Mit ihrem zweiten Album, „Blessed Extinction“, haben die Belgier CULT OF ERINYES ein tiefschwarzes, und dennoch erfreulich abwechslungsreiches Werk geschaffen. Was es mit dem Terminus „Ritualistic Black Metal“ auf sich hat, warum die Band sich ungern ins Rampenlicht rücken lässt und was am neuen Output besser ist als an den bisherigen, erzählte uns Sänger Mastema im Interview.
Euer neues, zweites Album erscheint dieser Tage. Wie fühlt sich das an?
Wir haben gestern die ersten CDs von „Blessed Extinction” erhalten, insofern sind wir noch ziemlich aufgeregt. Wenn du monatelang an einem Album arbeitest und so viel hinein steckst, ist es wirklich ein besonderes Gefühl, das Resultat schließlich in den Händen zu halten. Das ist einfach der Moment, in dem das Projekt “real” wird. Darüber hinaus bereiten wir uns derzeit für unsere Release-Show in Brüssel vor. Wir werden für Dødheimsgard eröffnen und ich bin eich wirklich großer Fan, sofern sind wir auch diesbezüglich ziemlich aufgeregt.
Worum geht es auf dem Album denn?
Es ist ein sehr kraftvolles, aggressives Album geworden – mehr noch, als wir uns das beim Schreiben und Aufnehmen der Songs vorgestellt hatten. Das Grundthema der CD hatten wir aber schon sehr früh festgelegt. Es fing mit dem Song „The Eschatologist” auf unserer letztes Jahr veröffentlichten Split mit Zifir an und mir war gleich klar, dass wir in diese Richtung weiter machen müssen. „Blessed Extinction“ handelt von der Auslöschung der Menschheit, allerdings als sehr positives Ereignis betrachtet. Deshalb sollte diese Auslöschung nicht notwendigerweise als das Ende aller Dinge betrachtet werden. Vielleicht als das Ende der Menschheit, wie wir sie kenne, aber vielleicht auch als der Anfang von etwas Neuem, Besserem. Der Zorn auf diesem Album ist also mit Aufrichtigkeit und Zynismus gepaart, aber auch mit Hoffnung und der Ablehnung von Fatalismus. Es ist nicht so klar „schwarz – weiß“, wie man zunächst denken könnte.
Die Musik folgt diesem Gefühl ebenso: Sie kann unbarmherzig sein, bietet aber auch unzählige Melodien, düstere Poesie und Momente der Hoffnung. Manchmal macht sie auch sehr seltsame Dinge… aber genau das ist, was wir wollten.
Im Pressetext werdet ihr als „Ritualistic Black Metallers“ vorgestellt. Was macht euch so „rituell“ oder was bedeutet das für dich als Musiker oder für euch als Band? Gibt es bestimmte Rituale, die euer privates oder das Bandleben bestimmen?
Nein, wir haben keine „Rituale“ in unserem Leben oder im Bandkontext, zumindest nicht in der Form, wie die meisten Leute dieses Wort interpretieren würden. Der „rituelle Aspekt“ liegt in der Musik, in der Atmosphäre der Songs – wir sehen die Stücke selbst als Rituale an, so zu sagen. Das bezieht sich sowohl auf unsere Emotionen bezüglich der Musik als auch auf die Message der Songs: Sich verweigern, die Lügen dieser Welt zu glauben, alte Werte wieder schätzen und sich eigene Gedanken machen. Das ist eine sehr wichtige Einstellung von uns und hat in der Tat fast etwas rituelles. Aber wir sind keine politische Band und wollen dem Hörer unsere Message auch nicht ständig ins Gesicht schmieren… das wäre auch das Gegenteil dessen, was wir predigen: eigenständig zu Denken nämlich. Das ist natürlich eine sehr persönliche Botschaft, aber wir hoffen natürlich, dass zumindest einige Leute davon inspiriert werden.
Eure Bandphotos sind ja auch sehr mystisch gehalten. Würdest du euer Outfit eher als Accessoires, die gut zur Musik passen, beschreiben, oder misst du dem Ganzen eine tiefere Bedeutung bei?
Zunächst will ich klarstellen: Das sind alles nur Accessoires und soll auch als das betrachtet werden. Wir haben uns nicht dagegen entschieden, unsere Gesichter zu zeigen, um damit ein künstliches Mysterium um die Band aufzubauen, sondern schlicht, weil wir als Individuen keine Rolle spielen. Unsere Gesichter sind auf den Bilder und während Konzerten verborgen, weil wir die Musik in den Mittelpunkt rücken wollen. Vielleicht ändern wir das auch eines Tages und tragen dann etwas anderes oder zeigen unsere Gesichter, weil wir die verdammten Kutten satt haben. (lacht)
Live spielen wir fast im Dunkeln, mit Videos, die Dolmanesh gemacht hat, auf einer großen Leinwand. Die Musiker sind in unserer Band nicht die Attraktion – wir wollen, dass unsere Shows eine musikalische und visuelle Erfahrung darstellen, etwas, das intensivere Gefühle weckt als wenn man statt dessen unseren Haarschnitt oder unsere Kleider zu studiert.
Das Artwork des Albums ist vergleichsweise modern für ein Black-Metal-Cover. Wer ist für das Bild verantwortlich und warum ist es deiner Ansicht nach das perfekte Cover für „Blessed Extinction“?
Ich denke, dass dieses Album auch visuell einen Schritt nach vorne darstellt. Das Cover wurde von Neraath, dem Gitarristen von Enthroned, handgemalt. Er malt seine Bilder im Blackout Studio, wo wir mit Phorgath (ebenfalls von Enthroned) bislang alle unsere Veröffentlichungen aufgenommen haben – insofern hatten wir viele Gelegenheiten, seine Kunst zu Gesicht zu bekommen, und fanden sie stets großartig. Wir haben schon früher mehrfach darüber nachgedacht, sein Talent für ein Artwork in Anspruch zu nehmen, aber irgendwie kam es bis jetzt doch nie dazu. Er hat einen großartigen Job gemacht, das Cover und das gesamte Artwork schaut fantastisch aus … und ein gemaltes Kunstwerk als Cover zu haben, gibt dem Ganzen den natürlichen Rahmen, der am Ende den Unterschied macht.
Für das Cover haben wir Neraath kaum Vorgaben gemacht. Ich habe ihn das generelle Thema des Albums erläutert und worum es in jedem Song geht. Von diesem Punkt an haben wir ihn sein Ding machen lassen. Ich finde, das Resultat passt sehr gut zu dem Album, weil es sich auf das Konzept der Dreifaltigkeit (das mit den Erinyen verknüpft ist, und damit mit der Band), bezieht, und die generelle Stimmung von Musik und Texten perfekt umsetzt.
Also gibt es einen konkreten Bezug zwischen Texten und Artwork?
Ja, Neraath hat verschiedenste Hinweise auf die Texte jedes Songs im Booklet untergebracht. Es ist sehr subtil, aber so soll das ja auch sein. Wie gesagt: Ich finde, er hat einen großartigen Job gemacht. Es ist definitiv unser bislang bestes Artwork bisher und wir sind extrem zufrieden damit. Insofern werden wir bestimmt wieder mit ihm zusammenarbeiten.
Ihr habt einen Song mit japanischem Titel auf dem Album, 自爆 (Jibaku). Warum ein japanischer Titel und was ist die Bedeutung dieses Begriffes?
“Jibaku” ist ein echt wichtiger Song für mich. Geschichte interessiert mich sehr, vor allem Militärgeschichte – aber eben auch die japanische Kultur. Insofern interessieren mich die Kamikaze logischer Weise sehr. Der Song geht über diese jungen Männer, die, gegen den Verlauf des Krieges und entgegen den gesunden Menschenverstand noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges freiwillig ihr Leben gegeben haben, um ihr Land zu schützen. Man kann diese Aktion nicht verstehen, wenn man nicht zumindest im Ansatz die japanische Mentalität versteht, ihre Werte und Sicht auf das Leben, den Tod und Ehre. “Jibaku” war das Wot, das diese Art, sich selbst zu töten, beschreibt, in dem man sein eigenes Flugzeug in ein gegnerisches Schiff lenkt.
Ihr habt das Album wieder mit Phorgath aufgenommen. Was kannst du über die Recordings erzählen?
Er war wieder für alles verantwortlich – vom Aufnehmen bis zum Mastering. Vielleicht ändern wir das irgendwann auch mal, aber für dieses Album waren wir davon überzeugt, dass wir unseren Sound im Blackout Studio immer noch adäquat weiterentwickeln können und neue Möglichkeiten entdecken. Und das war auch genau, was passiert ist. Bezüglich des Sounds haben wir einige Dinge geändert, das Schlagzeug ist organischer und besser in den Mix integriert. Baals Parts sind sehr gradlinig und wir wollten die Drums als eine aggressive und erbarmungslose Konstante im Hintergrund aufrecht erhalten. Hinsichtlich des Sounds standen diesmal die Gitarren definitiv im Mittelpunkt. Wir waren mit dem Gitarrensound auf dem Vorgänger, „A Place To Call My Unknown“ nicht wirklich zufrieden, das klang einfach zu dumpf, roh und undefiniert. Deshalb haben wir uns darauf konzentriert, den Sound größer, aber klarer definiert zu gestalten, um die Melodien und Details klarer herauszuheben – ich denke, damit hatten wir Erfolg.
Bezüglich des Gesangs war es vor allem die generelle Herangehensweise und die Performance, die ich ändern wollte. Auf der Split sollte das roh und direkt klingen, mit wenigen Spuren pro Song. Mit etwas Abstand habe ich festgestellt, dass ich damit nicht glücklich bin. Die Songs von CULT OF ERINYES sind meist sehr lang und repetetiv, da machen platte, rohe Vokals das Ganze schnell nervig. Deshalb habe ich mich dieses Mal entschieden, genau das Gegenteil davon zu machen: Ich habe mit vielen Spuren gearbeitet und ich denke, die Performance ist sehr vielseitig, was verschiedene Gesangsarten angeht.
Du hast eure letztjährige Split mit Zifir aus der Türkei ja schon angesprochen. Warum habt ihr euch zu einer Split mit dieser Band entschieden und wie seid ihr mit der Band in Kontakt gekommen?
Corvus hat die Band mit ihrem 2011er-Album „Protest Against Humanity“ aufgetan und war direkt begeistert. So kam die Idee sehr schnell auf … wir mochten ihre Musik, hatten schon öfter über eine Split nachgedacht und haben dann einfach mal angefragt, ob sie Interesse hätten. Corvus hatte ein Paar Songs am Start, die nicht in seine Vision eines neuen Albums passten, also haben wir diese für die Split verwendet. Es war uns dabei sehr wichtig, exklusive Tracks zu veröffentlichen, und nicht nur irgendwelche Remixe alter Songs oder Coverversionen oder dergleichen.
Mit dem neuen Album seid ihr jetzt bei Code666 untergekommen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und warum glaubst du, seid ihr bei Code666 an der richtigen Adresse gelandet?
Auch das hat sich sehr schnell und natürlich ergeben: Wir haben unser erstes Album über ein französisches Label veröffentlicht, Les Acteurs De L’Ombre, und waren mit dieser Zusammenarbeit sehr zufrieden: Es ist zwar ein kleines Label, aber sehr passioniert und ehrlich. Wir haben auch darüber nachgedacht, dort zu bleiben, als uns Code666 kontaktiert haben und uns einen Vertrag angeboten haben – aber Code666 ist natürlich ein Schritt nach vorne für uns. Sie haben eine große Erfahrung, sind sehr professionell und bieten exzellente Promotion- und Distribution-Möglichkeiten. Deshalb haben wir dann doch nicht lange gezögert, auch wenn ich an dieser Stelle nochmals die sehr gute Arbeit, die Les Acteurs De L’Ombre geleistet haben, hervorheben möchte. Die Arbeit mit Code666 war nichtsdestoweniger bislang wirklich großartig.
Werdet ihr mit dem Album eigentlich auch auf Tour gehen und dabei eventuell auch in Deutschland zu sehen sein?
Leider nicht, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Unser Fokus liegt nicht darauf, live zu spielen, weshalb wir nur eine sehr begrenzte Zahl an Konzerten im Jahr spielen, die meisten davon in Belgien. 90 Prozent unserer Energie fließt in unsere Studio-Arbeit.
Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Danke an alle, die unser Album angehört oder sogar gekauft haben. Wir sind sehr glücklich damit, und hoffen, ihr seid das auch! Das ist erst der Anfang, CULT OF ERINYES haben noch eine Menge Ideen im Schrank…!
Ok, dann bedanke ich mich für deine Zeit! Lass uns das Interview mit einem kurzen Brainstorming beenden ...
Wie abgefahren … (lacht)
Aber klar, los gehts!
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