Mit ihrem Debüt „The Art Of Morphology“ haben die amerikanischen Progressive-Extreme-Metaller DAWN OF OUROBOROS ihren ebenfalls von einer Sängerin angeführten Genre-Kollegen Oceans Of Slumber starke Konkurrenz gemacht. Warum man die beiden Bands dennoch nicht in einen Topf werfen sollte, welche Sänger Frontfrau Chelsea Murphy dazu inspiriert haben, Schreigesang zu lernen, und warum Networking auch für Metal-Musiker wichtig sein kann, hat uns Bandmitgründer Tony Thomas im folgenden Interview verraten.
Könntest du uns zu Beginn kurz erzählen, wie es zur Gründung von DAWN OF OUROBOROS kam und was eure künstlerische Vision für das Projekt war?
DAWN OF OUROBOROS wurde von Chelsea und mir gegründet, nachdem wir unsere vorherige Band verlassen hatten. Ursprünglich war es nur als ein Studioprojekt zum Spaß gedacht, bei dem wir Songs schrieben, die sich einfach unseren Fähigkeiten entsprechend natürlich anfühlten, ohne wirklich darüber nachzudenken, in welche Richtung die Musik gehen sollte. Dann holten wir David von der Blackgaze-Band Deliria für den Bass dazu und gaben ihm die Freiheit, sich dem Projekt so zu nähern, wie er wollte, und er hat meiner Meinung nach einen fantastischen Job gemacht. Ich spiele mit Ron, unserem Schlagzeuger, in meinen beiden anderen Bands Sentient Ignition und Botanist. Ursprünglich wollte er nur das Schlagzeug für das Album aufnehmen, aber wir waren alle glücklich mit dem, was wir hörten, sodass wir beschlossen, die Band ernsthaft zu verfolgen.
Welcher Gedanke steckt hinter eurem Bandnamen? Habt ihr schlicht nach etwas gesucht, das cool und zu eurer Musik passend klingt oder gibt es noch andere Hintergründe?
Ich hatte den Bandnamen schon einige Jahre lang, bevor ich die Band gründete. Ich mochte schon immer die Idee, dass der Ouroboros die Unendlichkeit repräsentiert, und für uns bedeutet „Dawn Of“, dass der Name den Beginn der Unendlichkeit repräsentiert. Darüber hinaus denke ich, dass er letztendlich besser zu der Musik passt, die wir kreieren, als wir uns das vorgestellt hatten. Denn wir schöpfen aus einem sich ständig weiterentwickelnden Pool musikalischer Einflüsse.
Aufgrund eures Stils und des Umstands, dass ihr eine Leadsängerin habt, bieten sich Vergleiche mit Oceans Of Slumber an und ich meine auch, einige Parallelen zu Ne Obliviscaris in eurer Musik zu erkennen. Zählst du diese Bands zu euren Einflüssen?
Wir sind definitiv Fans von Ne Obliviscaris und schätzen es sehr, dass wir mit ihnen verglichen werden, aber wir hatten sie nicht wirklich als Einfluss im Sinn, als wir das Album schrieben. Was Oceans Of Slumber betrifft, so waren sie uns nicht bekannt, bis der Vergleich aufkam. Sie scheinen eine talentierte Band zu sein; ihr Stil ist jedoch nicht wirklich das, was wir im Allgemeinen musikalisch mögen. Was unsere Einflüsse betrifft, so sind wir alle Fans der meisten Metal-Subgenres, und das schlägt sich zwar in unserem Sound nieder, aber während des Schreibens hörten wir hauptsächlich Post-Black-Metal (Heretoir, Lantlôs, Trna, Alcest).
Soweit ich weiß, habt ihr zuallererst euren Song „Sorrow‘s Eclipse“ veröffentlicht und dafür relativ großen Zuspruch auf YouTube bekommen. Hat euch diese positive Resonanz ein Stück weit überrascht?
„Sorrow’s Eclipse“ war eines der ersten Lieder, die wir geschrieben haben, und wir hatten das Gefühl, dass es unser stärkstes ist. Wir hatten es mehreren anderen Musikern gezeigt, deren Meinung wir respektieren. Aus ihren Reaktionen wussten wir, dass es die beste Wahl für unser Debüt als Band sein würde. Trotzdem hatten wir nicht damit gerechnet, derart positives Feedback für das Video zu erhalten.
Mit Bands wie Arch Enemy oder Once Human finden sich mittlerweile immer mehr Metal-Acts mit Frontfrauen, die neben klarem Gesang auch Screams einsetzen. War es diese immer stärker werdende Frauenbewegung im Metal, die eure Sängerin, Chelsea Murphy, dazu animiert hat, auch Schreigesang zu lernen?
Ehrlich gesagt, Chelsea war immer von männlichen Sängern inspiriert. Ich glaube, ihr frühester Einfluss, der sie dazu bewegt hat, harschen Gesang zu erlernen, war Tim Lambesis von As I Lay Dying. Je mehr sich ihre Fähigkeiten entwickelt haben, desto mehr Einflüsse kamen hinzu. Das umfasst etwa Oli Peters von Archspire, Neige von Alcest und viele andere aus dem gesamten Metal-Spektrum. Was sie meiner Meinung nach als Sängerin auszeichnet, ist ihr Drang, sich ständig zu verbessern und sich selbst zu übertreffen.
Euer Debütalbum nennt sich „The Art Of Morphology“. Wolltet ihr mit dem Titel die stilistische und thematische Vielfalt eurer Songs zum Ausdruck bringen?
Nicht im Speziellen, obwohl er letztlich doch eine treffende Beschreibung unseres Klangs ist. Was wir eigentlich dachten, war, dass wir uns wirklich in die Schaffung dieses Albums hineinversetzt haben. Wir wollten, dass es emotional ist und unserer Kreativität keine Grenzen setzt.
Tatsächlich greift ihr im Zuge der Platte unglaublich viele unterschiedliche Stilrichtungen auf. Spielen Genres für euch überhaupt eine Rolle?
Wir alle genießen die meisten der Metal-Subgenres. Von Death, Black und Progressive Metal bis hin zu Metalcore und Djent. Ich würde sagen, dass Chelsea, David und ich heutzutage hauptsächlich Variationen von Black Metal hören. Ron ist immer noch sehr stark auf Prog eingestellt.
Würdest du sagen, dass diese Vielseitigkeit eines eurer musikalischen Kernmerkmale ist? Oder könntest du dir vorstellen, in Zukunft auch geradlinigere Musik zu kreieren?
Aufgrund unserer Einflüsse wird die stilistische Vielseitigkeit wahrscheinlich immer ein Stützpfeiler in unserem Sound sein. Wir alle sind an vielen anderen Projekten beteiligt (einige werden derzeit angekündigt), die es uns erlauben, den Metal auf eine geradlinigere Art und Weise zu erforschen, und sogar an einigen Projekten, die einen avantgardistischeren Ansatz haben.
Wie seid ihr an das Songwriting und die Aufnahme von „The Art Of Morphology“ herangegangen? War alles genau durchgeplant oder habt ihr auch spontane Ideen verarbeitet?
Bei „The Art Of Morphology“ habe ich die anfängliche Songstrukturierung übernommen. Mein Ansatz ist es, während der Aufnahme Ideen zu improvisieren und die zu behalten, die mir am meisten Spaß machen. Ich glaube, viel von Chelseas Gesang und Davids Bass basierte auch auf Improvisationen. Ich würde also sagen, unser Ansatz ist sehr spontan. Beim nächsten Album verfolgen wir einen eher gruppenorientierten Ansatz für das anfängliche Songwriting.
Seid ihr während der Entstehung des Albums auch mal an einen Punkt gekommen, an dem ihr nicht mehr weiterwusstet oder an dem ihr an eure technischen Grenzen gekommen seid?
Bei diesem Album ging es um die musikalische Erforschung ohne selbst auferlegte Beschränkungen oder Erwartungen. Wir wollten einfach nur Songs machen, die uns Spaß machen würden, und haben nicht allzu viel über das Endergebnis nachgedacht.
Man könnte wirklich den Eindruck gewinnen, ihr würdet euch selbst beim Songwriting überhaupt keine Grenzen setzen. Wie findet man in so einem Meer der Möglichkeiten die richtigen Töne?
Das ist richtig, wir haben einfach das getan, was uns in die Wiege gelegt wurde. Für den „richtigen“ Sound. Ich habe das Gefühl, dass wir wirklich einen haben, wir haben einfach das getan, was wir wollten, ohne groß darüber nachzudenken, was die Leute vielleicht denken. Zu unserem Glück scheint es sich für uns ausgezahlt zu haben, dass wir so eine junge Band sind.
In einigen Songs wechselt ihr von einer Sekunde auf die andere zwischen progressivem Extreme Metal und sanften Ambient- bzw. Post-Rock-Passagen. Manch einem ist das womöglich sogar zu sprunghaft. Wie denkst du darüber?
Ich versuche immer, die Übergänge so reibungslos wie möglich zu gestalten, und habe nicht das Gefühl, dass unsere Musik zwischen den Ideen zu sprunghaft ist. Ich habe wirklich Freude an Dynamik und kontrastierenden Ideen, die sich in der Musik ergänzen, also werden wir das wahrscheinlich immer tun. Was die Zuhörer betrifft, so hat jeder einen anderen Geschmack, und wir können nicht erwarten, dass jedem gefällt, was wir tun. Wenn man Musik veröffentlicht, muss man darauf vorbereitet sein, alle Meinungen dazu zu hören; sowohl positive als auch negative.
Von dem Artwork über die Produktion des Albums bis hin zu den Musikvideos wirkt bei euch alles sehr professionell und aufwändig, insbesondere für eine so junge Band. Alles eine Frage der Ressourcen?
Ressourcen sind natürlich ein wichtiger Faktor. Glücklicherweise hat die San Francisco Bay Area immer noch eine lebendige Musik- und Künstlerszene. Deshalb versuchen wir immer, uns mit Leuten in verschiedenen künstlerischen Bereichen zu vernetzen und mit Personen zusammenzuarbeiten, die wir gut kennen. Die Ideen und viele der Requisiten in den Musikvideos stammen von Chelsea und mir. Wir haben natürlich einen sehr talentierten Videofilmer engagiert, Andy Chen, der einen sehr guten Ruf genießt und es Bands erlaubt, ihre eigenen Ideen zu filmen. Er stellt dann sein Material zu einer zusammenhängenden Geschichte zusammen, die zur Musik passt.
Die Musikindustrie ist aufgrund der aktuellen Pandemie beinahe zum Erliegen gekommen. Wie schwer hat euch die Situation rund um das Coronavirus getroffen?
Unser Album wurde genau zu dem Zeitpunkt veröffentlicht, als die Pandemie zu einem weltweiten Problem wurde. Seitdem konnten wir also nicht mehr live auftreten, was bedauerlich ist, da wir im Juni eine Tournee mit unseren Freunden Vintersea und Crepuscle geplant hatten. Diese wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Wir sind aber immer noch sehr aktiv durch das Schreiben von Musik. Tatsächlich haben wir während der Quarantäne einen neuen Track, „Cephalopodic Void“, geschrieben und veröffentlicht.
Viele Bands behelfen sich mit Dingen wie Streaming-Konzerten oder speziellem Merch, um es durch die Krise zu schaffen. Hältst du diese Maßnahmen für sinnvoll oder gäbe es deiner Meinung nach bessere Optionen, um sich als Musiker über Wasser zu halten?
Trotz der Pandemie ist es meiner Meinung nach immer wichtig, dass Musiker ständig neue Kunst schaffen und veröffentlichen. So können wir als Musiker weiter wachsen und unsere Präsenz ausbauen, unabhängig davon, ob es eine globale Krise gibt oder nicht.
Wie wird es nun mit DAWN OF OUROBOROS weitergehen? Arbeitet ihr schon an Material für ein zweites Album?
Wie bereits erwähnt, haben wir im letzten Monat oder so einen neuen Song geschrieben und veröffentlicht. Mit der Arbeit für das zweite Album haben wir begonnen, bevor „The Art Of Morphology“ veröffentlicht wurde, sodass wir derzeit etwa 30 Minuten neues Material dafür haben.
Wie üblich würde ich unser Interview gerne mit einem kurzen Brainstorming beenden. Wie denkst du über die folgenden Schlagworte?
Hydroxychloroquin: Wirkungsvoll als Malariamedikament, aber es gibt nicht genügend Daten, die belegen, dass es gegen eine COVID-19-Infektion wirksam ist.
Lounge-Musik: Mögen wir.
Videospiele: Ich bin nicht wirklich ein Gamer, aber wenn ich spiele, dann vor allem Einzelspieler-RPGs und Point-and-Click-Adventure-Spiele.
Wall Of Sound: Kann für wirklich kraftvolle Musik sorgen, besonders live.
Dein Tipp zum Zeit-Totschlagen: Versucht, Dinge zu tun, die mit Selbstverbesserung zu tun haben, oder kreiert etwas.
Bandcamp: Es hat es uns ermöglicht, finanzielle Unterstützung für die Band aufrechtzuerhalten, während wir nicht live spielen können.
Danke für deine Zeit. Gibt es noch etwas, das du den Lesern zum Abschluss mitteilen möchtest?
Ja, danke nochmals für das Interesse. Den Lesern wünschen wir viel Spaß mit unserer Musik. Ihr könnt euch gerne mit uns in Verbindung setzen, wenn ihr Fragen oder Anmerkungen habt. Wir antworten immer.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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