Wenn dir im Traum eine mysteriöse Frau aus einer anderen Welt erscheint und die Menschheit davor warnt, wohin sie sich in Zukunft entwickeln wird, ist das wohl kaum ein gutes Zeichen. Martin Erikson, seinerseits bekannt als Eurodance-Musiker „E-Type“, hat diesen Traum in sein ganz eigenes Metalalbum ohne jegliche Genregrenzen umgesetzt. DAMPF heißt seine Band und „The Arrival“ ist ein ganz eigenständiges und kaum vergleichbares Album geworden. Wir sprechen mit ihm über die Reise vom Traum zur fertigen Scheibe, über Toleranz und Akzeptanz in der Metalszene sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Metal und Dance.
Hallo Martin, danke für deine Zeit. Wie geht es dir dieser Tage?
Danke, mir geht es gut. Es sind aufregende Zeiten und ich bin froh, dass dieses Projekt endlich das Tageslicht sieht. Ich hoffe, dir geht es auch gut und du genießt den Sommer. Danke, dass ich ein kleiner Teil von Metal1 sein darf.
Wie bist du auf die Idee zu DAMPF gekommen?
Die Idee, ein Metal-Album aufzunehmen, das genau so klingt wie ich das möchte, begleitet mich schon viele Jahre. Ich habe nämlich schon immer mit Metal-Musikern zusammengearbeitet und in meinen Produktionen mit Hard Rock geflirtet, aber die Zeit hat nie ausgereicht. Ich habe im Herbst 2019 angefangen, zum Zeitvertreib Musik für DAMPF zu schreiben und als die Pandemie die Welt und meinen Kalender lahmgelegt hat, war plötzlich die Zeit da und ich konnte mich zu 100 % darauf fokussieren, das gesamte Album zu machen. Von Anfang an lag der Fokus darauf, ein Album zu schreiben und zu produzieren, das alle Einflüsse meines Lebens als Metal-Musiker und -Hörer ebenso wie die Musiker und Talente in meinem direkten Umfeld beinhaltet. Danke auch an Jonah T. von H.E.A.T., der sowohl beim Produzieren des Albums geholfen hat als auch darauf zu hören ist und mitgeschrieben hat, so dass es tatsächlich Realität werden konnte.
Die Beschreibung eurer Facebook-Seite lautet wie folgt: „Die Metalband DAMPF hat es sich zur Aufgabe gemacht, wichtige Botschaften und traurige Erfahrungen aus einer anderen Welt zu visualisieren und darzubieten.“ Das klingt irgendwie spirituell. Wie ist das gemeint und was kannst du mir über diese Botschaften und Erfahrungen erzählen?
Als klar wurde, dass ich wirklich ein Album machen durfte, dachte ich gleich an meine verrückten Träume von einer Frau aus einer anderen Welt, die in unsere Welt kam, um uns davor zu warnen, wohin wir noch gehen würden. Auf einfühlsame Weise hat sie die Geschichte erzählt und Bilder von dort gezeigt, wo sie herkommt – eine Mischung aus dem heutigen Mariupol und dem Mond. Das war vor inzwischen zwei Jahren. Es mag ein kranker Traum gewesen sein oder auch nicht, es fühlt sich jedenfalls richtig an, dass die Songs auf „The Arrival“ davon handeln, wie falsch es sein kann, wenn wir nur an uns selbst denken, nicht nett zueinander sind und nur für unseren eigenen Nutzen leben. Oder dass wir denken, unsere eigene Religion wäre die einzig richtige. Stell dir vor, die weltweiten Ausgaben für Waffen würden für unsere alten Mitmenschen, unsere Schulen und dafür investiert, Wasser und Essen für die Welt zu bringen. Zumindest für ein Jahr. Dann wäre die Frau aus dem Train zufrieden mit unserer Menschlichkeit. Etwas anspruchsvoll, aber trotzdem ein schöner Traum.
DAMPF ist ein ziemlich ungewöhnlicher Bandname und ist die deutsche Übersetzung des englischen Wortes „steam“. Wie kamst du auf den Namen und was bedeutet er dir?
Ich habe die ersten Songs auf Deutsch geschrieben und die Band … oder das Projekt DAMPF schnell nach einem Phänomen benannt, das schon lange auf der Erde existierte, bevor der Mensch damit begann, unsere Natur zu zerstören. Ich wollte ein Wort, das man sowohl auf Deutsch als auch Englisch versteht. Bei der Begegnung mit der Frau Eye in meinem seltsamen Traum waren wir von einem dichten Wassernebel umgeben, wie in Island. DAMPF hat sich also … natürlich angefühlt. Währenddessen bin ich als deutscher Texteschreiber in der Band gefeuert worden, weil mein Deutsch so schlecht ist, aber der Name bleibt und ebenso der Traum, eines Tages die größte Nebelmaschine der Welt auf der Bühne zu haben.
Mit „Steinhaufen“ gibt es einen Track mit deutschen Texten – es klingt aber nicht so, als würdest du die Worte kennen, die du da singst. Sind deine Deutschkenntnisse also wirklich so schlecht und was ist die Idee hinter dem Song?
Da ich den Text selbst geschrieben habe, weiß ich schon, was ich singen möchte, aber meine Aussprache lässt vermutlich einiges zu wünschen übrig. „Steinhaufen“ stammt aus der ganz frühen Songwriting-Phase, als ich alle Songs auf Deutsch schreiben wollte. Nach der Übersetzung auf Englisch klang es aber nicht mehr so gut, also haben wir Teile der Lyrics auf Deutsch gelassen. Schlechte Aussprache hin oder her. Laut Google Translate bedeutet „Steinhaufen“ auf Schwedisch „Stan Röse“ und „Cairn“ auf Englisch. Wir lieben alte Steinhaufen und neue genauso. Wir glauben, dass Steinhaufen für die Natur, sowohl für Tiere als auch für Menschen, eine Möglichkeit sind, zu zeigen, dass sie in ihrem Bemühen vereint sind, die alte pure Art des Umgangs mit der Umwelt und den Früchten der Erde zu bewahren. Die Welt blutet rot. Ich danke zum Beispiel also dem unglaublichen Händel und seinem Werk „Der Messias“ für die große Inspiration, in Zukunft bleibe ich aber wohl eher bei meinem mäßigen Englisch. (lacht)
Man kennt dich für deine Eurodance-Musik, du hast aber auch schon bei den Thrash Metallern Hexenhaus gespielt. Welchen Teil nehmen Rock und Metal in deinem Leben ein und was bedeutet Musik für dich?
Ich kann vermutlich fast jede Art von Musik, die auf der Welt existiert, lieben und wertschätzen. Manche Arten mehr als andere, aber ich denke nicht wie manch andere Leute und versuche, alles zu kategorisieren und alles in verschiedene Schubladen zu stecken. Ich höre harten Metal sowohl bei Beethoven als auch bei Bach und den besten Eurodance-Song der Welt in „Run To The Hills“ von Iron Maiden. Für mich machen gute Melodien, großartige Rhythmen, schöne Akkorde und gefühlvoller Gesang gute Musik aus. In allen Genres gibt es fantastische und nutzlose Kompositionen, aber was ich mag, hasst jemand anderes. Und genau so ist es andersherum. Seit ich die Single „The Six Teens“ von Sweet von meiner großen Schwester bekommen habe, als ich sehr jung war, hat sich Rockmusik ganz tief in mein Herz gebrannt. Als ich angefangen habe, selbst Musik zu schreiben, wurde es zu meiner Überraschung aber etwas völlig anderes. Es steckt eine unglaubliche Kraft in guter Dance-Musik, wie etwa auch in „The Topmost Violent God“ von Vicious Art.
Hattest du von Anfang an genaue Vorstellungen, wie „The Arrival“ klingen soll oder bist du einfach deinem Gefühl gefolgt und hast dir selbst keine Grenzen gesetzt?
Als ich mit Jona T in Kontakt getreten bin und wir entschieden haben, zusammen ein Album zu machen, habe ich ihm wohl um die 40 Demosongs geschickt. Dann habe ich ihn gebeten, nur die Songs zu produzieren, die ihm gefallen, damit er es nicht für mich macht. „Stell dir vor, du stehst mit mir auf der Bühne“, sagte ich zu ihm. Und jetzt tut er das. Ich habe aber wirklich einfach Lieder geschrieben, die mir selbst gefallen und da wir kein Publikum haben, gab es auch niemanden, den ich beeindrucken oder überzeugen musste. Ich habe also etwa ein Jahr lang geschrieben und Jona T hat aussortiert. Eine ganz andere und sehr spaßige Weise, zu arbeiten. Nur der März war die Grenze. Ich sehne mich schon nach dem nächsten Album.
In meiner Review habe ich geschrieben: „DAMPF schert sich nichts um Konventionen, Vorbilder oder Genregrenzen.“ War es von Beginn an dein Plan, etwas neues und einzigartiges zu erschaffen? Das poppige „Twilight Eyes“ oder „From The E-ternity“ als Power-Metal-Song mit Growls sind beispielsweise sehr originell.
Mir gefällt, dass du sagst, dass wir Genregrenzen ignorieren, danke dafür. Ich hatte das Vergnügen, manchmal zu lesen, dass DAMPF nicht wie irgendetwas anderes klingen, sei es nun im Guten oder im Schlechten, aber für mich ist das uneingeschränkt gut. Das ist eine gute Bewertung. Die Möglichkeit zu haben, in einem Dschungel von tausenden neuen Hard-Rock-Alben mitzumischen und etwas zu machen, dass ein wenig neu klingt, ist schwindelerregend. Ein tolles Gefühl. Mein Plan war nur, meinen Traum wahr werden zu lassen. Ich hatte schon das Gefühl, dass das Album vermutlich nicht nach anderen Bands klingen würde, weil meine Reise als Musiker und die Reise der Lieder ganz anders waren als viele andere. Und dann kam der Zusammenstoß mit dem Soundbild von Jona T. Das kann der Anfang von etwas wirklich Schönem sein … oder das Ende. Die Zukunft wird es zeigen.
Ich habe mehrere Reviews gelesen, die „The Arrival“ verreißen, weil die Musik anders ist, viele Pop, Elektro- und Dance-Elemente hat und damit nicht „true“ ist. Wie gehst du mit solchen Reaktionen um und wie hast du die Reaktionen im Allgemein wahrgenommen?
Auch hier ist es so, dass sie eher finden, dass es anders als bei anderen Bands klingt. Es wäre mein Albtraum, wenn es eine Band gäbe, die genau wie DAMPF klingt. Dann höre ich auf, weil sie besser sein könnten. (lacht) DAMPF ist eine Band, die viele Einflüsse von Pop und elektronischer Musik zieht – wer diese Einflüsse nicht mag, hat ein Problem, ich aber nicht. Ich habe gelesen, dass Metallica Einflüsse bei Bob Marley gefunden haben. Das ist genau mein Ding. Immer, wenn mir jemand erzählen will, was echter Metal ist, kann ich nur herzhaft lachen. Ich finde, die Reaktionen waren im Großen und Ganzen sehr gut und haben meine Erwartungen übertroffen. Ich wusste, dass es Pop-Liebhaber geben würde, denen es zu viel Metal ist und Rocker, denen es zu poppig ist. Zwischen den Stühlen blühe ich auf und ich würde es niemals anders machen.
Die Metal-Szene steht für Tolrenz und Offenheit und predigt diese Werte – bis etwas wie DAMPF kommt und eine andere Seite der Szene zeigt. Wie siehst du das?
Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Die Predigten fallen in sich zusammen, wenn Toleranz nicht von allen gelebt wird. Als ob die Offenheit nur bis zu einer bestimmten Grenze gilt. Solange es ihrer Meinung nach Hard Rock ist, gilt die Toleranz. Es wird aber langweilig, wenn jemand denkt zu wissen, was was ist. So, wie ein nicht gewählter Richter. Niemand kann nur aufgrund des persönlichen Geschmacks sagen, was gut, schlecht oder echt ist. Ich denke, manche Leute sind eingeschüchtert, wenn in einem etablierten Genre neue Sounds auftauchen. Sie haben Angst, dass das Alte verwaschen wird und verschwindet. Das wird aber niemals passieren. Neue Bands und Klanglandschaften werden weiterhin auf den guten, alten Fundamenten des Hard Rock aufbauen.
Metal und Dance haben offensichtlich viele Unterschiede – wo aber würdest du Gemeinsamkeiten sehen?
Ich würde sagen, dass in meinen Ohren alle guten Dance- und Metal-Song Gemeinsamkeiten wie Swing, Rhythmus und gute Melodien haben. Aus meiner Sicht sind beide Genres Zweige des gleichen Baumes. Fehlt der Swing, ist der Song tot, egal welche Art von Musik er ist. Ein schlechter Dance-Track kann stillstehen, während ein Death-Metal-Song so sehr swingt, dass ich tanzen möchte. Oder zumindest headbangen. Sogar nüchtern.
Du hast einige bekannte Gastmusiker aus der Metalszene eingeladen. Wie hast du diese ausgewählt und wie kamen die Kontakte zustande?
Von Anfang an lag mein Fokus hauptsächlich auf dem Songwriting. Außerdem war es mir wichtig, auf dem Album Einflüsse aus meinem gesamten Leben, in dem ich verschiedene Arten von Musik gehört habe, abzubilden und die Musiker und Talente aus meinem direkten Umfeld dabei zu haben. Alte Freunde, die ich während der Reise getroffen habe. Es war dann überraschend einfach, sie für Gastbeiträge zu gewinnen, wo sie nötig waren. So mache ich das für gewöhnlich immer bei meinen Projekten. Ich bin ein großer Amon-Amarth-Fan seit ihren frühen Jahren, Johan [Hegg] kannte ich bisher aber nicht und war echt glücklich, als er zugesagt hat. Tommy [Johansson] von Sabaton hat sich ebenfalls als fantastische Person herausgestellt, ich wusste bis dahin nur, dass er spielt wie ein Gott. Fredrick [Melander] von Bathory sowie Pontus [Norgren] und David [Wallin] von Hammerfall sind alte Freunde, bei denen ich davon ausgegangen bin und gehofft habe, dass sie mir bei dem Projekt helfen würden.
Was kommt als nächstes für DAMPF? Siehst du DAMPF eher als Studioprojekt oder wollt ihr eine richtige Band werden?
Ursprünglich war es definitiv ein Studioprojekt, aber da ich mein ganzes Leben lang schon live spiele, gab es schon immer Vorstellungen, auch damit auf die Bühne zu gehen. Wir haben jetzt eine kleine Rock-Festival-Tour im Sommer 2022 in Finnland und Schweden angesetzt und wir haben gerade erst angefangen, die Songs zu proben. Sehr spaßig und aufregend. Ich hoffe natürlich, dass es eines Tages zu einer echten und gefestigten Band wird, das kann aber nur die Zukunft zeigen. Wie gesagt, wir sind ein Haufen sehr guter Musiker für diesen Sommer und ich hoffe, dass viele davon bleiben wollen, wenn wir uns im Herbst über die Zukunft unterhalten. Nichts macht so viel Spaß und ist so belohnend, wie live zu spielen, also hoffe ich, dass wir in Zukunft mehr als nur ein Studioprojekt sein werden.
Lass uns zum Abschluss unser traditionelles Brainstorming machen. Was fällt dir bei folgenden Begriffen zuerst ein…
Aktuelles Lieblingsalbum: Ich höre immer noch „Impera“ von Ghost im Auto.
Streaming oder CD / Vinyl: Die neue Lamb-Of-God-Single „Nevermore.
Religion: Spiritualität, Natur und einige gute, christliche Werte.
Toleranz: 11/10.
Bestes Film-/Serien-/Buch-Universum: „Taboo“ auf Netflix.
Bester Weg, sich zu entspannen: An einem dunklen und leisen Fluss mit gutem Käse, meiner Frau und einer Flasche Burgunder.
Etwas, das jeden schlechten Tag besser macht: Nachrichten über den Kampfgeist der ukrainischen Menschen.
DAMPF in zehn Jahren: Auf Welttournee mit so vielen Trucks, dass wir all unsere Wassernymphen, großen Vogelnester und schweren Nebelmaschinen mitnehmen können.
Danke nochmal für deine Zeit, Martin! Die letzten Worte gehören dir.
Ich bin so dankbar und glücklich, dass das erste DAMPF-Album verfügbar ist und ich kann es kaum erwarten, der Welt mehr Seiten unserer kleinen Band zu zeigen. In welche Länder werden wir reisen dürfen? Was bleibt von der Welt übrig, wenn der Krieg endet? Das wichtigste aber ist, Spaß zu haben und Eye und unser Publikum stolz auf uns zu machen. Nichts ist wichtiger als das! Ich hoffe, euch gefällt „The Arrival“ und vergesst nicht: Wenn es euch gefällt, seid ihr bereits ein Teil von DAMPF. Willkommen!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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Wunderbares Interview, in dem ich meine Anregungen aus der Review wiederfinde und vom Meister – ich habe das Gefühl, er ist als Dance-Musiker mehr Metalhead als so mancher True-Geselle – eine Antwort kriege! Ein großes Dankeschön an dieser Stelle.
Sehr gerne und vielen Dank auch dir für deine Rückmeldung. Es kommt wirklich gut durch, dass er das Projekt mit Begeisterung angegangen ist und er über den verbohrten, selbsternannten Szenewächtern steht.