Interview mit Eyal Levi von Dååth

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„The Deceivers“ von DÅÅTH ist ein Album geworden, auf das es sich zu warten gelohnt hat. Nur hat wohl kaum noch jemand aktiv gewartet – denn eine Reunion der Tech-Death-Band schien nach 14 Jahren Inaktivität alles andere als wahrscheinlich. Warum es nach dem selbstbetitelten Album auseinanderging, was DÅÅTH aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat und wie „The Deceivers“ in der neuen, prominent besetzten Formation entstanden ist, haben wir Bandkopf Eyal Levi gefragt. Herausgekommen ist ein tiefsinniges Gespräch über Erfolgsdruck, Musik als Antidepressivum und Milli Vanilli.

Das letzte, selbstbetitelte Studioalbum von DÅÅTH ist 2010 erschienen, in dem Jahr standet ihr auch das letzte Mal auf der Bühne. Jetzt, 14 Jahre später, steht die Veröffentlichung eines neuen Albums an. Bist du aufgeregt? Fühlt es sich anders an als bei früheren Veröffentlichungen?
Ich bin sehr aufgeregt, es fühlt sich wirklich völlig anders an als bei anderen Veröffentlichungen. Wenn ich es mit anderen vergleichen müsste, würde ich sagen, es ist ein bisschen wie die Veröffentlichung von „The Hinderers“, weil wir damals den Schritt ins Ungewisse gewagt haben. Auch diesmal begeben wir uns ins Ungewisse, einfach weil wir so lange weg waren, aber eben nicht ganz. Ich würde sagen, dass der Druck bei diesem Album sogar noch größer ist als bei den anderen: Wenn man so lange weg war wie wir, war der Druck groß, uns selbst zu beweisen, dass es sich lohnt, die Band wiederzubeleben. Wie viele Reunions haben wir schon gesehen, die ein Flop waren? Einige waren großartig, aber es gab schon so viele Bands, die zurückgekommen sind, und diese Reunions waren für mich als Fan einfach nicht das, was ich mir erhofft hatte.

„Ich wollte sicherstellen, dass es nicht einfach
eine neue Band mit demselben Namen wird.“

Es war mir darum sehr, sehr wichtig, dass sich das Warten gelohnt hat, sowohl für uns als auch für die DÅÅTH-Fans, denn ich habe einen sehr, sehr großen Respekt und eine große Liebe für die Fans, die uns über ein Jahrzehnt hinweg die Treue gehalten haben. Ich wollte also sicherstellen, dass sie geehrt werden und auch die musikalische Tradition dieser Band gewürdigt wird, und dass es nicht einfach eine neue Band mit demselben Namen wird. Der Druck war groß, dass es noch unverkennbar die gleiche Band sein sollte. Und dann kommt noch hinzu, dass eine Menge neuer Leute involviert sind, eine neue Besetzung. Das erhöht den Druck noch mehr, denn die Fans erwarten ja, dass alles noch so ist, wie sie es in Erinnerung haben, und wenn sie sich dann auch noch auf eine neue Besetzung einstellen müssen, ist das sehr viel verlangt.

Wie kam es überhaupt, dass es nach dem selbstbetitelten Album so ruhig um DÅÅTH wurde? Wie sah es im Inneren der Band aus? Wart ihr noch in irgendeiner Form aktiv oder zumindest in Kontakt, oder habt ihr alle Aktivitäten eingestellt?
Sagen wir es mal so: Glückliche Bands machen keine Pause. Das ist wie bei glücklichen Paaren, die sich nicht scheiden lassen. Es lief also nicht gut innerhalb der Band. Wir hatten sehr, sehr hart gearbeitet, und erst ganz am Ende hat es endlich bei den Fans gefunkt. Aber wir hatten viel Pech, und das Verhältnis innerhalb der Band war einfach nicht gut. Als wir am selbstbetitelten Album gearbeitet haben, haben wir einander immer wieder gesagt, dass dies das letzte Mal ist, dass wir so etwas machen. Wir wussten, dass wir am Ende waren. Wir haben uns unterhalten, und alle unsere Gespräche hatten diesen Unterton von Endgültigkeit. Man kann das irgendwie in der Musik hören. Es war, als würden wir darüber scherzen, aber es war uns ernst. Von innen betrachtet, sah es also nach schlechten Zeiten aus. Ich stand hauptsächlich mit Sean Z. in Kontakt, und hin und wieder habe ich mit einigen Mitgliedern der alten Besetzung kommuniziert, aber wir waren in keiner Weise als Band aktiv. Die Pause war nicht meine Idee, also habe ich mehrmals versucht, die Band wiederzubeleben. Ich habe versucht, uns dazu zu bringen, eine Single oder eine EP oder irgendetwas anderes zu machen, aber es hat nicht funktioniert, also ja, die Band war vollkommen eingeschlafen.

Wann und wie kam es zu der Entscheidung, DÅÅTH wiederzubeleben?
Ich habe, wie gesagt, mehrmals versucht, DÅÅTH wiederzubeleben, einmal 2011, einmal 2012, einmal 2013, 2020, ich habe darüber gesprochen, und dann endlich, dieses letzte Mal, ist es wirklich passiert. Als ich also entschieden habe, dass ich DÅÅTH wieder machen will, musste ich das gut überdenken. Ich habe viel darüber nachgedacht, was schiefgelaufen ist, und habe mir geschworen, wenn wir es schon machen, dann richtig. Sean war der Erste, den ich kontaktiert habe. Ich habe ihn gefragt, ob er DÅÅTH noch einmal machen will, denn ich hätte Lust dazu, und er sagte: „Ich warte schon seit 13 Jahren auf diesen Anruf. Natürlich bin ich dabei!“ Ich meinte dann: „OK, vielleicht müssen wir es mit neuen Leuten machen. Ich weiß es nicht, aber vielleicht. Wenn der Rest der Truppe nicht will, machen wir es trotzdem. Ich will es auf jeden Fall machen. Ich mache es auf jeden Fall. Es ist so weit. Bist du immer noch dabei?“ Und er sagte, er macht auf jeden Fall mit. Damit war die Entscheidung gefallen, dass wir es dieses Mal durchziehen würden. Nichts würde uns im Weg stehen.

Tatsächlich hatte sich aber etwas geändert: Ich habe mein ganzes Leben lang unter schweren klinischen Depressionen gelitten. Manchmal ist es besser, manchmal ist es schlimmer, aber ich kämpfe immer dagegen an. Und eine der Möglichkeiten, die ich gefunden habe, um damit umzugehen, ist Sport. Es gibt eine Reihe von Dingen, die bei Depressionen helfen, aber Bewegung ist eines der stärksten Antidepressiva. Während der ganzen Pandemie habe ich sehr viel trainiert. Im September 2021 habe ich mich dann sehr schwer verletzt, am Rücken. Ich musste darum liegen. Es gab ein paar Tage, an denen ich nicht laufen, mich nicht bewegen konnte. Nach etwa einer Woche auf der Couch ließen die antidepressiven Wirkungen langsam nach. Ich hatte diese ganze nervöse Energie, weil ich mich nicht bewegen konnte, und ich fragte mich: Was soll ich jetzt tun? Was soll ich damit anfangen? Ich muss etwas tun, sonst wird es wirklich negativ. Warum nicht die Gitarre in die Hand nehmen? Ich nahm also die Gitarre in die Hand, und eins führte zum anderen. Es war irgendwie offensichtlich, dass die Band wieder anfangen würde, sobald ich die Gitarre in die Hand nahm … und hier sind wir nun.

DÅÅTH 2024; © Stephanie Cabral
DÅÅTH 2024; © Stephanie Cabral

Da von der letzten bekannten Besetzung nur noch du und Sean übrig sind, nehme ich an, dass die anderen nicht mehr mitmachen wollten … oder wolltet ihr sie nicht mehr dabei haben? Wann war es klar, dass ihr den Rest der Band ersetzen müsst?
Die Tür stand allen offen, aber es hat nicht geklappt. Ich kann nicht für andere sprechen. Ich kann dir nicht sagen, warum sie nicht mitgemacht haben. Ich kann nur sagen, dass 14 Jahre eine lange Zeit sind. Menschen leben ihr Leben weiter. Sie leben sich einfach auseinander. Sie kümmern sich um ihre eigenen Dinge, und ehe man sich versieht, ist man nicht mehr derselbe Mensch wie früher. Ich denke, sie waren einfach nicht interessiert, aus welchem Grund auch immer. Ich möchte nicht darüber spekulieren oder ihnen Worte in den Mund legen. Ich empfinde nichts als Liebe und Respekt für sie und wünsche ihnen alles Gute. Aber es war mir schon ziemlich früh klar, dass wir die Band ersetzen müssen. Wir haben etwa im Oktober oder November 2021 angefangen, über die Band zu reden, so etwa im Januar oder Februar 2022 war das klar.

„Zuerst war mein Songwriting wirklich schrecklich.
Es war einfach weg.

Wie seid ihr das Projekt „Reunion“ dann angegangen? Die Routine muss ja weg gewesen sein …
Du hast recht, die Routine war weg. In den ersten Monaten habe ich mir im Grunde erst einmal selbst wieder das Gitarrespielen beigebracht. Zum Glück betreibe ich eine Website namens RiffHard, auf der es Lektionen von einigen der besten Gitarristen der Welt gibt. Also habe ich das Gleiche getan, was ich Gitarristen empfehle, und mir einen Zeitplan erstellt, einen Übungsplan. Ich nannte ihn The Shredule – ist übrigens etwas, das auf RiffHard zu finden ist – und so wurde ich systematisch besser. Ich bin es angegangen wie ein Workout. Und als ich anfing, wieder zu spielen, fing ich auch an zu schreiben, weil ich mich eigentlich mehr als Komponist denn als Gitarrist sehe. Und, weißt du, zuerst war mein Songwriting wirklich schrecklich. Es war einfach weg. Aber als ich wieder spielen konnte, kam auch das Komponieren zurück, und dann war es wieder wie immer. Ich setze mich hin und schreibe so, wie ich es immer getan habe, nämlich einfach drauflos. Tu es einfach und verliere dich darin. Das ist alles. Also, ja, es hat eine Weile gedauert, bis der Motor in Gang kam, aber als er einmal lief, lief er.

Mit Jesse Zuretti, David Morvuglio, Rafael Trujillo und Krimh gibt es insgesamt vier neue Mitglieder in der Band. Wie bist du an die neue Besetzung herangegangen, und warum sind diese vier die perfekten Musiker für ihre Positionen in DÅÅTH?
Zunächst einmal sind Jesse Zuretti und ich seit über zehn Jahren befreundet, und er und ich hatten schon lange darüber gesprochen, die Band wieder ins Leben zu rufen. Er war einer der Leute, die mich am meisten dazu ermutigt haben, und er hat wirklich sehr darauf gedrängt, dass er die Orchestrierung übernehmen kann. Ich schätze, er war ein alter Fan der Band, und er wollte wirklich sehen, wie ich es mache, deswegen war es mit ihm eine sehr organische Sache: Er war von Anfang an dabei und hat mich ermutigt, es zu tun, und er hat eine der ersten Versionen der Orchestrierung für „No Rest No End“ gemacht, ich glaube, im Februar 2022, also sehr, sehr früh. Als ich das hörte, war es einfach sehr, sehr klar, dass das ein Element war, das uns die ganze Zeit gefehlt hatte. Die Welt jetzt ganz anders ist als die Welt im Jahr 2010. Zumindest mein Leben ist jetzt ganz anders, ich kenne viel mehr Musiker als damals. Ich glaube auch, dass es heute mehr hervorragende Musiker gibt als damals, zumindest sind sie leichter zu finden. Es war also nicht schwer, sie aufzuspüren.

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Glücklicherweise haben wir bei allen unsere erste Wahl bekommen, aber wir sind es sehr natürlich und schrittweise angegangen, zum Beispiel mit Krimh: Er war immer meine erste Wahl, das ist der Schlagzeuger, den ich in der Band haben wollte. Wir mussten nur sehen, ob er dabei sein wollte und ob wir tatsächlich zusammenarbeiten können, also haben wir es langsam angehen lassen, wir haben gesagt, willst du einen oder zwei Songs mit uns schreiben? Wir haben nicht gesagt: Willst du in der Band mitmachen? Aber wir haben gesagt, dass wir nicht wollen, dass es wie eine normale Session-Arbeit ist. Wir wollten mit ihm zusammen komponieren, so tun, als wären wir in einer Band, etwas Musik schreiben, sehen, wie es läuft und dann weitermachen. Ohne Verpflichtungen, ohne alles. Einfach ein paar Sachen schreiben und wenn es nur ein, zwei oder drei Songs sind, cool. Wenn es zu mehr führt, cool. Herausgekommen sind „No Rest No End“, „Purified By Vengeance“ und „The Silent Foray“. Ich würde sagen, dass sie ganz gut geworden sind. Diese drei Songs haben uns den Deal mit Metal Blade eingebracht. Es war also nur logisch, zusammen weiterzumachen.

Mit Rafael war es ähnlich. Es gibt so viele großartige Gitarristen da draußen, aber es gibt nicht viele, die für diese Band die richtigen sind. Krimh hat mich auf ihn gebracht, er hat mir seinen Instagram-Account gezeigt, und ich war hin und weg. Ich meine, der Typ ist einfach phänomenal. Als ich ihn spielen hörte, wollte ich ihn sofort in der Band haben. Aber natürlich werde ich nicht einfach jemanden in die Band einladen, nur weil ich ein Video von ihm gesehen habe. Also haben wir ihm ein Gastsolo angeboten: Er hat es für „No Rest No End“ gespielt, das lief super. Also boten wir ihm noch ein Gastsolo bei dem „The Philosopher“-Cover an, das wir aufgenommen hatten, auch das lief großartig. Das Letzte, was übrig blieb, war zu sehen, wie er mit uns schreiben kann. Ich wusste bereits, dass er ein guter Komponist ist … aber die Frage war, ob er mit uns komponieren und mit DÅÅTH zusammenarbeiten kann, und so entstand der Song „Ascension“, für den wir gerade ein Musikvideo herausgebracht haben.

„Das Einzige, was ich bedaure, ist,
dass ich ihn nicht früher gefragt habe.

Der Anfang war teilweise geschrieben, und ich gab ihm das und habe einfach gesagt: Was kannst du tun, um es besser zu machen? Keine Regeln, pure Freiheit. Wenn du etwas streichen willst, was ich geschrieben habe, und es durch etwas Eigenes ersetzen willst, cool. Willst du etwas beibehalte , das ich habe, gibt es keinen Druck, es zu ändern – du musst es nicht „einfach so“ ändern. Wenn du etwas gut findest, ändere es nicht. Oder wenn du das Gefühl hast, dass etwas nur ein bisschen überarbeitet werden muss, dann mach es einfach. Es gibt einfach keine Regeln, mach einfach, was du willst. Und was er zurückgeschickt hat, war unglaublich. Es war so verdammt gut! An diesem Punkt dachte ich: Alles klar, lass es uns tun! Das Einzige, was ich bei Raphael bedaure, ist, dass ich ihn nicht früher gefragt habe … denn wir hatten schon die Hälfte der Platte geschrieben, als wir ihn gefragt haben. Aber dafür haben wir ja die nächste Platte, an der wir zusammen arbeiten können.

Mit David Marvuglio war es ähnlich. Ein Produzent, den ich sehr schätze, sagte mir, ich solle mir diesen Bassisten mal ansehen, der früher bei Ice Nine Kills war und jetzt Professor am Berklee College of Music ist, und er ist unglaublich. Wir engagierten ihn für die Session-Arbeit an den ersten drei Songs. Er hat das fantastisch gemacht, es war großartig, und so kam es, dass er jetzt in der Band ist.

Es lief also sehr natürlich ab, und wir hatten Kriterien. Die Kriterien waren, dass sie fantastische Spieler sein müssen, dass sie wirklich sehr, sehr gute Songwriter sein müssen, sehr kreativ, dass sie wirklich gut kommunizieren können und dass sie organisch mit dem Wesen der Band übereinstimmen müssen – das bedeutet, dass ihre musikalischen Tendenzen bereits in unsere Richtung gehen müssen. Sie müssen nicht versuchen, sich anzupassen, wenn du verstehst, was ich meine. Und dann ist es auch wichtig, dass sie alle noch etwas anderes machen, wie Jesse mit Riot Games und anderen Soundtracks, Krimh mit Septicflesh, usw. Ich habe die URM Academy und RiffHard. Wir alle haben Dinge, die unsere Haupteinnahmequellen sind, und das erlaubt es DÅÅTH, unverfälscht zu bleiben. Denn niemand forciert etwas oder übt unangemessenen Druck dahingehend aus, dass die Band sein alles sein muss. So kann die Band exakt das sein, was sie sein soll.

SEPTICFLESH 2022 live in Ingolstadt
Krimh live mit SEPTICFLESH (2022); © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Die Musiker waren also schon in der „Testphase“ involviert – inwieweit war der Rest des Songwritings eine Zusammenarbeit?
Es war ein sehr kollaboratives Album! Ich habe die Band gegründet, und es ist mein Baby – das ist klar. Ich denke, es ist in erster Linie meine Vision. Aber innerhalb dessen ist es keineswegs eine Diktatur. Ich schätze die Beiträge anderer Leute wirklich, und ich habe das Gefühl, dass es besser wird, wenn man im Team arbeitet. Deshalb war es so wichtig, die richtigen Bandmitglieder auszuwählen, sodass es mit der Vision und der Essenz der Band funktioniert, wenn man ihren Beitrag und ihren musikalischen Einfluss mit einbezieht. Deshalb muss man seine Bandmitglieder mit Bedacht auswählen! Wenn du ein Bandmitglied nimmst, dessen musikalische Tendenzen nicht mit deinen übereinstimmen oder nicht ganz zusammenpassen … in manchen Fällen kann das sicher funktionieren, aber nicht bei uns. Es war also eine sehr kollaborative Arbeit. Manchmal schreibe ich einen Song vom Anfang bis zum Ende, und er ist ziemlich fertig, wie zum Beispiel „Hex Unending“, das war sehr, sehr nah am finalen Song. Ich habe mich hingesetzt und ihn in etwa vier Stunden geschrieben, und dann hat Krimh sein Ding gemacht, und als ich Krimhs Überarbeitungen am Schlagzeug bekam, musste ich nur noch meine Parts ein bisschen verfeinern. Wenn man sich also die Demo-Version 1 und die finale Version anhört, sind sie sich sehr ähnlich. Das Einzige, was nicht auf der ersten Version war, waren Jesses Sachen. Er hat die Melodien hinzugefügt. Aber er hat wirklich mit dem gearbeitet, was da war, er hat es nicht in einen anderen Song verwandelt oder so.

„Der Punkt ist, dass wir alle den musikalischen
Meinungen der anderen vertrauen.“

Aber das variiert. Manche Songs, die ich anfange, haben nur zwei gute erste Minuten, etwa eine coole Strophe und einen Refrain, oder es gibt einen tollen Part, oder ich habe die ganze Struktur, aber irgendwas fehlt noch … jedenfalls ist der Song unvollständig. In der Regel gehe ich zuerst zu Krimh, aber ich schicke den Song auch gerne an die Band, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie ihn hassen oder mögen oder was auch immer. Dann gibt Krimh fantastisches Feedback oder er macht sein Demo-Drumming. Aber oft sagt er auch etwas wie: Es ist für zwei Minuten großartig, aber dann ist es zu viel davon, wir müssen in diese oder jene Richtung gehen, oder warum versuchen wir nicht etwas mehr in diese Richtung. Oder Jesse hört es und sagt, das sind tolle Ideen, aber es gibt nicht genug verbindendes Material zwischen ihnen usw. … der Punkt ist, dass wir alle den musikalischen Meinungen der anderen vertrauen. Wenn sie also eine Meinung oder einen Vorschlag äußern, nehme ich sie ernst. Ich begrüße das, weil ich das Gefühl habe, dass die Songs dadurch besser werden.

Ich werde mich beim Komponieren nicht selbst einschränken, aber es wird Stellen geben, an denen ich noch etwas brauche, um zum nächsten Teil zu kommen. Dort muss noch etwas hin. Und ich weiß: Was ich hier einfüge, ist nur ein Platzhalter, wir werden das löschen und Raphael kann hier etwas einfügen, oder wir werden das löschen und Platz für Jesse lassen. Aber ich brauche es jetzt, damit ich zum nächsten Teil kommen kann. Aber es ist meiner Meinung nach sehr kooperativ. Es ist definitiv nicht so, dass ich mich einfach hinsetze und alles schreibe und dann einfach jedem sage, was er zu tun hat. So läuft das bei uns nicht.

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Krimh ist natürlich eine besonders spannende Personalie: Er spielt in anderen Bands wie Septicflesh und war als Live-Schlagzeuger für Devin Townsend vorgesehen, aber er lebt nicht in den USA. Wie findet ihr die Zeit, um zusammenzuarbeiten?
Nun, er spielt ja nicht mit Devin Townsend – ich glaube, er wollte mit ihm auf Tour gehen, aber das hat sich nicht ergeben. Aber ja, er ist bei Septicflesh, ist ein aktiver Session-Drummer, hat seinen YouTube-Kanal und macht Clinics. Und das ist toll. Wie ich eben schon sagte, macht ihn gerade das so attraktiv für uns. Denn das bedeutet, wenn er mit uns arbeitet, hat er seine Prioritäten gesetzt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Entfernung keine logistische Hürde darstellt, aber genau das ist sie: eine Hürde. Und es gibt nichts, was wir nicht mit Kommunikation und Planung lösen könnten. Eines der ersten Gespräche, die wir im Vorfeld geführt haben, galt der Frage: Was machen wir, wenn es einen Terminkonflikt gibt? Wir haben uns darauf verständigt, dass wir eine Lösung finden werden. Sollten wir irgendwann einen Ersatzmann für eine Tournee brauchen, werden wir das schon hinbekommen. Ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird, aber wenn doch, dann ist es eben so. Wir werden eine Lösung finden. Solange alle Beteiligten bereit sind, eine Lösung zu finden, wird alles gut gehen. Auf der Liste der Dinge, die problematisch sein könnten, steht dies meiner Meinung nach ziemlich weit unten.

Wie würdest du jemandem, der deine bisherigen Arbeiten kennt, das Album beschreiben, das du am Ende herausgebracht hast?
Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus „The Hinderers“, „The Concealers“ und ein bisschen was von dem trippigen Zeug von „Futility“ – aber tausendmal mehr und mit einer wahnsinnigen Produktion. „The Hinderers“ hatte Orchestrierung und Synthesizer, „The Concealers“ hatte wahnwitzige Soli und wirklich harte Riffs, „Futility“ hatte eine Menge wirklich trippiges, atmosphärisches Zeug … es ist also so, als ob man all diese drei zusammen nimmt, aber mit einem neuen Feuer dahinter. Ich würde sagen, dass es unsere beeindruckendste Platte ist, aber im Geiste dieser drei. Wer also diese Platten mag, sollte sich „The Deceivers“ anhören, und natürlich muss ich das sagen, aber es haben auch schon viele andere Leute gesagt: Es ist unsere beste Platte überhaupt.

Und wie würdest du sie jemandem beschreiben, der noch nie etwas von DÅÅTH gehört hat?
Extremer progressiver Metal, der stark orchestriert ist, mit wahnsinniger Gitarrenarbeit und wahnsinnigem Schlagzeug. Episch! Und wunderschön! Wir sind sehr schwer zu beschreiben, weil die Leute nicht wirklich wissen, wie sie uns einordnen sollen. Wir machen einfach unser eigenes Ding, und ich weiß auch nicht, wie man uns kategorisieren soll … aber wenn du ein Fan von dunklem, extremem Metal bist, der nicht an Genres oder Konventionen gebunden ist, wenn du also kein Genre-Purist bist, solltest du uns vielleicht eine Chance geben. Und wenn du großartiges Gitarrenspiel liebst, oder orchestralen Metal magst, oder einfach nur wirklich intensive Musik willst, solltest du es vielleicht auch mal antesten!

„Das ist also die Entwicklung,
die ich schon immer im Sinn hatte.“

Auf mich wirkt das Album etwas opulenter und symphonischer, oder zumindest melodiöser als eure früheren Alben. Interessanterweise erinnert mich „Hex Unending“ beispielsweise an Septicflesh. Würdest du dieser allgemeinen Einschätzung zustimmen, und wenn ja, wie kam es zu dieser Entwicklung?
OK, also … „das Album wirkt opulenter und symphonischer oder zumindest melodischer“: Ja, 100 %. Das ist so gewollt: Ich wollte schon immer noch symphonischer und melodischer und opulenter oder übertriebener klingen. Diese Entwicklung entspricht also zu 100 % meiner Vision. Und das ist ehrlich gesagt das, was ich mit der Band immer machen wollte. Das ist also die Entwicklung, die ich schon immer im Sinn hatte. Ein Song, der wie Septicflesh klingt? Dazu habe ich keine echte Meinung, weil ich nur einige ihrer Singles kenne. Ich finde sie exzellent, ich habe das Live-Video gesehen, wo sie in Mexiko mit dem Orchester gespielt haben, und ich habe ihre Singles gehört, wir hatten sie bei Nail The Mix … aber ich höre sie absichtlich nicht sehr oft, weil ihr Schlagzeuger in unserer Band ist (lacht) und ich nicht will, dass es sich zu sehr überschneidet. Ich denke also, dass der Grund, warum du denkst, dass es sich nach ihnen anhört, sein könnte, dass es keiner unserer schnelleren Songs ist und sie eher eine Mid-Tempo-Band sind … das wäre meine Vermutung. Ich finde, dass „Hex Unending“ eher klingt, als hätten die folgenden vier Bands ein Baby bekommen: Morbid Angel, Korn, Dimmu Borgir und Muse. Für mich ist „Hex Unending“ genau das. Also, vielleicht weil das Tempo nicht 250 BPM ist und ein Orchester und derselbe Schlagzeuger dabei sind, könnte sein, dass du Septicflesh heraushörst. Kunst ist ja offen für Interpretationen, sie kann dich an alles erinnern, woran sie dich eben erinnert – aber in meinem Kopf ist dieser Song das uneheliche Kind von Korn, Dimmu, Morbid Angel und Muse.

Das Album trägt den Titel „The Deceivers“ – kannst du uns etwas über das lyrische Konzept erzählen?
Vorneweg: Wir haben es „The Deceivers“ genannt, um sowohl unsere eigenen Fans und unsere Tradition zu ehren als auch, um eine Linie zu den Platten zu ziehen, die unsere Fans lieben – und um die Aussage zu treffen, dass dies eine DÅÅTH-Platte in der Nachfolge dieser Platten ist. Es ist nicht einfach etwas, das ich zusammengebastelt und mit demselben Namen versehen habe. Es ist vielmehr die nächste Platte in der Evolution. Und das lyrische Konzept … das kann man wahrscheinlich schon am Titel erkennen. Es geht um diejenigen, die uns mit Täuschung schaden oder uns zurückhalten, und das können andere Menschen sein, es können Menschen in unserem Leben sein, oder es können sogar wir selbst sein, denn wir tun uns das selbst oft an.

Mit dem Album seid ihr von Century Media zu Metal Blade gewechselt. Was hat zu diesem Labelwechsel geführt – und seid ihr mit der Entscheidung zufrieden?
Nun, wir haben nicht von Century Media zu Metal Blade gewechselt. Century Media hat uns etwa 2011 gedroppt. Es ist also nicht so, dass wir das Label „gewechselt“ hätten. (lacht) Als die Band die Auszeit genommen hat, wurden wir fallen gelassen. Wir waren jetzt also ohne Vertragsbindung, und bei unserer Rückkehr haben wir mit mehreren Labels gesprochen. Ich meine, du kannst dir denken, mit wem wir gesprochen haben – offensichtlich mit Metal Blade, aber wir haben auch mit Century Media, Nuclear Blast und ein paar anderen gesprochen. Wir haben mit all den Labels gesprochen, die man so erwarten würde. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen für Metal Blade entschieden, und ich will es gleich vorwegnehmen: Ich bin sehr glücklich mit dieser Entscheidung. Metal Blade ist das Label, bei dem ich schon immer sein wollte. Zunächst einmal ist Brian Slagel eine der Säulen des Metal, oder? Was er mit Metal Blade gemacht hat, hat dazu beigetragen, die Szene, den Metal, wie wir ihn kennen, zu schaffen. Er ist einer dieser Leute, so wie es Monte Conner bei Road Runner war, der jetzt bei Nuclear Blast ist. Brian Slagel ist für mich eine dieser Säulen, und ich denke, dass diese Leute etwas wirklich Wichtiges für den Metal geleistet haben. Ein Teil davon zu sein, bedeutet mir sehr viel.

„Ich habe noch nie etwas Schlechtes über sie gehört.
Niemals, nicht ein einziges Mal.

Ich habe aber auch aus dem Alltag viel Erfahrung mit Metal Blade. Früher waren wir mit ihren Bands auf Tour, und die Mitarbeiter von Metal Blade kamen backstage und wir haben sie getroffen. Wir wussten, was die Bands damals davon hielten, bei diesem Label zu sein. Dann habe ich als Produzent für Metal Blade gearbeitet, das heißt, ich habe mit Bands gearbeitet, die auf dem Label waren. Ich wurde also von Metal Blade bezahlt, und dann haben wir mit Nail The Mix viele Male Platten von Metal Blade lizenziert. Wir haben also eine lange Geschichte, die über ein Jahrzehnt zurückreicht, und es war immer eine großartige Geschichte. Es war immer super einfach, mit ihnen zu arbeiten und super cool, und ich habe noch nie etwas Schlechtes über sie gehört. Niemals, nicht ein einziges Mal. Man sollte meinen, dass ich inzwischen etwas Schlechtes gehört hätte, aber ich habe nichts Schlechtes gehört.

Und dann ist da noch der Mann aus der A&R-Abteilung von Metal Blade, der sich bei uns gemeldet hat: Ryan Williams alias „Bart“. Er hat früher bei Black Dahlia Murder Bass gespielt und ich kenne ihn von damals, weil ich im Studio an „Ever Black In Ritual“ mitgearbeitet habe. Ich habe diese Platten nicht produziert oder abgemischt, aber ich war an diesen Platten im Studio beteiligt, und da habe ich ihn kennengelernt, und wir haben uns gut verstanden. Wir sind uns irgendwie ähnlich, wir sind sehr detailversessen und sehr ernste Menschen. Und er war derjenige, der sich bei mir meldete, als bekannt wurde, dass wir zurückkommen würden. Er wollte wissen, wie ernst es uns ist, wie der Plan aussieht, und er war interessiert, bevor wir überhaupt Musik hatten. Sie waren also das erste Label, das sich für uns interessierte … und das, wie gesagt, bevor sie überhaupt etwas gehört hatten. Ich denke, dass es am besten ist, mit Leuten zu arbeiten, die mit dir arbeiten wollen, und sie haben das mehr als jedes andere Label gezeigt. Deshalb haben wir uns für sie entschieden.

SEPTICFLESH 2022 live in Ingolstadt
Krimh live mit SEPTICFLESH (2022); © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Plant ihr, in absehbarer Zeit auf die Bühne zurückzukehren? Sind vielleicht sogar schon Shows in Europa oder im deutschsprachigen Raum in Arbeit?
Ja, wir planen, auf die Bühne zurückzukehren – weltweit. Daran arbeiten wir im Moment. Details folgen demnächst!

Aufgrund der Symphonic-Anteile können die Songs wahrscheinlich nur mit vielen Backing-Tracks live gespielt werden. Wie stehst du zu der Debatte, ob es gut oder schlecht ist, wenn Bands live mit viel Unterstützung vom Band spielen? Ist das noch „live“?
Nun, du sprichst hier mit einer Band, die seit 2004 Backing-Tracks verwendet. Wir haben einen Computer auf der Bühne benutzt, bevor viele andere das taten. Wir hatten sogar schon 2007, als wir eine Vorband waren und keinen Lichttechniker dabei hatten, unsere eigene Lichtanlage, die auf unsere Gitarrenboxen geschnallt war und per Computer gesteuert wurde. Der Grund, warum wir schon damals Backing Tracks benutzt haben, war aber, dass wir immer sehr vielschichtige Musik geschrieben haben. Wir haben Musik geschrieben, für die es mehr Leute braucht, als auf der Bühne standen. Wenn wir 12 Leute mehr mitnehmen könnten, wäre das vielleicht nicht nötig. Aber Tatsache ist, dass wir das nicht können. Und die Songs sind nicht die Songs ohne einige dieser Elemente, sie sind sehr wichtig. Das ist also der einzige Weg, wie wir sie rüberbringen können.

Unsere Musik für Live-Auftritte zu arrangieren ist sowieso eine Herausforderung, denn selbst die Gitarren-Parts sind normalerweise für drei oder vier Gitarren geschrieben. Wenn man also ein Arrangement für nur zwei Gitarren macht, lässt man immer etwas weg. Manche Elemente kann man wegzulassen, vielleicht sind sie nur eine Textur, die man live über die PA eh nicht hören würde, weshalb sie nicht wichtig sind. Aber es gibt definitiv Elemente, bei denen der Song schlechter wird, wenn sie nicht da sind und für die es einfach nicht genug Körper und Gliedmaßen gibt, um sie live zu spielen. In diesem Fall wüsste ich nicht, was das Problem damit sein sollte, Tonspuren zu verwenden. Die Leute kritisieren gerne, was sie nicht verstehen – ständig. So ist es auch hier: Man hört Leute, die Drum-Trigger kritisieren und sagen, das sei Betrug. In Wirklichkeit zwingen Drum-Trigger die Schlagzeuger dazu, präziser zu sein. Wenn man bei einer getriggerten Bassdrum einen Fehler macht, hört man das wirklich, im Gegensatz zu einer akustischen Bassdrum, bei der man bei hohen Geschwindigkeiten nur ein Rumpeln hört – sodass man nicht einmal sagen kann, ob der Schlagzeuger genau spielt. Die Leute sagen, dass man betrügt, aber in Wirklichkeit zwingt es einen, besser zu werden. So ähnlich ist es auch hier.

„Die Vorstellung, dass Background-Tracks schlecht sind,
geht auf Milli Vanilli zurück

Die Vorstellung, dass Background-Tracks schlecht sind, geht auf Milli Vanilli und dergleichen zurück, wo jemand zu Playback-Songs die Lippen bewegt hat und das im damaligen Sinne viral ging. Die Leute assoziieren Backing-Tracks mit Lippensynchronisation, als ob man etwas vortäuschen würde. Das ist aber etwas ganz anderes als Tracks, die zur Verbesserung eingesetzt werden – vor allem, wenn man die Instrumente nicht spielen kann. Und dann stellt sich die Frage: OK, was ist, wenn ein Gitarrist ein Oktaver-Pedal benutzt, das zu jeder Note, die er spielt, einen Synthesizer hinzufügt, der die Note eine Oktave tiefer wiedergibt? Betrügt der, weil er keinen zweiten Gitarristen dabei hat, der den tiefen Ton live spielt? Oder wenn du ein Delay-Gerät verwendest: Schummelst du, weil du dieselbe Note nicht mehrmals hintereinander spielst oder singst? An welchem Punkt hört es auf, eine Performance zu sein, und fängt es an, eine Täuschung zu sein?

Wenn du so tust, als würdest du Dinge spielen, die von den Background-Tracks kommen – da liegt für mich die Grenze. Wenn du also ein Gitarrensolo hörst und jemanden siehst, der so tut, als würde er dieses Gitarrensolo spielen, es stellt sich aber heraus, dass er gar nicht eingesteckt oder eben stummgeschaltet ist, und du nur eine Aufnahme hörst – OK, das ist eine Sache. Ich verstehe, warum die Leute damit ein Problem haben. Aber es ist ein völlig anderes Szenario, als wenn der Song ein größeres Arrangement erfordert, als Leute dafür verfügbar sind. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ich finde, dass Bands alles tun sollten, was sie tun müssen, um bei Konzerten großartig zu klingen, und wenn das bedeutet, dass sie ein paar Tracks benutzen – dann benutzt ein paar Tracks! Ihr werdet aber nicht hören, dass wir Tracks benutzen, um etwas zu mimen.

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Danke für deine Zeit und die ausführlichen Antworten. Zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming:
Eine empfehlenswerte Newcomerband: The Zenith Passage. Definitiv The Zenith Passage … sie sind meine liebste aufstrebende Tech-Death-Band.

Die Slayer-Reunion: Ist es wirklich eine Reunion? Ich meine, ich glaube, sie spielen ein oder zwei Konzerte, aber ich meine … ist das wirklich eine Reunion? Technisch gesehen kommen sie persönlich wieder zusammen, um ein paar Shows zu spielen, aber ich glaube nicht, dass das eine Reunion ist, und ich habe sowieso keine richtige Meinung dazu. Ich bin traurig, wenn sich eine der großen Bands auflöst, sowohl als Fan des Metals als auch auf praktischer Ebene. Ich wünschte, dass diese Bands für immer da wären, denn wir brauchen sie in der Szene. Ich hoffe also, dass sie sich tatsächlich wieder zusammenfinden und einfach mehr Alben und mehr Touren machen, aber ich glaube nicht, dass es das ist.

Schwedischer Death Metal: Ich liebe ihn! Schwedischer Death Metal, oder sagen wir einfach „skandinavischer Metal“ … mit skandinavischem Metal hat es irgendwas auf sich. Das gilt ja auch für den norwegischen Black Metal. Er ist einfach … besonders. Auch wenn der norwegische und der schwedische Sound sehr unterschiedlich sind und sogar innerhalb Schwedens der Stockholmer und der Göteborger Sound sehr verschieden klingen. Es gibt da einfach eine musikalische Sensibilität. Wir müssen an dieser Stelle auch Finnland mit einbeziehen – auch wenn die finnischen Bands nicht so klingen wie die schwedischen oder norwegischen. In der ganzen skandinavischen Region gibt es dieses Verständnis von Melodie und Harmonie, das einfach allen innewohnt. Ich liebe das einfach. Ich fühle mich, als wären sie meine musikalischen Seelenverwandten oder so. Meine größten Metal-Einflüsse, abgesehen von Morbid Angel und so natürlich, kommen aus Skandinavien. Tatsächlich denken oft Leute, die DÅÅTH zum ersten Mal hören, dass wir eine europäische Band sind, was wir jetzt mit Raphael und Krimh wohl zum Teil auch sind. Aber selbst davor haben Leute, die nichts über uns wussten, unsere Musik gehört und gedacht, wir wären eine europäische Band. Ich denke, das ist, weil ein großer Teil unserer Einflüsse von dort kommt. Ich empfinde so viel Liebe für den Metal aus Skandinavien, von Emperor, Dissection, Satyricon, Dimmu Borgir, At The Gates, In Flames, Soilwork, Opeth, Meshuggah … muss ich noch mehr sagen? Entombed … Ich könnte einfach ewig weitermachen. Ich glaube, bei denen ist einfach etwas im Trinkwasser.

„Der Versuch, dagegen anzukämpfen, ist eine verlorene Schlacht –
man kann die Evolution nicht aufhalten.

Künstliche Intelligenz in Musik und Kunst: Nun, es ist gerade sehr populär, sie zu hassen, und natürlich bin ich nicht dafür, den Karrieren von Künstlern zu schaden, also sehe ich das auch nicht so. Aber gleichzeitig denke ich, dass KI etwas ist, von dem wir nicht mehr wegkommen werden – so wie das Internet etwas war, was nicht wieder verschwunden ist. Die Musikindustrie hat sich selbst geschadet, als sie versucht hat, das Downloaden zu stoppen – auch wenn sie bis zu einem gewissen Grad recht hatte. Aber dadurch, dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte, hat sich die Musikindustrie selbst in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ich erinnere mich, dass es zwischen 2007 und 2013 hieß, dass es bald keine Labels mehr geben würde und dass die Budgets verschwinden würden. Es war schwer, in eine Zukunft zu sehen. Und dann haben sie mit Streaming eine Lösung gefunden und das hat sie irgendwie gerettet. Aber ich glaube, man sieht das auch bei den Produzenten der alten Schule, die Firmen wie meine, wie URM Academy und unser Programm Nail The Mix, hassen, weil sie das Gefühl haben, wir würden ihnen das Essen vom Teller nehmen oder so. Mittlerweile ist das nicht mehr ganz so, wir sind schon so lange dabei, dass die Leute das einfach akzeptiert haben, aber es stimmt auch einfach nicht: Tatsache ist, dass sich Technologie weiterentwickelt, und Home-Recording ist für nahezu jeden erschwinglich geworden, was bedeutet, dass Leute, die früher ins Studio gehen mussten, das jetzt nicht mehr müssen und stattdessen lernen, es selbst zu machen. Das wird die wirtschaftliche Situation der professionellen Studios verändern, beziehungsweise hat dies bereits getan – im Guten wie im Schlechten. Aber der Versuch, dagegen anzukämpfen, ist eine verlorene Schlacht – man kann die Evolution nicht aufhalten. Mit der künstlichen Intelligenz ist es das Gleiche: Man kann sie lieben oder hassen, sie wird kommen. Das Klügste wäre also, zu verstehen, wie man mit ihr koexistieren kann, ohne eine neue Klasse hungernder Künstler zu schaffen.

DÅÅTH in zehn Jahren: Hoffentlich irgendwo bei unserem zehnten oder elften Album … hoffentlich haben wir jahrelang vor mehreren tausend Zuschauern gespielt, und wir sind einfach eine Institution in der Metal-Szene und entwickeln uns mit unserer Musik ständig weiter. Hoffentlich sind wir in zehn Jahren genauso begeistert von unserer neuen Musik wie heute und sie ist genauso frisch wie heute. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dazu in der Lage sein werden, denn wir fühlen uns heute genauso gut dabei, neue Musik zu machen und neue Musik zu veröffentlichen wie vor 20 Jahren. Warum also nicht auch in zehn Jahren? Hoffentlich ist DÅÅTH in zehn Jahren eine der Institutionen im extremen Metal.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten!
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mir diese Fragen zu stellen … es war mir ein Vergnügen! Ich wünsche dir einen schönen Abend, Tag, Monat … mach’s gut!

Dååth – The Decievers

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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