So viele spannende Bands wie in den letzten Jahren hat der deutsche Underground schon lange nicht mehr hervorgebracht. Vor allem in den Bereichen Black und Death Metal zeigt sich die Szene sehr vital und kreativ. Zu den Speerspitzen dieser jungen Generation von Bands gehören die Kölner CHAPEL OF DISEASE, die mit ihrer neuen Scheibe „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ alle Genrekonventionen sprengen und neue Wege beschreiten. Wir sprachen mit Gitarrist Cedric T. über das neue Album, was die Band in den letzten Jahren so getrieben hat und mehr.
Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Vielen Dank für das Interesse an uns und die Mühen, diese Fragen zu erstellen. Hier ist alles gut soweit, ich kann mich nicht beklagen.
Seit eurer letzten Scheibe „The Mysterious Ways Of Repetitive Art“ sind drei Jahre vergangen. Was ist seitdem bei euch passiert? Gab es große Veränderungen?
Um ehrlich zu sein, ist gar nicht so viel passiert. Zumindest nichts, was ich als total gravierend empfunden habe. Wir zogen 2016 aus unserem alten Proberaum aus und richteten uns in einem größeren Raum ein. Ein paar Monate später began Laurent dann, den danebenstehenden Raum anzumieten und beide Räume zu verbinden, um sein eigenes Tonstudio dort einzurichten. Das kostete natürlich Zeit und Energie, wobei wir auch währenddessen immer weiter probten. Nebenbei spielte auch das alltägliche Leben mit: der Beruf, Hochzeiten, Umzüge. Außerdem waren wir uns schon bewusst darüber, dass wir wirklich starkes Material haben und wollten dieses auch so präsentieren, dass das Endprodukt uns befriedigt. Auch das dauerte seine Zeit und es war stellenweise schleppend und zährend, aber wenn ich nun das vollendetete Werk sehe, bin ich wirklich stolz auf uns und denke auch, dass es wohl so sein musste, dass die Jahre ins Land zogen.
Euer neues Album heißt „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“. Kannst du uns was zu diesem etwas kryptischen Titel sagen?
Nun, er lässt sich von jedem, der dazu bereit ist, frei interpretieren und ich für meinen Teil bin schon gespannt, was die Leute so sagen werden. Schlussendlich möchte ich nicht zu viel verraten, es gibt jedoch Situationen, die vorhersehbar und gleichzeitig unvermeidbar sind. Diese stellen einen vor Herausforderungen, Schmerzen und Erkenntnissen. Gleichzeitig kann man darin aber auch eine Ruhe, die ihresgleichen sucht, finden.
Das Artwork des neuen Albums lässt den Betrachter nicht sofort an ein Death-Metal-Album denken. Kannst du uns etwas zum Motiv und dem Künstler dahinter sagen?
Genau das wollten wir auch erreichen. Wir wollten etwas Außergewöhnliches, was den Betrachter aufblicken lässt und das Interesse weckt, sich auch mit der Musik dahinter zu beschäftigen. Es zeigt den im Titel beschriebenen Sturm, eine Naturgewalt, die über alles hinwegzieht und vor nichts Halt macht. Gleichzeitig erscheint es durch die warmen Farben nicht direkt bedrohlich, sondern, zumindest auf mich, beruhigend und faszinierend. Ich glaube, dass es sich auf jeden Fall von der Masse hervorheben kann. Der Künstler ist Timo Ketola, der ja bekanntlich schon Artworks für Größen wie Dissection, Deathspell Omega oder Venenum gemacht hat. Gerade für unseren Bassisten war es ein wirklich großes Ding, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Eure musikalische Entwicklung seit eurem Debüt ist enorm. Was hat euch dazu bewogen, auf dem neuen Album 70er-Riffs und 80er-Klangflächen einzubauen?
Nun, der Damm brach ja schon vorher durch unser zweites Album, zumindest in unseren Köpfen. Ich muss dazu sagen, dass der Großteil der Songs auf unserem Debüt bei den Aufnahmen schon vier Jahre alt war und wir uns natürlich während dieser Zeit weiterentwickelt haben. Das soll jetzt nicht heißen, dass wir nicht hinter den Songs standen oder stehen, aber nachdem wir sie herausgebracht haben, merkten wir, dass wir uns nun neuen Herausforderungen widmen und mehr Einflüsse anderer Genres mit einbringen können. Und diesen Weg haben wir seither immer weiter ausgefeilt. Für die Songs auf dem neuen Album war Laurent verantwortlich, er schrieb alles und gemeinsam arbeiteten wir dann diese aus. Da er sich in den letzten Jahren immer mehr mit altem Blues Rock und Classic Rock beschäftigte, ist es wenig verwunderlich, dass diese Einflüsse sich in den Songs widerspiegeln. Ebenso auch die Härte, das Extreme, was die Band auch ausmacht. Ein für uns wirklich natürlicher Prozess, bei dem sich wenig Gedanken gemacht wurden, aber erkannt wurde, dass hier andere, starke Lieder entstehen.
Verfolgt ihr ein bestimmtes lyrisches Konzept auf eurem aktuellen Album?
Während wir auf den beiden Alben zuvor uns der Literatur bedienten, gingen wir diesmal weg von dieser Thematik und beschäftigten uns stattdessen mit dem Inneren unser Selbst. Die Texte spiegeln also Erlebtes, Emotionen oder Geschehnisse meines Bruders und mir, wobei ich auch hier nicht wirklich viel verraten möchte, sondern dem Hörer und Leser die Möglichkeit geben will, zu interpretieren und sich vielleicht sogar darin wiederzufinden.
Der Sound von „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ ist eine gelungene Balance zwischen klar und druckvoll und einer gewissen Wärme im Klang. Wer zeichnet sich für Aufnahme und Produktion verantwortlich? Wolltet ihr die Scheibe so klingen lassen oder war es auch die Entscheidung des Produzenten?
Vielen Dank für das Kompliment. Auch wir sind wirklich beeindruckt von der Produktion des Albums und mehr als zufrieden mit dem Endergebnis. Wie auch zuvor war mein Bruder, Laurent, der Produzent. Dies ist eine Tradition, die wir seit des Demos fortführen. Er hat sich in den letzten Jahren sehr viel Know-How erarbeitet, Bands aufgenommen und abgemischt und schlussendlich sein eigenes Studio, Sculp Sound Studios, eröffnet. Er machte sich auch bei dem neuen Album viele Gedanken bezüglich der Mikrofonierung, Voreinstellungen der Equalizer und stellte sicher, dass alle vier Musiker ihr bestes gaben. Allein die Rohaufnahmen waren deshalb schon wirklich hörenswert und auch beim Mixen nahm er sich viel Zeit, stellte sicher, dass der aufgenommene Sound nicht zu stark verändert, sondern hervorgehoben wird und die gesammte Atmosphäre rüberkommt. Wir hörten immer wieder in die Songs rein, gaben Feedback und das Resultat spricht nun für sich. Ich bin wirklich stolz auf ihn und was er geleistet hat.
Wie läuft das Songwriting bei euch ab? Gibt es einen Hauptsongwriter oder schreibt ihr zusammen an den Stücken?
Für dieses Album zeigt sich Laurent als Hauptsongwriter, da er jeden Song schrieb. Diese wurden dann immer zusammen mit allen Bandmitgliedern im Proberaum ausgearbeitet und geprobt, bis wir das Gefühl hatten, dass wir mit dem Resultat zufrieden sind. Dabei kann jeder seine Ideen, Melodien oder Tempowechsel miteinbringen und wenn es passt, wird es in den Song mit eingewoben. Es ist also schon ein sehr gemeinschaftlicher Prozess. Aber mit Laurent haben wir eben auch klassisch den Hauptsongwriter, da er seit Anbeginn die meisten Songs lieferte und wirklich ein sehr gutes Händchen für Strukturen und interessante Wechsel hat. Auch wenn ich einen Song schreibe bringt er seine Ideen mit ein, so dass diese frischer und spielfreudiger klingen als zuvor. Bei den Texten haben wir beide uns auch sehr gut aufgeteilt, halten immer Kontakt und tauschen uns über die Thematik dieser aus. Ein wahrlich kreativer Prozess.
Ihr spielt häufig Shows mit Sulphur Aeon. Was verbindet euch mit den Jungs?
In der Tat, wobei dies bisher immer dem Zufall geschuldet war, bzw. den Veranstaltern. Aber uns verbindet in der Tat vieles. Die Seriösität, wie an Musik herangegangen wird und diese in erster Linie für die eigene Befriedigung zu machen, ohne Rücksicht auf Stimmen außerhalb des Bandgefüges. Ebenso die klare Vision, dass Live-Shows etwas spezielles sein sollten und wir deshalb nicht jede Show annehmen, sondern diese wirklich mit Vorsicht wählen. Beide Bands sind sehr selbstkritisch und bestehen darauf, Qualität zu liefern, egal um welchen Preis. Und beide Einheiten spielen an und für sich sehr unterschiedliche, extreme Musik, die aber doch die selben Hörer anzieht. Und abgesehen von dem oben genannten sind es wirklich sehr feine Kerle. Wir haben wirklich großen Respekt vor ihnen und freuen uns, dass sie so erfolgreich sind.
Auf welchen der neuen Songs freut ihr euch schon am meisten ihn live zu spielen?
Uh, gute Frage. Ich auf jeden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Manche sind tricky zu spielen und erfordern volle Konzentration. Rein spontan würde ich jetzt sagen, dass ich mich auf „Null“ am meisten freue. Diese ungezügelte Energie, die dann in Epik und unermessliche Raserei gipfelt und eigentlich durchgehend treibend ist. Doch, diese Nummer wird live einschlagen glaube ich. Ich freue mich schon, euch die neuen Songs vorzuspielen.
Gibt es schon Pläne für eine Headlinertour?
Nun, wir sind ja vorsichtig, was Shows angeht und wählen diese mit Bedacht. Es muss zu uns passen, die Bands sollten zu uns passen und wenn wir diese selber feiern, um so besser. Es werden jetzt erstmal Shows in Metzingen am.14.12., Winterthur am 15.12., unsere Releaseshow am 22.12. in Köln zusammen mit Sulphur Aeon und das Hell over Hammaburg am 02.03.19 gespielt und dann sehen wir weiter. Prinzipiell steht einer Tour nichts im Wege, aber es muss natürlich gut geplant sein, also würde ich sagen, warten wir mal und lassen uns von der Zeit überraschen.
Besten Dank für Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming: Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Lieblingsbuch: The complete Works of H.P. Lovecraft
Superhelden: John Constantine
Schlager: Nicht mein Ding
Archäologie: Spannend, da es uns Einblick in die Geschichte gibt und wir dadurch immer weiter lernen können. Und wir sollten niemals aufhören zu lernen
Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Ich danke dir aufrichtig für das Interview, es war mir eine Freude dieses zu beantworten. Vielleicht sehen wir uns mal auf einem Konzert. Vielen Dank an alle Leser und Hörer.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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