Mit ihrem stark elektronisch ausgerichteten Post-Rock konnte sich das Hamburger Duo COLLAPSE UNDER THE EMPIRE in Szenekreisen einen mehr als guten Ruf erarbeiten. Drei Jahre nach „Shoulders & Giants“ legen die beiden Musiker nun mit „Sacrifice & Isolation“ den zweiten Teil ihres Konzeptwerkes vor. Chris Burda im Interview über die Ausdrucksstärke instrumentaler Musik, das Konzept des Doppel-Albums und den lieblichen Namen C.U.T.E.
„Shoulders & Giants“ und „Sacrifice & Isolation“ waren ja von Anfang an als Doppelalbum konzipiert. Trotzdem habt ihr mit „Fragments Of A Prayer“ und „The Silent Cry“ sogar noch zwei andere CDs veröffentlicht, bevor jetzt der zweite Teil erscheint. War das so geplant?
Der zweite Teil „Sacrifice & Isolation“ sollte ursprünglich ein Jahr nach dem ersten Teil folgen. Wir mussten aber feststellen, dass wir für „Sacrifice & Isolation“ noch nicht bereit waren, in die dunkelsten Gefilde der Geschichte abzutauchen. Viele Tracks, die wir nach dem ersten Teil „Shoulders & Giants“ (2011) komponiert haben, waren einfach nicht dunkel genug, um den zweiten Teil abzuschließen. Wir sind aber sehr froh, dass wir uns diesbezüglich Zeit gelassen haben und in der Zwischenzeit unser bisher erfolgreichstes Album „Fragments of Prayer“ (2012) sowie die EP „The Silent Cry“ (2013) veröffentlicht haben. „Sacrifice & Isolation“ wird jetzt am 23. Mai 2014 erscheinen.
Wann sind die Songs für den zweiten Teil entstanden? Gemeinsam mit denen des ersten Albums, parallel zu den beiden eben genannten CDs oder erst nach Abschluss der beiden anderen CDs?
Die Songs sind zum größten Teil nach unserer letzten EP „The Silent Cry“ entstanden. Zwei halbfertige Tracks stammen noch aus der „Shoulders & Giants“- Phase. Wir haben insgesamt 15 Tracks komponiert, wobei wir immer wieder Tracks verworfen haben, weil sie nicht zu 100% aufs Album gepasst hätten. Diese werden wir wahrscheinlich später als EP veröffentlichen, da sie einfach zu gut sind, um sie nicht zu veröffentlichen. Bis vorm Ende der Aufnahmen haben wir noch kurzfristig einen neuen Track innerhalb von 3 Tagen fertig produziert und mit aufs Album gepackt („What The Heart Craves For“). Es fehlte noch ein etwas ruhigerer Track, um das Album zu komplettieren.
Wie bringt man sich in die Stimmung, Songs für ein Konzeptalbum über Freiheit, Isolation und Tod zu schreiben? Oder geht das in jeder Laune?
Das kann man nicht so genau sagen. Klar befindet man sich bei dem Aufnahmeprozess in einer bestimmten Stimmung, beim Komponieren vergisst man die Welt um sich herum, weil man so intensiv in die Musik abtaucht. Aber mit Sicherheit werden unterschwellig immer positive und negative Stimmungen verarbeitet, in denen man sich gerade befindet.
Zu einem der Songs habt ihr ein Video drehen lassen – wonach habt ihr das Stück ausgewählt, wie viel Anteil hattet ihr am Video-Plot und der Umsetzung und wie gefällt euch das Resultat?
Wir arbeiten das zweite Mal mit dem Londoner Video-Regisseur Dan Tassel zusammen, der wieder einmal beeindruckende Bilder erschaffen hat. Es ist immer eine Freude zu sehen, welche künstlerische Note seine Kurzfilme auszeichnen. Das Video zu unserer Single „Stairs to the Redemption“ ist unserer Meinung nach eines der besten und intensivsten Videos, die wir je veröffentlicht haben. (Das Video gibt es am Ende des Interviews zu sehen)
Wie wichtig ist euch eine visuelle Umsetzung eurer Musik, einerseits aus emotionaler Sicht, andererseits aber auch hinsichtlich des Promotion-Effekts und der (hoffentlich) verkaufsfördernden Funktion eines Videos?
Ein Video ist für die Promotion eines Albums immer hilfreich, gerade in Zeiten des Internets. Speziell bei unserer Musik ist filmisches Material stets sehr wichtig, da unsere Musik meistens wie ein Soundtrack zu einem imaginären Film rüberkommt. Es ist natürlich sehr schwierig, einen passenden Regisseur zu finden den man auch noch bezahlen kann. Bisher hatten wir immer viel Glück, dass uns einige Filmschaffende ihr Videomaterial „for free“ zur Verfügung gestellt haben. Sie profitieren dann davon, dass ihr Name in der Musikwelt ein wenig Promotion erfährt. In erster Linie muss aber ein Regisseur von der Musik begeistert sein, damit alles stimmt.
Freiheit, Isolation und Tod sind drei starke Begriffe, die aber auch sehr vage und frei interpretierbar sind. Was verbindest du damit konkreter, was hat euch zu diesem Konzept bewogen und was inspiriert?
Der Film „Into The Wild“ von Sean Penn hat uns inspiriert dieses Konzeptwerk vorzulegen. „Wer wir sind“ und was wir aus unserem Leben machen,- diese Gefühlswelten im positiven und negativen Sinne wollten wir musikalisch ausdrücken. Es geht darum, sein Leben für seine Ideale einzusetzen und dafür zu kämpfen. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die sich trauen aus ihren bisherigen Leben auszubrechen. Es gehört viel Mut, Risiko und Lebenswille dazu, um seinen wirklichen Träumen und Idealen nachzugehen. Wir wollten etwas Großes erschaffen, was auf jeden Fall aus zwei Teilen bestehen sollte. Dann kam uns die Idee, dass Thema in ein Konzept einzuflechten. Der erste Teil „Shoulders & Giants“ sollte etwas hoffnungsvoller und euphorischer angelegt werden, um mit dem zweiten Teil die dunkle Seite der Geschichte zu beleuchten. Ich glaube, dass uns das mit „Sacrifice & Isolation“ ganz gut gelungen ist. Es ist ein Album geworden, welches sich nicht sofort erschließt und wo man ein wenig Ausdauer benötigt, um die bedrohliche Stimmung und sperrigen Sounds zu verdauen. Man kann viel in unser Konzeptwerk hinein interpretieren, genau das wollten wir auch erreichen, weil jeder Zuhörer seine eigene Geschichte finden sollte.
Eure Stücke sind ja stets rein instrumental gehalten – habt ihr schon mal darüber nachgedacht, zumindest Stimme als Element zu verweden, wie es beispielsweise Sigur Ros tun, oder sogar Gesang mit Text zu verwenden?
Am Anfang des Projektes haben wir einige Sänger ausprobiert. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch überhaupt nicht, in welche Richtung sich unserer Musik entwickeln wird. Wir hatten dann aber schnell bemerkt, dass unsere Musik ohne Gesang wesentlich besser funktioniert. Ein Song wie zum Beispiel „Find A Place To Be Safe“ würde mit Gesang seine Intensität verlieren und die Musik unweigerlich in den Hintergrund rücken. Viele Leute schreiben immer wieder dass wir mit unseren Instrumenten eine Art Geschichte erzählen … Ich glaube, da liegen sie genau richtig. Und für zwei Geschichtenerzähler ist meist kein Platz in einem C.U.T.E.-Song.
Bei Instrumentalstücken bekommen die Titel der Songs eine ganz andere Bedeutung: Während ein Text oft die Wirkung eines Songs auf den Hörer maßgeblich beeinflusst, müssen hier wenige Worte reichen, um den Song zu charakterisieren. Entstehen die Songtitel quasi als Atmosphäre-Leitfaden im Vorhinein, oder sucht ihr zu den fertigen Stücken passende Titel, welche Bedeutung misst du Songtiteln bei und wie schwer fällt es dir, einen prägnanten Titel zu konstruieren?
Bei rein instrumentaler Musik ist es häufig schwer, dem Zuhörer ein Thema zu präsentieren. Deshalb nutzen wir manchmal unsere Songtitel als kleine Hilfe. Für uns ist es aber wichtig, dass jeder seine eigene Interpretation finden kann. Wir haben unser Ziel erreicht, wenn der Zuhörer sich beim Hören in einer Art Filmsoundtrack- Landschaft wiederfindet.
Eure Musik wird oft als elektronischer Post-Rock bezeichnet. Wie steht ihr zu dieser Klassifizierung und was beeinflusst euch?
Wir beide verarbeiten die Musik, mit der wir aufgewachsen sind und die uns seit Jahren neue Bands und Inspirationen finden lässt. Man versucht natürlich immer, sein eigenes Ding zu machen und sich von anderen Bands zu unterscheiden. Das ist auch ein wichtiger Punkt für uns, nicht nach einer klassischen Post-Rock-Band zu klingen. Dass wir als Post-Rock-Band wahrgenommen werden, liegt auf der Hand, weil wir ja instrumentale Musik komponieren. Dabei versuchen wir die Grenzen soweit es geht immer auszuweiten. Wer weiß, vielleicht werden wir uns mit dem nächsten Album komplett neu erfinden. Ein Traum von uns wäre es, einen so bedeutenden Schritt zu gehen, wie es damals Talk Talk mit ihren letzten zwei Alben („Spirit Of Eden“ und „Laughing Stock“) vollzogen haben. Vor dieser Meisterleistung kann man bis heute nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Es gibt vielleicht nur eine Handvoll Bands, die der Musikindustrie so den Mittelfinger gezeigt haben und komplett ohne Rücksicht auf Verluste ihre Vorstellung von ehrlicher Musik verwirklicht haben.
Wo wir schon bei prägnanten Begriffen sind – wie kommt man auf einen Bandnamen wie COLLAPSE UNDER THE EMPIRE und was für ein Szenario darf man sich darunter vorstellen?
Als wir im Jahr 2008 beschlossen haben, Instrumentalmusik zu produzieren, haben wir monatelang nach einen Bandnamen mit einer gewissen Message gesucht. Der Anstoß kam von meiner Freundin als sie den lieblichen Namen „Cute“ ins Spiel brachte. Wir fanden den Namen für eine Post-Rock Band unpassend. Da wir Doppelbedeutungen schon immer gut fanden, suchten wir gemeinsam nach einem Bandnamen, die dem Kürzel C.U.T.E. entsprach. In Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise fiel uns der Name dann sehr schnell ein. Aus einem niedlichen Titel haben wir dann einen sehr hart klingenden Bandnamen gemacht. Irgendwie lustig…. Man kann vieles in den Namen hineininterpretieren. Es sagt aber in jeden Fall aus, dass irgendetwas vor dem Abgrund steht und sollte so eine Art von Vorwarnung sein.
Ich verbinde mit euren Cover-Artworks immer endlose Weite, Fernweh, Grenzenlosigkeit, den Drang, einfach Loszulaufen – wie Fernwehgeplagt seid ihr?
Das Zusammenspiel zwischen Musik, Story und Artwork spielt bei uns immer eine große Rolle, da es für uns die einzige Möglichkeit ist, dem Zuhörer in unseren Bann zu ziehen. Ich finde, dass das großartige Cover mit seiner unendlichen Weite genau dem entspricht, was wir für unsere Story gesucht haben.
In einer Großstadt wie Hamburg oder einer anderen Großstadt zu leben, hat natürlich nicht nur Vorteile. Man vermisst doch ab und an das leichte und lockere Leben ohne Hektik, Informationsüberfluss und dem Druck, dem man ausgesetzt ist. Auf unserem Konzeptwerk malen wir uns ja aus, wie man all dem entfliehen kann.
Ihr habt bislang zwei Charity-Singles zu Gunsten von Sharkproject („The Silent Death“) und Rettet den Regenwald („Lost“) veröffentlicht. Wie kam es dazu, wie war die Resonanz und seht ihr derartige Initiativen als festen Teil eures Bandkonzeptes an – wird es derartiges also wieder geben?
Wir sind einfach der Meinung, dass es Zeit war auch etwas Nützliches mir unser Musik zu machen, wo man zu 100% hinter steht und Dinge vorantreibt, die einem selber wichtig sind. Wir waren auf der Suche nach etwas, was wir gerne unterstützen wollten. Als wir von Sharkproject und ihrem Kampf gegen die Ausrottung und Abschlachtung der Haie gehört haben, waren wir sofort Feuer und Flamme und wollten sie unbedingt unterstützen. Das gleiche gilt für die „Rettet den Regenwald“ Aktion. Wir können uns auch weiterhin vorstellen Projekte zu unterstützen, die wir für wichtig halten. Die Resonanz war bei beiden Projekten sehr groß. Neben unseren Stammhörern haben auch viele Leute gespendet, die in der Online-Musikpresse davon gelesen haben. Das hat uns und die Organisationen sehr gefreut.
Damit wären wir am Ende des Gespräches angekommen. Vielen Dank für das Interview!
Es war mir eine Freude, mit dir das Interview zu machen. Wir sind ja seit 2011 immer wieder bei euch auf Metal1.info mit tollen Review-Beiträgen besprochen worden. Das freut uns sehr! Für uns als instrumentale Band ist das immer noch ungewöhnlich und schön zu sehen, dass wir Genreübergreifend funktionieren.
Zum Abschluss das traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Ukraine: Putins Aktionen sind politisch und menschlich nicht ansatzweise vertretbar.
Bundesliga-Absteiger: Die Hoffnung stirbt zuletzt (HSV).
Metal: Ein Genre, das Anfang der 80er entstand und bis heute sehr gefragt ist.
Hamburg: Mehr Brücken als in Venedig.
Facebook: Stirbt langsam aus, nur was für Oldies (lacht)
1. Mai: Wichtiger Protest-und Gedenktag.
Europawahl: Europa sollte alle interessieren, auch die Länder die nicht von der Wirtschaftskrise betroffen sind.
Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Wir danken allen Zuhörern, Fans und Musikredakteuren die sich den letzten fünf Jahren mit unserer Musik auseinandergesetzt haben. Wir hoffen auch in den nächsten Jahren unsere Musik weiter voranzutreiben und neue Dinge auszuprobieren.