Interview mit Schmier von Destruction

DESTRUCTION zählen zu den großen Konstanten in der deutschen Metal-Landschaft: Mit Schmier in der Verantwortung haben die Thrasher ihre Fans kaum mal länger als drei Jahre auf ein neues Album warten lassen – und das seit nunmehr 40 Jahren. Mit „Birth Of Malice“ erscheint das nunmehr zweite Album in der aktuellen, vierköpfigen Besetzung. Im Interview sprachen wir mit Kapitän Schmier über die Entstehung des Albums, den schweren Stand des Thrash Metal in der Szene und German Angst.

Destruction Logo

Hallo Schmier, wie geht’s, wie steht’s?
Gut, gut. Ich kann nicht klagen. Das hier lenkt ein bisschen ab vom Zeitgeschehen, wobei alle gerade trotzdem wieder politische Fragen stellen. Da sind unsere Texte auch einfach zu politisch.

Ich wollt’s grade sagen, da kommst du vermutlich nicht aus. Aber es gibt Schlimmeres, denke ich. Ihr habt im Jahr 2023 euer 40-jähriges Bestehen gefeiert und auf dem neuen Album, „Birth Of Malice“, ist ja auch ein selbst-betitelter Song, der das so ein bisschen feiern soll. Du singst darin „This dream became larger than life.“ Wann gab’s diesen Traum überhaupt? Ab wann hast du überhaupt dir zu träumen gewagt, dass DESTRUCTION mal irgendwann dein Lebenswerk werden würde?
Der Traum vom Lebenswerk, der kam erst mit der Zeit. Am Anfang hat man ja noch andere Träume, weißt du? Am Anfang träumten wir davon, einfach mal zu spielen, mal aufzutreten. Die Träume sind dann mit der Zeit gewachsen. Irgendwann hast du dein erstes großes Festival gespielt oder warst mit Slayer auf Tour und mit Motörhead. Und dann kommt eben der nächste Traum. Natürlich ging unser Traum auch kaputt, als wir uns für eine Zeit lang getrennt haben. Dann hat jeder sein eigenes Süppchen gekocht – aber ich glaube, dass der Traum auch dadurch wieder gewachsen ist und sich wieder neu geformt hat. Ich glaube, jeder Musiker oder Künstler muss träumen, das ist ein ganz wichtiger Antrieb, dass man Ziele. Deswegen denke ich, hört man auch nie auf zu träumen. Selbst wenn man alles erreicht hat, hat man bestimmt immer noch andere Ziele. Das ist ja das Problem des Menschen: Wenn er ganz oben angelangt ist und es gibt nichts mehr darüber hinaus, dann kreiert man eben neuen Wahnsinn. Das sieht man ja gerade an der Weltpolitik.

Schmier im Interview mit Metal1.info; Screenshot

„Diese alte Generation ist mit Scheiße aufgewachsen.“

Ja, das stimmt wohl, im Guten wie im Schlechten. Ich meine, es wäre ja auch langweilig, wenn man keine Ziele mehr hätte, aber manche Leute machen dann auch sehr schlimme Dinge draus. Lass uns erstmal noch bei der Musik bleiben. Ihr seid ja nicht die einzige Band, die jetzt so lange da ist. Ich finde es aber extrem auffällig, dass wir heute noch einen so festen Stamm an Bands haben, die in einer vergleichsweise kurzen Periode Anfang der 1980er-Jahre gegründet wurden. Wie erklärst du dir das?
Das ist schon so. Das waren ja eine Art Aufbruchstimmung damals. Wir waren dabei, als es angefangen hat. Es war damals schwer. Ich singe ja im Song „Destruction“: „We are the outcasts, we are the misfits“ … das hat sich wirklich immer so angefühlt. Man hat da viel durchgemacht, und das formt dich ja auch. Aber es lässt dich auch dann trotzdem wieder an die Musik glauben, die Musik gibt dir auch so viel, dass du dich dafür auch immer wieder aufraffst. Diese Generation hatte einfach viele Ups und Downs und hat viel erlebt – und deswegen auch weiß, wie wichtig es ist, Musik zu machen, und was einem die Musik gibt. Neue Generationen denken anders, da geht es vielleicht viel mehr ums Geld oder um das Leben einfacher zu machen. Aber ein Musikerleben kann nie einfach sein. Man hat immer gewisse Trends, die kommen und gehen, man hat immer mal Schwierigkeiten, das Line-up am Leben zu erhalten oder die Plattenfirma zu wechseln. Das Musikerleben ist nie gleich oder eintönig. Diese alte Generation ist mit Scheiße aufgewachsen, mit ganz schlechten Plattenverträgen, wo man noch 49 Pfennig verdient hat pro Platte. Das sind 20, 25 Cent pro Platte … das ist ja fast so viel wie beim Streaming. (lacht) Aber OK, das ist wieder ein anderes Thema. Aber ja, ich glaube schon, dass das der Oldschool-Vibe ist. Man hat sich durchgefressen, man hat es überlebt, deswegen will man auch weitermachen. Und irgendwann ist die Musik für dich so wichtig geworden, dass du gar nicht mehr ohne kannst. Ich meine … warum hören die Scorpions nicht auf? Also ich meine, zehn Jahre Abschiedstour? Die hätten alles Geld der Welt, die brauchen nicht mehr spielen … aber die haben halt noch Bock!

Ja, ist ja auch irgendwie schön, wenn die Leute noch Bock haben. Auffällig ist aber doch, dass bei diesen Bands oft nur noch ein, zwei Mitglieder von früher dabei sind, und der Rest schon aus einer der nächsten Generation kommt, selbst bei DESTRUCTION. Ist eine Band ab einem gewissen Alter wie ein Oldtimer quasi unzerstörbar, weil sich jede Reparatur lohnt? Und ließe sich das weiterdenken … dass eine Band komplett an die nächste Generation weitergegeben wird?
Das gibt doch schon, hier … Riot 5, oder? Das ist doch eine komplette Band, die eigentlich nichts mit Riot zu tun hat, und nur aus Leuten besteht, die ab diesem fünften Line-up dann dazugekommen sind. Also das gibt es ja eigentlich schon. Ich finde, einer muss halt die Band verkörpern, auch geistig, musikalisch und auch diese Gründerzeit miterlebt haben. Wenn alle Gründerväter weg sind, ist es schwierig. Aber natürlich ist es auch extrem schwierig, ein Line-up zusammenzuhalten. Die Leute verändern sich, werden Vater, irgendwann sagt die Frau dann: „Bleib mal ein bisschen zu Hause, geh nicht ständig auf Tour. Oder bring mal endlich mal Geld nach Hause, mein Freund“ und so. Wenn man älter wird, verändern sich auch die Ziele und die Gegebenheiten. Gerade auch auf Tour zu sein, mag auch nicht jeder. Ich hatte schon Musiker, die haben auf Tour geheult, weil sie ihre Familie vermisst haben – gab es alles. Deswegen, glaube ich, sind Besetzungswechsel und auch damit umzugehen ein wichtiger Bestandteil dessen, wie man als Band überlebt. Judas Priest zum Beispiel: Die letzten beiden Priest-Platten sind auch nur so geil, weil Andy Sneap und auch Richie Faulkner, der Gitarrist, dazugekommen sind, die eben auch ein bisschen frischen Wind wieder hineingebracht haben. Aber auch immer mit dem Respekt, mit diesem Vermächtnis umzugehen. Das ist auch so das Wichtigste, dass man weiß, wie man damit umzugehen hat, und auch diese Bürde zu tragen, was die Band auch ausmacht.

DESTRUCTION 2024; © Jennifer Gruber
DESTRUCTION 2024; © Jennifer Gruber

„Metallica nehmen keine Thrash-Bands mit auf Tour.“

Ja, auf jeden Fall. Das ist so ein schmaler Grat. Schlussendlich ist es aber ja auch ein bisschen schade, wenn diese „alten Bands“ quasi für immer oben in den Billings stehen, oder? Ich finde es gerade im Thrash Metal wahnsinnig auffällig, wie wenig wirklich namhaftes nachkommt, das auch die entsprechenden Slots auf Festivals ausfüllen könnte. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Weil es kein Geld zu verdienen gibt. Im Thrash machst du am allerwenigsten Geld von allen Musikrichtungen. Das ist so der Underground. Beim Thrash kommen wenig Frauen, wenig Frauen heißt, dass weniger Männer auf Konzerte gehen, weil Männer wollen, dass Frauen mit auf Konzerte kommen. Dann ist Thrash unbarmherzig, brutal … das ist eher Musik für junge, wilde Männer. Und dann gibt es einfach extrem wenige Bands, die es im Thrash-Metal nach oben geschafft haben, die wirklich Geld gemacht haben. Da gibt es nichts zu verdienen. Deshalb signen die Plattenfirmen keine Thrash-Bands mehr. Guck dir mal die Labels der Bands an … die Thrash-Bands werden alle bei kleinen Labels unter Vertrag genommen. Thrash-Bands kommen nicht mit auf große Touren. Metallica nehmen keine Thrash-Bands mit auf Tour. Und die großen Thrash-Bands wie Kreator, Testament und Anthrax gehen dann zusammen auf Tour und nehmen keine Vorgruppen mehr mit. Es ist total schwer. Wir haben Crisix aus Spanien mitgenommen auf unserer letzten Tour, die waren obergeil. Eine super Live-Band, die haben sich aufgeopfert, viel gespielt. Jetzt machen sie eine Pause! Auch weil wahrscheinlich zu wenig Kohle da ist, obwohl die sich jetzt fünf Jahre sich den Arsch weggetourt haben. Es ist total schwer, hochzukommen. Als junge Thrash-Band ist das extrem schwer. Deswegen: Die Alten sind etabliert, die kennt man. Die liefern auch noch ab: Sodom, Tankard, Destruction, Kreator … das ist halt auch ein Monument. Die Bands stehen alle gut im Saft, haben alle wieder gute Platten gemacht. Da bleibt man dann eben eher dran hängen. Kreator haben auch den Sprung geschafft in die nächste Liga, dass sie gar nicht mehr als Thrash-Band wahrgenommen werden, sondern eher zu den Bands wie Arch Enemy gehören, In Flames und so, weswegen diese Touren ja auch sehr gemischt sind … Junge Thrash-Bands haben es extrem schwer. Es kommen immer wieder Thrash-Bands zu mir, die Tipps von mir haben wollen. Ich sage immer: durchhalten. Du musst durchhalten. Es wird schwer, es wird lang, es wird steinig. Du wirst lange kein Geld verdienen – durchhalten. Liefer Qualität ab, geh viel auf Tour. Und dann, irgendwann klappt es vielleicht.

Josefstadt by Brutal Assault 2021 Destruction
Schmier live mit DESTRUCTION

Was meinst du, wenn DESTRUCTION heute anfangen würden, so wie ihr es damals …
Brutal schwer!
… aber ginge das überhaupt noch, oder müsste man es heutzutage sowieso komplett anders angehen als damals?

Heutzutage ist ja eh alles anders, heutzutage musst du ja eh alles anders angehen. Aber ich habe ja auch einigen Bands geholfen, zu als Produzent oder Manager … Burning Wishes zum Beispiel habe ich ja sehr lange unterstützt. Da ist es dann eben auch eine Frage, wie viel die Band investiert, oder inwiefern die Band den Durchbruch auch schaffen will. Du musst eben auch viel opfern. Ich glaube, dass es heute schwierig ist, diese Opfer zu bringen, oder auch selbst finanziell etwas zu investieren und so weiter … ich weiß nicht, ob ich das Risiko eingehen würde. Mit all dem, was ich weiß, wo ich jetzt der schlaue alte Schmier bin, weiß ich wirklich nicht, ob ich als junge Band das Risiko eingehen würde, das ganze Geld und die ganze Zeit zu investieren, Freundschaften zu opfern, Beziehungen zu opfern, Familie hinten anzustellen … das ist schon viel, was du da als Musiker auch wegstecken musst. Das ist ja auch der Grund, warum viele irgendwann aufhören.

Aber würdest du den Weg nochmal einschlagen?
Ja, logisch! (lacht)

„Früher war ein Jahresrhythmus normal,
aber das war auch eine andere Zeit.“

Einzig richtige Antwort! Zu diesem Weg gehört ja auch immer, dass man sehr regelmäßig Alben herausbringen muss. Ihr wart am Anfang wahnsinnig schnell, habt alle ein, zwei Jahre was veröffentlicht. Mittlerweile habt ihr euch auf diesen Drei-Jahres-Rhythmus eingependelt. Findest du so die gesunde Frequenz, oder würdest du dir eigentlich lieber länger Zeit nehmen?
Es ist auch zeitgemäßer. Wobei ja auch sonst alles anders ist, wir haben die erste Single ja schon im letzten Sommer herausgebracht. Man lässt ja jetzt alles schon viel länger sich darauf zuspitzen, dass die Platte irgendwann kommt, weil man das ja auch Aufmerksamkeit über das Streaming generieren und die Leute heiß machen muss. Dass die Playlisten laufen, dass Spotify läuft und so weiter – das ist ja auch wichtig heutzutage. Deswegen ist es schon eine andere Herangehensweise. Mit drei Jahren kann ich gut leben. Vielleicht sage ich in zwei Jahren, dass ich fünf Jahre brauche, das weiß ich jetzt noch nicht … wenn man älter wird, ändert sich ja auch viel. Aber solange ich produktiv bin, ist drei Jahre ein cooler Rhythmus. Früher war ein Jahresrhythmus normal, aber das war auch eine andere Zeit. Das könnte ich heute nicht mehr, jedes Jahr ein Album. Das geht auch gar nicht mehr. Keiner ist so produktiv, dass er so viele geile Songs schreiben kann, ohne dass du dich wiederholst. Deswegen sind drei Jahre schon gut. Ich denke, den Rhythmus können wir beibehalten.

Schmier im Interview mit Metal1.info; Screenshot

Weil du gerade die ganzen digitalen Vorab-Singles angesprochen hast, die heutzutage üblich sind – bist du ein Fan davon, einen Großteil der Songs schon zu kennen, wenn das Album herauskommt?
Ich war am Anfang skeptisch. Mittlerweile habe ich mich daran gut adaptiert und verstehe auch, warum man das machen muss. Auf der anderen Seite ist für mich immer am Ende immer noch das Album das Erlebnis, und ich will das ganze Album hören. Ein gutes Beispiel sind da wieder Judas Priest, deren letzte Scheibe: Die Singles vorweg haben mich nicht so richtig gekickt, ich fand zwar, es klang gut, aber nicht überragend. Und dann, als ich die Platte hatte … überragende Scheibe. Also wirklich ein geniales Album. Und da macht es eben die ganze Platte aus. Insofern finde ich schon, dass es immer noch wichtig ist – zumindest in der Metal-Welt – dass man die ganze Platte hört. Jeden Monat eine neue Single rauszubringen, finde ich nicht so geil. Aber wenn die Platte herauskommt, haben wir jetzt auch fünf Songs ausgekoppelt. Da muss man dann eben mitziehen. Das ist auch ein wichtiger Weg, damit du diese Algorithmen von Spotify und Co. ankurbelst, damit du da nicht untergehst. Die Plattenfirma weiß schon, was sie macht … aber am Ende hoffe ich, dass dieses Playlisten-Denken weggeht, und dass die Leute schon die ganze Platte hören. Weil das ist ja schon so, bei der modernen Generation, Metalcore und so … die Leute hören ja nur noch Playlisten heutzutage. Ich finde schon, dass eine Platte mehr Aussagekraft hat als nur einzelne Songs.

Absolut. Ich bin da auch altmodisch – ich finde es nach wie vor irgendwie seelenlos, wenn mir nicht ein Mensch, sondern ein Algorithmus eine neue Band vorschlägt …
Das ist halt der modern way. Auf der anderen Seite kann man über gewisse Algorithmen schon auch mal nette Bands kennenlernen, die man noch nicht gekannt hat.

„Ich weiß, was ich an den Jungs haben, ich weiß, was sie können.

Josefstadt by Brutal Assault 2021 Destruction
Martin live mit DESTRUCTION

Auf jeden Fall, das hat alles seine Vor- und Nachteile. Das neue Album ist das zweite, das ihr in dieser Besetzung aufgenommen habt. Wie hat sich das im direkten Vergleich auf den Entstehungsprozess ausgewirkt?
Das Vertrauen in das Line-up hatten wir uns natürlich auch live schon erspielt. Aber auch der Recording-Prozess vom ersten Album hat gut funktioniert. Jetzt haben wir das Etablierte weitergesponnen und ein paar neue Sachen hinzugefügt. Wir machen die Platten ja immer in Intervallen zwischen den Shows, treffen uns immer wieder kurz im Studio, dann wird was aufgenommen, ich komme mit Ideen an und dann treffen wir uns und arbeiten dran. Das hat letztes Mal schon ganz gut funktioniert und diesmal noch besser. Wir haben zusammen produziert, war ein bisschen Teamwork. Den finalen Mix hat Martin, unser Gitarrist, dann in Belgien gemacht. Er hat sich dafür sehr viel Zeit gelassen, um die ganzen Details, die ich wollte, zu featuren. Wir haben da schon lange getüftelt. Das war schon ein bisschen learning by doing vom letzten Album. Von der letzten Platte hat sich das Teamwork ein bisschen verfeinert. Ich weiß, was ich an den Jungs haben, ich weiß, was sie können, und ich weiß, was sie zu leisten fähig sind. Da muss am Ende alles zusammenlaufen, Zahnrad-mäßig. Diesmal haben wir einfach sehr gut zusammengearbeitet. Das hört man auch … die letzte Platte war geil, aber die neue ist auf jeden Fall stärker geworden.

Also du sagst, die Ideen kommen erst mal von dir, was ist dann der Beitrag von den anderen beiden? Tragen die auch Riffs bei, oder geht es da nur noch um Details? Also inwieweit hast du den „Neuen“ da auch Freiräume gegeben?
Beides … es ist alles. Die meisten Songs habe ich geschrieben, Damir kommt dann dazu und teilweise auch Martin, je nachdem, was für einen Song wir da haben. Wir arbeiten dann an den Details von den Gitarren, an den Riffs. Wie sind die Anschläge genau, wie teilen wir die Harmonien ein, wo wird es zweistimmig und so weiter. Da bringt jeder seinen eigenen Stil rein, seine eigenen Ideen. Oder ich sage zum Beispiel: Martin, lass uns da Pull-offs machen, wir ändern die Harmonie, mach mal so und so, und dann wird das umgeschrieben, sodass die Gitarren dann auch richtig dazu passen. Martin hat zum Beispiel auch bei einem Song so gut wie alles beigesteuert, da habe ich dann nur beim Arrangement und in ein paar Details mit ihm daran gearbeitet. Bei anderen Songs hat Damir viel mehr mitgemacht, weil er auch länger im Studio war und an den Grundlagen gearbeitet hat, weil er sich auch mehr auf die Produktion konzentriert hat. Also da hat jeder seine Stärken hineingebracht. Damir ist auch mehr so der Lead-Gitarrist, der halt sehr viel shreddet und frickeln kann und auch sehr divers spielen kann, Martin spielt eher Song-dienlicher und ist auch mehr als Produzent tätig. Er denkt dafür über den Tellerrand hinaus und hat vom Solospielen auch einen anderen, eher melodischen Stil. Die ergänzen sich sehr gut. Ich sag’ mal, ich bin der Kapitän, der das Schiff steuert und die Jungs bringen ihren Anteil dazu.

Mike live mit DESTRUCTION

Wie sehr hat sich dieser Entstehungsprozess eines Albums geändert im Vergleich dazu, wie du mit Mike zusammengearbeitet hattest? Schon allein durch die zwei Gitarristen, aber auch generell?
Mike und ich haben uns zusammengesetzt und Riffs ausgetauscht. Das war teilweise auch schon wie jetzt, dass ich ganze Songfragmente schon hatte, oder aber auch so, dass ich ihm einen Riff hingeschmissen habe und er hat dann damit weitergemacht und wir haben uns dann ergänzt. Irgendwann wurde es immer schwieriger, weil Mike auf diesen Thrash einfach nicht mehr so stand und dann halt so lieber so Classic Rock gemacht hätte, so ’70er-Jahre-Hippie-Kram, da sind wir so ein bisschen im Songwriting stecken geblieben und das war dann auch irgendwann das Ende der Zusammenarbeit, wo wir einfach gemerkt haben, es funktioniert nicht mehr richtig. Das kann halt passieren, wenn einer sich weg entwickelt und sich dann eher im Classic Rock wohlfühlt – was völlig legitim ist, aber das passt halt nicht zu DESTRUCTION, das ist klar.

„Man kann eben nicht den Kopf in den Sand stecken.“

Es gibt auf dem Album einen Song mit deutschem Titel, „A.N.G.S.T.“. Der Song selbst ist dann aber auf Englisch getextet. Wäre für dich ein deutschsprachiger DESTRUCTION-Song nicht auch mal reizvoll gewesen?
Also ich habe heute schon gesehen, dass auf YouTube einer kommentiert hat: Rammstein kann das besser. Also das ist halt genau das … sobald du deutsch singst, werden sie Rammstein in die Waagschale schmeißen. Wir sind eine internationale Band, wir haben Fans weltweit und Deutschland ist nur ein kleiner Teil davon. Deswegen limitiere ich nicht meine Fanbase mit einem deutschen Song. Schuster bleib bei deinen Leisten! Ich habe schon mal ein paar Wörter auf Deutsch gesungen, da habe ich mal so ein paar Sachen über Auschwitz auf Deutsch gesungen. Da fand ich es schon interessant. Aber mir diese Blöße zu geben, mit Rammstein verglichen zu werden, da habe ich keinen Bock drauf. Das ist mir zu kleinkariert. DESTRUCTION haben ihre Basis gefunden, wir haben unser Werkzeug, das zu uns am besten passt … sich davon jetzt wegzubewegen fände ich schwierig. Aber wer weiß, vielleicht gibt es auch mal einen deutschen Song. Aber dann muss der Song auch wirklich so sein, dass dieses Rammstein-Ding nicht über uns kreist. Der Song „A.N.G.S.T.“ ist sehr rifflastig, groovy, sehr grim, sehr düster. Da wäre dieser Rammstein-Vergleich natürlich sofort aufgekommen. Deswegen habe ich das da vermieden. Den Song „A.N.G.S.T.“ zu betiteln hat sich einfach im Laufe des Textens ergeben. Ich fand es einfach witzig, auch mal einen deutschen Song zu haben, auch weil die „German Angst“ ja mittlerweile weltweit bekannt ist.

Schmier im Interview mit Metal1.info; Screenshot

Angst ist dieser Tage ja auch ein sehr präsentes Gefühl: Die einen schüren abstruse Ängste vor Ausländern, auf der anderen Seite gibt es mit Klimawandel und Krieg vieles, was einem wirklich Angst machen kann … im Song singst du „Go, go change your goal – Give your life a U-turn“. Wie gehst du im Alltag mit diesen Ängsten um?
Das Problem ist ja, dass diese Ängste Panikattacken bei Menschen auslösen und Menschen dann irgendwann absolut nicht mehr zugänglich sind. Ich habe das selbst bei Freunden erlebt. Für mich waren so Panikattacken, Angstattacken vor ein paar Jahren noch völliger Quatsch … was soll das, was soll das sein? Erst als ich es selbst erlebt habe, wurde mir klar, dass es sowas gibt. Es ist natürlich einfach zu sagen, „change your goal“ – aber ich bin halt so der Typ, der sagt, man muss immer dran glauben und man muss versuchen, wieder aufzustehen. Man kann eben nicht den Kopf in den Sand stecken. Gerade weil Angst ja eigentlich nur ein Gedanke ist, der schnell wieder weg sein kann, muss man Wege finden, sich da herauszuwinden. Das ist ja genauso wie bei Depression auch … Es ist ein schwieriges Thema, das auch die Ärzte immer noch nicht im Griff haben. Am Ende ist der Kopf halt eine wahnsinnige Waffe: Deine Gedanken sind einfach wahnsinnig gefährlich. Wenn man dann diese Außeneinflüsse hat, die wir jetzt haben, 24-Stunden-Erreichbarkeit, Handy, ständig online, ständig diese Negativität in den Medien, es ist immer alles schlecht, es gibt kaum noch gute Nachrichten … Angst ist einfach ein riesengroßes Problem geworden. Deswegen sage ich mir immer: Es ist einfach nur ein scheiß Gedanke! Ich versuche, an etwas anderes zu denken, mich abzulenken, mache Sport und so. Das ist mein Weg … Ich habe auch Phasen, wo es mir scheiße geht – dann mache ich Sport oder schreibe einen neuen Song über so ein Thema (lacht).

„Niemand verdient es, so groß zu sein,
dass du ihn anhimmelst oder für ihn stirbst.“

Kreativität ist ja auch ein wichtiges Ventil. In dem Song „No Kings – No Masters“ geht es darum, dass man den Mächtigen nicht blind vertrauen soll. Das ist einerseits wichtig in einer Zeit voller dubioser Führerfiguren, wie wir es gerade in den USA erleben – andererseits ist dieses „Die da oben“-Ding ja auch ein Narrativ, das von Rechten gerne propagiert wird …
Aber genau diese Rechten oder diese Verrückten wollen doch immer einen ideologischen Führer haben! Da sehe ich „No Kings – No Masters“ als ganz wichtig an, in Bezug auf personifizierte Führung. Die finde ich ganz schrecklich. Wie kann man in jemandem wie Donald Trump oder Putin oder so einen Hero sehen? Das habe ich nie verstanden. Aber das liegt auch daran, dass ich in meiner Jugend noch damit konfrontiert wurde, was Adolf Hitler alles verbrochen hat und mich damit auseinandergesetzt habe und gesagt habe, wie kann die Menschheit solchen Leuten folgen? Das hat sich für mich in die Seele gebrannt und deswegen war ich bei Politikern schon immer skeptisch. Es gab ein paar Politiker, die ich gut fand, wo ich gesagt habe, das ist so ein Typ, der hat Charisma, der erzählt auch keinen Quatsch. Gregor Gysi zum Beispiel finde ich einen ganz großen Politiker … der hat es aber leider nie geschafft. Der war aber zu stark links und da haben die Deutschen ja, wie die Amis auch, ganz großen Angst vor dem Kommunismus. Aber dass man einen so groß macht, dass er larger than life wird … das ist die große Gefahr der Menschen. Und darum geht es eigentlich bei „No Kings – No Masters“: Niemand verdient es, so groß zu sein, dass du ihn anhimmelst oder für ihn stirbst. No way!

Lass uns zum Abschluss nochmal zurück zur Musik kommen: Euer Album endet mit einem Cover-Song von Accept, „Fast As A Shark“ – warum wolltest du ausgerechnet diesen Song mal selbst aufnehmen?
Ja, weil der Song natürlich der erste Speed-Metal-Track einer deutschen Band war! 1982, als er herauskam, war das Riff, die Vocals, der Chorus, das Solo unfassbar! Das war wie vom Mond. Das war so gut, dass das sogar meine Punk-Kumpels geil fanden. Die haben immer gesagt, scheiß Heavy Metal da, die scheiß Soli und so, scheiß kommerzielle Kacke. Aber die fanden „Fast As A Shark“ auch geil. Und natürlich auch, weil sich das Intro über deutsche Volksmusik, über die deutsche Kultur, diese deutsche Spießigkeit lustig gemacht hat. Das war eigentlich so der erste Aufschrei, die deutsche Spießigkeit öffentlich zu verteufeln. Ich hab damals das Fenster aufgerissen, hab das laut gemacht … für mich war das damals die erste Revolution im Kinderzimmer!

DESTRUCTION 2024; © Jennifer Gruber

Stark. Zum Abschluss noch unser traditionelles Brainstorming:
Elon Musk: Alle dachten erst, er wäre ein Genie, aber eigentlich ist er ein Wahnsinniger. Ich hab das auch nicht so hinterfragt, wo der genau herkommt, aber der hat sich ja überall nur eingekauft. Der hatte nur Geld von seinen Eltern und hatte paar Mal Glück, eine Firma verkauft und später dann ist er irgendwie CEO bei Tesla geworden. Der Typ ist halt ein kompletter Scharlatan. Und die Frage ist … da sind wir wieder bei „No Kings – No Masters“: Wie kann man denn so einen Typ vergöttern? Und wie kann sich die Börse verändern, nur weil der irgendwas auf Twitter sagt? Die Menschheit hat ein Problem.
Pantera ohne Dimebag und Vinnie: Also ich bin natürlich Dime- und Vinnie-Fan, aber natürlich gehören die anderen beiden Jungs auch zur Band und deswegen muss man verstehen, dass sie das versuchen, das zu machen. Natürlich geht es da auch um Geld und so weiter, aber sie haben natürlich auch zwei geile Ersatzleute geholt. Ich finde halt ein bisschen schade, wie das alles damals mit Pantera auseinandergelaufen ist, und wie der Mord damals passiert ist und warum und so. Da hätte ich schon ein Fragen, die ich auch gern mal Phil stellen würde. Aber da wird auch nicht so richtig drüber geredet. Aber es ist eben so, dass Pantera eine mächtige Band ist, die Fans wollen es hören. Deswegen ist es legitim, das zu machen. Die Frage ist, wird es eine neue Platte geben? Muss das sein? Aber vielleicht ist es auch geil? Abwarten.
Metal-Kreuzfahrten: Wir haben da schon öfters mitgemacht. Am Anfang haben wir dafür so ein bisschen Hass geerntet und viele haben sich da dann auch drüber totgelacht, Saussage-Fest und was nicht alles … aber am Ende, muss ich sagen, war die Wacken-Cruise und die 70.000 Tons Of Metal ein Wahnsinns-Erlebnis, das ich meinen ganzen Kumpels auch immer empfohlen habe. Mittlerweile gehen viele von denen selbst auf die 70.000 Tons Of Metal. Da gibt es ja sogar eine Warteliste mittlerweile. Ich würde nie auf Kreuzfahrt gehen, das ist mir zu langweilig. Aber so eine Metal-Cruise ist halt schon voll genial. Für uns war es immer ein tolles Erlebnis. Ich kann es jedem empfehlen. Natürlich ist es teuer, aber es ist einfach toll gemacht und es geht eben die ganze Zeit um Musik. Es ist eigentlich nichts anderes wie ein Festival auf dem Boot.
Slayer-Reunion: Es war klar, dass das kommt. Ich finde halt nicht gut, wenn man – wie Mötley Crüe es ja auch gemacht haben – eine Abschiedstour spielt, viel Geld verdient, die Fans heulen, und man dann doch wieder kommt. Aber für mich war klar, dass das passieren wird.
DESTRUCTION in zehn Jahren: Ja, hoffentlich noch alive and well. Ich würde schon gern noch zehn Jahre machen – wenn es die Gesundheit zulässt, wenn es die Fans zulassen, wenn es die Musikszene zulässt. Man muss ja froh sein über jedes Jahr, dass man das machen kann. Ich bin da nach wie vor sehr wertschätzend, dass die Band noch voll aktiv sein kann und ich glaube, wir haben mit der neuen Platte auch wieder ein gutes Zeichen gesetzt. Es ist ja nicht so, dass die Band irgendwie alt klingt oder nichts mehr zu sagen hat und insofern hoffe ich doch, dass wir in zehn Jahren auch noch touren können. Wir wollen ja diese Generation von Thrash-Metal sein, die praktisch die Generation von Metal-Bands ablöst, die jetzt gerade mit 70 so kurz vorm Aufhören ist, Maiden und Priest und so weiter. Das ist ja schon ein großes Vorbild. Und wir sind dann in zehn Jahren hoffentlich auch so ein bisschen näher dran.

Geht das mit Thrash-Metal oder wird es irgendwann körperlich zu anstrengend?
Das musst du wahrscheinlich den Chiropraktiker und den Physiotherapeuten fragen. (lacht) Ich weiß es auch nicht. Wir sind ja dann die erste Generation von Thrash-Bands, die sozusagen in Rente gehen würde. Deswegen müssen wir mal gucken … aber ich versuche, fit zu bleiben, ich mache da viel dafür und hoffe, dass es noch ein paar Jahre geht.

Das ist ein schönes Schlusswort. Das hoffen wir definitiv! Dann vielen Dank für deine Zeit. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder!
Danke dir. Ja, München steht oben auf der Liste, wir sind lange nicht mehr in München gewesen. Im Herbst auf jeden Fall, ganz klar!

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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