Es steht schlecht um den Rock ‘n‘ Roll, wenn man den Jungs von DANKO JONES Glauben schenken darf. Dabei muss sich die Gruppe aus Kanada mit ihrem neuen Album in der Hinterhand eigentlich nicht um die Zukunft des Rock sorgen. Wir klingelten vor ihrer Berlin-Show bei Drummer Atom Willard durch und plauschten ausgiebig mit dem sympathischen und mitteilsamen Amerikaner über die aktuelle Scheibe, sein bisher anderthalbjähriges Engagement bei DANKO JONES und vieles mehr.
Hey, Atom! Wie geht’s?
Spitze!
Hat deine Mahlzeit geschmeckt?
(missversteht es als Vorwurf, weil das Interview durch sein Abendessen verspätet stattfand): Ja, Mann, tut mir leid, aber es sieht so aus: Ich muss was essen! Ich muss drei Stunden, bevor wir auf die Bühne gehen, mit dem Essen fertig sein, ansonsten bekomm‘ ich Probleme und der Drumtech putzt nicht gerne Erbrochenes vom Schlagzeug.
Kann ich mir vorstellen! War auch nicht böse gemeint. Ihr seid gerade live unterwegs und habt schon ein paar Shows gespielt. Wie sind deine Eindrücke von der bisherigen Tour?
Dem ersten Eindruck nach muss ich sagen, dass es gut läuft. Wenn wir das Konzert beginnen, bekomme ich einen Eindruck davon, wie wir insgesamt ankommen, aber ich versuche dabei, speziell auf die neuen Songs zu achten und wie sie vom Publikum aufgenommen werden. Ich habe mehrmals gesehen, wie die Leute zum Beispiel zu [dem neuen Song] „Just A Beautiful Day“ auf und ab hüpfen und Pogo tanzen, und das ist ein großartiges Gefühl! Ähnlich ist es bei „I Believed In God“; So, wie wir es live spielen, wirkt es auch ziemlich gut. Es ist schwer mit der neuen Musik, schließlich wollen wir nicht schon zu früh zu viele neue Lieder spielen, weil die Leute noch keine Möglichkeit hatten, sie kennen zu lernen und sich an sie zu gewöhnen.
Du hast ja sicherlich auch ein besonderes Verhältnis zu den Songs, weil du als neuer Drummer erstmals an den Aufnahmen zu DANKO-JONES-Songs beteiligt warst.
Absolut! Und ich kann mich glücklich schätzen, weil ich die Möglichkeit hatte, der Musik meinen eigenen Stempel aufzudrücken. Allerdings bin ich ein großer Fan aller DANKO-JONES-Alben, daher macht es mir großen Spaß, sie zu spielen. Bei keinem Lied denke ich mir: „Och, das habe ich nicht geschrieben, ist mir egal!“ (lacht) Sonst würden mir die Shows wohl ziemlich lange vorkommen!
In der Promo-Info steht, du bist der erste Drummer auf kreativer Augenhöhe mit deinen beiden Kollegen Danko (Jones, Gesang und Gitarre – mf) und John (Calabrese, Bass – mf). Kannst du deinen kreativen Beitrag näher erläutern? Hast du am Songwriting mitgewirkt?
Ja, wir schreiben die Songs alle zusammen. Jeder Song wurde von uns dreien in einem Raum geschrieben. Es ist ein sehr organisches, natürliches Songwriting, und das ist auch einer der Aspekte, die ich an dieser Band so erfrischend finde. Ich habe nämlich so viele verschiedene Dinge auf so viele verschiedene Arten gemacht, dass die Rückkehr zu dieser Herangehensweise, bei der man an seinen Instrumenten sitzt, die Gitarre herumreicht und zusammen spielt, wirklich wohltuend ist. Das ermöglicht einen ausgereiften Prozess, in dem jeder seine Ideen einbringen darf. Weißt du, ich bin zu den beiden gegangen und habe gesagt: „Ich hoffe, ihr seid mit mir einer Meinung“ – und glücklicherweise waren sie das – „wenn ich sage, dass wir immer die beste Idee für einen Song nehmen sollten, und zwar ganz egal, von wem sie stammt. Wenn ihr eine tolle Idee für einen Drum-Part habt, dann verwende ich diese Idee, auch wenn ich nicht damit angekommen bin.“ Und diese Jungs sind einfach so gute Kerle, da gibt’s kein Ego, da gibt’s keinen Bullshit, und deshalb sind wir im Studio auch so gut miteinander ausgekommen.
Das ist interessant, denn immerhin denken die Leute beim Namen DANKO JONES oft nur an den Typ mit der Gitarre und vergessen, dass es noch zwei weitere Mitglieder gibt.
(lacht, dann mit verschwörerischer Stimme): Nun, das werden wir jetzt alles ändern!
Inwiefern unterscheidet sich dein Wirken bei DANKO JONES von dem in anderen Bands, zum Beispiel in Bezug auf Songwriting und Studioarbeit?
Das kommt ganz darauf an, von welchem Projekt wir sprechen. Bei The Offspring war ich zum Beispiel nicht ins Songwriting involviert, das wollten die noch nicht einmal, denn das ist Dexters Bereich (Dexter Holland, The-Offspring-Frontmann – mf) und der macht das für sich allein. Bei Angels And Airwaves war ich sehr stark am Songwriting beteiligt, allerdings lief das alles über Computer und nicht über den traditionellen Ansatz, bei dem du zusammensitzt, jamst, Passagen zusammenfügst und schaust, wie es passt. Mein Engagement bei DANKO JONES ähnelt also eher den früheren Tagen, meiner Zeit bei Rocket From The Crypt oder den anderen eher rocklastigen Projekten, an denen ich beteiligt war und die sehr traditionell sind. Ich will es eigentlich nicht als traditionell bezeichnen, aber irgendwie trifft es das schon. Hat das deine Frage beantwortet? Ich erinnere mich nicht mehr, sorry! (lacht)
Klar, hast du gut gemacht! Du bist seit letztem Jahr dabei, also immer noch ein bisschen „der Neue“. Wie ist der Kontakt zu Danko entstanden und wie bist du letzten Endes in der Band gelandet?
So viel ich weiß, hatten sie ein paar Probleme mit ihrem vorherigen Schlagzeuger und sie hatten mitbekommen, dass ich zu der Zeit nicht auf Tour mit Angels And Airwaves war. Also riefen sie mich an und fragten mich, ob ich mit ihnen ein paar Festival-Shows spielen könne. Ich flog also los, wir probten zwei Tage und dann hatte ich meine erstes Konzert mit DANKO JONES im schwedischen Göteborg vor etwa 7 000 Leuten oder so (lacht nervös). Den ganzen Sommer war ich aber immer noch damit beschäftigt, eine Platte in Kalifornien aufzunehmen, also musste ich viel hin und her fliegen. Von dienstags bis donnerstags arbeitete ich an der Platte und dann flog ich freitags nach Europa zurück, um samstags und sonntags Shows zu spielen (lacht). So haben sich die Dinge dann weiterentwickelt. Wir kamen sehr gut miteinander aus und hatten irgendwann ein paar Sessions an freien Tagen, in denen wir zusammen Musik schrieben und einfach wussten, dass es super lief und angenehm war. Also beschloss ich, der Band als Vollzeit-Mitglied beizutreten. Mit meiner anderen Band ging es dann auch irgendwie auseinander, also mache ich jetzt nur das hier und es läuft gut!
Also Friede, Freude, Eierkuchen?
Ja, ich kann mich nicht beschweren, es macht so viel Spaß, authentische, ehrliche Musik zu spielen! Wir sind drei Leute mit Instrumenten, es gibt keine Computer, keine Extra-Effekte, keinen Bullshit. Es ist einfach aufs Wesentliche reduzierter Rock ‘n‘ Roll. Und wenn wir diesen Sound erzeugen und die Leute dazu bringen, tanzen und sich dazu bewegen, dann tun sie das nur wegen uns und wegen nichts anderem, verstehst du?
War dieser traditionelle, klassische Ansatz der Rockmusik, wie ihn DANKO JONES vertritt, auch ein großer Grund für dich, der Band beizutreten?
Das war er tatsächlich. Als ich bei Social Distortion spielte, konnte ich wieder ein bisschen in diesen Bereich hineinschnuppern, nachdem ich für fast zehn Jahre von ihm weg war. Es war zwar großartig, bei The Offspring zu spielen, aber es ist Punkrock, da gibt es einfach nicht diese Art von Groove oder Stimmung, und bei Angels And Airwaves gibt es sie offensichtlich überhaupt nicht. Mit Social Distortion konnte ich davon also wieder ein bisschen kosten, aber es lief trotzdem noch hauptsächlich nach den Vorstellungen von Mike Ness ab (Frontmann von Social Distortion – mf). Man konnte also nur in gewissem Maße sein eigenes Ding durchziehen, aber es hat wirklich mein Feuer wieder entzündet. Außerdem bin ich schon immer Fan von DANKO JONES gewesen! Es war nicht so, dass ich erst kürzlich über die Band gestolpert bin. Nein, ich höre sie regelmäßig! Und ich dachte mir so: „Heilige Scheiße, ich darf ‚Caramel City‘ und ‚Lovercall‘ spielen? Fuck yeah!“(lacht) Es macht so viel Spaß. Also ja, das war ein wichtiger Grund für mich, der Band Zeit und Energie zu widmen.
Du hast erwähnt, dass du für die Band schon viel herumreisen musstest. Du kommst aus den USA, die anderen beiden sind Kanadier. Welche Rolle spielt da die geografische Distanz? Ist das ein Hindernis für eure Teamarbeit?
Die Distanz erfüllt sogar einen echt guten Zweck, denn bevor ich in die Band kam, hatten sich die Jungs nicht so zusammengesetzt und Songs geschrieben, wie wir es jetzt taten. Sie wohnten alle in derselben Stadt, trafen sich dann für eine Stunde oder so zum Schreiben und machten danach aus, ein paar Tage später zu den entstandenen Ideen zurückzukehren. So wurden dann Dinge aufgeschoben, mehr Zeit verging und viele der Songs wurden letztendlich im Alleingang geschrieben. Danko schrieb eine Menge des Materials auf eigene Faust. Jetzt sieht es aber anders aus: Ich komme aus Los Angeles zu ihnen geflogen, bin für drei Tage dort und in der Zeit müssen wir arbeiten! Und dadurch konzentrieren sich all unsere Bemühungen auf diese sechs- bis siebenstündigen Songwriting-Tage. Also, wenn überhaupt, dann hilft uns dieser Umstand, all die Energie zu kanalisieren und sicherzugehen, dass, wenn wir uns getroffen haben, wir auch sehr produktiv waren. Das merkt man dem Album auch an. Natürlich kann ich das immer behaupten, richtig?(lacht) Allerdings verbrachten wir so viele Tage zusammen, dass die Lieder schon gut entwickelt waren, bevor wir ins Studio gingen.
Der Schlagzeugerposten bei DANKO JONES war schon immer eine Art Schleudersitz. Du bist mittlerweile der sechste Drummer – denkst du, dass du mehr Beständigkeit ins Lineup bringen kannst?
Ja, das denke ich, aber hauptsächlich wegen der Gründe, aufgrund derer die anderen Drummer nicht mehr in der Band sind. Es lag nie daran, dass es schwer wäre, mit Danko oder John gut auszukommen. Es lag nie daran, dass diese Jungs unvernünftig oder problematisch wären, oder dass einer ein so großes Ego hätte, dass sich andere nicht kreativ entfalten könnten. All das ist hier nicht der Fall. Ich wiederum habe kein Drogenproblem, ich habe kein Alkoholproblem, ich habe überhaupt keine Probleme. Aber ich liebe es, Schlagzeug zu spielen! Ich denke also, dass es wirklich nichts gibt, was in den Weg kommen sollte. Toi, toi, toi! (lacht)
Suchst du überhaupt nach Beständigkeit? Ein Blick auf deine Laufbahn zeigt, dass du schon in einer Menge Bands gespielt hast. Bist du vielleicht eher der Typ, der alle paar Jahre mal eine Veränderung braucht?
Ich denke, dass das oftmals der Fall gewesen ist. Ich habe immer nach der richtigen Stelle gesucht, und während man mehr über sich selbst lernt und man verschiedene Erfahrungen und Situationen durchmacht, beginnt man auch, gewissen Dingen eine bedeutendere Rolle zuzuweisen. Ich kann also sagen, dass ich mit dem Eintritt in diese Band etwas mehr Selbstvertrauen und Vertrauen in die Erkenntnis dessen habe, woran es liegt, dass mich das Schlagzeugspielen glücklich macht. Ergibt das einen Sinn? …und ich kann weiterhin Dingen in Los Angeles nachgehen, ich kann an verschiedenen Projekten arbeiten, die mich nicht daran hindern, bei DANKO JONES zu spielen. Die Jungs sind sehr flexibel. Wenn ich ihnen meine Zeitpläne zeige, ist das für sie kein Problem. Sie sind in dieser Hinsicht sehr entgegenkommend. Ich liebe alle Arten von Musik, ich liebe es, viele verschiedene Arten von Musik zu spielen, aber das heißt nicht, dass ich mit dem einen aufhören muss, um das andere zu machen.
Als du dich für Musik zu interessieren begannst, was hast du gehört? Wie lief deine musikalische Sozialisation ab?
Als ich ein kleiner Schlagzeuger war, habe ich Rush, Led Zeppelin, Van Halen, Mötley Crüe (lacht) und dieses ganze Zeug gehört. In meinen frühen Teenager-Jahren wurde mir dann Minor Threat vorgestellt, die erste Punkband, die ich kannte. Das wurde zu einem Wendepunkt für mich. Danach folgte Fugazi. Das ist echt eine Band, von der ich mir nach wie vor zu jeder Tageszeit die ersten drei oder vier Platten anhören und gut drauf sein kann. (lacht) Das habe ich zu der Zeit so gehört, als ich in San Diego aktiv war und schließlich bei Rocket From The Crypt eingestiegen bin.
Apropos Rocket From The Crypt, kennst du deinen Nachfolger auf dem Drumhocker, Mario Rubalcaba?
Ja, ich kenne Mario ziemlich gut, ich habe ihn sogar erst vor wenigen Wochen getroffen. Wie waren beide in Florida, ich war wegen eines Festivals da, er wegen einer Hochzeit. Er ist ein netter Typ.
Hast du schon seine aktuelle Band Off! angcheckt?
Ich liebe Off! Ich denke, es ist eine großartige Band. Ich liebe die Musik. Es ist allerdings ein wenig schwierig, eine ganze Show durchzuhalten. (lacht) Ich habe sogar ein Nebenprojekt namens The Hell mit Matt Skiba und die Musik ist sehr ähnlich. Es ist nicht so sehr im Bereich des traditionellen Punkrock wie Off!, aber ich liebe diese Musik, es macht Spaß, sie anzuhören… und ich mag ihn, er ist so ein guter Kerl.
Welche neuen Bands hast du dir in letzter Zeit angehört?
Ich bin nicht so gut darin, neue Musik zu finden. Ich schaue ständig in die Vergangenheit, um herauszufinden, was es über die Musikgeschichte noch zu lernen gibt. (lacht) Ich sage jetzt mal, dass ich die Brocks liebe. Das ist eine neue Band, die immer und immer wieder aufregende Dinger dreht. Das mag ich sehr. Aber ich mag auch verschiedene Musikgenres. Ich höre zum Beispiel auch gerne das, was manche Menschen wohl als elektronisch bezeichnen. Ich springe also von Rage Against The Machine über Hank Williams, Deadmau5 und The Naked And Famous bis zu den Misfits, und das alles an einem Nachmittag, an dem ich an meinem Motorrad herumschraube. Die gesamte Palette ist abgedeckt. Ich schäme mich schon fast für meinen spastischen Geschmack, aber er macht mich zu dem, was ich bin und er beeinflusst, wie ich Schlagzeug-Parts und Musik im Allgemeinen schreibe.
Okay, wir sind schon fast durch. Kannst du mir noch was zur Bedeutung vom Albumtitel „Rock And Roll Is Black And Blue“ sagen? Hat es was damit zu tun, grün und blau geschlagen zu werden?
In etwa. Es geht in erster Linie darum, dass der Rock ‘n‘ Roll im Jahr 2012 als Genre an letzter Stelle steht. Er wird von der Öffentlichkeit nicht wirklich angenommen. Es gibt all diese verschiedenen musikalischen Strömungen, die Leute hören sich neue Musik an und Rock ‘n‘ Roll nimmt dabei den niedrigsten Stellenwert ein. Er ist nicht gerade sehr populär und so ist es auch vorher schon gewesen, es ist stufenweise schlimmer und schlimmer geworden. Der Rock ‘n‘ Roll muss Niederlagen einstecken, aber letzten Endes ist er immer noch da und nicht tot, er ist etwas vermöbelt, aber er wird nicht gehen. Das hoffen wir, denn das ist es, was wir lieben und das ist es, was uns ausmacht. Du hältst also durch, du erträgst deine Strafe und stehst am Ende stärker da, als du es zuvor warst.
Für wie stark halten denn Presse und Fans eure neue Platte, verfolgst du das?
Ich habe ein paar negative Kritiken gesehen, auf die ich mich dann eingeschossen habe und über die ich mich geärgert habe, weil der Schreiber vielleicht gar nicht das ganze Album gehört hat und dann konzentriert man sich plötzlich auf das Negative, aber die Realität sieht anders aus. Bisher sind es 90 % großartige Reviews gewesen, wenn nicht sogar mehr. Die Platte wird gut aufgenommen, von älteren wie auch von neueren Fans. Ich denke, dass die Leute sie mögen. Das ist eine der Fragen, die die Zeit beantworten wird. Anhand von Verkaufszahlen kann man es nicht mehr sagen, denn niemand kauft mehr Alben, aber… wir sind zufrieden damit! (lacht) Es ist immer schwer, mit etwas zufrieden zu sein, nachdem es einmal fertig geworden ist, aber wir sind es und das ist ein gutes Gefühl.
Atom, danke für deine Zeit und viel Spaß auf dem Konzert!
Kein Problem! Mach’s gut und auf Wiedersehen!