Mit „Realms“ haben DARKHER ein Album zwischen Doom Metal und Folk herausgebracht, das einer spirituellen Erfahrung gleichkam. Sechs Jahre später zehrt die Band um Jayn Maiven offensichtlich immer noch aus übersinnlichen Quellen, wie sich auf ihrem gespenstischen zweiten Album „The Buried Storm“ zeigt. Warum die Finsternis in Maivens Songs dennoch nicht aus dem Übernatürlichen per se fließt, wie sie mit Reaktionen auf ihr künstlerisches Schaffen umgeht und inwiefern ein Hochwasser in ihrem Heimatort sich seinen Weg in den letzten Track der Platte gebahnt hat, erzählte uns die Frontfrau unter anderem im folgenden Interview.
Aufgrund der Pandemie musstet meines Wissens ihr einige Konzerte verschieben. Wie gut seid ihr bislang durch diese turbulente Zeit gekommen?
Ja, wie bei vielen anderen Bands auch gab es in den letzten zwei Jahren eine Menge abgesagter Konzerte, aber glücklicherweise konnte ich diese Energie ohne Ablenkung in die Fertigstellung des Albums stecken.
Seit dem Release eures Debüts „Realms“ sind schon ein paar Jahre vergangen, nun habt ihr mit „The Buried Storm“ ein weiteres Album herausgebracht. Habt ihr in dieser Zeit durchwegs an der neuen Platte gearbeitet oder habt ihr euch zwischenzeitlich auch eine Auszeit genommen?
Nach der Veröffentlichung von „Realms“ gab es eine Zeit, in der das Touren und die Live-Shows Vorrang hatten, und ich neige dazu, nicht zu schreiben, wenn ich mich auf das Proben von bereits geschriebenem Material konzentriere. Dann war ich eine Zeit lang krank und während der Genesungszeit habe ich wieder mit dem Schreiben begonnen, dann folgten die Aufnahmen und der Mix.
Wenn du „Realms“ und „The Buried Storm“ einander gegenüberstellst, was kommt dir dabei in den Sinn?
„Realms“ entstand in einer sehr dunklen Zeit, genau wie „The Buried Storm“, aber ich empfand dieses Album als heilender und spiritueller.
Das neue Album ist auf Platz 14 der deutschen Charts eingestiegen – eine beachtliche Leistung für eine Underground-Band. Hast du den Eindruck, dass ihr damit mehr Aufmerksamkeit erregt habt als mit eurem Debüt?
Ich war sehr überrascht, als das passierte, ich hatte keine Erwartungen, ich fühlte mich einfach wie ein Kanal für den kreativen Fluss, ohne zu wissen, ob es gut ankommen würde oder nicht.
In den sozialen Medien teilt ihr sehr viele Rezensionen zu dem Album. Wie wichtig ist es dir, wie man deine Musik wahrnimmt?
Ich war ziemlich überwältigt von all den Reviews, vor allem, wenn sich jemand die Zeit nimmt, das Album zu hören und in die Reise einzutauchen, um dann so ausführlich darüber zu schreiben. Ich kann mich nur bei ihnen bedanken, indem ich die Rezension mit anderen teile. Ich lege keinen Wert darauf, wie die Leute die Musik wahrnehmen, während ich sie mache, das ist nichts, was mich jemals beeinflussen könnte, aber ein Album zu veröffentlichen kann sich anfühlen, als ob man seine Seele entblößt, und ich habe gehofft, dass es auf Wohlwollen stoßen würde und dass es bei einigen Leuten Anklang finden würde, denn das gab ihm mehr Bedeutung für mich.
In Rezensionen und auch in kurzen Kommentaren werden oft Vergleiche mit anderen Bands gezogen, in deinem Fall liest man auch von Assoziationen mit bestimmten anderen Sängerinnen. Stört es dich, wenn eure Musik an den Maßstäben anderer Kunstschaffender gemessen wird, anstatt für sich stehend betrachtet zu werden?
Ich akzeptiere einfach, dass es eine der Arten ist, wie wir durch das Leben navigieren, um Vertrautheit in Dingen zu finden und sie zu etikettieren oder zu vergleichen. Ich lasse mich davon nicht beirren, aber ich mag es, wenn keine anderen Referenzen als meine eigenen früheren Arbeiten erwähnt werden.
Frauen sind im Metal mittlerweile zwar wesentlich präsenter, aber immer noch unterrepräsentiert. Dass weiblich besetzte Bands oft als „female-fronted“ oder „all female“ vermarktet werden, deutet darauf hin, dass es immer noch als ungewöhnlich angesehen wird, als Frau harte Gitarrenmusik zu spielen. Welche Erfahrungen hast du in dieser Hinsicht gemacht?
Ich denke nicht wirklich darüber nach, aber die Zeiten scheinen sich zu ändern und weiterzuentwickeln.
Eure visuelle Ästhetik dreht sich hauptsächlich um Schwarz-Weiß-Bilder. Worin besteht für dich der Reiz im Farblosen?
Manchmal mache ich Bilder oder Videos in Farbe, aber ich liebe das Gefühl, das Schwarz-Weiß-Bilder hervorrufen, und manchmal habe ich das Gefühl, dass sie ästhetisch besser zu den Gefühlen in der Musik passen. Ich glaube, das liegt auch daran, dass wir in Farbe sehen, sodass Schwarz-Weiß sich manchmal wie ein anderes Universum anfühlen kann, es versetzt ein Bild in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort.
Auf dem neuen Album gehen die Songs noch flüssiger ineinander über und sie lassen sich nicht mehr so eindeutig in Doom Metal und Folk einteilen. Habt ihr darauf abgezielt, ein kohärenteres Werk zu kreieren?
Ich denke, das Album ist eine Stimmung, es war nicht als solche gedacht, aber es kam Stück für Stück zu mir und während ich daran arbeitete, wurde es eher zu einem Ganzen als zu einzelnen Songs.
Viele Kunstschaffende ziehen es vor, ihre Musik nicht in bestimmte Kategorie – wie in eurem Fall Doom Metal und Folk – einordnen zu lassen. Wie stehst du zu diesem allzu menschlichen Drang, Dinge zu katalogisieren?
Ich denke, wie ich bereits erwähnt habe, ist es einfach das, was wir tun, um durch das Leben zu navigieren und unseren Weg zu finden und nach dem Vertrauten oder Unvertrauten zu greifen. Ich ordne meine eigene Musik keinem Genre zu, es sei denn, ich werde dazu aufgefordert, und dann finde ich es schwierig, weil es offen für Interpretationen ist.
Man könnte sagen, dass auf der neuen Platte aufgrund des flüssigeren Songwritings weniger heraussticht als auf eurem Debüt. Denkst du, dass manche es deshalb für unscheinbar halten könnten?
Möglicherweise, ich denke nicht darüber nach, wie es wahrgenommen oder verglichen wird, es ist einfach, was es ist. Für mich ist das so, als würde man ein Kind mit einem anderen vergleichen, ich akzeptiere es in seiner Einzigartigkeit und respektiere, wie es zustande gekommen ist. Um ehrlich zu sein, ist es ein Wunder, dass es überhaupt entstanden ist, wenn man bedenkt, wie schlecht es mir ging, also betrachte ich es eher als eine Leistung aus dieser Perspektive und als Erleichterung, dass ich es fertigstellen konnte.
Eure Musik ist sehr vielschichtig, vieles spielt sich eher schemenhaft und atmosphärisch im Hintergrund ab. Auf welche Weise gehst du an diese Klangschichten heran – kreierst du sie sehr gezielt oder eher intuitiv?
Die Schichten entstehen alle in dem Moment, ohne viel nachzudenken, eher ein Gefühl, das sich im Klang materialisiert.
Die Streicher, die zuvor bereits auf „Buried“ zu hören waren, sind auf der neuen Platte nun in nahezu jedem Track vorhanden. Was hat es damit auf sich?
Ich mochte den Klang, den das Cello erzeugt, vor allem bei „Buried“ auf „Realms“, und ich wollte mit diesem Album mehr filmische Elemente erforschen, indem ich neben den Celli auch die Geige – gespielt von Lambert Segura – einbezog.
„Realms“ war meines Wissens vom Übersinnlichen geprägt. Auch auf „The Buried Storm“ hört man allerlei Gespenstisches heraus. Schöpfen die beiden Alben aus denselben bzw. ähnlichen Erfahrungen?
Ja, „Realms“ war eine Reflexion über das Leben, den Tod und das Jenseits, dieses Album fühlte sich eher so an, als wäre ein Teil von mir gestorben und versuchte, sich wieder mit der Seele zu verbinden, in diesem Sinne war es geisterhaft.
Der Glaube an etwas Unbegreifliches kann Menschen Kraft geben. In deiner Musik wirkt das Übersinnliche hingegen zumeist bedrohlich oder betrüblich. Warum?
Es ist nicht das Übernatürliche, das ich als bedrohlich oder traurig empfinde, sondern meine Beziehung zur Angst und wie sich diese manchmal wie eine erstickende Kraft anfühlen kann. Es ist diese Dunkelheit, auf die ich mich oft beziehe, um zu versuchen, sie zu überwinden und Frieden mit ihr zu schließen, sie in Licht zu verwandeln und mich schließlich aus ihrem Griff zu befreien.
Steckt in deinen Songs aus deiner Sicht dennoch auch etwas Tröstliches oder gar Ermutigendes?
Ich schreibe Lieder, um Emotionen loszuwerden, mich mit der Seele zu verbinden und zur Ruhe zu kommen, und in diesem Sinne enthalten die Lieder auch etwas Tröstliches. Die Texte von „Where The Devil Waits“ oder „Fear Not, My King“ haben etwas Hoffnungsvolles in sich, „Lowly Weep“ ist zudem ein Schlaflied für das innere Kind.
„The Buried Sea“ scheint nicht so ein klares Ende wie „Realms“ zu finden, vielmehr klingt im Abschlussstück „Fear Not, My King“ viel Ungewissheit durch. Was steckt hinter diesem offenen Ende?
„Fear Not, My King“ wurde zu einer Zeit geschrieben, als in der Stadt, in der ich lebe, mehrere Überschwemmungen auftraten. Die Sirene im Hintergrund wurde durch mein Studiofenster aufgenommen, als die Hochwasserwarnung über das Tal geschickt wurde, und die Musik schwang in diesem Gefühl der Vorahnung und Unsicherheit mit. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass es ein perfektes Ende für das Album sein würde, da der Text eine Art Erwachen widerspiegelt.
Weißt du bereits, was du als Nächstes mit DARKHER tun wirst?
Ich habe einige Ideen, aber ich lasse mich immer von meiner Kreativität und meinen Musen leiten, also werde ich sehen, was sich ergibt.
Vielen Dank für deine Antworten!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.