain Outcast“ im biblischen Sinne übersetzen meint es Satan. Geschichtsweise hinterfragte Luzifer seine Umgebung und nahm die Rolle als Ausgesetzter an. In seinem eigenen Königreich erfüllte er seine selbst auserwählte Prophezeiung und erreichte die äußersten Geistesinhalte.
Es geht um festgelegte Grenzen. Es geht um das Verbotene und verbrecherische Beziehungen. Sprenge deine eigenen Grenzen, finde die Evolution, die auf der anderen Seite stattfindet.

Viele Leute sagten mir, dass euer neues Cover irgendwie wie das einer Metalcore-Bands aussieht, was meinst du dazu?
So habe ich das noch nicht gesehen. Die Intention war, dass es wie ein Cover von einem Comicbuch aussehen sollte. Du weißt, wie Spiderman, X-Men etc. Nur ein wenig dunkler. Eben eine schäbigere Welt. Ich bin aber dennoch nicht darüber beunruhigt, dass einige Leute denken, es sähe aus wie Metalcore-Langeweile.

Wie kommts, dass man sich auf dem Infoblatt mit Worten wie „Mongo“, „vile“ et cetera schmückt?
Ich schrieb solche Sachen, weil sie der Band entsprechen. Es geht um das Elend deiner eigenen Person. Um die dunklen, geheimen Plätze in uns. Wo Verlangen, über die wir nicht sprechen, wohnen. Jeder hat eine soziale Persönlichkeit und eine, wenn er alleine ist. Ich finde es einfach nutzlos die Möglichkeit zu haben, mich auszudrücken und nichts zu sagen. Deshalb ist DHG wie der Ausdruck einer Reflektion. Weil ich mit meiner Mutter über das Wetter reden kann, kann ich eher die DHG-Inhalte mit interessanteren Dingen füllen.

Ihr baut in die Musik zahlreiche ungewöhnliche Klänge ein und gebt der Musik damit etwas Fremdartiges. War das auch die Intention?
Ja, die Klänge sind da, um die Musik zu verdichten. Um den „state of mind“ in der Musik in eine gewisse Richtung zu lenken. Es dreht sich alles darum, die Musik zu vertiefen, um mehr Ebenen zu erhalten und dafür mehr zu kontrollieren und enthalten. Ich mag es, mit Klängen zu spielen, du kannst tatsächlich die Atmosphäre damit manipulieren.

Wieso eigentlich dieser drastische musikalische Wandel?
Nun, alle unsere Alben unterscheiden sich voneinander. Ich mag die Ansicht, dass man die Evolution des hörbaren Levels immer weiter vorantreibt und außerdem die menschliche Entwicklung als zentrales Thema inhaltsweise nutzt.
Was mir noch wichtig ist, dass ich alle meine Produkte mit dem angemessenen Respekt behandle. Ich möchte, dass sie alle auf ihre Weise Unikate sind. Also mache ich ein gewisses Album zu dieser bestimmten Zeit und fahre fort, ich garantiere ihre Wahrhaftigkeit zueinander. Es ist außerdem eine große Herausforderung, deinen Sound mit jedem Release zu redefinieren. Das ist für mich als Künstler sehr wichtig.
Zuletzt: Solange ich es auf meine Weise mache, mache ich die Sache aus den richtigen Gründen. Das ist für mich und die Musik bedeutsam. Nicht, welche Erwartungen sein könnten oder aus Verkaufssicht gesehen etc.

Nun sagt das Infoblatt ebenfalls, dass „Supervillain Outcast“ eine Metamorphose aller eurer bisherigen Werke sei. Kannst du das bitte etwas genauer aufschlüsseln? Also was „Supervillain Outcast“ von jedem Album hat?
Ich denke es ist nicht schwierig zu verstehen, wenn man all unsre Alben gehört hat. Es war eine gewissenhafte Entscheidung von mir, gewisse Elemente von jedem Album einzubauen. Ob es für jedermann hörbar ist oder nicht, ist ein anderer Punkt. Es ist nur relevant, dass ich genau dies tat.

Kommen wir zu einzelnen Tracks.
„Dushman“ klingt sehr orientalisch und ich fand einen gleichnamigen indischen Film aus dem Jahre 1998. Besteht da ein Zusammenhang?
Nun, ich bin zur Hälfte Inder. Ich möchte mich selber in der Musik reflektieren, also findet man hier und da immer ein wenig Ostzeugs. Meine beiden Kulturen sind sehr wichtig für mich.

Nun vernimmt man beispielsweise bei „Secret Identity“ (zu Deutsch: die ekelhaften Verbrecher) glockenklaren Kanongesang. Wie kam es zu solchen Ideen und was sollen diese bezwecken?
„Secret Identity“ ist ein gesangliches Interludium, insofern muss diese Frage vom Vokalisten beantwortet werden. Die Gründe sind jedoch nicht immer bestimmt. Du kannst Dinge wie dies benutzen, um eine bestimmte Atmosphäre zu erschaffen. Die Sache ist die, dass du mit vielerlei Musik den Verstand verführen und leiten kannst.

Die Tracks, welche vom Titel her schon verbrecherisch und sagen wir mal „Böse“ klingen, sind auch entsprechend hart umgesetzt. Also insgesamt ein Konzeptalbum?
Das steckt ein loses Konzept dahinter. Nichts bestimmtes, was imposant sein soll, mehr wie ein generelles Thema mit verschiedenen Hintergründen und Sichtweisen.
Ich versuchte, das Album so organisch wie das Leben selbst zu gestalten. In diesem Sinne verfolgte das Album die Absicht, Größe und Selbstrealisierung anzustreben. Genaue wie Niedergang und Staub. Eine wichtige Sache ist, dass neben dem ganzen Durcheinander etwas wirklich Vitales und Erkennbares in der ganzen Qual steckt. Die eigene Prophezeiung erfüllen, alle Möglichkeiten zu erfassen.

Ihr sprecht von einem „21st Century Devil“, muss sich das Böse weiterentwickeln und mit der Zeit gehen?
Amüsante Interpretation. Ich denke, es ist eher persönlich gemeint. Ich glaube nicht an das Böse, es ist bloß ein dummer Ausdruck, damit wir das, was wir nicht verstehen oder absolut nicht mögen, nicht definieren müssen. Das Wort „evil“ ist einseitig und kann daher nicht funktionieren. „21st Century Devil“ kann vieles bedeuten, ein Teufel im Bezug auf deine Zeit, als Gegensatz zum Strom deiner Zeit. Als Ausdruck der unangenehmen Fragen, deinen Verstand kontrollierend. Wenn wir geboren werden, werden wir in Strukturen hineingeboren. Du kannst dein ganzes Leben leben, ohne wirklich irgendeine Entscheidung getroffen zu haben. Ich mag es, mich von dieser gesichtslosen Maschinerie abzugrenzen und vielleicht wahre Substanz zu finden. Worte sind auch sehr interessant, denn, falls du ihnen entsprechend nicht lebst, sind sie bedeutungslos. Die Einheit, oder für viele Leute ist es ja der Gegensatz der Worte und der Aktion, ist das, was deinen Charakter wirklich auf die Probe stellt.

Dabei drängt sich ja auch die Vermutung auf, Black Metal müsse dies auch tun und sich der Zeit anpassen. Vielleicht, falls du das so stehen lassen würdest, so wie ihr?
Du meinst Fortschritt. Ja, natürlich, aber nicht als einzelnes Ding. Das Gros wird immer das Gewöhnliche sein aber einige wenige werden den Fortschritt ausmachen. So ist es überall. Das Gute an einer Sache, die Grenzen sprengt ist, dass sie niemals zu dem Punkt zurückkommt, an dem sie Grenzen sprengte. Ich sage nicht, dass Fortschritt immer gut ist, er ist aber notwendig, da er mit unserer Natur verbunden ist. Es geht um die Verwandtschaft zwischen Ordnung und Chaos.

Gibt es einen Grund, warum am Ende von „21st Century Devil“ noch mal „Cellar Door“ zu hören ist?
Es war eine produktionstechnische Entscheidung von mir, zumal es nur ein Teil von „Cellar Door“ ist. Aber wie du hören kannst, sind sie auch am Anfang miteinander verflochten. Ich mag das Gefühl am Ende, es hinterlässt in mir ein umfangreiches Gefühl der Leere. Es ist wie ein Raum, wo etwas sehr relevantes oder schreckliches passierte und nur Staub zurückbleibt. Es ist eine Art bedeutungsvolle Leere.

Gut, kommen wir wieder zu anderen Themen zurück.
Was passierte in den vergangenen acht Jahren bei Dodheimsgard?
So einiges. Proben, kommende und gehende Mitglieder, viele technische Probleme und das Leben. Wir waren seit 2003 im Studio, weil aber zu dieser Zeit die Hälfte der Leute die Band verliess, mussten wir Ersatz dafür finden. Letztendlich bin ich aber glücklich mit dem Gang der Dinge. In diesen acht Jahren hinterließen wir uns selbst ein großes Erbe.

Du hast ja genügend Nebenprojekte wie Code oder das doch mehr bekannte Ved Buens Ende. Wie teilt sich denn nun die Arbeit auf, jetzt wo Dodheimsgard wieder aktiv ist?
Code beansprucht alle zwei Jahre drei Monate, also nicht sehr zeitaufwendig. Ved Buens Ende ist tot, es beansprucht also auch nicht sehr viel Zeit.

Ved Buens Ende veröffentlicht ja auch bald ein Album, ebenfalls nach einer langen Zeit der Stille. Erst einmal: Zwei neue Werke von neu reaktivierten Bands zur selben Zeit, ist das nicht total anstrengend für dich und ist es Zufall, dass gerade diese beiden Bands zur selben Zeit wieder zusammenfinden und beide unter deiner Beteiligung?
Nein, wir arbeiten an keinem neuen Album für Ved Buens Ende. Einiges vom neuen Material wird man auf dem neuen „Virus“-Album finden, anderes auf dem nächsten Werk von DHG.

Nun ist ausser dir und Czral keiner mehr von der letzten Besatzung übrig. Wie kam es zu der totalen Neubesetzung?
Ganz natürlich. Menschen werden älter und Prioritäten ändern sich. Wir haben auf jedem Album die Besetzung geändert, also denke ich, ist es ganz normal für DHG. Auf der anderen Seite scheint das momentane Line-Up aber sehr stabil zu sein, ich bin sicher, es wird eine Weile so bestehen bleiben.

Kannst du uns ein wenig über die Neulinge berichten?
Als ich neue Leute suchte, wollte ich welche, die auch andere Dinge neben dem Spielen draufhaben. Thrawn ist ein Mastering-Techniker, er hat vermutlich mehr Metal gemastert als irgendwer sonst in Norwegen. Kvohst ist Grafikdesigner und Sänger, Clandestine besitzt ebenso Fähigkeiten im Bereich Mastering. Jormundgand und Darn sind frisch und unverdorben.

Zuletzt noch eine etwas prekäre Frage:
Kommen wir mal zu dem Vorfall, dass Carl-Michael Eide aus einem Fenster fiel und sich dabei schwer verletzte. Kannst du uns sagen, was dort genau vorfiel?

Das ist seine Sache; ich wünsche nicht, seine persönlichen Dinge in den Medien herumzuerzählen. Frage ihn einfach; ich bin sicher, er wird entgegenkommen sein.

Das war es schon, ich bedanke mich!
Danke für dein Interesse.

Geschrieben am von Metal1.info

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