BOKASSA wurden 2019 „Lars Ulrichs neue Lieblingsband“ und durften sich deshalb im Vorprogramm von Metallica einen breiterem Publikum präsentieren. Die norwegischen Stoner-Rocker veröffentlichen nun ihr drittes Album „Molotov Rocktail“ und beweisen damit, dass sie die prominente Unterstützung gar nicht nötig haben. Sänger und Gitarrist Jørn Kaarstad spricht mit uns über die Entstehung des Albums während Corona, notwendige musikalische Weiterentwicklungen und über das befremdliche Gefühl, in der momentanen Zeit zu leben.
Hallo! Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview mit uns nimmst! Wie geht es dir dieser Tage?
Hey, mir geht’s gut! Ich bin bereit, wieder live zu spielen und kann es nicht mehr erwarten!
Bevor wir zu eurem neuen Album kommen: 2019 wart ihr als Supportband mit Metallica auf ihrer Tour. Wie hat es sich für eine (damals) recht kleine, unbekannte Band angefühlt, auf persönliche Einladung eines Mitglieds einer der unbestreitbar größten Metalbands der Welt mit auf Tour zu gehen?
Es war genau so surreal und fantastisch, wie es sich anhört. Das war eine Erfahrung, die wir in einer Million Jahre nicht für möglich gehalten hätten und die Erinnerungen an diese Tour werden wir für immer wertschätzen.
Ich nehme an, dass die Tour euch einen großen Popularitätsschub gegeben hat. Inwieweit habt ihr davon profitiert, oder hat die Corona-Pandemie, die kurz darauf begann, euch mit den ganzen Beschränkungen wieder ausgebremst?
Durch diese Tour sind tatsächlich viele Leute auf uns aufmerksam geworden, was großartig war. Wir hatten große Pläne für den Festivalsommer 2020, die wir natürlich nie umsetzen konnten. Wir hoffen, dass sich viele Festivals nach 2022 verschieben, wie zum Beispiel Wacken, wo wir hoffentlich noch dabei sein werden. Ich denke, dass jede Band der Welt wegen der Pandemie ausgebremst wurde, wir sitzen alle im selben Boot und niemand kann etwas dagegen machen.
Euer drittes Album „Molotov Rocktail“ ist gerade veröffentlicht worden. Wie fühlt es sich an, eine neue Platte am Start zu haben nach diesen eineinhalb Jahren, die besonders für Künstler schwer waren? Wie zufrieden seid ihr nach einigen Wochen oder Monaten nach der Produktion?
Dass wir „Molotov Rocktail“ jetzt endlich veröffentlichen können, ist für uns eine große Erleichterung. Zu einem gewissen Zeitpunkt hat es nicht so ausgesehen, als würde irgendetwas besser werden, also ist es großartig, dass wir es jetzt veröffentlichen konnten. Mit dem Album sind wir sehr zufrieden und können es als unsere absolut beste Scheibe bezeichnen. Wir konnten das Album jetzt etwa ein Jahr lang hören, da die Aufnahmen schon eine Zeit lang zurückliegen und wir sind es immer noch nicht leid. Das ist ein gutes Zeichen!
Die Produktion fiel noch in die Pandemiezeit. Wie haben sich die Aufnahmen für euch dadurch zu vorherigen unterschieden und haben die Umstände euch eingeschränkt?
Im Studio gab es nicht wirklich Unterschiede, da die Songs bereits vor dem Lockdown fertig geschrieben waren. Ich würde sogar sagen, dadurch, dass wir keine Shows spielen konnten und alles abgesagt wurde, lief der Aufnahmeprozess besser als zuvor, da wir auch keinen Zeitdruck hatten. Wir wussten ja, dass wir sowieso mit der Veröffentlichung warten mussten, es war also eine spaßige Zeit. Die Möglichkeit, ins Studio zu gehen, während alles andere wegen dem Lockdown geschlossen war und wir tatsächlich aufnehmen und Spaß haben konnten, war toll.
Inwiefern haben sich BOKASSA deiner Meinung nach seit dem Debütalbum „Divide & Conquer“ weiterentwickelt und was habt ihr diesmal anders und besser gemacht?
Für mich ist es wichtig, nicht jedes Mal wieder das exakt gleiche Album zu machen und ich bin mir sicher, dass du auf „Molotov Rocktail“ die Entwicklung der Band hören kannst. Wir haben schon ein „Walker Texas Danger“ und ein „Crocsodile Dundee“ gemacht, also sehe ich keinen Grund, warum wir das kopieren sollten, da es das ja schon gibt. Viele machen immer und immer wieder das gleiche Album und für sie funktioniert es auch, aber ich will andere Sachen ausprobieren. Dieses Mal habe ich endlich den Vibraslap, einen Cheerleader-Chor, die Western-Akustikgitarren, das Rock-Piano und noch viele Sachen mehr, von denen ich immer dachte dass sie auf einem Album cool wären, mit eingebaut. Ich denke, dass auch das Songwriting auf „Molotov Rocktail“ sich weiterentwickelt hat und mehr Melodien und interessante Parts enthalten sind.
Tatsächlich waren eure ersten beiden Alben mehr In-Your-Face-Rock, sehr heavy, aggressiv und wild, wohingegen euer neues Album zwar weiter all diese Trademarks hat, aber melodischere, eingängigere und vielfältigere Elemente einführt – der Gesang, die Gitarren, die Blasinstrumente, die weibliche Chöre etc. War das also in der Tat von Anfang an so für das Album geplant und weniger einfach der natürliche Lauf der Dinge beim Entstehungsprozess?
Es ist eine natürliche Entwicklung des Songwritings, würde ich sagen. Wenn du zwei Alben gemacht hast, die sich ziemlich ähnlich sind, willst du etwas anderes ausprobieren. Ich denke schon, dass die Songs im Kern nach wie vor exakt nach BOKASSA klingen, wir aber dennoch schon immer viele verschiedene Genres in unserer Musik vermischt haben. Dieses mal haben wir das einfach noch stärker gemacht und deswegen ist es ein besseres Album geworden.
Zum dritten Mal gibt es ein instrumentales Intro und einen längeren, epischen Track am Ende des Albums. Hat sich das als euer Erfolgsrezept herausgestellt? Wie viel Planung und wie viel Zufall steckt hinter solchen sich wiederholenden Mustern?
Das war schon immer der Plan. Es ist wie eine Trilogie, wenn man so will. Ich stelle mir die Musik immer als komplettes Album vor, mit einem klaren Plan, wie es ablaufen soll. Deswegen haben wir auch das Intro und den epischen, beschließenden Track. Davon abgesehen ist das nun das letzte Mal, dass wir ein Intro und einen langen epischen Track am Ende gemacht machen..
Die Longtracks heißen „The Last Shredi“ auf „Crimson Riders“, jetzt „Too Old For This Sith“ auf „Molotov Rocktail.“ Stehen hinter BOKASSA ein paar Star-Wars-Nerds?
Oh ja! Ich liebe Star Wars und da diese beiden Songs von einem Weltraumpiraten handeln, dachte ich es wäre witzig, eine kleine Hommage an Star Wars in die Titel einzubauen.
Das neue Album hat zwei Songs mehr als die beiden Vorgänger. Habt ihr einfach mehr Lieder geschrieben oder fandet ihr, dass die beiden vorherigen Alben zu kurz ausgefallen sind?
Ich finde, etwa 30 bis 40 Minuten sind die optimale Länge für ein Album. Deswegen dachte ich nie, dass unsere älteren Alben zu kurz gewesen sind. Dieses mal aber hatte ich viele Songs mit ins Studio gebracht. Tatsächlich haben wir 14 Songs aufgenommen, davon haben es elf auf das Album geschafft. Die anderen drei Songs haben wir nicht aus Qualitätsgründen weggelassen, sondern weil wir kein zu langes Album wollten.
„Molotov Rocktail” ist allgemein ein großartiger Titel und passt auch perfekt zu eurem Stil. Wie kamt ihr auf den Titel und wusstest du, dass die kanadische Rock-’n’-Roll-Band The Martyr Index ein gleichnamiges Album hat?
Das wusste ich überhaupt nicht. Wir dachten, wir wären die ersten, die darauf gekommen wären. (lacht) Waren wir anscheinend doch nicht. Ein anderer Arbeitstitel war „Reign Supreme“, das wäre auch ein starker Albumtitel gewesen. Da haben wir aber herausgefunden, dass Dying Fetus schon ein Album mit dem Titel hat.
Eure Texte handeln u. a. von Atheismus oder der Abwesenheit eines Gottes (“Hereticules”, “Godless” …), Drogenmissbrauch und den Folgen („Code Red“) und Ähnlichem. Wie wichtig ist es euch, mit eurer Musik eine Aussage zu transportieren?
Ich schreibe einfach Geschichten oder Geschichten mit einer Hauptfigur. Dabei muss es nicht zwingend eine Moral oder eine Botschaft geben, zumindest keine wie etwa „Du solltest das tun oder du solltest das nicht tun“. Das wäre nämlich predigen, wir schreiben einfach über verschiedene Themen und es liegt an den Hörer*innen, sich ihre eigenen Gedanken darüber zu machen.
Direkt im ersten Track „So Long, Idiots!“ erwähnst du Freddy Krueger sowie den Sänger und den Gitarristen von Limp Bizkit in derselben Strophe. Was haben die beiden gemeinsam und wer sind die „Idioten“?
Die Idioten sind die Menschen. Der Protagonist des Songs fühlt sich gefangen in einem Albtraum mit all diesen Idioten, daher die Referenz auf Freddy Krueger. Ich denke, immer wenn man die Nachrichten einschaltet oder sieht, was in der Welt vor sich geht, kann man kaum anders, als sich zu wünschen, diesen Idioten entwischen zu können. Daher der Titel „So Long, Idiots!“.
Der Song „Careless (In The Age Of Altruism)“ und das dazugehörige Video handeln von einer Person, die mit unserer aktuellen Realität kämpft und sich von ihr entfremdet hat. Was war der Gedanke dahinter, als du diesen Song geschrieben hast, und was frustriert dich an der heutigen Gesellschaft?
Der Song handelt davon, die Schnauze voll zu haben von der Welt und zu versuchen, sich von ihr zu distanzieren und einfach in seiner eigenen Blase zu leben. In gewisser Weise passt der Track damit gut zu “So Long, Idiots!”. Bei allem, was sich momentan in der Welt abspielt, kann man nicht anders, als sich von ihr zu entfremden. Ich glaube, das ist ein Gefühl, das heutzutage viele Leute haben und das ist auch, was der Protagonist in “Careless” fühlt.
Wenn man über euch liest, tauchen die Namen Turbonegro und Gluecifer oft auf – wahrscheinlich nicht zuletzt, weil ihr aus demselben Land kommt. Welche Bands und welche Genres sind jedoch tatsächlich eure größten Einflüsse?
Ja, das ist der Klassiker. Jeder scheint Bands aus dem gleichen Land miteinander zu vergleichen, außer sie kommen auf Großbritannien oder den USA. Wir stehen sowohl auf Gluecifer als auch auf Turbonegro. Unsere Haupteinflüsse aber sind vermutlich alles von Clutch, Monster Magnet und Fu Manchu bis zu NOFX, Alkaline Trio, Lawrence Arms, Bad Religion sowie Cancer Bats und Every Time I Die.
Euer erstes Konzert des Jahres habt ihr im Juni beim Steinkjer Festivalen gespielt, gefolgt vom RaumaRock im August. Wie hat es sich angefühlt, nach der langen Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?
Es war großartig, aber auch ein wenig ungewohnt. Es gab nur Sitzplätze und es gab Tore, um die Leute zu trennen. Es war also etwas seltsam, aber dennoch toll, tatsächlich wieder live zu spielen.
Im September geht ihr wieder auf Tour – wie denkst du darüber? Freust du dich einfach, wieder zu touren oder hast du gemischte Gefühle, da Corona immer noch ein Thema ist und uns noch eine Zeit lang begleiten wird?
Wir können es kaum erwarten, wieder zu touren. Covid wird uns wohl in irgendeiner Form in der Zukunft erhalten bleiben, wir müssen es also irgendwie hinbekommen, dass die Leute weiter auf Konzerte gehen können und dabei sicher sind.
Lass uns das Interview mit einem kurzen Brainstorming beenden. Worum denkst du bei folgenden Begriffen zuerst:
Klima: Sollte man ernst nehmen.
Kyuss: Großartige Riffs.
Pegasus: Super als Albumcover. (lacht)
Weezer – Ratitude: Unterbewertetes Album.
Scotch oder Bourbon: Rauchiger Scotch.
Aktuelles Lieblingsalbum: The Lawrence Arms – Skeleton Coast.
BOKASSA in fünf Jahren: Hoffentlich ohne Corona-Beschränkungen auf Tour!
Danke nochmal für deine Zeit!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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