Sie bilden zusammen das weibliche Herzstück der abtrünnigen Spielleute. Vokalistin Steffi und Geigenspielerin Becci geben bei BRACHMOND nicht nur auf der Bühne maßgeblich den Ton an. Was die beiden Musikerinnen in ihren ersten Jahren selbst erlebt und beobachtet haben, verraten sie als erstes Duo in unserer Reihe „Frauen im Folk“.
Hallo ihr beiden! Schön, dass ihr als erstes Doppel auch an unserer Serie „Frauen im Folk“ teilnehmt. Welche Inhalte aus den ersten Interviews sind euch besonders im Gedächtnis geblieben und warum?
Steffi: Für mich sind die unterschiedlichen Erfahrungen wahnsinnig spannend. Gerade da wir noch recht frisch in der Szene sind und sich unsere Endrücke daher vielleicht noch sehr von den erfahreneren Kolleginnen unterscheiden. Das ist natürlich ein ganz anderes Level und da ist es spannend zu lesen was uns da noch erwarten kann. Ich glaube, dass sich die Leute uns gegenüber noch ganz anders verhalten als bei Szenegrößen wie Ally.
Becci: Tatsächlich haben mich die Antworten nicht sonderlich überrascht, da ich Ally und Johanna schon immer als starke Frauen wahrgenommen habe. Sie stecken beide auch unglaublich viel Zeit und Energie in die Musik. Ich bin sehr beeindruckt wie die beiden ihren Weg bisher gegangen sind und noch weiter gehen werden. Trotz alledem wirken beide sehr bodenständig, das rechne ich ihnen hoch an! Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass besonders in der Szene die Frauen das stärkere Geschlecht sind.
Ihr habt gerade euer erstes Album „Ascheregen“ fertig aufgenommen. Welche Rolle und welche Aufgaben habt ihr bei der Entstehung – auch fernab von Gesang und Geige – übernommen und wie kam es dazu?
Becci: Ohje… haha. Ich durfte mich um die gesamte grafische Umsetzung kümmern, da ich die einzige von uns bin, die das auch beruflich macht. Außerdem bearbeite ich unsere Videos.
Steffi: Ich habe die Texte für fast alle Songs geschrieben und mich um das Merchandising gekümmert. Dadurch dass ich mit dem Bandleader verlobt bin, fallen viele Dinge für mich unterstützend an, unter anderem die Facebook-Präsenz und die Organisation unserer Bandcloud. Warum? Das schien mir am wenigsten Arbeitsaufwand *lacht*
Ihr seid noch vergleichsweise frisch in der Folkszene unterwegs. Wie würdet ihr eure ersten Erfahrungen zusammenfassen?
Becci: Es ist unfassbar anstrengend in einer Band zu spielen, die über die Garage bzw. den Proberaum hinaus wollen. Ich habe unterschätzt wieviel Arbeit und Zeit man reinstecken muss , wenn man seine Musik auch auf die Bühne bzw. an die Leute bringen möchte. Zudem ist und bleibt Musik einfach auch ein teures Hobby. Dennoch hätte ich niemals gedacht wieviel Freude es mir bereitet, mit meinen Leuten auf der Bühne zu stehen. Allein das ist es Wert. Sehr erfreulich finde ich außerdem die Unterstützung, die man von anderen Bands der Szene erhält. Die Folkszene ist einfach unglaublich unkompliziert und herzlich und man hat uns schon desöfteren auch unterstützt.
Steffi: Sowohl die Fans, die anderen Musiker und Veranstalter sind sehr offen uns gegenüber. Das kenn ich von anderen Szene anders und es freut mich immer wieder. Das passt auch sehr gut zu der Stimmung, die bei uns in der Band herrscht und sorgt für lockeres Ambiente. Überraschend fand ich wie schnell ich in ein öffentliches Licht rücke und plötzlich von fremden Leuten angesprochen oder angeschrieben werde. Gerade nach Konzerten wenn man sich oft zurückziehen will, kommen viele Leute auf einen zu und man muss präsent sein.
Ihr seid unser erstes Duo bei „Frauen im Folk“. Wie sehr beschäftigen euch die Themen wie Gleichberechtigung, Vorurteile, Sex sells, etc.? Tauscht ihr euch untereinander darüber aus oder geht ihr damit eher individuell um?
Becci: Haha… Gleichberechtigung? Bei uns steht definitiv die Steffi am ehesten ihren Mann. Aber tatsächlich kommt für uns das Thema gerade das erste Mal auf, wir sind da beide sehr locker und aufgeschlossen.
Steffi: Für uns war Gleichberechtigung nie ein großes Thema, es ist für uns eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Gefühlt wird nur von einer Frontsängerin etwas anders erwartet als von einem Sänger. Die männliche Stimme können sich die meisten einfach besser vorstellen. Eine Frontfrau mit rockiger Stimme überrascht die Leute doch öfter. Aber auch wenn ich meine Weiblichkeit natürlich durch Klamotten doch auch gerne zeige, verhalte mich weniger weiblich als viele Kolleginnen. Es gab aber auch schon mal Diskussionen darüber, ob Hose oder langer Rock auf der Bühne „erlaubt“ sind. Da wurde früher schon wert drauf gelegt, dass es eine sexy Ausstrahlung hat. Mittlerweile sind die Fronten aber geklärt und allen ist bewusst, dass es hauptsächlich darum geht, sich in seinem Auftreten wohl zu fühlen.
Ihr seid optisch unterschiedliche Typen. Wie sehr gleichen und unterscheiden sich eure Erfahrungen mit anderen Musikern, Fans oder auch Veranstaltern?
Becci: Schwierig zu beantworten.
Steffi: Naja, Becci… du bist weiblicher als ich.
Becci: Ehrlich? Das halte ich für eine Lüge.
Steffi: Zumindest hast du ein weiblicheres Auftreten als ich. Die Becci wird auf jeden Fall öfter angebaggert als ich. Das mag an der Ausstrahlung liegen oder daran, dass sie nicht verlobt ist.
Becci: Ok, wenn ich genauer darüber nachdenke, dann fällt mir immer öfters auf, dass es nach Konzerten im Verhältnis viel mehr Fotos von mir als von dir oder den Jungs gibt.
Steffi: Da sind deine Outfits natürlich nicht unschuldig dran. Damit kommst du zumindest weiblicher rüber. Ich bekomme zwar auch oft Komplimente, aber nicht so offensichtliche wie du. Und du bist auch wesentlich offener anderen Leuten gegenüber als ich, ich bin da eher noch schüchtern. Das merken natürlich auch die Fans und Kollegen.
Becci: Ja, ich bin auch eine gerne Rampensau *lach*
Welche Ereignisse sind euch besonders im Gedächtnis geblieben?
Steffi: Uh, da fällt mir ein Gig letztes Jahr ein. Direkt nach dem Konzert schreibt uns jemand auf Facebook, dass wir zwar eine gute Band sind und einen super Sound haben, aber dringend eine neue Sängerin suchen sollten. Aber es gibt auch viel positives Feedback. Gerade von anderen Sängerinnen höre ich oft, wie erstaunt sie über meine Stimme sind und wie gut es kommt, dass ich nicht das klassische Mädchen bin. Unvergesslich war auch ein Auftritt auf einem großen LARP-Event bei dem ich als Gastsängerin beim Headliner auftreten durfte.
Becci: Ich stand bei einen Konzert auf dem Riser an der Bühnenvorderkante, als ein Fan ankam und mir direkt und offensichtlich unter den Rock fotografiert hat. Ich war viel zu überfordert in dem Moment, um irgendwie reagieren zu können. Ich war mitten in meinem Solopart und einfach perplex. Durch das Licht hab ich ihn auch leider nicht erkannt und konnte ihn im Nachhinein nicht identifizieren. Das ärgert mich bis heute noch. Ich war fassungslos. Das nächste Mal weiß ich, wie ich zu reagieren habe. Aber in dem Moment ging es einfach zu schnell. Ansonsten waren die Erfahrungen meistens sehr positiv. Mich freut aber auch, dass ich immer wieder gesagt bekomme, wie sehr man mir den Spaß auf der Bühne ansieht.
Wann und wie habt ihr zuletzt eure weiblichen Reize erfolgreich für Brachmond eingesetzt?
Steffi: Bei unserem Song „Schwarze Witwe“ geht es um Verführung und das versuche ich in die Bühnenshow natürlich mit einfließen zu lassen. Ansonsten glaube ich bringt uns unsere Musik und unsere offene Art weiter als unsere Optik. Auch wenn die Weiblichkeit zur Optik gehört.
Becci: Ich trage gerne enge Sachen und das tu ich natürlich auch auf der Bühne. Aber es dient keinem höheren Zweck, sondern nur meinem persönlichen Wohlbefinden.
Ihr habt bereits mit Szenebands wie Fuchsteufelswild und Subway to Sally die Bühne geteilt. Wie haben diese erfahrenen Musiker auf euch als neue Band mit einer jungen, weiblichen Frontfrau reagiert? In der Folk- und Mittelalterszene ist dies ja doch eher eine Besonderheit…Steffi: Einerseits sehr offen und interessiert. Andererseits haben wir teilweise gar nicht so viel mit den „großen“ Bands zu tun gehabt. Wenn sich Gespräche ergaben, haben sie uns aber schon oft weitergeholfen und uns Tipps gegeben. Und das Thema Frontfrau interessiert natürlich viele, da es einfach ungewöhnlich ist und oft gut ankommt.
Wie sehr tragt ihr durch eure Optik zum Wiedererkennungswert von Brachmond bei? Fühlt ihr euch manchmal reduziert oder unterschätzt bzw. nicht genug anerkannt für eure Musik im Vergleich zu eurem Äußeren?
Steffi: Der Wiedererkennungswert ist natürlich da. Wir stehen auf der Bühne oft im Vordergrund und das fällt natürlich auf. Ich hatte aber noch nie das Gefühl, dass wir darauf reduziert werden.
Becci: Wir versuchen natürlich die Outfits abzustimmen, sowohl untereinander als auch zusammen mit den Jungs, und dadurch ein gutes Gesamtbild zu ergeben. Es gab aber auch schon Shows, wo wir in Jeans und Shirt aufgetreten sind, deswegen wurde unsere Musik trotzdem nicht schlechter wahrgenommen.
Habt ihr Vorbilder, die so gesehen werden wie ihr auch im Kopf bleiben wollt?
Steffi: ich habe tatsächlich nur männliche Vorbilder, was den Gesang angeht. Für mich sind Nachtgeschrei und Triddana schon immer Vorbilder und Inspiration gewesen.
Becci: Lindsey Stirling war für mich der Grund, mit der Geige an zu fangen. Mich fasziniert ihre Art und wie sie durch ihre Stärke und ihrer Liebe zur Musik ihren Weg gegangen ist. Sie hat einfach so viel positive Energie.
Ihr seid mit sozialen Medien aufgewachsen. Habt ihr dort eher positive oder negative Erfahrungen gesammelt? Wie ist das Verhältnis von Dickpics zu Komplimenten über eure Musik?
Steffi: Das nimmt sich tatsächlich nicht viel. Da ist die Hemmung online wohl genauso gering ein Kompliment zu machen wie ein Dickpic zu schicken.
Becci: Online leider ja. Live gab es bisher zum Glück bisher nur Komplimente oder Feedback und die Hosen blieben zum Glück alle an.
Wo zieht ihr bei euch die Grenzen zwischen eurem Bühnen- und Privatleben?
Steffi: Für mich beginnt das Bandleben beim Betreten des Bandraums oder der Konzert-Location. Mein Privatleben gehört vorrangig mir und da müssen auch Nachrichten oder Anfragen warten, bis ich wieder im Bandmodus bin.
Becci: Für mich ist das fast schon eine Einheit. Mittlerweile mache ich privat so viel für die Band, dass es kaum noch Grenzen gibt es. Und ich denke, je größer wir werden, umso schwieriger wird es, das zu trennen.
Steffi: Ja, mittlerweile gibt es natürlich viele Deadlines, die uns oft zwingen, im Privaten den Bandkram zu erledigen.
Becci: Gerade in Facebook sind mittlerweile so viele Fans mit mir befreundet, dass ich mein Profil kaum noch privat nutzen kann und will. Deswegen müssen wir da mittlerweile unterschiedliche Profile betreiben.
Dieses Jahr spielt ihr erneut auf dem TANZT!-Festival, u.a. zusammen mit Schandmaul, Vroudenspil und Folkstone. Was hat sich im Vergleich zum ersten Mal bei euch persönlich und auch als Band getan?
Steffi: Die Nervosität ist mittlerweile auf jeden Fall weniger, dadurch dass wir schon häufiger auf großen Bühnen waren und mit bekannteren Bands gespielt haben.
Becci: Ja, wir haben beide viel dazu gelernt und können besser damit umgehen. Mittlerweile können wir uns auf solche Shows auch mehr freuen, als dass wir uns davor fürchten.
Steffi: Genau, ich freue mich den Fans die musikalische Veränderung zu präsentieren und zu sehen, wie sich unsere Entwicklung auf das Publikum auswirkt.
Mit welchen Bands würdet ihr gerne einmal die Bühne teilen?
Steffi: Die Chance, mit Nachtgeschrei zu spielen, hatten wir ja glücklicherweise schon. Da hat sich für mich ein Traum erfüllt. Fiddler’s Green wäre auch noch eine Band, mit der wir gerne spielen würden.
Becci: Auf Schandmaul freue ich mich sehr, da sie aus der Region kommen und schon immer präsent waren. Wir hatten ja schon das große Glück, mit vielen namenhaften Bands auf der Bühne stehen zu dürfen. Tatsächlich freue ich mich aber mehr darauf, mit Bands die Bühne zu teilen, mit denen ich schon zusammen spielen durfte. Neu gewonnene Freunde wieder treffen und mit ihnen Musik machen, die Veranstaltungen genießen. An dieser Stelle liebe Grüße an Vera Lux, Triddana und Fuchsteufelswild – ich bin froh, euch zu kennen.
Steffi: Da hast du absolut recht und ich bin ganz bei dir. Die Menschen, die wir bisher kennen lernen durften, und die vielen positiven Kontakte schaffen auf jeden Fall Vorfreude auf die kommenden Shows.
Was sind eure nächsten Pläne nach der Veröffentlichung von „Ascheregen“?
Steffi: Wir selber planen da gar nicht so viel und lassen das mehr auf uns zukommen. Wir haben ja das Glüc,k dass sich jemand im Hintergrund um die Promokonzerte kümmert, die wir spielen wollen.
Becci: Dann kommt der Stress erst richtig auf uns zu. Es gibt viele Pläne z.B. Videoveröffentlichungen, Konzerte und Online-Arbeit, die vorher noch erledigt werden muss. Und die grafische Arbeit endet NIE.
Steffi: Da sieht man wieder die Arbeitsaufteilung in der Band. Ich kümmer mich um die Musik und ihr um die ganze Orga drum herum *grinst*
Vielen Dank für eure Zeit und Antworten. Zum Abschluss noch ein paar Stichworte für ein freies Assoziieren. Was fällt euch als erstes zu den folgenden Begriffen ein?
#metoo – Steffi: Oh je… Englisch – Konzentration *g*
Becci: Da kann ich auch nur mit #metoo antworten. Aber ich habe das nie an die Öffentlichkeit getragen.
Newcomer – Steffi: Nicht mehr lange!
Becci: ich glaube, zumindest bei uns in der Region haben wir den Newcomer-Status schon abgelegt.
Männliche Groupies – Steffi: Männer mit Bärten!
Becci: Jetzt kann ich nur an Steffi mit Bart denken.
Die letzten Worte gehören euch …
Steffi: Für mich ist das Bandleben gerade die Erfahrung meines Lebens und ich freue mich auf alles, was da noch kommt! Für mich ist die Band meine Familie geworden und egal wie sich alle entwickeln wird – Famiie bleibt immer Famile. Egal wie weit wir mit diesem Projekt kommen, wir haben schon unglaublich viele positive Erinnerungen sammeln dürfen.
Becci: Ich freue mich sehr auf die kommenden Konzerte und bin sehr gespannt wie unser erstes Album Anklang findet. Danke, dass wir bei der Interview-Serie teilnehmen durften.
Alle bisher erschienenen Teile dieses Specials im Überblick:
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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