Mit „Pharmacie“ haben APOLOGIES, I HAVE NONE ihr zweites Album vorgelegt, das mit dem klischeebeladenen Attribut „erwachsen“ sehr gut beschrieben werden kann. Im Interview mit Sänger und Songwriter Josh erläutert dieser den Unterschied zum letzten Album, den Einfluss der unterschiedlichen Besetzungswechsel und offenbart überraschende Einblicke in seine musikalischen Einflüsse.
Glückwunsch zu eurem neuen Album „Pharmacie“! Es hat ganze vier Jahre seit eurem Debüt gedauert, bis ihr einen offiziellen Nachfolger veröffentlicht habt. In dieser Zeitspanne habt ihr einige Besetzungswechsel durchgemacht. Wann habt ihr angefangen, Songs für „Pharmacie“ zu schreiben?
Wir haben schon kurz nach „London“ begonnen, auch gemeinsam mit Dan, der damals ja noch mit dabei war. Als er die Band verlassen hat, haben wir zu einem gewissen Grad neu angefangen, aber ein paar Songs sind wirklich seit vier Jahren in der Mache.
Wie fühlt es sich an, diesen Prozess jetzt zu einem Ende gebracht zu haben?
Ich bin sehr erleichtert. Es war wirklich viel Arbeit, „Pharmacie“ zu schreiben und aufzunehmen. Wir dachten schon vor eineinhalb, fast zwei Jahren, dass wir eigentlich fertig sind, haben aber dann vieles noch mal durchgesprochen, wieder etwas geändert… Jetzt bin ich echt froh, dass das vorbei ist.
Hat sich durch Dans Ausstieg etwas im Songwriting-Prozess verändert?
Am Anfang nicht, da Dan und ich sowieso immer eigenständig geschrieben haben, bevor wir die Lieder mit in den Probenraum genommen und daran gearbeitet haben. Ich musste dieses Mal mehr Songs schreiben, das war zunächst der einzige Unterschied. Darüber hinaus haben wir an einigen Sachen noch gearbeitet, als wir bereits mit den Aufnahmen begonnen hatten. Zu diesem Zeitpunkt gab es dann schon eine Änderung: Vorher habe ich komplette Songs geschrieben, und anschließend haben wir diese gemeinsam bearbeitet. Dieses Mal habe ich mich da ein bisschen entspannt, habe auch halbfertige Ideen mit in den Probenraum genommen und wir haben diese Skizzen dann gemeinsam weitergeschrieben. Es fiel dann auch leichter, wenn Joe zum Beispiel was an den Drums ändern wollte und ich nicht so fixiert auf die komplette Songstruktur war. Das hat uns gutgetan, glaube ich.
„Pharmacie“ wird von einer durchgängigen Thematik bestimmt. Hat sich das durch die Musik ergeben, oder wann hast du die Texte verfasst?
Die Texte entstehen immer zur gleichen Zeit wie die Musik. Manchmal habe ich vielleicht einige Textstellen ohne Musik, aber das ist selten. Ich schreibe im Vorfeld wenig auf, sondern gehe meine Ideen eher im Kopf durch.
Wann wurde dir klar, dass es eine durchgehende Thematik sein würde und wann hast du dich für diese entschieden?
Es war eine bewusste Entscheidung, ein Thema zu behandeln. Aber ich weiß nicht, wann das exakte Thema klar wurde. Es war nicht so, dass ich vor dem Songwritingprozess wusste, worüber ich genau schreiben wollte, aber hat sich dann recht schnell ergeben. Ich glaube, dass „Love & Medication“ einer der ersten Songs war, den wir für das Album geschrieben haben, und das ist ja eine Nummer, die sehr klar für das Thema des Albums steht.
Warum habt ihr „The Clarity Of Morning“ zwei Mal aufgenommen und wieso klingt der Song auf der EP und auf dem neuen Album so unterschiedlich?
Wir haben es zwei Mal aufgenommen, da wir ursprünglich für ein Album geplant hatten. Aber dann sind Dan und PJ ausgestiegen. Der Song ist ungefähr zwei Jahre nach „London“ entstanden, und mir war schon klar, dass ich ihn auch auf dem Album haben wollte – aber ich wollte ihn auch auf der EP veröffentlichen. Wir haben ihn auf dem Album in einer anderen Tonstimmung aufgenommen, die Struktur ist ja sehr ähnlich, aber du hast Recht, das macht schon einen Unterschied aus. Aber es war von Anfang an geplant, den Song noch einmal neu aufzunehmen.
Im Vergleich zum eher optimistisch klingenden „London“ und zur sehr düsteren EP „Black Everything“ klingt „Pharmacie“ eher melancholisch. Wie würdest du diese Entwicklung begründen? Hängt sie auch mit Dans Ausstieg zusammen?
Nein, das hat nichts damit zu tun. Auch bevor er ausgestiegen ist, haben wir beide uns schon in diese Richtung orientiert und wollten düsterer werden. Er hat ja jetzt auch eine neue Band, Myelin, mit der wir dieses Jahr eine Tour gespielt haben, und das ist jetzt nicht dasselbe wie APOLOGIES, I HAVE NONE, aber geht auch in eine düsterere, verschrobene Richtung. Was das betrifft, sind wir schon noch auf der gleichen Wellenlänge. Aber klar, nachdem wir jetzt nur noch einen Songwriter haben, klingt das Album und unsere Musik schon anders.
War es eine bewusste Entscheidung, euch musikalisch von eurem früheren Stil zu entfernen oder hat sich das beim Songwriting so entwickelt?
Das war schon bewusst. Wir wollten alle etwas weniger Punkiges machen, etwas, dass ein bisschen seltsamer klingt.
Wie war denn die Reaktion von Presse und Fans auf „Pharmacie“?
Sehr gut, besser, als wir erwartet haben. Nicht, dass wir wirklich Erwartungen gehabt hatten, aber wir haben uns schon überlegt, ob einige Menschen nicht sagen würden, dass es ganz anders klingt als „London“, und ob jemand überhaupt ein weiteres „London“ hätten haben wollen. Aber die meisten Reaktionen, die ich mitbekommen habe, waren sehr positiv und fast alle fanden die Änderungen gut. Aber ich könnte auch negative Stimmen verstehen, ich mag auch bei einigen meiner Lieblingsbands das erste Album am meisten.
Wie fühlt es sich an, die alten und neuen Lieder bei Konzerten zusammen zu spielen?
Ich genieße das sehr. Wir werden das oft gefragt, weil die Leute sich nicht sicher sind, wie die unterschiedlichen Nummern im Set zusammenpassen. Bisher hat sich noch niemand beklagt, dass es merkwürdig klingt, das ist ja schon etwas… (lacht) Wenn man alles recht laut spielt, dann klingen auch die ruhigeren Songs etwas härter und generell gleichen sich die Stile an, wenn wir die Lieder live spielen.
Wie läuft die Tour denn allgemein bisher?
Wirklich gut. Also wirklich wirklich gut. Recht viel mehr kann ich dazu gar nicht sagen. (lacht)
Merkt ihr denn einen Unterschied im Vergleich zu früheren Shows in Deutschland?
Ja, auf jeden Fall. Sowohl heute in München, da es ja auch ausverkauft ist, als auch in anderen Städten, in denen wir öfter spielen. Man lernt neue Leute kennen, aber man kennt jetzt auch schon einige. In den meisten Venues haben wir auch bei unseren früheren Konzerten gespielt, aber jetzt kommen mehr Leute, was echt schön ist und wofür wir sehr dankbar sind.
Es gibt einen Part auf eurem neuen Album, in dem dein Gesang extrem an das neue Album von Touché Amoré erinnert…
Wow, das ist cool, ich find die Band und Jeremys Gesang super! Ich habe das neue Album letzte Woche einmal gehört, aber nur nebenbei.
Nachdem es in den USA ja eine Art Gruppe von Bands gibt, die öfter zusammenspielen und freundschaftliche Beziehungen führen, hatte ich mich gefragt, ob es sowas auch in England oder vielleicht in London gibt?
Es gibt jetzt keine klare Gruppe, die einen Namen wie „The Wave“ hat oder sowas. Aber es gibt momentan viele Bands wie Creeper, Milk Teeth, Moose Blood, Muncie Girls, die oft zusammenspielen, ungefähr gleichzeitig angefangen haben und auch alle recht erfolgreich sind. Insofern gibt es schon eine coole Gruppe von Bands, die da etwas voranbringt. Ich glaube also schon, dass da etwas passiert in Großbritannien, und es ist interessant, das zu beobachten.
Ihr habt zu „Love & Medication“ und „Everybody Wants To Talk About Mental Health“ zwei zusammenhängende, cineastische Videos veröffentlicht. Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen und habt ihr vor, das auch fortzusetzen?
Das war in erster Linie gar nicht unsere Idee. Es gibt jemanden in Südengland, der mit dem Plattenlabel Holy Roar zusammenarbeitet. Wir haben ihm die Lieder geschickt, und er hatte die Idee mit dem Zweiteiler und wir fanden es dann gut. Wir selbst hatten echt überhaupt keine Idee und ich bin auch kein großer Fan von Musikvideos; ich hasse sie nicht, aber ich bin in erster Linie Musikfan. Insofern waren wir sehr glücklich, dass jemand die Songs gehört hat, der ein gutes Auge für Kameraeinstellungen hat. Wir werden in Zukunft auch wieder was mit ihm machen. South Of Devon heißt die Firma, super nette Leute.
Habt ihr auch schon Pläne für ein neues Album?
Wir haben noch keine wirklich klar strukturierte Idee. Wir haben „Pharmacie“ ja gerade erst veröffentlicht und ich habe wirklich keine Lust, dass es noch einmal so lange dauert, bis etwas Neues kommt. Wir möchten schon bald mit neuen Ideen anfangen, aber haben jetzt noch nicht damit begonnen, neue Songs zu schreiben. Ich glaube, ich möchte wieder mit einem starken Thema arbeiten, aber auf keinen Fall ein Konzeptalbum schreiben; „Pharmacie“ ist ja auch kein Konzeptalbum. Aber gerade weiß ich noch nicht, in welche Richtung das gehen soll und ich zerbreche mir auch noch nicht den Kopf darüber. Mal schauen, was dabei rauskommen wird. Hoffentlich in den nächsten Monaten.
Da ich es schwer finde, euren Stil genau zu definieren, zum Abschluss noch eine Frage: Was würdet ihr derzeit als eure größten musikalischen Einflüsse beschreiben?
Ich würde sagen, Brand New, für alle in der Band. Aber auch moderne Popsongs, sowas wie Talyor Swift, wenn es um gute Hooks geht – auch wenn das auf dem Album eventuell nicht so rauskommt.