Im Rahmen der Europe Burns Tour hatte unsere Redakturin Nina die Chance, ein kleines Gespräch mit DISMEMBER-Gitarrist Martin vor ihrem Gig im Stuttgarter LKA Longhorn zu führen. Man versucht hier, Missverständnisse aus der Welt zu schaffen und ein wenig über das kommende Album der selbsternannten „AC/DC des Death Metals“ zu erfahren. Nichtsdestotrotz weiß man jetzt jedoch auch, dass DISMEMBER gerne Spaß haben – und Veränderungen nicht allzu gut heißen…
Hallo Martin. Zuallererst einmal Dankeschön für deine Zeit und für dieses Interview. Wie geht es dir gerade?
Gut! Ich habe einen kleinen Kater, aber ansonsten geht’s mir gut.
Ihr habt gerade etwa die Hälfte der Europe Burns Tour mit HATESPHERE, FALL OF SERENITY und LAY DOWN ROTTEN hinter euch. Hättest du eine kurze Zusammenfassung für uns?
Es hat Spaß gemacht! Wir haben eine wirklich tolle Crew und auch viel Spaß gehabt. Auch hatten wir einige großartige Shows, wie zum Beispiel gestern. Gestern hatten wir eine wirklich tolle Show.
In Essen?
Ja, das hat richtig Spaß gemacht. Und Hamburg war auch wirklich gut.
Am 14. März erscheint euer selbstbetitelter neuer Longplayer bei uns in Deutschland. Bist du mit dem Endprodukt zufrieden?
Absolut! Wir sind wirklich sehr zufrieden, sowohl mit dem Songwriting als auch der Produktion selbst. Aber die Platte ist nicht „selbstbetitelt“. Wir haben sie überhaupt nicht benannt. Jeder geht davon aus, dass sie „Dismember“ heißt, doch eigentlich haben wir ihr überhaupt keinen Namen gegeben…
Oh, gut zu wissen…
Ja. Aber wir sind wirklich sehr erfreut über das gesamte Album!
Was ist denn kennzeichnend daran? Wie würdest du es beschreiben?
Es ist einfach typisch DISMEMBER! Vielleicht ein wenig langsamer als die letzte Scheibe, ein paar mehr Mid-Tempo-Songs und eine rauere Produktion. Wir haben sogar altes, eigentlich wegwerfbares Material verwendet und es analog auf alten Kassettenrekordern aufgenommen.
Das kommende Album ist das erste ohne Fred Estby hinter den Trommeln. Hat sich dadurch etwas innerhalb der Band oder bei der Musik geändert?
Nein, ganz und gar nicht, aber natürlich ist es ohne Fred etwas anderes, da er für DISMEMBER wirklich einen riesigen Einsatz gebracht hat. Er hat einen großen Teil des Geschäftlichen geregelt sowie viele der Lyrics, Riffs und allem möglichen gemacht. Er hat wirklich viel geleistet, weshalb es natürlich etwas ganz anderes mit einem neuen Mitglied ist – aber ich denke Thomas ist ein wirklich guter Drummer und ein netter Typ und passt perfekt in die Band! Er spielt auch drumtechnisch auf die richtige Art; Kein neues „Klicke-di-Klack“-Zeug, weshalb er wie gesagt wirklich gut in die Band passt. (lacht)
Ihr wart in den B.A.S. Studios bei Nico Elgstrand, der unter anderem für seine Arbeit mit ENTOMBED und MERCILESS bekannt ist. Wie war die Arbeit mit ihm?
Wirklich großartig. Er ist ein guter Freund von uns und wir haben schon vor einigen Jahren mit ihm darüber gesprochen, ob er nicht einmal ein DISMEMBER-Album produzieren will. Daher hat es wirklich Spaß gemacht. Wir haben nur gelacht und gespielt und es war einfach richtig cool. Es war auch schön ein paar neue Ohren bei der Produktion dabei zu haben und er wusste auch, dass die einzige Sache, dir wir ihm vorschrieben, war, dass er freie Hand hatte… Es sollte sich zwar wie DISMEMBER anhören, aber wenn er den Sound sogar noch rauer hinbekommt, wären wir natürlich auch noch mit dabei. Wie ich schon sagte: Wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit.
Ich hatte ursprünglich vor, dir jetzt eine Frage zum Albumtitel zu stellen, doch die ändere ich jetzt ein wenig um: Warum gibt es keinen Titel?
Wir glaubten einfach nicht, dass das Album einen braucht. Als wir über den Namen diskutierten dachten wir zuerst daran einfach einen Track herauszunehmen und diesen als Titel zu setzen, aber dann dachten wir nur „Scheiß drauf! Lass uns das Album einfach ohne einen Namen veröffentlichen“! Wir haben dadurch aber auch schon vermutet, dass jeder die Scheibe „Dismember“ nennen würde, auch wegen des Artworks und des Covers.
Das Wort „Death“ kommt in insgesamt 3 Songtiteln vor. Wollt ihr damit eure Leidenschaft für den Death Metal aussprechen oder eure momentane Stimmung ausdrücken?
Ehrlich gesagt habe ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Sowas kommt nun einmal einfach vor… Aber ja, der erste Track des Albums handelt in der Tat von Death Metal. Death Conquers All!
Handelt der Song „The Hills Have Eyes“ vom gleichnamigen Film von Wes Craven?
Nein, überhaupt nicht. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal in Sarajewo, im ehemaligen Jugoslawien, gespielt. Wir waren für eine Show dort und haben mit unseren Promotoren gesprochen. Ich habe die Stadt gesehen, die durch den Krieg immer noch sehr zerstört ist. Wir haben auch mit den Ortsansässigen geredet, die dort in Sarajewo während der Belagerung gelebt haben; es gibt dort einen Ort namens „Sniper Alley“, wo die Scharfschützen oben in den Bergen lauerten und von wo aus sie auch herunterschossen. Und darum heißt der Song „The Hills have eyes“; aufgrund der Heckenschützen.
DISMEMBER sind ihrem Stil immer treu geblieben. Fans sind der Meinung, dass ihr mit dem neuen Album wieder einmal „nichts neues“ auf den Markt werft, doch dass sie eben genau das gut heißen. Man will einfach nichts Neues oder Innovatives von euch hören. Hättest du dir eine Entwicklung eurer Anhänger in eine andere Richtung gewünscht?
Nein, natürlich mögen wir das so, sonst wären wir ja nicht dabei geblieben. Einige Leute meinen darum, wir sind die „AC/DC des Death Metal“. (lacht) Aber so mögen wir es eben… Sollen die anderen Bands machen was sie wollen, wir bleiben bei unserer Sache.
Eure Kritiker nehmen das jedoch auf, und sagen, dass Teile eures neuen Albums dadurch monoton und langweilig wirken.
Dann kauf eben etwas anderes! (lacht)
Nach den eher sehr dynamischen und bunten Alben-Cover der letzten Jahre habt ihr euch nun für ein eher ruhiges, harmonischeres und schlichteres Design entschieden. Was hat euch dazu veranlasst?
Ich glaube es war dreimal der Fall, dass Dan Seagrave (Der unter anderem auch für Coverdesigns von SUFFOCATION, MORBID ANGEL, PESTILENCE und BENEDICTION zuständig war, Anm. d. Red.) für unsere Cover zuständig war und wir wollten dieses mal einfach etwas anderes machen. Als wir durch Australien tourten haben wir dann einen Typ namens Crane getroffen, einen Airbrush-Künstler. Er kam zu unsererm Konzert in Melbourne und brachte unter anderem sein Portfolio mit. Er hatte auch eine wirklich coole Gitarre dabei, die er für Tray und MORBID ANGEL gemacht hatte, mit einem „Altars Of Madness“-Airbrush. Wirklich cool… Wir blieben in Kontakt und riefen ihn dann einfach wegen des neuen Albums an um ihn zu fragen, ob er dafür etwas machen würde – und er hat sofort begeistert zugesagt! Wir sagten ihm nur, dass wir eine Mischung zwischen „1916“ von MOTÖRHEAD und „Strong Arm Of the Law“ von SAXON wollen und dass er sonst freie Hand hat. Dann brachte er einen Vorschlag mit und so ist es eben passiert…
Achtung, Jetzt kommt eine typische Frauenfrage: Ihr singt über Gore, Death, War and Hate. Aber was denkst du, sind die guten Seiten des Lebens?
Bier! (lacht) Weißt du, wir sind nur ein paar fröhliche Jungs, die Metal spielen. Die Lyrics sind zwar so, wir sprechen schließlich von Death Metal, aber… (Pause) Ich bleibe bei „Bier“. (lacht)
Matti hat einmal ausgesagt, dass „Where Ironcrosses Grow“ euer bestes Album ist. Welcher Meinung bist du in dieser Hinsicht nach den letztjährigen Veröffentlichungen?
Meine persönlichem Favoriten sind „Indecent and Obscene“ und die letzte, die neue, und, ich denke, „Death Metal“. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, es ist wirklich schwer zu sagen… Jeder hat seine eigenen Lieblinge und sicherlich hat Matti das damals als er das sagte auch so gemeint. Es ist wirklich schwer.
Werden Matti and David der Band auch in Zukunft treu bleiben? Schließlich sind sie schon seit den Anfangstagen um das Jahr 1990 mit von der Partie.
Ja, absolut. Und eigentlich ist auch Fred gar nicht ausgestiegen weil er nicht mehr spielen wollte. Eigentlich kann man sagen, dass er überhaupt nicht aufgegeben hat; er konnte einfach nicht mehr touren. Wir hatten eine größere Unterhaltung und er meinte, dass er nicht mehr mit auf Tour gehen kann. Nur verdienen wir uns damit unseren Lebensunterhalt, demnach müssen wir touren. Er sagte nur „Ich weiß, dass ihr weiter auf Tour gehen wollt, also breche ich ab“. Er wollte also eigentlich weiterhin dabei sein, konnte aber wegen seiner drei Kinder einfach nicht mehr mit auf Tour…
Auch wenn ihr zu den Größen des Death Metal Genre zählt, hast du sicherlich auch einige Idole, denen ihr in jungen Jahren -oder auch jetzt noch- nacheifern wolltet. Kannst du uns eine Person oder eine Band nennen, die euch sehr beeinflusst hat?
Den größten Einfluss auf DISMEMBER haben AUTOPSY. „Mental Funeral“ ist sozusagen die „Riff Bibel“ für DISMEMBER. (lacht). Und natürlich die ganzen alten Heavy Metal Bands wie Maiden, Priest und so weiter…
…Also kein Punk, was der Fall bei vielen anderen Old School Death Metal Bands ist?
Du lieber Gott, nein!
Was hältst du als eingefleischter Deather von heidnischen Pagan Metal Bands, die sich diese Tage doch einiger Beliebtheit erfreuen? Unterstützt du ihre Ansichten gegen die christliche Religion?
Meinst du diese Typen in den Wäldern mit den Äxten? (laughs) Ich bin mir nicht sicher, ich glaube ich denke nicht allzu viel darüber nach… Es ist ihre Sache und ich mache mir darüber keine Gedanken.
Du hast also nichts gegen sie?
Nein, absolut nicht.
Ihr spielt heute in einer eher mittelgroßen Location. Hast du in den letzten Jahren einen Unterschied zwischen Gigs in kleinen Hallen und auf größeren Festivals festgestellt? Und wenn ja, welche Atmosphäre bzw. welches Publikum bevorzugst du?
Ich finde, die besten Shows sind diejenigen mit fünf-, sechs-, siebenhundert Leuten – falls es voll ist. Das macht um einiges mehr Spaß als vor Zehntausenden oder so zu spielen. In dem Fall fühlt es sich nämlich an, als würdest du sowieso nur proben! (lacht) Aber ja, das ist so in etwa das Ideal.
In Amerika toben gerade die Präsidentschaftsvorwahlen. Unterstützt du die demokratische oder die republikanische Seite?
(In diesem Moment kommt David, der zweite Gitarrist, in den Tourbus und beide fangen an zu lachen)
Mir ist die Wahl egal! (lacht)
Du bist also unpolitisch?
Ja. Und wir lachen auch nicht über deine Frage, sondern weil wir in solchen Dingen einfach total beschissen sind! Weißt du, uns kümmert das einfach nicht… (lacht)
Nightwish haben als Metalband gerade mit dem Echo einen „Kommerzpreis“ gewonnen. Natürlich spalten sich an dieser Stelle die Meinungen. Was hältst du davon, mit Metal einen kommerziellen Preis zu gewinnen? Normalerweise wäre das ja recht widersprüchlich.
Nun, Nightwish sind kommerziell. Haben sie nicht Millionen Alben verkauft? Wo ist das Problem, ich meine, es ist schön, dass sie so viele Platten verkaufen, es ist schön für sie. (In diesem Moment ruft David: „Too bad they sucked!“, woraufhin Martin ihm lachend Recht gibt) Eigentlich ist es mir egal: Wenn sie Millionen Alben verkaufen und Preise gewinnen dann freue ich mich für sie.
Ihr habt im letzten Jahr auf der Masters of Death Tour mit einigen größeren Death Metal Acts einige Konzerte in Europa absolviert. Welche positiven oder negativen Eindrücke hast du behalten?
Nur positive! Es war eine der lustigsten Touren, auf denen wir je waren! Es hat wirklich Spaß gemacht, wie im Ferienlager im Sommer; Zwanzig Freunde am lachen, den gesamten Weg durch Europa. Es war wirklich toll und wir hatten großartige Shows. Du hast auch gemerkt, dass auch die Zuschauer das Paket genossen haben. Gute Tour.
Dismember ist nun schon seit etwa 20 Jahren im Geschäft. Ist es heute anders, auf der Bühne zu stehen als damals? Hat sich euer Publikum in diesen zwei Jahrzehnten verändert?
(Hier reicht Martin nach einer kurzen Denkpause das Diktiergerät an David weiter, der immer noch am Tisch daneben sitzt. David ist nicht erst seit 3 Jahren, sondern schon seit Anfangstagen dabei, Anm. d. Red.)
David: Oh, ich weiß das auch nicht so genau… Es gibt keinen allzu großen Unterschied. Eigentlich ist es sogar genau dasselbe… Vielleicht machen wir heutzutage ein paar Späße mehr auf der Bühne, solche Nonsens-Sachen…
Es ist nicht selbstverständlich, dass Extrem Metal Bands, die so Genre-beeinflussende und -definierende Platten Ende der 80er und Anfang der 90er machten, heute noch genau so gute Alben veröffentlichen. Viele geben ihren Old School Stil auf, um angepasster und damit erfolgreicher zu sein. Wieso ist das bei euch nicht der Fall?
Wir wollen überhaupt nicht erfolgreich sein! (lacht) Nein, ich mache nur Witze… Wie ich vorher schon einmal erwähnte: Wir tun was wir tun und wir werden uns auch nicht ändern. So ist DISMEMBER eben. Das Verändern überlassen wir den anderen Bands.
Nach diesem schönen Schlusswort nun zu guter letzt unser obligatorisches Metal1.info-Brainstorming:
Black Metal: (lacht laut auf) …Ich glaube du kannst einfach das Lachen nehmen. (lacht)
Wacken Open Air: (Längere Pause) Das ist wirklich schwer… Du musst mir helfen, David!
David: ich denke, dass das Festival zu groß wird…
Frühling: Schön. Warm.
Saw IV: Mir haben die ersten zwei gefallen, aber ich war dann sehr verärgert über den dritten Teil. Ich werde mir Saw IV demnach nicht ansehen.
Deutsches Bier: Wirklich gut! Warsteiner und Bitburger.
Amerika: (macht Kotzgeräusch)
Religion: (macht Kotzgeräusch)
Chartmusik: Nocheinmal „(Kotzgeräusch)“! (lacht)
Döner Kebab: Großartiges Essen! Richtiges Tour-Essen.
„Schweinebraten“? Vielleicht kenne ich es, aber gerade sagt mir das nichts…
Martin, vielen Dank für deine Zeit und das Beantworten der Fragen. Viel Glück in der Zukunft und vor allem mit dem neuen Album!
Ich danke dir vielmals!