Interview mit Ophis von Apokryphon

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Als Bassistin bei den Schweizer Atmospheric-Black-Metallern Darkspace ist Zorgh schon lange an der Erschaffung einzigartiger Musik beteiligt. Mit „Subterra“, dem Debüt ihres orientalisch inspirierten Soloprojekts APOKRYPHON, das sie unter dem Pseudonym Ophis führt, hat die Multiinstrumentalistin einen völlig anderen, jedoch genauso außergewöhnlichen Weg eingeschlagen. Warum es für Musiker und Hörer lohnend sein kann, über den Tellerrand zu schauen, welche exotischen Instrumente (und Tiere) auf dem Album zu hören sind und in welchen anderen Aspekten APOKRYPHON von gängigen Black-Metal-Charakteristika abweicht, hat uns die kryptische Künstlerin im folgenden Interview verraten.

Mit Darkspace kreierst du eher außerweltliche Klänge, mit APOKRYPHON widmest du dich nun hingegen orientalischer Musik. Was hat dich dazu bewogen, deine Fühler in diese Richtung auszustrecken?
Die Absicht hinter APOKRYPHON war es, meine persönlichen musikalischen Ideen zu verwirklichen und mit neuen Wegen, Black Metal auf eine einzigartige Art und Weise darzubieten, zu experimentieren. Ich bin im Orient verwurzelt und war schon immer fasziniert und angetrieben von östlichen Klangwelten und Instrumenten. APOKRYPHON war daher die perfekte Gelegenheit, verschiedene musikalische Aspekte, die mich begeistern, zum Leben zu erwecken. Die ursprüngliche Idee war jedoch schlicht der Zwang, Musik zu schaffen. In letzter Zeit habe ich mich in viele verschiedene musikalische Gebiete gewagt und wollte, dass sich diese Einflüsse in etwas Persönlichem manifestieren. Von da aus führte eins zum anderen.

Siehst du APOKRYPHON lediglich als vorübergehendes, experimentelles Nebenprojekt an oder hast du vor, die Band längerfristig fortzuführen?
APOKRYPHON ist sicherlich etwas, das für sich alleine steht. Ich betrachte es nicht als ein Nebenprojekt, sondern als etwas ganz Eigenständiges. Seine langfristige Zukunft ist unklar, aber so wie es im Moment aussieht, wird eine neue Platte in der einen oder anderen Form Realität werden.

Kannst du dir vorstellen, mit dem Projekt auch live aufzutreten oder wird es ein reines Studioprojekt bleiben?
Derzeit gibt es keine Pläne für Live-Auftritte.

Die stilistischen Unterschiede zwischen deinen beiden Projekten sind alles andere als geringfügig und im Gegensatz zu Darkspace spielst du bei APOKRYPHON sämtliche Instrumente selbst. War es für dich mitunter herausfordernd, derart neue Wege zu beschreiten und mehr Instrumente allein zu spielen?
Es war eine überwältigende, absolut faszinierende und höchst lohnende Herausforderung, Instrumente alle selbst zu spielen. Ich habe jede Minute davon geliebt. Endlich konnte ich viele Ideen verwirklichen, die ich über lange Zeit mit mir herumgetragen habe. Auch wenn ich sehr gerne mit anderen Musikern zusammen spiele, habe ich während der Entstehung von „Subterra“ so viel gelernt, dass ich es sicher nicht anders gewollt hätte. Es war spannend, endlich nicht mehr musikalische Ideen mit anderen Bandmitgliedern abstimmen zu müssen, sondern einfach voranzuschreiten, wohin der Weg mich führte. Trotzdem – ich sehe mich in erster Linie als Bassistin. Und Bässe sind nicht in erster Linie Soloinstrumente.

Du hast dich für APOKRYPHON mit Djinn als Sänger zusammengetan. Wie bist du auf ihn aufmerksam geworden und wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Djinn und mich verbindet eine sehr lange Freundschaft. Wir hatten schon immer gemeinsame Interessen, wenn es um Musik und Literatur ging. Auch wenn ich gerne singe, war für mich klar, dass ich für APOKRYPHON einen Leadsänger mit einem anderen Gesangston als meinem wollte. Djinn war sofort daran interessiert, seine Stimme in die Musik einzubringen. Wir stellten fest, dass wir die gleiche Herangehensweise an das Komponieren haben und zwar Improvisation. Er improvisierte seine Gesangslinien frei, unvoreingenommen und aus dem Herzen heraus. Es war erfrischend. Es war perfekt.

Hat Djinn sich auch beim Songwriting eingebracht oder war er ausschließlich für die gesangliche Umsetzung zuständig?
Djinn hat mich im Prozess des Songwritings unterstützt, indem er hier und da Ideen einbrachte, nachdem er sich meine Entwürfe angehört hatte, aber er hat keine Instrumental-Parts geschrieben. Seine Aufgabe war der Gesang.

Black Metal mit orientalischen Einflüssen kennt man grundsätzlich schon von Bands wie Melechesh und Al-Namrood, wenn auch in etwas anderer Form. Inwieweit haben dich diese und ähnliche Bands inspiriert?
Überhaupt nicht. Ich bin im Black Metal bislang noch nicht auf orientalische Einflüsse gestoßen, die mich angesprochen haben.

Hörst du davon abgesehen auch rein orientalische Musik ohne westliche Einflüsse?
Ja, ich bin sehr stark von Musik aus dem Maghreb, dem Nahen Osten und Indien beeinflusst. Ich höre Künstler wie Dhafer Youssef, Ravi Shankar, Cheb Mimoun El Oujdi oder Taufiq Qureshi. Auf der anderen Seite ist auch elektronische Musik mit orientalischen Einflüssen etwas, dem ich mich verschrieben habe. Ich verehre zum Beispiel die Werke von Rukkanor, Ah Cama-Sotz, Herbst 9 oder Worms Of The Earth.

Auf „Subterra“ hört man allerlei exotische Parts. Welche Instrumente sind hierbei zum Einsatz gekommen? Oder handelt es sich um Samples?
Ich benutzte Gongs, verschiedene Rasseln und Glocken, Tablas, ein Oud, eine Tar und eine Pungi. Es gibt einen Gast-Part, in dem unser Toningenieur Þórir mit einem Sopransaxophon auftritt. Es gibt auch Samples vom Zischen einer Sonoran-Gopher-Schlange und vom Warnrasseln einer Klapperschlange. Keyboards wurden für kleine Streicherabschnitte, einige Ambient-Sounds und perkussive Elemente verwendet.

Ich habe den Eindruck, dass die Black-Metal-Instrumentierung auf „Subterra“ deutlich wärmer klingt, als es in dem Genre üblich ist. Seid ihr bewusst auf diese Weise an die Musik herangegangen, um sie mit den orientalischen Einflüssen in Einklang zu bringen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Musik den Klang diktieren sollte. „Subterra“ würde mit einem frostigen, kalten Klang nicht funktionieren, er würde dem Werk nicht gerecht. Also ja, die Produktion ist wohlüberlegt und etwas, das von unserem Toningenieur Þórir von Apothecary Sounds ausgefeilt und viel bearbeitet wurde. Dafür bin ich sehr dankbar.

Während einige der Tracks hauptsächlich im Black Metal angesiedelt sind, gibt es auch Stücke, die vollständig orientalisch klingen oder in dieser Hinsicht zumindest ausgedehnte Passagen beinhalten. Welche Überlegung steckt dahinter, dass du in diesen spezifischen Songs für längere Zeit vom Black Metal Abstand nimmst?
Die Absicht war von vornherein nicht, ein Black-Metal-Album zu schaffen. Ich hatte bestimmte atmosphärische Vorstellungen, die sich mit verzerrten Gitarren gar nicht darstellen ließen. Es war eine natürliche Sache und ein lohnendes Experiment, rein orientalische Instrumentalabschnitte einzuflechten. Außerdem glaube ich, dass sich jeder Musiker in unbekanntes Terrain wagen und versuchen sollte, sich der Musik von verschiedenen Seiten zu nähern. Die Verwendung von Instrumenten, die wir normalerweise nicht spielen, kann ein Weg sein, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Naturgemäß ist „Subterra“ kein Album, das mit eingängigen Hits auf sich aufmerksam macht. Gibt es darauf dennoch einen Song, den du als Kernstück oder Höhepunkt der Platte ansiehst?
Nein, das glaube ich nicht. Jedes Lied hat seine eigene Aussage und keines davon kann für die gesamte Platte stehen. Für mich ist „Subterra“ ein Album im wahrsten Sinne des Wortes – die Lieder gehören zusammen. Es ist ein ganzes Stück und kann nicht einfach so auseinandergerissen werden.

Inhaltlich setzt du dich eurem Bandnamen entsprechend mit obskuren Glaubensschriften auseinander. Wie bist du auf diese Texte aufmerksam geworden und was fasziniert dich daran?
Apokryphe Texte sind uralte, esoterische Schriften, die von einer Vielzahl von Menschen im Orient geschrieben wurden. Diese Texte wurden entweder aktiv versteckt oder waren so umstritten, dass sie von der öffentlichen Einsichtnahme oder biblischen Inhalten ausgeschlossen wurden, weil man sie für häretisch hielt. Sie sind praktisch die Wurzeln der gnostischen Ansichten. Ich bin von ihnen fasziniert, seit ich vor vielen, vielen Jahren zum ersten Mal auf einige von ihnen gestoßen bin. Im Gegensatz zu damals, als mir solche Informationen tatsächlich von Menschen überreicht wurden, die mich über sie unterrichtet haben, sind einige Informationen heute frei verfügbar. Nichtsdestotrotz sind physische Bücher immer noch meine wichtigste Ressource, wenn es um die Apokryphen geht. Djinn und ich haben viele Informationen ausgetauscht und immer die Faszination für dieses alte Wissen geteilt, das eine verborgene Ressource ist, die auch heute noch nicht vielen bekannt ist. Apokryphe Texte behandeln Themen, die schwer zu verstehen sind. Sie sind alte Wege, die versuchen, die Ordnung des Universums und die Geheimnisse der Menschheit zu erklären. Sie sind so universell, dass sie heute noch genauso bedeutungsvoll sind wie zu der Zeit, als sie geschrieben wurden.

Würdest du dich selbst als spirituellen oder gar religiösen Menschen bezeichnen?
Spirituell ja, religiös nein.

Denkst du, dass sich deine Erfahrungen mit APOKRYPHON auch auf deine Arbeit mit Darkspace auswirken werden?
Nein.

Auf Metal1.info beenden wir Interviews üblicherweise mit einem kurzen Brainstorming. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Weltmusik: APOKRYPHON
Facebook: Verderbtheit
Kulturelle Aneignung: Je mehr, desto besser.
Nile: Ein Fluss in Afrika.
Social Distancing: Könnte Kriege verhindern.
Aktuelles Lieblingsalbum:
Djinn: Temple Of GnosisDe Secretis Naturae Alchymica
Ophis: A Forest Of StarsGrave Mounds And Grave Mistakes

Damit wären wir jetzt auch schon am Ende unseres Interviews angelangt. Gibt es noch ein paar letzte Worte, die du an die Leser richten möchtest?
Wahrheit. Lügen. Subterra.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Ein Kommentar zu “Apokryphon

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