Einsteigen in die dicke Karre, Gas geben und ab durch die nächtliche, neonbeleuchtete Welt einer Megacity – das klingt nach einem Traum von Freiheit, den DAGOBA auf ihrem achten Album „By Night“ sowohl thematisch wie auch musikalisch ausleben. Die Franzosen scheuen sich nämlich nicht davor, ihre Liebe zu Retro und Synth ganz offen zu zeigen und zu zelebrieren. Sänger, Songschreiber und Bandgründer Shawter erzählt uns von dieser Freiheit, wahrgewordenen Träumen und der heutigen Sicht auf die alten Werke.
Seit eurem letzten Album „Black Nova“ sind ganze fünf Jahre vergangen. Warum hat es so lange gedauert, „By Night“ zu veröffentlichen?
Zuerst mal, weil wir vier Jahre auf Tour sein sollten, um „Black Nova“ zu promoten. Außerdem haben wir den Release von „By Night“ ein paar Monate aufgeschoben, um abzuwarten, ob die Pandemie ein wenig abflacht, damit wir direkt nach der Veröffentlichung auf Tour gehen können.
Am 16. Februar soll eure Tour mit Infected Rain in München starten – aber aufgrund der aktuellen Corona-Situation mit diversen Einschränkungen kann ich mir das in Europa kaum vorstellen. Wie blickst du im Moment auf die Tour?
Naja, wir bereiten uns so vor, als würde die Tour stattfinden und warten darauf, dass unsere Agenten uns sagen, ob die Tour für beide Bands machbar ist oder nicht… Es sind dunkle Zeiten für tourende Bands, aber wir müssen positiv bleiben. (Kurz nach der Durchführung des Interviews wurde die Tour abgesagt bzw. verschoben, Anm. d. Red.)
Seit „Black Nova“ hat sich das gesamte Line-up verändert. Wie hat sich das auf deine Arbeit mit der Band und auf den Sound des neuen Albums ausgewirkt? Waren die anderen Mitglieder an der Entstehung des Albums beteiligt?
Unser Gitarrist Ritch hat tatsächlich schon die ganze „Black Nova“-Tour mitgemacht und Theo hat unseren Ex-Drummer etwa zur Hälfte der Tour ersetzt. Sie sind also schon mehrere Jahre Teil der Band. Ich schreibe Musik und Texte für die Band schon seit Beginn unserer Karriere, es hat sich also nicht besonders auf das Songwriting ausgewirkt. Sie waren aber sehr zufrieden damit, wie die Songs für „By Night“ in der Vorproduktion klangen und haben mich angetrieben, so weiterzumachen.
Nach einem Album bei Century Media seid ihr nun zu Napalm Records gewechselt. Warum ist Napalm das richtige Label für euch?
Tatsächlich waren wir bei Song und Century Media lizensiert. Wir haben bereits mit Napalm Events gearbeitet und es war jetzt sehr cool, bei Napalm Records zu unterschreiben. Die Kommunikation zwischen der Agentur und dem Label läuft reibungslos und Napalm hat uns einen Deal über drei Alben angeboten mit der Hauptidee, uns außerhalb Frankreichs größer zu machen, was genau das war, wonach wir gesucht haben.
„Unser großes Ziel ist, das gleiche Rezept nicht immer und immer wieder zu wiederholen“
„By Night“ ist im Neon/Retro-Look gehalten, auch die Videos. Was gefällt euch so sehr an diesem Stil und wieso habt ihr ihn verwendet?
Wir hören schon immer gerne und viel elektronische Musik, genau so wie wir andere Musik hören. Unsere anderen Einflüsse haben wir aber schon auf unserem vorherigen Album ausgearbeitet. Jetzt war es an der Zeit, sich darauf zu fokussieren. Unser großes Ziel ist, das gleiche Rezept nicht immer und immer wieder zu wiederholen, mit „By Night“ leben wir also unsere Liebe für Synth aus.
Würdest du „By Night“ als Konzeotalbum bezeichnen? Von „The Hunt“ bis „The Last Crossing” scheint das Album die Geschichte einer wilden Nacht vom Sonnenuntergang bis zur möglicherweise fatalen letzten Fahrt erzählen.
Das ist es. Lasst uns in einem Muscle Car durch eine nächtliche, futuristische Megacity fahren und sehen, welche Gedanken uns in den Kopf kommen!
Das Video zu „The Hunt“ ist mit seinem Cyberpunk-Setting wirklich cool geworden. Was sind deine Lieblings-Cyberpunk-Filme oder -Spiele?
Ich mag „Blade Runner“, „Akira“… Um ehrlich zu sein, habe ich nicht viele Cyberpunk-Videospiele gespielt.
Wenn du die Wahl hättest: Welche Augmentierung oder welches technische Implantat würdest du dir aussuchen, um deinen Körper zu verbessern?
Titan-Stimmbänder.
„On The Run“ ist ein toller Song mit starken Melodien und einer tollen Sängerin. Wer ist sie und wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Danke! Sie ist eine Freundin von uns aus Großbritannien und kommt nicht aus der Metalszene. Als ich an den Gesangslinien der Strophen gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass meine Stimme zu tief war. Ich wollte nicht, dass der Song eine Depeche-Mode-Stimmung bekommt und ich wollte auch nicht schnulzig klingen. Der Gedanke an eine weibliche Sängerin für diese Parts kam also ganz natürlich.
An „On The Run“ scheinen sich die Geister ein wenig zu scheiden, denn es ist poppiger und softer als die üblichen DAGOBA-Sachen. Ich habe auch den Eindruck, dass ihr auf „By Night“ mehr Klargesang verwendet als früher und dass das Album insgesamt auch melodischer und weicher ist. „City Lights“ zum Beispiel hat einen wirklich coolen Hard-Rock-Vibe, ist aber weit weniger heavy als die vorherigen Songs. Was ist deine Meinung dazu?
Wir lieben einfach Melodien und schreiben und spielen die Musik, die wir selber gerne hören wollen und die wir von anderen Bands nicht zu hören bekommen.
Du kümmerst dich selbst um die Aufnahmen und die Produktion. Weißt du einfach am besten, wie du es für DAGOBA haben willst und gibst deshalb so wenig wie möglich aus der Hand?
Ich kenne mich mit dem Aufnahmeprozess aus, lasse das Mixing und Mastering aber lieber von jemand anderem machen. Einerseits, weil es massig bessere Produzenten gibt als mich, andererseits weil die Band nach Monaten mit den Aufnahmen ein paar frische Ohren braucht, die das dann produzieren.
„Vintage ist cool“
Euer Debütalbum „DAGOBA“ feiert nächstes Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Wie blickst du heute auf das Album zurück? Hast du jemals daran gedacht, es neu aufzunehmen?
Ich mag es immer noch. Wenn wir ein Album veröffentlichen, repräsentiert es voll und ganz wer wir sind und wer wir waren und einhundert Prozent unserer Möglichkeiten zu dieser Zeit. Wir bereuen also nichts. Mir gefällt der Gedanke nicht, ein Album neu aufzunehmen. Alte Alben, auch von anderen Bands, mag ich wegen ihrer alten Produktion. Vintage ist cool, yeah!
Nächstes Jahr ist der Geburtstag des Debütalbums und die Gründung von DAGOBA liegt nun ganze 25 Jahre zurück. Wie siehst du die Anfänge heute, wie hast du dir deine musikalische Karriere damals vorgestellt?
Ich wollte schon immer Musik machen, um auch davon leben zu können, war mir aber nicht sicher, ob ich das schaffen könnte. Da die Band lebt und auch Angestellte hat, ist ein Traum wahr geworden. Ich wünsche jedem, der einen Traum hat, dass dieser Wirklichkeit werden kann. Seid glücklich!
„Ich wünsche jedem, der einen Traum hat, dass dieser Wirklichkeit werden kann. Seid glücklich!“
Wie hast du dich seit damals und während der Pandemie als Sänger, Songwriter und Menschen entwickelt?
Ich bin wahrscheinlich ein schlechterer Sänger geworden, weil die Gigs gefehlt haben. Ich muss nochmal an meinem Gesang arbeiten, bevor wir wieder auf Tour gehen. Als Mensch, ich weiß nicht so recht… Vielleicht habe ich mich zu einem Einzelgänger entwickelt. Ich bin es gewohnt, 200 Tage im Jahr in einem Tourbus zu leben… Es würde ein wenig Zeit benötigen, bevor ich es wieder genießen kann, mit 17 anderen Metalheads in einem Bus zu schlafen.
Streaming und der digitale Vertrieb nehmen eine immer wichtigere Stellung ein, vor allem in modernen Metal-Genres. Ist deiner Meinung nach die digitale Vermarktung jetzt der wichtigste Vertriebskanal und was hältst du von physischen Medien wie CD und LP?
Die Künstler brauchen Fans, die ihre CDs kaufen. Ich bin kein Internet-Typ.
Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein…
Aktuelles Lieblingsalbum: Arcane Roots – Melancholia Hymns.
Impfung: Musste ich machen, um auf Tour zu gehen und dann wurden die Shows abgesagt.
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Ist im April, oder?
Videospiele: „Skyrim“ und „Skyrim“.
Bestes Film-/Serien-/Buch-Universum: „There Will Be Blood“ / „After Life” / Biografien.
Etwas, das jeden schlechten Tag besser macht: Meine Söhne.
DAGOBA in zehn Jahren: Zehntes Album.
Danke für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir.
Danke, passt auf euch auf!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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