Interview mit Hansi Kürsch von Blind Guardian

Hochkarätige Alben, Songs voller Energie und Emotion, erinnerungswürdige Auftritte: BLIND GUARDIAN haben sich ihren Legendenstatus im Metal schon lange gesichert. Dass nach dem Best-Of jetzt mit „A Traveller’s Guide To Space And Time“ die (fast gesamte) Discographie als schmucke Sammler-Box folgt, war dann schon fast überfällig. Wir haben Hansi Kürsch, dem Mann hinter dem Mikro, in einem sehr umfassenden Interview auf den Zahn gefühlt, um die Ära BLIND GUARDIAN Revue passieren zu lassen.


Hi und erst mal danke, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Fragen heute zu beantworten. Wie geht’s dir, bzw. euch heute so?
Uns geht’s super, wir haben Weihnachten genutzt um tatsächlich mal zwei Wochen Pause zu machen und sind jetzt schon wieder voll drin. Wir haben zu Beginn des Jahres direkt eine Aufnahmesession in Prag gehabt, mit dem Orchester für das Orchester-Projekt, aber auch für das nächste reguläre Album schon, sind jetzt zur Zeit in Vorproduktion, sprich wir kümmern uns so ein bisschen um neue Kompositionen, arbeiten parallel aber schon die ersten neuen Kompositionen ab und haben schon erste Aufnahmesessions, die auch ganz gut von der Hand gehen. Frederik war kurz vor Weihnachten hier, hat schon ein bisschen Schlagzeug gespielt, kommt jetzt direkt im Anschluss nächste Woche wieder und spielt die ersten zwei regulären Nummern für’s neue Album ein. Dann kommt unser neuer Bassist aus Holland und wird die Sachen auch schon so ein bisschen verfeinern. So arbeiten wir uns durch’s Jahr und dementsprechend gut geht’s uns, also wir können uns nicht beklagen.

Alles klar, also das heißt, ihr sitzt schon an den Arbeiten für das Album, das nach dem Orchester-Album kommt?
Wir werden erst das normale Album veröffentlichen, das macht für uns vom Handling her mehr Sinn, weil wir, wenn man die Situation realistisch betrachtet, auch erst wieder in 2014 irgendwas veröffentlichen können – und dann sind wir schon schnell! Dann liegen zwischen „At The Edge Of Time“, also unserem letzten regulären Album, und dem Album vier Jahre und das ist so das Maximum was wir uns zugestehen, danach wird’s dann einfach zu lang. Die Fans sind doch hungrig auf neues Material und da wollen wir erst mal dann die Vollladung geben, bevor es etwas diffiziler und etwas klassischer wird.


Okay, dann kommen wir mal zu den Fragen zu eurem Boxset, welches ihr ja jetzt rausbringt. Euer Best-Of ist ja vor einigen Monaten erst erschienen, was war der Anlass, eure gesamte Diskographie als Gesamtpakt zu veröffentlichen?
Ja das war eigentlich ein Paket. Die Anfrage kam von unserer Plattenfirma vor, lass mich nicht lügen, es mögen jetzt vier Jahre gewesen sein. Seitdem werden wir gutwissend gejagt und man fragte uns ob man nicht das eine oder andere, oder perfekterweise beide Produkte veröffentlichen könnte. Für uns war’s auch reizvoll weil es so was nicht gab, auf der anderen Seite haben wir immer schon so ein bisschen darauf hingearbeitet so was zu veröffentlichen, zu unserem 25-jährigen Jubiläum. Das ist uns dann perfekt mit dem Best-Of-Album gelungen und war für die Box eigentlich auch so vorgesehen. Die sollte eigentlich im Oktober erscheinen, nur waren die Arbeiten dann wesentlich vielfältiger als ich es vermutet hätte, sodass wir da wieder ein wenig nach hinten gerutscht sind, was die Veröffentlichung anging und so aus dem 25-jährigen minimal rausgerutscht sind. Egal, also für uns war das 25-Jährige der Anlass, ein anderer Anlass, das jetzt zu dem Zeitpunkt zu machen, war auch der, dass wir wussten, von vornherein, sowohl für das eine, als auch für das andere Projekt, würden wir Zeit brauchen und die hatten wir praktisch bloß in den letzten 12 Monaten. Nämlich nach der Finalisierung unserer Tour-Aktivitäten für die „At The Edge Of Time“ war klar, dass wir da so ein bisschen Leerlauf haben würden um solche Sachen zu realisieren. Dass sich die ganze Sache dann zeitlich wieder doch etwas anders entwickelt hat, das sei unserem Perfektionswahn geschuldet.

Alles klar, okay. Euer Gesamtpaket wird ja „Nightfall In Middle-Earth“ als Spezialedition enthalten. Was kann den Hörer dabei erwarten? Und was gibt es darüber hinaus zu entdecken für all diejenigen, die bereits all eure Alben ihr Eigen nennen können?
Naja, für die ist in erster Linie mal entscheidend, ob dieses Produkt unter Umständen nicht, ja, also wenn’s dann halt eben tatsächlich so wie momentan bei Amazon angeboten für 99 Euro erhältlich ist, eine sinnvolle Alternative zu den einzelnen Alben ist, weil die zum einen etwas moderner produziert worden ist, etwas zeitgemäßer. Man darf nicht vergessen, dass die Alben „Batallions Of Fear“ bis „Somewhere Far Beyond“ eigentlich analog produziert worden sind, sprich, mit anderen Worten, die CD-Veröffentlichungen, die es da gab, waren eigentlich von vornherein, ich will nicht sagen zum Scheitern verurteilt, aber haben nie so die hundertprozentige Brillanz gehabt die ne‘ CD eigentlich haben könnte. Das ist jetzt logischerweise ein bisschen anders. Zum andern ist es in einem einheitlichen Gewandt und wird dadurch natürlich noch etwas attraktiver, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden ob es dann tatsächlich ein Kaufargument ist oder nicht. Was ein Kaufargument für den Die-Hard-Fan sein könnte wäre sicherlich die CD „An Extraordinary Tale“, da gibt es diverse Demo-Aufnahmen, die so in CD-Form noch nicht veröffentlicht worden sind. Das wäre glaube ich für den Sammler und für den Die-Hard-BLIND-GUARDIAN-Fan die interessanteste Sache. Danach würde fast schon die Veröffentlichung auf CD des Coburg-Festivals, oder bzw. der „Imaginations Through The Looking Glass“-DVD kommen. Und „Nightfall in Middle-Earth“, das ist eigentlich eher ein Gimmick, den sich vielleicht einige Leute gewünscht haben, so ist es mir zumindest vermittelt worden, die immer schon Probleme mit den Interludes und mit den Zwischenspielen auf diesem Album gehabt haben und die den Fluss der Songs dadurch gestört gesehen haben. Ich hab’s nie nachvollziehen können weil „Nightfall in Middle-Earth“ so wie es damals abgeliefert worden ist für mich perfekt war, aber es gibt die Leute, die eigentlich nur die Songs haben wollten und das wird hier nachgeholt. Du hast praktisch zum ersten Mal die Möglichkeit, diese Songs in einer regulären Form zu hören. Da haben wir, wie sagt man, aus einem Versehen eine Tugend gemacht. Da ist dann ein Song, „Blood Tears“, der dann tatsächlich auch noch eine etwas andere Version enthält. Das war nicht so vorgesehen, ist uns bei der ganzen Aufarbeitung der Mixe dann aber durchgegangen, sodass da ein etwas anderer Vocal-Mix entstand.

Also sprich, die Mittelteile, oder die Interludes, fallen einfach raus?
Die Interludes fallen einfach raus und dadurch hat man andere Übergänge, bzw. gar keine Übergänge. Du hast jetzt normale Abschlüsse der Songs. Das konnte man, wenn ich mich richtig erinnere, auch bei der „Nightfall In Middle-Earth“ nicht beheben, du hattest immer so diese leichten Überschneidungen.

Okay, alles klar, und eure Lucifer’s Heritage-Zeit ist im Box-Set nicht vertreten. Wird wahrscheinlich Plattenfirma-technische Gründe haben?
Das hatte den Grund, dass wir den Value der Best-Of nicht beschädigen wollten. Ansonsten wär’s sicherlich richtig und konsequent gewesen, aber die Leute, die sich nur die Best-Of holen und nicht diese Box, die sollen sich nicht verarscht vorkommen.

Gut, so viel zum Boxset. Kommen wir mal zu den Fragen, die euch, BLIND GUARDIAN, an sich betreffen. Bis 2005 war Thomas Stauch, Thomen, euer Schlagzeuger. Wie schaut denn heute euer Kontakt zu ihm aus?
Wir stehen im Kontakt, wir telefonieren ab und an, eigentlich dürfte Thomen hier denk ich mal in den nächsten Tagen/Wochen vorbeikommen. Das hatten wir eigentlich so abgesprochen, dass wir uns einfach mal treffen. Ansonsten ist es ein kollegiales Verhältnis, aber wir haben jetzt nicht mehr so viel miteinander gemeinsam, dass wir jetzt stets und ständig um die Ecken ziehen. Wir sind in Frieden auseinander gegangen, klar gab’s da Enttäuschungen, wir hätten es gerne gesehen, wenn wir es weiter gemeinsam durchgezogen hätten. Das ging aus diversen Gründen nicht. Und jetzt, die Situation, so wie sie ist: Frederik ist mittlerweile seit sieben Jahren dabei, oder es sind sogar fast acht und für uns hat sich die Sache damit eigentlich auch erledigt. Thomen ist ein Freund und er hat einen wichtigen Anteil, nicht nur an der Entstehungsgeschichte von BLIND GUARDIAN, sondern an unserer kompletten Karriere und ist ein super Drummer. So wie es sich momentan anfühlt, ist er in einer Situation, wo er mit sehr sehr vielen anderen Musikern gemeinsam Sachen auf den Weg bringt, und einige sind sehr erfolgsversprechend.


Du hast ja den Posten als Bassisten damals, nach „Imaginations From The Other Side“, abgetreten, um Dich mehr auf den Gesang konzentrieren zu können. Unabhängig davon, dass das sicher die richtige Entscheidung war, vermisst Du das Instrument nicht manchmal? Der Bassisten-Posten wird ja momentan quasi für dich frei gehalten, habt ihr noch vor, diesen Platz fest zu besetzen?
Ja, also für mich freigehalten würde ich gar nicht mal so sehen. Ich könnte mir rein theoretisch vorstellen, dass wir das aus Nostalgie-Gründen irgendwann vielleicht bei einem Konzert einfach aus Spaß an der Freud‘ so machen, dass ich nochmal den Bass spiele. Dass ich den jetzt ernsthaft spiele, gerade bei den komplexeren Sachen, halte ich für fast ausgeschlossen, weil es dann mit dem Gesang wirklich ewig crashen und kollidieren würde. Der Hauptgrund für uns, keinen Bassisten in der Band zu haben, ist, dass wir den im Songwriting und im Bandgefüge eigentlich nicht gebrauchen können. So gern wie wir andere Musiker haben, wir können das, was da basstechnisch letztendlich für uns im Songwriting wichtig ist, selbst darstellen. Punkt A, spielen Markus und André auch wunderbar Bass, Punkt B könnte ich den Bass auch da anskizzieren. Von daher fühlen wir uns eigentlich in diesem Viererkonstrukt sehr wohl. Das ist eigentlich für uns so der Hauptgrund, da nichts Anderes mehr zu machen. Aber für mich selbst war’s am Anfang schon schwierig auf der Bühne ohne Instrument dazustehen. Jetzt, wenn ich Songwriting betreibe, greife ich eher zur Gitarre oder stell mich ans Keyboard und versuche da irgendwelche Harmonien aufzubauen, die dann meine Gesangsmelodien unterstreichen, als dass ich mir den Bass nehme. Aber ja, auch den Bass spiele ich ab und an, aber vermissen tu ich den nicht, kann man nicht sagen.

Okay. BLIND GUARDIAN an sich ist ja ein ziemliches Phänomen im Metal-Sektor. Ich meine, ihr bekommt überall Höchstwertungen, ihr legt ein ein beständiges Veröffentlichungstempo an den Tag und gebt regelmäßig Konzerte. Was sind denn die Faktoren, die euch von anderen Power-Metal-Bands abheben und wo seht ihr euer Alleinstellungsmerkmal in der Metal-Welt?
Ja, ich glaube das liegt schon daran, dass wir keine klassische Power-Metal-Band sind. Das können Helloween auch von sich sagen, die sind da ähnlich geartet wie wir, da ist das Spektrum schon ein bisschen breiter, daran liegt’s vielleicht ein bisschen. Da gibt’s nicht sehr viele. Da gibt es eine Hand voll Bands, die aus dem Power-Metal-Sektor kommen und trotzdem eben Attribute reinbringen, die nicht nur Power-Metal-untypisch sind, die vielleicht sogar Metal-untypisch sind und vielleicht sind wir da die mit dem größten Spielfeld. Wir haben wirklich von Folklore über 70’s-Rock-Geschichten über orchestrale, monumentale Sachen, bis hin zum klassischen Heavy Metal fast alles drin, wir sind auch teilweise vielleicht ein bisschen thrashiger als die anderen. Und das hängt vielleicht auch ein bisschen mit unserer Entstehungsgeschichte zusammen und war am Anfang ein bisschen stärker als es jetzt ist. Es ist aber nicht komplett weg und das macht uns schon anders. Ansonsten glaube ich, du sagtest gerade, wir spielen relativ regelmäßig – die anderen spielen noch regelmäßiger und überpräsentieren sich ein wenig. Wir schieben da ab und zu einen Riegel vor, wie in diesem Jahr zum Beispiel, wo man uns bei regulären Konzerten und Festivals mit Sicherheit nicht zu sehen bekommen wird. Wenn es ein Promo-Event geben würde, sprich eine Akkustik-Session oder so, dann wäre das sicher eine einmalige Sache die auch glaube ich den normalen Konzertcharakter nicht hätte. Aber ich gehe eher davon aus dass man uns bis im späten Jahr 2014 gar nicht mehr sehen wird. Heißt, wir machen uns ab und zu auch ein bisschen rarer.

Schade, aber nachvollziehbar.
Ja, es gibt uns aber auch die Kraft, weißt du, wenn wir dann wieder losziehen dann ist es tatsächlich so, dass wir 12 bis 18 Monate, nicht auf der Straße leben, aber doch unterwegs sind und alles sehr stark darauf fokussiert ist. Und ich finde das zehrt an den Kräften, wenn man sich dann die Zeit nicht nimmt um wieder Kraft zu sammeln im Songwriting und auch im Privaten, dann führt das irgendwann dazu, dass man ausgelaugt klingt. Und vielleicht ist das auch so ein bisschen das, was andere Bands dann letztendlich erleiden, dadurch dass sie so viel auf der Straße sind. Die können sich nicht mehr so viele Gedanken machen um Songriting und können sich auch nicht mehr so viel Zeit lassen dafür.


Du nanntest vorher schon eure Entstehungsgeschichte. In euerer gesamten Ära, welche Bands haben euch denn da am meisten beeinflusst?
Aus der zweiten Reihe fällt mir da jetzt Fates Warning, Forbidden und Testament ein. Dann sicherlich Iron Maiden, Helloween und Metallica. Queensryche und Queen sind, denk ich auch, offensichtliche und wichtige Einflüsse, vielleicht die beiden Einflüsse, die auch heute noch am stärksten verankert sind. Und dann gibt’s mit Sicherheit eine Armada an Bands, vor allen Dingen wenn man dann die einzelnen Bandmitglieder befragt, die alle dann auch einen leicht unterschiedlichen Geschmack haben.

Und aus dem Nicht-Metal-Sektor, habt ihr da auch Vorlieben?
Die unterscheiden sich wieder, ich glaube, allen gemein ist die Liebe für die 70er. Wir mögen alle Prog-Rock, der eine mag dann eben eher so die „Emerson, Lake And Palmer“-Geschichten und Genesis oder Jethro Tull, der nächste mag Rolling Stones ein bisschen lieber, Frederik hat mit Sicherheit noch einen etwas anderen Background, er ist ja dann doch 10 Jahre, oder noch mehr, jünger als wir. Aber so zieht sich das wie ein roter Faden und es gibt auch keine Tabus mehr. Mittlerweile kann ich mit Frank Sinatra genau so viel anfangen wie mit Slayer und das gilt für die anderen auch.

In eurer gesamten Diskographie, welches Album und welcher Song liegt dir persönlich ganz besonders am Herzen?
Mittlerweile entwickelt sich das ein bisschen so, dass mein Alltime-Fave, der „When Time Stands Still“ gewesen ist, von „Wheel Of Time“ abgelöst wird, weil es für mich eine perfekte Symbiose ist und eigentlich auch so die Musik wie ich mir Musik vorstelle und die ich selbst gerne höre.

Und das trifft dann auch auf das betreffende Album zu?
Da habe ich immer noch „Nightfall In Middle-Earth“ vorne, aber „At The Edge Of Time“ kommt auch sehr nah dran, ja.

Gut, dann gehen wir mal ein bisschen mehr in die Tiefe, was eure Songs betrifft: Auf „Somewhere Far Beyond“ habt ihr „The Quest For Tanelorn“, auf eurem neuesten Album habt ihr wieder „Tanelorn“ als Track benannt. Erzähl mir ein bisschen mehr von ihm.
Tanelorn ist ein Ort, ein Refugium, ein, ich sage mal, pseudo-universell magisches Refugium, das auch jetzt räumlich nicht fixiert ist, sondern im Universum an unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Zeiten und Gegebenheiten gefunden werden kann und hat von daher schon eine magische Ausstrahlung, weil es ein sehr flexibler Ort ist. Auch in der Betrachtung, wie man es in einem Song einsetzt. Bei mir geht’s in beiden Songs um unterschiedliche Charaktere. Ein mal geht’s um einen Diener in „The Quest For Tanelorn“, den Michael Moorckock darstellt, aus dessen Sicht ein Teil der Geschichte dargestellt wird und da geht’s logischerweise immer um den Kampf Gut gegen Böse. Und in der Regel ist es so, dass die Protagonisten Probleme haben diesen seeligen Ort zu erreichen, bzw. da zu bleiben, teilweise wird er denen sogar verwehrt. Und das ist Thema in den beiden Songs, immer ein bisschen unterschiedlich betrachtet. In „The Quest For Tanelorn“ ist es stark darauf bezogen, in „Tanelorn“ auf dem neuen Album geht’s eher um den Protagonisten selbst, dem im Grunde genommen dieser Ort verwehrt bleibt und dessen komplettes Schicksal eigentlich darauf beruht, dass er für Zerstörung und Erneuerung steht.

Ihr habt ja auch den Dunklen Turm, Stephen Kings Ausnahmewerk, öfter textlich verwendet. Was war euer Interesse daran? Und gibt’s denn noch weitere King-Romane, die ihr gerne in Songs verpacken möchtet?
Wir hatten zu Beginn der Karriere unter anderem „Es“ kurz mal dazwischen. Das ist so ein bisschen missglückt, wie vieles auf der „Batallions Of Fear“, das ist in „Guardian Of The Blind“. Da haben wir uns gar nicht so viele Gedanken um die Texte gemacht. Das musste einfach nur schnell gehen und da hat auch niemand Kontrolle gelesen und wir selbst haben nicht so viel Wert drauf gelegt. Wenn man genau durchliest, dann merkt man schon dass es darum geht, auf der anderen Seite hatten wir auch diese Verbindung zu dem Blind Guardian schon gesucht, von daher ist es ein bisschen irreführend. Aber das war schon basierend auf „Es“. Dann hatten wir auf der „Tales From The Twilight World“ unter anderem Tommyknockers zweimal vertreten, mit „Altair 4“ und mit „Tommyknockers“ selbst. Der „Dunkle Turm“ ist dann ja mehrfach von uns benutzt worden. Am Anfang war es einfach diese extreme Begeisterung, eine Geschichte gefunden zu haben, die mich ähnlich gekickt hatte wie „Der Herr der Ringe“ und die auch so ein bisschen die Inspiration gewesen ist, für das Konzept für „Somewhere Far Beyond“ letztendlich, wo sich diese zeitreisenden Barden an einem Ort treffen und da ihre Geschichten zum Besten geben und dann die eine Geschichte mit der anderen so ein bisschen verlinkt ist. Da gab es eigentlich für mich nur das Bedürfnis, Kund zu tun, wie schön ich die Geschichte finde, zum anderen so ein bisschen in die Geschichte einzuführen und die Gefühle zu vermitteln. Also das ist eigentlich immer relativ wichtig bei den Geschichten, die ich selbst erfahre, wenn ich solche Sachen lese und die da ausgelöst werden, wenn mich irgendwas extrem kickt und vor allen Dingen dann natürlich auch weiterführend die Fragen, die sich da in Verbindung mit Geschichten bilden. Zum einen zur Geschichte selbst, aber zum anderen auch die die Intentionen des Autoren betreffen, oder eben meine Intentionen, entstanden durch den Song. Das ist so eine schöne Kombination, die, fand ich, in „Somewhere Far Beyond“ auch ganz gut funktioniert hatte. Dann hab ich es wieder aufgegriffen bei Demons And Wizards, das war dann thematisch sehr eng, das basierte aber auch so ein bisschen darauf, dass ich speziell jetzt bei „The Gunslinger“ fand, dass die Nummer ganz gut gepasst hatte, weil die zum einen sehr bedrohlich klang und sehr düster, auf der anderen Seite aber auch diese bombastischen Elemente hatte, die man in der Story auch ganz gut findet. Bei „Carry The Blessed Home“ war es eben auch so, dass es dieses atmosphärische, heroische, tragische Element der Geschichte war, was ich dann in der Nummer selbst auch musikalisch sehr stark wiedergegeben fand, sodass da diese Verbindung, Verschmelzung sehr gut funktioniert hatte. Da geht’s dann ja um Abschied nehmen und um Loslassen und auch um Selbstopfer und um definitv auch Opferbereitschaft.

„Curse My Name“ hat einen ziemlich sozialkritischen Touch. Was war euer Anstoß einen solchen Song zu schreiben und gibt es noch anderes Liedgut in eurer Diskographie, das den gleichen Anspruch erhebt?
Da gibt’s einige, da müsste man zurück gehen zur „Batallions Of Fear“, um mit „Batallions Of Fear“ anzufangen. Das war auch ähnlich wie bei „Guardian Of The Blind“, so ein bisschen plump in der Ausarbeitung, aber die Aussage: Da ging es damals um den Ost-West-Konflikt, um Abwehrsysteme, um Ronald Reagan, und wie er eben gesehen worden ist, bzw. Amerika generell. Das basiert dann auch so ein bisschen auf den 70ern und 80ern und meiner schulischen Erziehung, dass im Grunde genommen Russland der Klassenfeind war und Amerika der Erlöser, und dass man das nicht hinterfragen durfte. Also die gab es immer schon und man kann dann in die religiösen Texte logischerweise auch solche Geschichten hineininterpretieren, die sind durchaus auch gewollt eingewoben. Ob es jetzt bei „The Edge“ ist auf der „A Twist In The Myth“ oder „Banish From Sanctuary“. Da geht’s ja nicht um irgendwelche Glaubensbekenntnisse oder darum, dass da jetzt eine biblische Geschichte nacherzählt wird, sondern da sind auch ganz klare Romane und politische Statements und auch Statements im Bezug auf die Kirche drin.

Genau wie bei „Another Holy War“ nehme ich an?
Ja, „Another Holy War“ ist allerdings eher eine fiktive Geschichte. Also auf der „Imaginations From The Other Side“ könnte man ein paar Beispiele finden. Irgendwann war’s dann eben ein zeitgemäßer Song, weil der Konflikt mit Al Qaida immer extremer wurde, oder bzw. immer stärker inszeniert wurde, auch von Amerika. Aber es war tatsächlich eher eine fiktive Geschichte die allerdings eben auch diesen Kehrschluss schon drin hatte. Dass Religion immer dazu führen wird, dass es zu Kriegen kommen wird und selbst eine gut gemeinte Botschaft, die religiös aufgefasst wird, eben diesen Effekt erzielen kann, vielleicht sogar erzielen muss. Wir waren bei „Curse My Name“. „Curse My Name“ basiert auf einer Schrift von John Milton. Ein bekannter von mir, der nicht unbedingt auf der liberalen Seite zu finden ist, fragte mich dann, ob das ein Song über Obama wäre, weil er als Amerikaner Obama so verstehen würde. Es geht letztendlich um ungerechtfertigte Legitimation zum Herrschen, bzw. wann diese Legitimation aufgelöst werden sollte, unter welchen Umständen, und welche Mittel dann gerechtfertigt wären. Da ist die Ultima Ratio, in dem Fall eben der Tod am Galgen. Kann man auch dazu stehen wie man will, also es ist sicherlich zu erfragen, ob die Todesstrafe in irgend einer Form gerechtfertigt ist. Aber die Legitimation jedweden Herrscher irgendwann dann doch von seiner Herrscherverpflichtung zu entbinden, sollte gegeben sein. Und ab und zu muss das Volk eben aufstehen. Wir leben in Zeiten wo man sich die Frage ja auch häufiger mal stellt, ob da nicht durchaus mehr schon angebracht wäre. Du hast ja auch gefragt, was uns dazu bewogen hatte. Bei „Curse My Name“ war es tatsächlich so diese, nennen wir es mal, schottisch-rebellische Ader, die in der Musik schon zu erkennen war. Im Arbeitstitel hatte ich dann eben schon den Refrain mit „Curse My Name“ belegt und fand’s halt auch eine passende Aussage. Dann hab ich mich einfach auf die Suche begeben nach einem passenden Thema, um dann irgendwann mit den Wortfetzen, die ich da bei den Demosongs benutzt hatte, zum Schluss zu kommen, dass das eigentlich eine sehr gute Symbiose wäre.

„And Then There Was Silence“, ein sehr langer Track, nimmt mit der Thematik des trojanischen Krieges wohl eine Alleinstellung in eurem bisherigen Schaffen ein. Wie steht ihr zu dem Song und was war die Idee dahinter? Und spielt ihr den auch live?
Ja, wir spielen den live, in einer etwas abgeänderten Version aber das ist unwesentlich. Wir arbeiten auch immer noch an der Nummer, die ist ja dann in etwas anderer Variante auf dem Best-Of-Album. Das hatte ich mir auch ein bisschen einfacher vorgestellt, die ist noch nicht komplett zu den Akten gelegt. Ist ursprünglich ein Song gewesen, der für unser Orchester-Album gedacht gewesen ist. Von daher ist natürlich die komplette Anlage des Songs ein bisschen anders und ist auch eine Nummer, auf die wir alle sehr stolz sind. Ich glaube, dass wir damals lange Zeit mit dem Gedanken gespielt haben, weil es für uns immer ein bisschen ein „Mini-Nightfall-In-Middle-Earth“-Album gewesen ist, den Song auch Tolkien zu widmen. Ich hatte schon erste Konzepte erarbeitet für eine Weiterführung des Silmarillions, habe ich dann aber irgendwann zu den Akten gelegt, weil ich diesen Bruch von „Nightfall In MiddleEarth“ zu „A Night At The Opera“ komplett haben wollte, sprich mit anderen Worten, da war klar, es würde kein Tolkien-Thema auf dem Album geben und auch nichts was an Tolkien angelehnt sein sollte. Und zu dem Zeitpunkt hatte ich aber sehr viel Recherche betrieben, in Bezug auf den Trojanischen Krieg und fand da so die ein oder andere Sache, die eben ähnlich gut ausgearbeitet gewesen ist, wie die Tolkien-Geschichten und man konnte auch da auf diesen Mythos zurückgreifen, deswegen war es für mich ein sehr passendes Thema, auch wenn man es da auch aus meiner Sicht zum ersten mal aufgegriffen hat. Wobei, auf dem Album ist noch ein Song, der direkt dran anschließt an „Under The Ice“, wo es dann um die Vergewaltigung, Ermordung und Verschleppung Kassandras geht. „And Then There Was Silence“ hat sich dann angeboten in Verbindung mit dem Trojanischen Krieg, weil es viele Ereignisse gibt, die unterschiedlich interpretierbar sind. Es gibt in den Handlungssträngen immer sehr schöne Spiegelungen und diese führen dazu, dass du Passagen textlich gesehen aus jeder Perspektive betrachten könntest und die würden einen Bezug herstellen, der auch basierend im Text wiederzufinden ist. Das ist so eine sehr sonderbare Situation, die mich auch sehr gereizt hatte und auf die ich auch nach wie vor sehr stolz bin. Da muss man schon einiges an Recherche reinstecken, um da dann auch hinterzusteigen. Die würden vordergründig einen Sinn ergeben, ergeben hintergründig einen Sinn und sind trotzdem halt immer spiegelbildlich sowohl von der einen, als auch von der anderen Seite zu betrachten und haben dadurch natürlich auch einen anderen Gehalt, weil es natürlich unterschiedliche Perspektiven gibt, einmal die des Opfers und einmal die des Täters. Wenn man da dann auch noch hin und her springen kann, ist es natürlich fast schon eine perfekte Ausgangssituation für so eine Art Mini-Kino.

Du hast Tolkiens Werke vorhin schon aufgegriffen. Zukünftig, habt ihr da vor das Thema noch mal aufzugreifen, jetzt auch wo der Hobbit in die Kinosäle kommt?
Es wäre teilweise reizvoll gewesen, für unser Orchester-Projekt, weil die ersten Sachen damals parallel zur „Nightfall In Middleearth“ erschienen sind und demzufolge natürlich auch den Tolkien-Touch haben. Es wäre auch durchaus vorstellbar gewesen, dass wenn man sich die Gesänge dann wegdenkt, diese Sachen, die wir da komponiert haben, in dem Film benutzt worden wären, dazu ist es ja nicht gekommen. Aber eigentlich haben wir uns jetzt erst mal so verständigt, dass wir da ein wenig eigenständiger arbeiten wollen, gerade im Bezug auf das Orchester-Projekt, wollten ja jetzt auch schon in Kooperation mit Markus Heitz eine eigenständige Story erarbeiten, sodass da nichts passieren wird und in Zukunft: Man soll nie nie sagen, aber ich denke eh, dass nach „Nightfall In Middleearth“ dann die Texte etwas abstrakter geworden sind und das behalten wir auch bei, das heißt es kann durchaus sein, dass wir Themen noch mal aufgreifen, aber die werden dann noch abstrakter behandelt.

Okay, alles klar. Hast du noch ein paar abschließende Worte für unsere Leser?
Schönes frohes neues Jahr, viel Spaß beim Hören von unserem „A Traveller’s Guide To Space And Time“ und ansonsten, wir sehen uns 2014. Bis dahin, viel Spaß!

Dann danke ich dir für die Zeit, es war mir eine Ehre!

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