Interview mit Mikael Lindström von Apocalypse Orchestra

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Mittelalterrock und -metal gibt es dieser Tage bereits viel, etwas Neues hört man in diesem Bereich nur noch selten. Dennoch haben APOCALYPSE ORCHESTRA mit ihrem Debüt „The End Is Nigh“, auf dem die Schweden Doom Metal mit mittelalterlichen Kompositionen und Instrumenten kreuzen, ein Album geschaffen, das frisch und unverbraucht klingt. Wir haben uns mit Multi-Instrumentalist Mikael über seine Anfänge als Musiker, aber auch darüber unterhalten, warum gerade Per Nilsson (Scar Symmetry) die Platte gemixt hat und warum die Band sich bei ihrer Kategorisierung unter Doom Metal nicht sicher ist.

Guten Tag und vielen Dank, dass du unsere Fragen beantwortest. Wie geht es dir?
Mir geht’s großartig! Unser Album ist draußen und es wurde sehr gut aufgenommen, unser erstes Video hat schon mehr als 600.000 Views.

Deine Band heißt APOCALYPSE ORCHESTRA. Mit Symphonic Metal hat eure Musik allerdings nur eher wenig zu tun. Warum habt ihr euch für diesen Namen entschieden?
Er passt zu uns. Die Apokalypse war in der Geschichte schon immer präsent, das Mittelalter ist da keine Ausnahme. Damals muss der schwarze Tod für viele Leute wie das Ende aller Tage gewirkt haben. Apokalypse bedeutet allerdings auch „Offenbarung“. Und wir sehen uns selbst gewissermaßen als Orchester, auch wenn wir technisch gesehen keines sind. Daher also APOCALYPSE ORCHESTRA.

Ihr spielt eine Mischung aus Mittelaltermusik und Doom Metal. Was fasziniert dich persönlich so an diesen zwei Stilrichtungen?
Mittelaltermusik hat so viele Qualitäten! Dadurch, dass wir die Möglichkeit haben, Songs anzuhören und zu spielen, die vor vielen hundert Jahren komponiert wurden, können wir verstehen, dass die Menschen von damals sich gar nicht so sehr von uns unterscheiden. Einige der Melodien sind atemberaubend schön, andere seltsam und disharmonisch mit unkonventionellen Tempi. Als wir mit unserer Band anfingen, haben wir uns überlegt, welche Art von Metal gut mit mittelalterlicher Musik harmonieren würde und wir kamen zu der Erkenntnis, dass wir mit Doom Metal anfangen sollten. Es sollte eine schwere, langsame und kriechende Dunkelheit mit dröhnenden Klängen wie von einem Dudelsack sein (Dudelsäcke wurden oft in mittelalterlicher Musik verwendet). Wir sind allerdings etwas unsicher, ob man uns als Doom-Metal-Band sehen sollte. Klar, wir spielen manchmal langsam, aber wir haben nicht das Gefühl, dass wir das immer müssten. In der Zukunft wird es sicher auch schnellere Songs geben.

Sind diese beiden Genres dir gleich wichtig oder findest du, dass eines davon euren Sound mehr repräsentiert als das andere?
Es ist ausgeglichen, aber normalerweise sagen wir, dass wir eine mittelalterlich inspirierte Metal-Band sind, nicht andersherum.

Ihr spielt die verschiedensten mittelalterlichen Instrumente. Wie seid ihr erstmals darauf gestoßen und wie habt ihr sie spielen gelernt?
Ich habe angefangen, das Hurdy Gurdy zu spielen, als ich es bei der schwedischen Gruppe Garmarna hörte, die besagtes Instrument oft verwenden. Ich habe eine bestellt, obwohl ich in meinem Leben noch kein einziges Mal eine angefasst hatte. Dudelsäcke liebte ich schon seit ich ein Kind war, aber ich fing erst vor ungefähr zehn Jahren damit an, sie zu spielen, als ich einen von einem Freund „geerbt“ habe, weil er sich entschieden hatte, mit dem Spielen aufzuhören. Das war ein schwedischer Dudelsack, ein kleinerer Dudelsack mit einem eher sanften Klang, wesentlich nachbarnfreundlicher als die großen mittelalterlichen!

Laut dem Pressetext gehen eure Melodien zum Teil bis ins 11. Jahrhundert zurück. Habt ihr tatsächlich Melodien aus dieser Zeit übernommen oder ist euer Songwriting davon lediglich inspiriert? Falls ersteres, woher habt ihr diese Melodien?
Beides, würde ich sagen. An manchen Melodien müssen wir kleine Änderungen vornehmen, da sie manchmal Tonleitern benutzen, die zu merkwürdig klingen würden oder weil der Rhythmus ungleichmäßig ist. Andere spielen wir so nah am Original wie möglich. Aber da sie so alt sind, ist es natürlich logisch, dass sie im Lauf der Geschichte mehrmals verändert wurden.

Seid ihr auch von zeitgemäßer Musik beeinflusst?
Natürlich! Jeder aus der Band hat einen unterschiedlichen Geschmack, wenn es um aktuelle Musik geht, aber wir haben viele Bands gemeinsam wie zum Beispiel Opeth, Type O Negative, Paradise Lost, Amorphis, Anathema und Myrkur, um mal ein paar zu nennen.

Wie steht ihr zu anderen modernen Mittelalter-Rock/Metal-Bands?
Wir wissen, dass Mittelalterrock in Deutschland eine große Sache ist, aber von diesen Bands haben wir, ehrlich gesagt, noch nicht so viel gehört. Wir haben das Gefühl, dass die mit ihren großen Drums und viel Dudelsack ihr Ding machen und wir unseres. Im Folk Metal gibt es viele gute Bands wie zum Beispiel Otyg, Lumsk, Grimner und Myrkgrav.

Wo siehst du deine Stärken und Schwächen als Musiker?
Ich antworte hier mal für die ganze Band: Unsere Schwäche ist, dass wir allzu sehr zum Perfektionismus neigen und dass wir manche Details vielleicht zu genau analysieren, das frisst viel Zeit. Einige unserer Stärken sind jedoch, dass wir mit unserem Sound und unseren Textthemen recht eigenständig sind und dass jeder von uns andere Talente hat, wodurch das alles klappt.

Euer Debüt nennt sich „The End Is Nigh“. Die Songs scheinen für sich zu stehen und verschiedene mittelalterliche Themen zu behandeln. Gibt es da trotzdem einen roten Faden, der sich durch das Album zieht?
Wir mögen es, dass man das Album mehrdeutig interpretieren kann. Auf der einen Seite die Apokalypse und das Gefühl des herannahenden Untergangs, andererseits die Stärke und kreative Anpassungsfähigkeit der Menschheit.

Die meiste Zeit über wird klar gesungen, nur ganz selten gibt es Growls zu hören. Was ist der Grund dafür und warum gibt es sie gerade an diesen wenigen Stellen?
Im Song „Pyre“ akzentuieren wir damit die Absurdität religiöser Verfolgung, seien es nun heidnische Hexen oder jede andere Religion. In „Here Be Monsters“ benutzen wir sie, um ein Gefühl unergründlicher Furcht zu erzeugen, und zwar vor den Tiefen des dunklen Wassers und vor dem Unbekannten.

Hast du einen persönlichen Lieblingstrack auf der Platte und falls ja, welcher und warum?
Ich denke, wir alle haben unterschiedliche Favoriten. Meiner ist „Here Be Monsters“, da er viele verschiedene Abschnitte hat. Das ist für mich als Musiker eine Herausforderung und es ist insgesamt einfach ein sehr starker Song.

Zu „The Garden Of Earthly Delights“ habt ihr sogar ein Video veröffentlicht. Warum habt ihr gerade diesen Track dafür ausgewählt?
Ganz einfach, weil es unser eingängigster Track ist. Er ist sehr catchy!

Gemixt wurde das Album von Per Nilsson (Scar Symmetry). Die Musik seiner Band unterscheidet sich schon stark von eurer. Wie kam es dazu, dass er das Mixing übernommen hat und hast du das Gefühl, dass es für ihn eine Herausforderung war, mit so anderer Musik zu arbeiten?
Eigentlich hat er uns gefragt, ob wir Hilfe beim Mixing bräuchten, also sagten wir: „JA, BITTE!“ Per ist ein langjähriger Freund der Band, wir sind alle aus derselben Stadt in Schweden. Vielleicht war es tatsächlich eine kleine Herausforderung für ihn, unsere Produktion hatte viele Kanäle, auf die es zu achten galt. Es ist keine Kleinigkeit, die Soundwall auszubalancieren, wenn ein großer Chor mit elektrischen Gitarren, Drums, Orgeln, Hurdy Gurdy und Dudelsäcken, die allesamt gehört werden wollen, um Platz kämpft. Per war einfach großartig und wir könnten mit dem Resultat nicht glücklicher sein.

APOCALYPSE ORCHESTRA ist nicht nur ein Studioprojekt, ihr spielt auch live, richtig? Wie macht ihr das mit den vielen verschiedenen Instrumenten, die ihr einsetzt?
Natürlich können wir nicht alle Leute mit uns bringen, die nötig wären, um jedes Instrument und den Gesang wie auf dem Album live aufzuführen, dafür haben wir technische Lösungen.

Wie wird es als nächstes mit APOCALYPSE ORCHESTRA weitergehen?
In naher Zukunft ein neues Video und eine neue Homepage. Und natürlich wollen wir da raus und für euch alle spielen!

Zum Schluss jetzt noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein:
Mittelaltermarkt: Perfekte Brutstätte für Seuchenbakterien!
Pest: 200 Millionen Tote und/oder isländischer Vodka
Grausamste Mittelalter-Foltermethode: Judaswiege
Religion: Unterdrückung oder notwendiges Übel?
Elektronische Musik: Oscillotron
APOCALYPSE ORCHESTRA in fünf Jahren: Drittes Album veröffentlicht, Stammgast auf den großen Bühnen und wir haben die Pestmasken wieder in Mode gebracht.

Nochmals vielen Dank, dass du mit uns dieses Interview geführt hast. Die letzten Worte gehören dir:
Stay folk!

Publiziert am von Stephan Rajchl

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