Immer wieder kreuzt man den Weg von Bands, die ohne besonderen Grund einen besonderen Eindruck hinterlassen. BITE THE BULLET sind eine solche Band und deshalb nutzten wir bereits im letzten Jahr die Gelegenheit zu einem Interview mit Christian, Paw und Thomas. Gemeinsam mit den drei dänischen Musikern sprachen wir über die Geschichte der Band, den Antrieb Musik zu machen und die Schwierigkeit mit den Lieblingskünstlern.
Vielleicht können wir das Interview mit einer kurzen Biografie der Band beginnen?
Thomas: Ja, das wäre sicherlich das Einfachste, jedoch sollte dann nicht ich reden, wenn es kurz werden soll. Die anderen Beiden sind die Erwachsenen. (alle lachen)
Christian: Die Kurzfassung ist, dass ich und Paw schon lange in verschiedenen Bands zusammengespielt haben und wir irgendwann beschlossen, unsere eigene Band zu gründen und alles so zu machen, wie wir es wollen. Da wir beide nicht die größten Sänger sind, hatten wir eigentlich die Idee mit verschiedenen Sängern zu arbeiten, aber irgendwann trafen wir dann auf Thomas als er mit seiner damaligen Band spielte. Er wollte eigentlich nie für uns singen, aber wir brachten ihn irgendwie dazu einen Song für uns einzusingen. Nach und nach sang er dann auch die anderen Titel und am Ende haben wir ihn sozusagen einfach gestohlen.
Thomas: Meine damalige Band gibt es mittlerweile auch gar nicht mehr.
Dann war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Was seht ihr als Essenz des Fuzzrock, wie ihr ihn spielt?
Thomas: Der entscheidende Punkt ist: Wenn es für uns nicht groovt, dann groovt es für niemanden und wenn wir selbst nicht tanzen und uns bis aufs Letzte verausgaben wollen, dann macht es keinen Sinn. Für uns ist Fuzzrock pur und in gewisser Weise unkontrollierbar.
Christian: Man könnte einfach sagen, es ist Fuzzy Rock ’n’ Roll. Es ist diese besondere Energie und das spezielle Gefühl. Letztendlich ist es auch einfach nur Rock ’n’ Roll. Der Begriff fasst für uns eben all das zusammen.
Paw: Es ist immer schwer zu beschreiben, was man spielt und wie man klingt. Fuzzrock klingt da einfach richtig.
Dänemark kann ja mit einer beachtlichen Bandbreite an großartigen Rockbands aufwarten und außerdem gibt es eine lebendige Blues- und Jazz-Szene. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang, weil viele Leute mit Blues und Jazz aufwachsen und später dann zur Rockmusik wechseln?
Christian: Wir haben eigentlich schon immer Rockmusik gespielt.
Paw: Ja, wir haben tatsächlich schon immer Rockmusik gespielt, aber die Dänen an sich sind weniger an Rockmusik interessiert. Die meisten Menschen interessieren sich eher für Pop, Hip Hop und elektronische Musik. Die Rockszene in Dänemark ist tatsächlich überraschend klein.
Thomas: Es hängt vielleicht auch ein wenig mit dem Verhältnis zu den Eltern zusammen. Die ältere Generation ist tatsächlich etwas mehr im Blues und Jazz verwurzelt. In unserem Haus lief immer Musik, egal ob beim Essen oder ob wir einfach nur geredet haben. Es war aber immer Musik die von Herzen kam.
Paw: Die Radiosender in Dänemark spielen einfach keine Rockmusik. Sie würden deine Musik nur spielen, wenn du bekannt und groß genug bist.
Thomas: Sie spielen dann so Sachen wie Kings Of Leon und die sind ein wenig…
Christian: …cheesy. (alle lachen)
Thomas: „You’re shit is on fire.“ (singt)
Spielt ihr alle mehrere Instrumente? In den Videos wirkt es so.
Paw: Das ist eine lange Geschichte… (alle lachen)
…aber ich kann sie abkürzen. Ich kann sowohl Schlagzeug als auch Bass und Gitarre spielen. Christian kann Gitarre und Bass spielen und Thomas singt. BITE THE BULLET, das sind nur wir drei, aber wir spielen gern als komplette Band auf der Bühne und deswegen haben wir diesen hübschen Mann hier mit. Er hat seine eigene Band, namens Paper Tigers. Wenn er aber nicht spielen kann, dann müssen wir improvisieren und machen lustige Dinge. Ich spiele dann Schlagzeug und Christian übernimmt die Gitarre.
Christian: Wenn wir Alben aufnehmen, dann spielen Paw und ich alle Instrumente. Paw übernimmt meist das Schlagzeug und die Gitarren und ich übernehme Bass, Gitarre, ein wenig Gesang und Keyboard. Thomas singt und spielt die Percussions.
Thomas: Ich versuche es.
Christian: Obwohl wir unsere festen Instrumente haben, versuchen wir uns doch von Zeit zu Zeit ein wenig abzuwechseln, wenn wir keine Livemusiker mitnehmen können.
Ihr habt vor einiger Zeit euer Album „Wheels“ veröffentlicht. Wie waren denn die Reaktionen in Dänemark und dem Rest von Europa?
Thomas: Ziemlich gut. Wir haben eine Menge positives Feedback speziell von deutschen und niederländischen Magazinen bekommen.
Christian: Auch aus Österreich kam eine Menge Feedback. Deutschland war für uns aber schon immer ein gutes Pflaster.
Könnt ihr ein bißchen was über die Texte auf „Wheels“ erzählen?
Thomas: Ganz allgemein geht es darum, einen Sinn aus bestimmten Dingen zu ziehen. Manchmal gelingt einem das und manchmal eben nicht. Unser Ziel war es, ein positives Album zu machen und nicht nur über Themen zu schreiben, die wir nicht mögen sondern über Sachen die wir mögen. Der Titel des Albums und das Titelstück beschreiben zum Beispiel, dass wir alle Räder sind. Manchmal bewegen wir uns und manchmal werden wir bewegt. Es beschreibt einfach einen Kreislauf.
Christian: Im täglichen Leben ist man ein Teil eines großen ineinandergreifenden Räderwerks und ein Teil des Albums beschreibt den Versuch, aus diesem Räderwerk auszubrechen und voran
zu gehen.
Eure erste Scheibe ist bereits ausverkauft, stimmt das?
Paw: Ja, aber als wir auf Facebook gepostet haben, dass das Album ausverkauft sei, kam unsere Plattenfirma um die Ecke und meinte, „Psst. Wir haben da noch ein paar Exemplare über.“ Keine Ahnung, ob es immer noch Exemplare gibt oder ob die jetzt auch vergriffen sind.
Wird es einen Re-Release der ersten Scheibe geben?
Paw: Ja, natürlich würden wir die Scheibe gern nochmals veröffentlichen, wenn wir das Geld dazu finden.
Dann wartet mit dem Re-Release und lasst das Ding erstmal richtig teuer werden. (lacht)
Christian: Ich habe dann natürlich zufällig noch einen Arsch voll Kopien, die ich dann verkaufen werde. (lacht)
Euer Sound speist sich ja aus Unmengen von Einflüssen aus allen Arten der Rockmusik und scheinbar auch aus allen Phasen dieser. Wer schreibt bei euch die Songs?
Thomas: Das ist immer unterschiedlich. Es kann sein, dass Christian eine Idee zu einer Bassline hat und dann Ideen für das Schlagzeug und Gesang dazu kommen. Für uns ist es wichtig gemeinsam daran zu arbeiten anstatt das jemand allein sagt, mach dies und jenes. Das mag für andere Bands funktionieren, aber nicht für uns.
Paw: Es kann tatsächlich jeder mit einer Idee kommen, aber wir arbeiten dann gemeinsam daran.
Was sagt ihr zu Leuten, die dann ankommen und sagen, „Den Scheiß habe ich doch schon tausend Mal gehört.“?
Thomas: Klar, es gibt tausende von Liebesliedern oder Lieder über Hass, aber der springende Punkt ist doch, dass dich die Musik dazu bringt etwas zu fühlen oder darauf zu reagieren. Wenn du nicht darauf anspringst und nicht auf Musik reagieren willst, dann ist das vollkommen in Ordnung. Es ist deine eigene gefühlsmäßige Beerdigung.
Paw: Worum es bei der Musik geht, sind doch die Gefühle und die Energie, die darin steckt und nicht, ob es den Sound schon gibt.
Christian: Sicherlich sind wir mit unserem Sound nicht einzigartig, aber das ist nebensächlich. Wichtig ist, dass wir etwas transportieren und dies bei den Liveshows rüberbringen.
Tatsächlich halte ich das für den wichigsten Punkt überhaupt. Musik soll Menschen berühren.
Paw: Genau. Das ist es was wir machen. Wir sind kein „Fake“ und versuchen nicht den Leuten etwas vorzumachen, wenn wir auf der Bühne sind.
Christian: Wir versuchen es gar nicht erst, sondern da ist ja etwas in uns, dass wir rauslassen wollen. Wir lassen die Shows einfach laufen.
Thomas: Das macht es auch so interessant, da wir niemals zwei gleiche Konzerte spielen. Paw und ich waren zum Beispiel allein mit den Jungs von Baby Woodrose unterwegs. Wir hatten den Bass und das Schlagzeug nur auf einem alten Tape-Recorder dabei, somit waren diese beiden Bestandteile starr. Wir haben dann einfach um sie herum improvisiert. Hätten wir das nicht gemacht hätten, dann hätten wir keinen Spaß gehabt, weil es einfach immer die gleichen Wiederholungen gewesen wären.
Paw: Die Zuschauer hätten gemerkt, dass es nicht ehrlich ist und hätten uns den „Spaß“ nicht abgekauft.
Thomas: Ich kann ja auch auf viele Arten „ich liebe dich“ sagen. Aber wenn ich mir das einfach nur aus dem Arsch ziehe, dann merken die Menschen, vielleicht oder besser hoffentlich, dass es einfach nur Bullshit ist.
Ihr habt auf einer der letzten Touren den Song „Every Boy Has A Broken Soul“ zusammen mit Go Go Berlin gespielt. Wäre es eine Idee, den Song beim Re-Release der ersten Scheibe zusammen mit ihnen aufzunehmen?
Paw: Wir haben tatsächlich kurz darüber gesprochen und wir müssen sehen was die Zeit bringt, aber die Idee ist gut.
Ihr seid ja sehr viel auf Tour gewesen. Wird sich das Tourleben jetzt fortsetzen oder gibt es bereits Ideen für neue Songs und ein Album?
Paw: Wir werden natürlich weiter Konzerte spielen, aber wir arbeiten auch an neuen Songs.
Thomas: Es ist tatsächlich interessant, da wir so viel Zeit miteinander verbringen und gezwungen sind, diese Zeit gemeinsam zu nutzen, haben wir in den letzten zwei Wochen bereits zwei neue Songs geschrieben. Wir haben einfach ein wenig gejammt und die Ideen mit einem kleinen Mikro und einem Computer aufgenommen. Diese Herangehensweise ist auch für uns etwas relativ Neues.
Gibt es denn schon Pläne, ins Studio zu gehen und die Songs aufzunehmen?
Paw: Geplant ist tatsächlich nichts so richtig. Wir haben uns lediglich vorgenommen, etwas Neues zu machen und zu schauen wie es sich entwickelt. Direkte Pläne gibt es aber nicht.
Christian: Trotz allem ist es aber an der Zeit für neue Songs, weil es sich einfach danach anfühlt. Man kann jedoch kein Album aufnehmen, wenn man unterwegs ist.
Thomas: Wir wollen uns ja auch gegenseitig pushen und herausfordern und nicht einfach das gleiche Album nochmals aufnehmen.
Christian: Das war auch einer der Grundsätze als wir diese Band gegründet haben. Wir wollen uns nicht durch Grenzen limitieren lassen.
Lasst uns noch ein wenig über Musik im Allgemeinen reden. Gibt es bestimmte Bands, die ihr im Moment empfehlen würdet?
Paw: Die Jungs von Paper Tigers bringen im Februar oder März 2016 ihr neues Album in Deutschland raus und sind außerdem eine sehr geile Live-Band.
Christian: Jet Black sind auch sehr geil. Im Grunde ist es ein Duo, dass fetten Fuzzrock spielt. Die Jungs haben ihre eigenen Pedals entwickelt und außerdem drucken sie unsere Shirts. (lacht)
Paw: Der Schlagzeuger fährt uns öfter zu unseren Gigs.
Thomas: Es gibt aber noch eine Menge weiterer junger und talentierter Bands in Dänemark.
Wie sieht es mit den Alltime-Faves aus?
Thomas: Oh, das ist eine schwierige Frage.
Christian: Das Schlimmste an Gesprächen über Musik ist, wenn dich jemand nach deinen Alltime-Faves fragt.
Genau, deshalb habe ich die Frage ja gestellt. (lacht)
Christian: Ich hasse dich dafür. (lacht)
Thomas: Okay, Talk Talk „Spirit Of Eden“ gehört zu meinen absoluten Alltime-Faves, weil ich immer wieder auf dieses Album zurückkomme.
Christian: Ich kann mir da echt kein Album vorstellen. Es ist einfach zu schwierig, sich auf ein Album festzulegen. Es gibt sicherlich immer Künstler wie Led Zeppelin, The Who usw., die man nennen kann, aber es gibt auch viel modernes Zeug, dass mich inspiriert.
Ehrlich gesagt, kam mir die Frage in den Sinn als ich meine Alltime Classics durchgeschaut habe und feststellte, dass einige Bands in der Liste fehlen.
Christian: Es ist ja auch wirklich eine schwere Frage. Du wirst immer die alten Helden haben, auf die du dich berufen kannst, aber genauso werden auch immer neue Bands und Künstler auftauchen, die die Liste erweitern und dich irgendwie beeinflussen.
Paw: Ich habe noch was. Neil Young „Le Noise“, denn obwohl er schon ein alter Mann ist, bietet „Le Noise“ wirklich einen neuen Sound.
Thomas: Was ich an Neil Young liebe, ist die Energie, auch wenn ein Album nicht so geworden ist wie erwartet. Ihm ist es egal was die Leute denken, denn er hat die Alben so gemacht, wie er sie haben wollte. Wer die neuen Alben nicht hören will, der soll halt die alten Sachen hören.
Christian: Er nimmt eben das auf, was ihm im Kopf umhergeht.
Thomas: Er ist ein ähnlicher Typ wie Bob Dylan, denn der hat sich auch gesagt, ihr wollt ein Folk-Album, dann mache ich jetzt Rock’n’Roll und wenn die Leute ein Rock-Album erwartet haben, hat er Folk gemacht. Das ist überaus inspirierend, weil es lebendig ist und all dem einen Sinn gibt. Man wird sich genau deshalb an ihn erinnern und nicht deshalb, weil er getan hat, was man von ihm erwartete.
Paw: Wenn wir eine aktuelle Band nennen müssten, dann wären das übrigens Tame Impala.
Thomas: Stimmt, aber auch Beach House sind genial. Wie gesagt, es gibt Unmengen guter Bands da draußen, die für die gute Sache kämpfen und das liebe ich.
Wir müssen heute ja auch nicht alle Bands aufzählen, deshalb kommt jetzt die letzte Frage. Folgt ihr auch Crowdfunding-Projekten von neuen Bands? Könntet ihr euch eine solche Kampagne auch für BITE THE BULLET vorstellen?
Paw: Wir haben tatsächlich noch nie ernsthaft darüber gesprochen, aber mir gefällt die Idee des Crowdfunding im Allgemeinen, denn es funktioniert direkt zwischen den Fans und den Künstlern, ohne Plattenfirmen, und das ist natürlich eine coole Sache.
Christian: Paw und ich haben auf den Alben einiger Musiker mitgewirkt, die ihre Alben so finanziert haben. Das Gute daran ist natürlich, dass du eine bestimmte Anzahl an CDs direkt verkauft hast, weil die Leute ja genau dafür gespendet haben. Außerdem kann der Künstler machen was er will und wird nicht limitiert.
Thomas: Das schöne für dich als Hörer ist ja auch, dass du das Album nicht einfach nur kaufst, sondern du machst es in gewisser Weise möglich und bist somit ein Teil davon. Wir haben jetzt zwei Alben ohne Crowdfunding gemacht, aber vielleicht ziehen wir diese Möglichkeit irgendwann in Betracht. Wie wir das nächste Album finanzieren wissen wir halt nicht, aber wir wollen definitiv weiter Alben machen und vor allem wollen wir die nächste Scheibe allein produzieren.
Gibt es in Dänemark denn bereits eigene Plattformen für Musiker?
Christian: Ja, es gibt eine Seite namens Boomerang.
Okay, vielen Dank für das ausführliche Interview und die letzten Worte gehören euch.
Thomas: Oh Shit. (lacht) Wir lieben einfach was wir machen und wir glauben daran. Für das woran wir glauben, geben wir alles bis auf den letzten Tropfen Schweiß und diese Liebe ist das Größte am Rock ’n’ Roll.