Interview mit Tomasz & Piotr von Defying

Sie werden von so manchen polnischen Journalisten schon als „Veteranen der Progressive/Post-Metal-Szene“ bezeichnet, dabei haben sie vor einigen Wochen gerade einmal ihr Debüt veröffentlicht. Dennoch klingt der erste Gehversuch „Nexus Artificial“ der polnischen Truppe DEFYING schon sehr vielversprechend und professionell! Wir haben uns mit Drummer Tomasz und Sänger/Gitarrist Piotr unter anderem über den nicht immer einfachen Entstehungsprozess des Albums und das interessante Konzept, welches dahinter steckt, unterhalten.

Defying

Erst einmal hallo und vielen Dank, dass ihr euch Zeit für dieses Interview genommen habt. Wie geht’s euch heute?
Tomasz: Danke, extrem gut und ich freue mich auf dieses Interview!
Piotr: Sehr gut, danke. Unser Album bekommt positive Kritiken, wir werden demnächst ein paar nette Konzerte in unserer Region spielen und Ronnie O`Sullivan ist dabei, den nächsten Weltmeistertitel einzufahren – that’s great!

Man kennt euch eher weniger. Stellt euch doch bitte mal unseren Lesern vor!  
Tomasz: Wir sind DEFYING aus Olsztyn (der Heimatstadt von Vader!) und spielen Musik, die man als Progressive oder Post Metal bezeichnen kann. Wir sind insgesamt zu viert: Piotr als Sänger und Gitarrist, Pawel am Bass, Rafal spielt die Solo/Lead Gitarre und ich bin fürs Schlagzeug und Sampling verantwortlich.0002610747_10

Wie würdet ihr jemandem, der eure Musik noch nicht gehört hat, diese beschreiben?
Tomasz: Wie ich bereits sagte, bewegt sich unsere Musik im Schnittfeld aus Progressive und Post Metal. Wir scheuen auch nicht vor Experimenten zurück und setzen gerne mal unkonventionelle Sounds ein wie beispielsweise diverse Gitarreneffekte, Samples, Akkustik-Gitarren oder Celli.
Piotr: Es ist ein bisschen so, als würdest du Opeth, My Dying Bridge, King Crimson, Blindead und ein wenig vom Doom/Death-Metal der 90er miteinander vermischen. Klingt vielleicht ziemlich wirr, aber das Wichtigste an der Musik ist doch, dass du dir keine Grenzen setzt.

Lasst uns über euer Debüt „Nexus Artificial“ sprechen, welches im März veröffentlicht wurde. Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?
Tomasz: Eine stetig ansteigende Zahl von positiven Meinungen sagt mir, dass ich mit dem Album zufrieden sein kann.
Piotr: Wenn man sich die Bedingungen anschaut, unter denen wir aufgenommen haben, ist die Platte echt gut geworden. Ich bin sehr damit zufrieden und es gibt eigentlich nur ein paar Nuancen, die ich im Nachhinein verändern würde.

Was hat es mit dem Titel des Albums auf sich? Steckt da ein bestimmtes Konzept hinter?
Tomasz: Ja, sowohl der Titel als auch das Album selbst unterliegen einem Konzept, was wir schon ganz zu Beginn festgelegt und dann kontinuierlich weiterentwickelt haben. Die Abkürzung von „Defying Nexus Artificial“ lautet DNA und das Konzept handelt insgesamt von den Ursprüngen der Menschheit, die wiederum selbst das Ergebnis einer außerirdischen oder übernatürlichen Lebensform sein könnte, die uns in mancher Weise ähnlich ist. Seit dem Beginn der Menschen hatten wir stets verschiedene Formen von „Göttern“, also sind diese übernatürlichen Dinge seit jeher Bestandteil unserer Vorstellungen.
Piotr: Wir haben die Theorie aufgegriffen, dass übernatürliche Wesen unsere menschliche Evolution beeinflusst und uns nach ihrem Vorstellungsbild geformt haben. Wie auch immer, es handelt sich hierbei natürlich nicht um etwas, an das wir selber glauben. Es ist lediglich pure Fiktion.

Das Album besitzt dementsprechend eine sehr düstere Atmosphäre. Wie passen die Texte hierzu?
Tomasz: Die Songtexte sind natürlich stark mit dem besagten Konzept verbunden. Wir haben unserer Vorstellung freien Lauf gelassen und eine düstere Geschichte von Menschen entworfen, die von ihren Schöpfern geführt und geleitet werden. Überall auf der Welt gibt es Sagen oder Legenden, die beschreiben, wie Menschen verschiedenen Göttern begegnen oder ihr Schicksal von eben diesen bestimmt wird. Wir haben uns entschieden, dies zum Hauptthema unseres Albums zu machen. Welche Absichten verfolgen diese Schöpfer? Im Endeffekt überlassen wir die Interpretation natürlich unseren Hörern.
Piotr: Die meisten Texte wurden geschrieben, als die Grundstruktur der Songs schon stand. Ich persönlich liebe diese Vorgehensweise beim Songwriting, da ich möchte, dass Musik und Text miteinander harmonisieren. Wenn die Musik düster ausfällt, muss dies ebenfalls auf die Texte übertragen werden. Diesbezüglich wollte ich vor allem zeigen, dass die Intentionen dieser Schöpfer nicht ganz klar ersichtlich sind. Sie benutzen unseren Planeten quasi als eine Art Labor. Ich denke, dass diese Thematik perfekt zu unserer Musik passt.

coverAuf dem Album verknüpft ihr viele verschiedene Stile wie Death- und Doom Metal, aber auch progressive Einflüsse und eine gewisse Black-Metal-Atmosphäre, die an Agalloch denken lässt, miteinander. Würdet ihr mir da zustimmen? Wo liegen eure Einflüsse?
Tomasz: Ich würde dir auf jeden Fall zustimmen, dass diese verschiedenen Stile in unserer Musik zu finden sind. Das liegt vor allem daran, dass jeder von uns unterschiedliche Vorlieben und Einflüsse hat, die er für DEFYING beisteuert. Wir schreiben die Songs alle zusammen, da gibt’s jetzt keinen, der den anderen vorgibt, was sie zu spielen haben. Wir sind mit diesem Weg sehr zufrieden, da das Ergebnis in der Regel jeden von uns glücklich macht.
Piotr: Unser Ziel war es, keinen musikalischen Grenzen zu unterliegen; eine Mischung aus verschiedenen Stilen zu kreieren, die aber nachvollziehbar bleibt. Wir hören alle selbst unterschiedliche Musik, von Klassik über Post/Doom Metal bis hin zu Drone und anderem Zeug. Während der Aufnahmen haben wir versucht, diese unterschiedlichen Einflüsse geschickt miteinander zu kombinieren. Ich spreche jetzt vielleicht für uns alle, aber meiner Meinung nach sind wir am meisten damit zufrieden, dass unser Album nicht zu „überladen“ ausgefallen ist.

Habt ihr schon Feedback für euer Album bekommen?
Tomasz: Wir haben viele positive Meinungen und auch einige gute Reviews bekommen. Die meisten haben die dichte Atmosphäre und die hohe Abwechslung des Albums gelobt. Das macht uns natürlich glücklich, weil dies eben unser oberstes Ziel während der Aufnahmen war. Manche haben uns sogar jetzt schon als „Veteranen der Szene“ bezeichnet. Das kam natürlich recht überraschend und stellt eine absolute Ehre für uns dar. Solche positiven Reaktionen hatten wir nicht erwartet.
Piotr: Bisher waren die meisten Bewertungen wie gesagt positiv. Das ist vor allem deshalb toll, weil wir dieses gute Feedback nicht nur von den Journalisten sondern auch von Freunden und Bandkollegen in unserer Szene bekommen haben. Auch die Leute, die zu unseren Shows kommen, sind sehr angetan. Das macht uns natürlich stolz und gibt uns noch mehr Motivation, genauso weiter zu machen.

Wie läuft das Songwriting bei euch ab? Ihr habt ja schon erwähnt, dass jedes Bandmitglied daran beteiligt ist.
Tomasz: Ja genau, jeder in der Band beteiligt sich an unserer Musik und jeder Song ist auf diesem Weg so entstanden. Da sind viele Tracks dabei, die wir bereits vor einigen Jahren geschrieben und nun für das Album weiterentwickelt haben. Manch andere sind eher spontan entstanden und wurden dann während der Proben ausgebaut. Wir arbeiten alle gemeinsam bis zum Ende des Aufnahmeprozesses.
Piotr: Manchmal gibt es so eine starke „Chemie“ zwischen uns, dass niemand während der Aufnahmen ein Wort sagt und manchmal führen wir hitzige und lange Debatten über die Songs. Nichtsdestotrotz ist mir diese Lösung lieber als ein alleiniger Diktator in der Band.

Könnt ihr uns etwas über den Produktionsprozess erzählen? Wie lief der ab?1982196_702710753106118_392498293_n
Tomasz: Der gesamte Prozess war ziemlich wirr und anstrengend, da wir den Großteil des Albums selber in Eigenregie aufgenommen haben: Das Schlagzeug in unserem Proberaum, die Gitarren bei unserem Gitarristen Rafal und den Gesang bei Janek, der ebenfalls für die Schlagzeugaufnahmen verantwortlich war. Nur die Akkustikparts haben wir im „Majkel“-Studio von Cezary Makiewicz, einem bekannten polnischen Country-Musiker, aufgenommen. Den finalen Mix hat dann Michal Grabowski vom Black Team Media Studio übernommen. Wenn also jemand fragt, wo wir „Nexus Artificial“ aufgenommen haben, muss sich derjenige auf eine lange Geschichte einstellen (lacht).
Piotr: Dass wir solche Probleme hatten, lag vor allem an finanziellen Engpässen. Wir wussten von Anfang an, dass wir nicht viel Geld zur Verfügung hatten, daher gab es schon Zweifel, ob es uns gelingen würde, ein Album aufzunehmen, dass gut klingt und uns nicht lächerlich macht. Manchmal war der Produktionsprozess etwas verrückt, richtiger Rock ’n’ Roll also (lacht.)

Ihr Jungs habt ja noch keinen Plattenvertrag. Sind da bestimmte Angebote in Aussicht?
Tomasz: Bevor wir mit der eigentlichen Produktion angefangen hatten, nahmen wir eine Demo mit demselben Material auf und schickten es an verschiedene polnische Labels. Wenn es mal Antworten gab, waren es solche wie: „Gut Gemacht, nette Musik, aber leider nicht unsere Zielgruppe.“ Also entschieden wir uns, das Zepter in die eigene Hand zu nehmen. Das Ergebnis macht uns sehr stolz! Momentan gibt es keine Angebote und – um ehrlich zu sein – wir erwarten auch diesbezüglich nichts.
Piotr: Um es kurz zu machen: Die polnischen Metal-Labels waren nicht an uns interessiert und wir wollten uns denen nicht anbiedern, indem wir andere Musik schreiben, weil das einfach keinen Sinn ergibt. Außerdem kann es auch passieren, dass du dann mit einem schlechten Vertrag dastehst, der dir mehr schadet, als nützt. Wir waren auf uns allein gestellt und momentan läuft es echt gut. Was die Zukunft bringt, wird man sehen.

Wie denkt ihr über die polnische Metal-Szene?
Tomasz: Die Szene in Polen ist stärker als je zuvor und bietet enorm viel musikalische Abwechslung. Ein paar der coolsten Bands zur Zeit sind für mich Blindead, Obscure Sphinx, Butterfly Trajectory, Morowe, Thaw, Devilish Impressions oder Moaft – nicht zu vergessen die „Titanen“ Behemoth oder Vader!
Piotr: Die polnische Metal-Szene ist sehr stabil – da gibt’s immer noch viele Leute, die Spaß an der Musik haben. Auch die jüngere Generation beteiligt sich immer mehr daran. Wir werden sehen müssen, wie viele von denen es im Endeffekt schaffen werden, länger zu bestehen. Ich hoffe natürlich, so viele wie möglich. Zu den Bands, die Tomasz aufgezählt hat, würde ich gerne noch Hate, Trauma und Tides of Nebula hinzufügen. Die lohnen sich alle, mal angetestet zu werden.

Gibt es Tourpläne für „Nexus Artificial“ und – wenn ja – wird es auch Termine in Deutschland geben?
Tomasz: Wir sind grade dabei, uns für ein paar Konzerte vorzubereiten, um das Album zu promoten. Für den Anfang beschränken wir uns zunächst auf unsere Region und weitere Teile Polens. Wir würden uns natürlich tierisch freuen, vor deutschem Publikum zu spielen, da Bands wie wir dort immer gut angenommen werden. Momentan wird das aber noch nicht möglich sein, da so eine Tour immer mit großen Kosten verbunden ist und jeder von uns auch noch nebenbei einer geregelten Arbeit nachgeht. Aber schauen wir mal, was die Zukunft bringt.
Piotr: Den Frühling und Sommer über spielen wir ausschließlich in unserem Land, da wir natürlich noch recht unbekannt sind und die Promotion selber übernehmen müssen. Ich würde auch liebend gern in Deutschland spielen, da ich bisher leider noch nie dort gewesen bin. Hoffentlich klappt das in den nächsten Jahren mal. Schließlich sind Kreator seit 16 Jahren meine absolute Lieblingsband (lacht).10321671_724710570906136_5484811373796459454_o-2

Zum Schluss noch unser klassisches Metal1.Info-Brainstorming: Was fällt euch spontan zu folgenden Begriffen ein?
Behemoth:
Tomasz: Ihr letztes Album hat mich völlig weggeblasen!
Piotr: Ich mag ihre Musik; bin seit einigen Jahren großer Fan.
Deutschland:
Tomasz: Das wäre das erste europäische Land, in dem ich spielen würde!
Piotr: Natürlich Kreator! Gutes Bier, leckere Süßigkeiten und jede Menge Autos aus eurem Land auf unseren Straßen (lacht).
Politik:
Tomasz: Definitiv nicht unser Bier.
Piotr: In Polen eine Katastrophe. Deswegen halte ich mich da raus.
Bier:
Tomasz: Ich muss zugeben, dass eines der besten Biere, die ich je getrunken habe, aus Deutschland stammt.
Piotr: Ich trinke alles. Wenn es schmeckt, ist das Herkunftsland egal.
DEFYING in zehn Jahren:
Tomasz: Einige gute Alben und jede Menge guter Gigs (lacht).
Piotr: Alte, furzende Männer, die Metal spielen (lacht).

Vielen Dank für dieses Interview. Die letzten Worte gehören euch!
Tomasz: Danke an die Leute, die dieses Interview lesen. Wir hoffen, dass ihr unsere Musik mögen werdet. Schöne Grüße aus Polen!
Piotr: Danke für das Interview! Ich hoffe, wir sehen uns in Zukunft in Deutschland auf dem ein oder anderen Gig!

 

Logo: Tomka Semeniuka
Bandfotos: Beata Wisniowska

Publiziert am von Sebastian Ostendarp

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