Interview mit Asp von ASP

ASP haben innerhalb weniger Monate den ganzen, zweiteiligen „Verfallen“-Zyklus (bestehend aus „Astoria“ und „Fassaden“) zu Ende erzählt. Im folgenden Interview mit dem charismatischen Bandleader Asp erfahrt ihr unter anderem, worin sich die zwei Alben voneinander unterscheiden, wie es um die Produktivität der Band bestellt ist und was die Gothic-Novel-Rocker als nächstes vorhaben.

asp5Euer aktuelles Album, „Verfallen – Folge 2: Fassaden“, ist nun schon seit einer Weile veröffentlicht. Wie sind die Reaktionen dazu ausgefallen (sowohl im Vergleich zu euren früheren Alben als auch im Vergleich zu „Folge 1: Astoria“)?
Sehr gut im Großen und Ganzen. Ich sag es gerne immer wieder: Es gibt wie bei jedem ASP-Album der Geschichte positive und negative Stimmen bei den Fans. Man kann es unmöglich allen recht machen, außer man tritt künstlerisch auf der Stelle und geht schön feige immer die gleichen, ausgetretenen Pfade. Aber dann wäre keine Entwicklung, keine Verwirklichung möglich. Und schon gar kein so verflixt anspruchsvolles Projekt wie „Verfallen“. Die Presse schwankt zwischen „großartig“ und „fürchterlich“, genau wie immer, dazwischen gibt es wenig. Auch das war schon immer so. Das einzige, was man wirklich sagen muss ist, dass beim zweiten Teil die Besprechungen und Kritiken etwas langsamer eintrudeln. Vielleicht verkraftet der Durchschnittsrezensent keine zwei ASP-Alben in so kurzer Zeit? Nein, im Ernst: Ich habe Schlimmstes befürchtet und dafür ist das Feedback wirklich extrem wohlwollend. Danke an alle an dieser Stelle.

asp3Da wir schon am vergleichen sind, bitte beschreibe uns aus deiner Sicht, wodurch sich die zwei „Verfallen“-Alben voneinander unterscheiden.
Aus dem Verlauf der Geschichte entwickelten sich ganz zwangsläufig einige Unterschiede. War der erste Teil noch etwas verspielter und teilweise sogar heiter bis euphorisch, taucht man nun mit Paul, der leidgeplagten Hauptperson, tief in das Grauen ein, welches sich hinter den Mauern des Astoria in Leipzig verbirgt. Das bringt eine sehr viel gruseligere und dichtere Atmosphäre mit sich. Und viele der Stücke gehören sicher zu den düster-metallischsten unserer bisherigen Laufbahn.

Euer interessantes Textkonzept über das berühmte Astoria-Hotel basiert auf der Kurzgeschichte „Das Fleisch der Vielen“ von Kai Meyer, ihr erzählt damit die Vorgeschichte dazu. Hat er das neue Album inzwischen gehört und wenn ja, war er zufrieden mit eurer Vorgeschichte bzw. hatte er sich vielleicht etwas Anderes erwartet?
Er durfte es natürlich als Erster außerhalb des Produktionsteams anhören, ist doch Ehrensache! Ich denke, obwohl Kai sonst ganz andere Musikstile bevorzugt, hat es ihm doch ziemlich gut gefallen. Er ist momentan aber selbst sehr im Schreibstress und hat keine ellenlange Rezension für uns geschrieben, wie man sich denken kann.

asp1Zu den Tracks „Astoria Verfallen“ und „Dro[eh]nen aus dem rostigen Kellerherzen“ habt ihr Musikvideos veröffentlicht, in denen die Geschichte auch visuell sehr stimmig wiedergegeben wird. Plant ihr auch zu dem einen oder anderen Song des zweiten „Verfallen“-Teils eine Video-Umsetzung?
Nein, leider war unser Bewegtbild-Sparschwein leer. Dass du es als „stimmig“ bezeichnest, wird die Macher sicher freuen. Ich finde auch, dafür, dass ich kaum am kreativen Prozess beteiligt war – was äußerst ungewöhnlich für ASP ist – haben sie ihre Sache sehr gut gemacht. Ich tu mir selbst immer ein bisschen schwer, weil ich mir die Sachen dann doch meist etwas anders vorstelle und nicht daran gewöhnt bin, das Heft aus der Hand zu geben.

Wie kam es dazu, dass ihr den „Fremder“-Zyklus unterbrochen habt, um die fiktive Geschichte über Astoria zu erzählen?
Manchmal muss man die Projekte einfach so nehmen, wie sie einen anspringen. Wenn eine Geschichte reif ist und erzählt werden will, dann ist es gut, auf diesen Ruf zu hören.

Wie wird es nun weitergehen? Setzt ihr als nächstes den „Fremder“-Zyklus fort oder wendet ihr euch einer weiteren, völlig neuen Geschichte zu?
In diesem Jahr werden ein paar ganz wundervolle Dinge geschehen, denn wir werden unser erstes richtiges Live-Album seit sieben Jahren veröffentlichen! Und das wird wirklich ein Wahnsinns-Mammut-Projekt! Außerdem wird passend zur Herbsttour die Geisterfahrer-CD in einer Extended-Version erscheinen, mit einigen neuen Songs. Aber hauptsächlich werde ich in der Tat am nächsten Teil des „Fremder“-Zyklus schreiben. Ich freue mich schon sehr drauf!

In 16 Jahren habt ihr sage und schreibe zehn Studioalben veröffentlicht, dazu noch zahlreiche Singles, EPs und Kompilationen. Bei diesem rasanten Arbeitstempo könnte man fast schon auf die Idee kommen, dass ihr potentiell Burnout-gefährdet seid. Was ist der Grund für eure Produktivität und wie geht ihr damit um?
Die Langfassung? Der Grund ist eine große Portion Fleiß an jedem Tag und Opferbereitschaft. Ich bin ein Getriebener. Ich muss immer etwas erschaffen, sonst werde ich unruhig. Ja, das ist teilweise ungesund, mit den Jahren habe ich versucht, mich dahingehend ein bisschen zu disziplinieren. Burnout kenne ich, habe ich hoffentlich überwunden. Vielleicht habe ich zu spät angefangen mit der ganzen Karrierekiste, nun habe ich möglicherweise immer das Gefühl, nicht genug Zeit zu besitzen…
Oder die Kurzversion: Der Grund ist, weil ich es unbedingt will! Und weil ich weiß, was ich kann und was andere besser können.

Im Laufe der Zeit hat sich euer Stil merklich verändert, ihr habt einiges ausprobiert. Bis auf einige Ausnahmen („Begeistert“, „Umrissmann“) sind bei euch vor allem die elektronischen Elemente zurückgegangen. Wie kam es eigentlich zu diesem Wandel? Und wie steht ihr momentan zu euren älteren Alben?
asp4Ja? Also ich finde, seit dem Album „Aus der Tiefe“ hat sich der Anteil der elektronischen Elemente gar nicht mehr so stark verringert, allerdings sind die Elektronik-Sounds insgesamt zurückhaltender im Mix, da die Gitarren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben und zudem der Sound auch immer weniger glatt wurde. Ich suchte eine etwas kraftvollere musikalische Ausdrucksweise und dafür ist der Sound der Echtinstrumente samt Stimme einfach wichtiger. Man darf nicht vergessen, dass auf den ersten Alben vor allem kaum echte Drums vorkamen, was den elektronischeren Eindruck immens verstärkt hat. Das hatte damals viele Vorteile, aber ich bin doch irgendwie froh, dass die Zeiten vorbei sind. Fakt ist: Ich mag jedes einzelne Album auch heute noch. Man kann doch sehr schön eine Entwicklung erkennen und finde jedes für seine Zeit so gut, wie es ist. Klar, einiges würde ich heute nicht mehr so machen. Aber das geht wohl jedem Musiker nach teilweise über 15 Jahren so. Ich finde, auf jedem einzelnen Album sind sehr starke Songs zu finden, die ich heute noch gerne live spiele. Das ist ein gutes Zeichen.

Habt ihr mit der Zeit auch einen Wandel in eurer Fangemeinde wahrgenommen?
Ja. Sie ist sehr viel erwachsener geworden, damit meine ich nicht zwangsläufig älter. Und sehr viel weniger auf eine Szene beschränkt. Ich finde das toll. Was bei allen Bands heutzutage eine Rolle spielt, ist eine sehr viel höhere Fluktuation. Musikhörer sind heute insgesamt nicht mehr so festgelegt und „treu“. Woran das liegt, darüber könnte man viele Seiten Thesen aufstellen. Aber es ist so und der „Fan“ verzeiht auch nicht mehr so gerne ein Album in der Diskografie, das ihm nicht zusagt. Da haben wir irgendwie immer noch etwas Glück gehabt, obwohl wir den ASP-Fans von Anfang an viel abverlangt haben, was die Vielfalt der Stile anbelangt. Vielleicht aber auch gerade deshalb, keine Ahnung…asp2

Nun sind wir auch schon am Ende unseres Interviews angelangt. Zum Abschluss möchte ich euch noch gerne zum traditionellen Metal1.info-Brainstorming einladen. Sagt uns bitte, was euch bei folgenden Begriffen in dem Sinn kommt:
Geist: Frei
Hypothetischer neuer Zyklus: Shortstories
Leipzig: Schön in dieser Jahreszeit.
Gothic Rock – damals und heute: Damals Lebender, heute Zombie.
Obsession: Erschaffen
Liebstes ASP-Album: Immer das kommende, weil es noch so verheißungsvoll ist.

Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Musik ist mehr als Nullen und Einsen. Unterstützt die Musiker, die ihr mögt – nicht nur ASP – sie brauchen euch. Wir sehen uns auf der Herbsttour!

Publiziert am von Stephan Rajchl

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