Interview mit Toschie von Audrey Horne

Seit nunmehr zehn Jahren erspielen sich AUDREY HORNE in mitreißenden Liveshows kontinuierlich neue Fans. In Napalm Records hat man für das neue Release „Youngblood“ starke Unterstützung gefunden, das Album selbst zeigt die Band musikalisch in Bestform. Da lag es natürlich nahe, Sänger Toschie zum Gespräch zu bitten und dabei unter anderem zu erfahren, wie der Frontmann zu Social Media, Boris Becker und Justin Bieber steht.

Hi Toschie! Danke dir für das Interview. Wie geht’s?
Mir geht’s gut, danke. Unser neues Album ist draußen und wurde wirklich gut aufgenommen, deshalb bin ich zur Zeit ziemlich gut aufgelegt.

Wenn du die Menge an Promoarbeit für „Youngblood“ mit dem für „Audrey Horne“ vergleichst, gibt es da merkliche Unterschiede?
Es ist definitiv viel mehr geworden. Und ich schätze, der wichtigste Grund dafür ist unser Wechsel von Indie Recordings zu Napalm Records. Ich will wirklich nicht schlecht über Indie reden, aber Napalm scheinen mir auf diesem Feld ein bisschen aggressiver vorzugehen. Hoffentlich liegt es zu einem Teil auch an der vielen Arbeit, die wir über die Jahre in die Band gesteckt haben.

Inwiefern ist dementsprechend vielleicht auch das generelle Feedback anders als zu „Audrey Horne“? Denkst du, dass jeder, der den Vorgänger gut fand, auch mit „Youngblood“ klarkommen wird?
„Audrey Horne“ hat eine Menge großartiges Feedback bekommen, und wir haben mit diesem Album eine Menge neuer Fans gewonnen. Wie es aussieht, läuft es mit „Youngblood“ noch einmal besser. Wir sind in vielen Magazinen das Album des Monats und einige Reviews sind fast schon zu schön um wahr zu sein. Ich glaub, dass die meisten Hörer, die „Audrey Horne“ mochten, mit der Weiterentwicklung glücklich sein werden, aber einige Liebhaber des Debüt-Albums wird sie vielleicht auch abschrecken. Ich weiß es nicht. Hoffentlich können auch die sich da noch hereinhören. Ich weiß nur, dass ich sehr zufrieden mit dem Album bin und dass wir mit der Art, wie wir als Band aktuell zusammenspielen, auf einem echten Höhepunkt angekommen sind.

Die Phrase, mit der „Youngblood“ beworben wird, ist „Wir wollen ein noch besseres Classic-Rock-Album machen.“ – Hat das geklappt? Wenn jemand, der euch noch nie gehört hat, fragen würde, mit welchem Album er starten solle, ist „Youngblood“ dann definitiv die bessere Wahl als „Audrey Horne“?
Nein, ich würde sogar sagen, dass man eher mit „Audrey Horne“ anfangen sollte, weil von da zu „Youngblood“ eine natürlich Weiterentwicklung stattfand. Zudem ist es meiner Meinung nach auch ein verdammt gutes Album. Aber ich glaub trotzdem, dass wir diesmal ein noch besseres Album gemacht haben, es ist zwar wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht leichter verdaulich, aber die Songstrukturen sind besser und es hat VIEL mehr Energie. Was Classic Rock und ähnliche Genres angeht, ist „Youngblood“ besser.

Wann habt ihr angefangen, die Songs für dieses Album zu schreiben? Wie funktioniert Songwriting bei AUDREY HORNE generell? Erarbeitet ihr Songs generell im Proberaum oder nutzt ihr auch die Möglichkeiten, die moderne Technologien bieten? Inwiefern hat sich da seit „No Hay Banda“ etwas geändert?
Wir haben etwa ein Jahr, bevor wir ins Studio gegangen sind, damit angefangen, das Material zu schreiben. Um ehrlich zu sein, haben wir unsere Musik eigentlich immer mit moderner Technik geschrieben, Thomas oder Ice Dale schreiben sie und nehmen sie zuhause mit programmiertem Schlagzeug und sowas auf, um es dann zu mir zu senden, damit ich Melodien und Texte schreiben kann. Aber diesmal haben wir uns entschieden, geschlossen in den Proberaum zu gehen und da alles als Band zu schreiben. Wir haben das gemacht, um ein energetischeres Album zu bekommen und damit die einzelnen Mitglieder größeren Anteil an den Songs haben. Insofern hat sich der Ansatz sicher enorm geändert seit „No Hay Banda“, sowohl was das Songwriting als auch was den Sound betrifft. Wir haben uns langsam zur Art und Weise vorgearbeitet, auf die Platten in der guten alten Zeit aufgenommen wurden. Es fühlt sich organischer an, es steckt mehr Herzblut drin.

Was ist das wichtigste Ziel für euch, wenn ihr im Studio aufnehmt? Seid ihr Perfektionisten oder ist es am wichtigsten, dass das Resultat knallt, gleich, ob jede Note zu 100 % sitzt?
Wie gesagt, früher haben wir alles bis zur Perfektion aufpoliert und hatten dann so viele Overdubs, dass wir den Überblick verloren haben. Heutzutage versuchen wir, so gut es geht live aufzunehmen, um die Energie zu erhalten, und wenn es da kleine Fuck-Ups gibt, nehmen wir auch die. Solange sie nicht zu offensichtlich sind. Wir haben auf diesem Album einige Sachen richtig verkackt, aber ich schätze, außer uns hört das keiner.

Hast du so etwas wie ein Riff- oder Melodie-Archiv, aus dem du alte Songfragmente beziehen kannst, um deine Songs zu komplettieren? Oder gibt es für ein Album nur komplett neues Material?
Wir heben die nicht verwendeten Ideen und Songs immer für spätere Nutzung auf, aber wir nutzen sie nie, haha. Wir schreiben immer neue Songs für ein neues Album. Die einzige Ausnahme, die mir einfällt, ist „Down Like Suicide“ vom „Audrey Horne“-Album. Dieser Song wurde ursprünglich für das „Le Fol“-Album geschrieben. Das Archiv ist inzwischen riesig. Wir verkaufen die Songs an Justin Bieber, falls er demnächst Metal macht.

Inwiefern handeln die „Youngblood“-Texte von anderen Dingen als die von „Audrey Horne“? Kannst du zusammenfassen, worum es in den Songs geht und auch, was der Albumtitel bedeutet?
Die Themen auf diesen Alben sind sich ziemlich ähnlich. Sie handeln vom Dasein als Mensch und alle Gefühle, Kämpfe und Entscheidungen, die damit zusammenhängen, sowohl wenn man alleine ist als auch in Beziehungen. Ich erzähle in meinen Texten keine Geschichten, es sind eher Bilder, die zu den Songs und ihrer Atmosphäre passen sollen. Oft sind maritime Elemente dabei, ich habe keine Ahnung, warum, ich mag es einfach, diese Bilder aus diesem Bereich zu verwenden, Schiffe, Matrosen, Leben und Tod auf See… Der Songtitel passte dann auch für die ganze Platte. Wir haben ein sehr energetisches Album mit vielen Einflüssen aus unserer Jugend geschrieben, da passte „Youngblood“ dann gut. Außerdem klingt es einfach gut als Albumtitel. Wie schon Tom Araya von Slayer sagte, als er gefragt wurde, ob er wirklich hinter dem Statement „God Hates Us All!“ steht. Er darauf: „Nein, aber der Satz klingt einfach verdammt gut.“

Inwiefern passt auch das Artwork zum Titel? Hat es überhaupt tiefergehende Bedeutung oder ist das hier doch eher ein Scherz?
Natürlich soll das witzig sein, aber es geht auch um die Einigkeit innerhalb der Band. Es mag eine Menge Reibungspotenzial zwischen uns geben, was einer der Gründe ist, warum wir gute Musik zusammen schreiben, aber wenn es ernst wird, sind wir eine starke Einheit. Etwas abgegriffen: Wir stehen allein gegen die Welt. Außerdem geht es um den neuen Energie-Level, den die Musik auf diesem Album innehat. Ich habe ein Artwork gemacht, das all dies ausdrücken soll.

Das Album erschien, wie du schon sagtest, über Napalm Records. Hattet ihr von Anfang an Napalm als Label im Sinn und seid ihr mit deren Arbeit soweit zufrieden? Waren Indie Recordings nicht an einem weiteren Album interessiert?
Wir hatten mehrere Möglichkeiten, aus welchen wir wählen konnten, Indie waren auch dabei. Aber wir haben uns für Napalm entschieden, weil sie, wie es scheint, dabei sind, ihren Roster mehr auf Hard Rock auszurichten, und sie machen wirklich gute Promo. Außerdem mögen sie uns als Band und haben uns das beste Angebot von allen gemacht. Bisher sind wir sehr glücklich damit, wie wir ja vorher schon hatten: Es fällt echt eine Menge Promo-Arbeit an.

Im März geht ihr mit Long Distance Calling und Sólstafir auf Tour. Was hältst du von den anderen Bands in diesem Package und was erwartest du dir von der Tour?
Das sind beides sehr gute Bands und zusammen bieten wir ein abwechslungsreiches Package, was hoffentlich in einer interessanten Erfahrung fürs Publikum resultiert. Von uns wird es jedenfalls eine waschechte In-Your-Face-Rockshow geben.

Ihr teilt euch den Slot mit Sahg, ihr macht die eine Hälfte der Tour, sie die andere. Wie kam es dazu und glaubst du, es ergibt Sinn, zwei verschiedene Touren auf einem Flyer bzw. Plakat zu bewerben? Wenn man den Stern mit dem Kreis verwechselt, landet man am Ende auf einer Show mit der falschen Band.
Ja, das wissen wir, aber das war das beste, was wir aus der Situation herausholen konnten, weil Ice Dale bereits für eine Enslaved-Tour zu der Zeit gebucht ist. Das ist nicht optimal, aber wir machen das wieder gut. Ob es Sinn ergibt? Wahrscheinlich nicht. Aber so ist es nunmal.

Auf der Tour bespielt jede Band ein anderes Genre. Glaubst du, dass das besser ist als musikalisch homogene Touren? Ist es generell besser, das Publikum erst überzeugen zu müssen oder macht es einfach mehr Spaß, wenn man von Anfang an weiß, dass man ein Heimspiel hat?
Ich glaube, so ist es schon eine gute Sache. Drei Bands, die alle mehr oder minder gleich klingen, sind für eine Nacht wohl ein bisschen zu viel des Guten. Und es ist immer toll, bei einer Show ein Publikum für sich zu gewinnen. Wir haben schon so oft auf Konzerten gespielten, wo jemand anderes der Star war, aber am Ende hatten wir viele neue Fans. Das Geheimnis ist, immer so aufzutreten, als wärst du der Headliner. Und wenn du dann wirklich Headliner bist, dann ist es auch toll, auf die Bühne zu kommen und auch entsprechend empfangen zu werden. Ich glaube, wir kommen mit beiden Situationen ganz gut klar.

Ein wichtiger Aspekt eurer Live-Shows ist es, engen Kontakt zu den Fans zu halten, da spielt ja auch gerne mal die halbe Band im Publikum. Denkst du, so etwas ist wichtig in Zeiten, in denen die Touren und Hallen immer größer und damit die Beziehung vom Einzelnen zum Musiker immer geringer wird?
Für uns ist es sehr wichtig, mit dem Publikum zu interagieren. Ich glaube nicht daran, dass es gut ist, auf die Bühne zu gehen und sich wie ein großer Star aufzuführen, was soll der Scheiß? Wenn du als Fan heimgehst und das Gefühl hast, eine richtig besondere Show gesehen zu haben, dann ist das ein viel besseres Gefühl. Für uns als Band ist dieses Gefühl auch cooler – beide Seiten gewinnen.

Diese Idee scheint auch im Video zu „Redemption Blues“ aufgegriffen zu werden. Geht es tatsächlich darum oder steht etwas Größeres hinter der Sache?
Ja, das trifft es eigentlich schon ganz gut. Wir sind keine Party-Band wie Steel Panther, aber wir finden, dass sich eine Live-Show wie eine einzige große Party anfühlen sollte, dass man seine Alltags-Sorgen vergessen kann und einfach Musik und Freundschaft feiern kann.

Wenn du also Clubshow mit Festivalshow vergleichst, ist dann das eine bessere als das andere?
Wir mögen beides. Clubshows sind insofern cooler, als du näher an das Publikum herankommst und alles viel intensiver ist. Festivals sind aber auch gut, weil das Publikum normalerweise größer ist und man dementsprechend mehr Leute erreicht. Und natürlich können wir da mit befreundeten Bands abhängen oder neue Freundschaften schließen. Also würde ich sagen: Ja, beide, dankeschön!

Ihr habt inzwischen wieder eine schön gestaltete Homepage. Denkt ihr, dass eine traditionelle Band-Seite im Zeitalter von Social Media noch große Funktion hat?
Ich finde, dass es schon wichtig ist, eine normale Homepage zusätzlich zu Facebook und Twitter etc. zu haben. Aber sicherlich ist Facebook inzwischen das wichtigste Medium. Es ist einfach die Plattform, die die Leute am meisten verwenden. Wir halten alle unsere Seiten selbst aktuell und wir glauben, dass das auch wichtig ist, um so eng mit den Fans in Kontakt zu bleiben wie möglich. Das Gute an Social Media ist ja, dass man auf persönlicher Ebene mit den Fans kommunizieren kann, oder eben zumindest fast. Man kann uns Fragen direkt stellen und wir können ankündigen, was immer wir wollen und wann immer wir wollen, sei es nun eine Show, eine Rezension oder nur ein witziges Bild.

Wenn ihr sowieso alle eure Fans innerhalb von Sekunden erreichen könnt, welchen Sinn hat dann überhaupt noch das traditionelle Review?
Es ist nach wie vor eine professionelle Ansicht zu einem Album, das wir gemacht haben, deshalb lesen wir sie auch immer. Wir wissen auch, dass Reviews von vielen Leuten als Richtlinie genommen werden um herauszufinden, wo sie überhaupt hereinhören sollen.

Was ist die Bilanz von einem Jahrzehnt mit AUDREY HORNE? Seid ihr zufrieden mit dem, was ihr erreicht habt und seid ihr immer noch so sehr dabei wie bei „No Hay Banda“? Geht es noch einmal zehn oder elf Jahre?
Wir hatten eine großartige Zeit zusammen und sind hungrig wie eh und je, aber heutzutage vielleicht etwas bodenständiger und realistischer. Wir wissen, was wir wollen und was wir wert sind. Ich glaube, wir machen das so lange, wie wir relevant bleiben. Ich bete zu Gott, dass wir es schnallen, wenn wir es nicht mehr sind. Es ist immer traurig, wenn man bemerkt, dass eine Band nichts mehr zu sagen hat und das nicht realisiert. Wenn wir Songs schreiben, die zu einem Ohr rein und zum anderen raus gehen, dann sollten wir Schluss machen. Oder falls irgendwann täglich das Verlangen überhand nimmt, uns gegenseitig umzubringen. Hehe.

Dann danke ich dir noch einmal für das Interview, wir hören wie immer mit dem Metal1-Brainstorming auf. Woran denkst du, wenn du folgendes hörst…
Robert Plant:
Eine der wichtigsten Stimmen der Rockmusik.
Volbeat:Tattoos
Deutschland:Boris Becker (Wir setzen ihn immer auf die Gästeliste, wenn wir in Deutschland spielen… Nur für den Fall.)
Shining:Zwei furchteinflößende Bands und ein furchteinflößender Film.

Vielen Dank nochmal, die letzten Worte gehören wie üblich dir:
Dankeschön! Und an alle die „Youngblood“ noch nicht angecheckt haben: Tut das! Wir sehen uns.

Publiziert am von Marius Mutz

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