Als Sängerin von Nightwish wurde ANETTE OLZON bekannt, steht mittlerweile aber fest auf eigenen musikalischen Beinen. Mit ihrem neuen Soloalbum „Strong“ kehrt sie zum Symphonic Metal zurück. Im Interview erzählt uns Anette, wie es dazu kam, was das Album für sie bedeutet und wie sie ihr oft stressiges Leben zwischen Job, Studium, Familie und Musik organisieren will.
Dein neues Album „Strong“ ist viel härter, mehr Metal als dein Debütalbum „Shine“. Wie ist diese musikalische Entwicklung zu erklären?
Ich habe „Shine“ schon 2009 geschrieben. Damals war ich in meiner alten Band (Olzon war von 2007-2012 Sängerin bei Nightwish, Anm. d. Red.) und das Album entstand als Nebenprojekt, während wir eine Auszeit vom Touren hatten. Ich wollte kein Metal-Album machen, um mit meiner eigenen Band zu konkurrieren, also wurde die Richtung softer und akustischer. Bei „Strong“ musste ich auf nichts Rücksicht nehmen, da ich nicht in einer Band bin und einfach machen kann, was ich will. Da sowohl die meisten meiner Fans Metaller sind und ich Metal auch selbst liebe, war es eine einfache Entscheidung.
Da das Album wesentlich härter ist als „Shine“: Welche Bands waren deine Haupteinflüsse diesen Sound?
Dimmu Borgir, In Flames und Amaranthe für den elektronischeren, modernen Sound.
Du hast das Album mit Magnus Karlsson geschrieben. Hat er dir geholfen, die beste Anette zu sein, und war es hilfreich, dass ihr bereits 2020 bei Allen/Olzon zusammengearbeitet habt?
Er musste mir nicht helfen, denn ich weiß genau, was ich kann und welchen Sound ich wollte und so weiter. Aber er war wichtig, weil er genauso wie ich gute Melodien liebt, auch wenn die Musik härter ist. Wir haben gut zusammengepasst, um dieses Album zu machen.
Ich finde, das Album klingt sehr melancholisch, aber auch optimistisch und kraftvoll. Steht „Strong“ möglicherweise für deine persönliche Entwicklung beziehungsweise folgt das Album einem übergreifenden Konzept?
Beides, würde ich sagen. Das Album wurde im schlimmsten Chaos der Pandemie im Frühjahr 2020 geschrieben und der Song „Strong“ handelt von dem Thema und davon, dass wir gemeinsam kämpfen und stark bleiben müssen. Aber der Albumtitel handelt auch von mir und davon, wo ich jetzt im Alter von 50 Jahren stehe, mit all den Lektionen, die ich lernen musste und dass ich im Laufe meines Lebens immer stärker werden musste und mich jetzt stark fühle.
Das Cover-Artwork zeigt dich hinter einem „Fenster“ mit einem dunklen Gesicht und bösem Blick. Was ist die Idee dahinter, wie hängt es mit dem Albumtitel und dem Konzept zusammen?
Ich wollte ein schwarzes Albumcover und dann sagte mein bester Freund Nicklas, warum nehmen wir nicht einfach dein Gesicht und schwarz drumherum und ja, ich fand die Idee toll. Mehr nicht, keine andere Bedeutung und kein anderes Konzept.
Liegt dir ein Song lyrisch besonders am Herzen?
Das ist schwer zu sagen, weil sie mir alle gleich wichtig sind.
Das Album ist sehr abwechslungsreich und scheint zwei Hälften zu haben: Der erste Teil ist rockig und direkt, getrennt durch die schöne Ballade „Sad Lullaby“ und wird dann opulenter und cineastischer, so bleibt das Album von Anfang bis Ende spannend. Was sagst du dazu, war dieser Verlauf von Anfang an geplant?
Nein, das hat sich einfach so ergeben.
Vor allem in der zweiten Hälfte des Albums gibt es auch Growls und noch düsterere Melodien, zum Beispiel das Ende von „Who Can Save Them“ und „Hear Them Roar“. Wie kam es dazu und worum geht es in den Songs, wofür stehen die Growls?
Die Growls kommen in sechs der elf Songs vor und ich wusste von Anfang an, dass ich Growls auf dem Album haben wollte. Vor allem liebe ich Growls. Für mich verleihen sie den Liedern eine Menge Bedeutung und unterstreichen die Aussage meiner Texte und machen die Lieder bunter.
Ist ein Projekt wie Allen/Olzon mit einem anderen Sänger etwas, das du in Zukunft gerne wieder machen würdest? Gibt es jemanden, mit dem du ein solches Projekt gerne umsetzen würdest?
Ja, und ich werde diesen Herbst für das nächste Album mit Allen/Olzon ins Studio gehen, damit geht es also weiter. Ich arbeite immer gerne mit anderen Sängern zusammen, also hoffe ich auf weitere tolle Projekte.
Deine Zeit bei Nightwish liegt zwar schon fast zehn Jahre zurück, aber du wirst noch immer in fast jedem Review und Artikel als „ehemalige Nightwish-Sängerin“ bezeichnet. Wie empfindest du das?
Das interessiert mich nicht besonders, aber ich hoffe, bald werde ich einfach nur noch Anette Olzon genannt. Ich glaube, die Leute wissen inzwischen auch ohne diese Bezeichnung, wer ich bin.
Du hast erst vor drei Jahren die Ausbildung zur Krankenpflegerin abgeschlossen und studierst seit 1. September, um Hebamme zu werden. Wie fühlt es sich an, wieder in der Schule zu sein?
Ich habe tatsächlich gemischte Gefühle: Ein Teil von mir ist glücklich und freut sich darauf, wieder zu studieren, während der andere Teil das Gefühl hat, dass ich es einfach nur hinter mich bringen will. Als Studentin ist es viel stressiger als in meinem regulären Job, und die Ausbildung ist sehr schnell und anspruchsvoll, also bin ich ziemlich gestresst. Außerdem muss ich meine Musik und muss im Herbst eine ganze Reihe von Alben aufnehmen und natürlich stehen auch einige Interviews für „Strong“ an. Aber ich hoffe, dass ich eines Tages mein Examen machen werde, aber das werden wir sehen. Ich bin 50 Jahre alt, und damit nicht mehr so jung, und es wird immer schwerer, etwas zu lernen.
Besonders seit Corona sind Krankenschwestern wichtiger als je zuvor. Hier in Deutschland hat sich das Ansehen und die finanzielle und arbeitszeitliche Situation leider nicht wesentlich zum Besseren verändert. Wie ist die Situation für dich in Schweden?
Bei uns ist es genauso, wir werden niemals das Geld verdienen, das wir bekommen sollten, obwohl es eine sehr stressige und verantwortungsvolle Arbeit mit unregelmäßigen Arbeitszeiten ist. Das Gleiche gilt für den Beruf der Hebamme. Ich hoffe, dass sich das eines Tages ändern wird, denn dann hätten auch mehr Menschen Lust, im medizinischen Bereich zu arbeiten.
Dein Vollzeitjob als Krankenschwester, dein Studium, Familie, Kinder, The Dark Element und dein Soloprojekt … es ist wirklich beeindruckend, was du alles gleichzeitig machst. Wie bringst du das alles unter einen Hut?
Das ist noch nicht alles, was ich mache, ich nehme auch andere Alben und Songs auf. Also ja, ich bin manchmal ziemlich gestresst und ich versuche immer so zu planen, dass ich genug Zeit habe, wenn ich anfange, für jemanden ein Album für aufzunehmen. Aber dann drängt die Plattenfirma darauf, dass sie es schneller haben will, und ich muss wochenlang wirklich hart arbeiten. Also ja, ich weiß eigentlich nicht, wie ich das alles schaffe, aber ich bin auch sehr effizient und lerne schnell, auch wenn ich älter bin. Ich habe einen liebevollen Ehemann und Kinder, die akzeptieren, dass ich all das mache, was ich da mache. Und ich glaube, wenn es mir eines Tages zu viel wird, muss ich auch etwas davon weglassen, aber im Moment liebe ich es, sowohl Sängerin zu sein als auch in der Medizin zu arbeiten.
Was ist das Beste an der Arbeit mit Kindern und werdenden Müttern?
Es ist wundervoll, an einem der größten Ereignisse im Leben teilzuhaben, wie eben die Geburt eines Babys. Es ist schön und ein wahrer Segen, dabei zu sein.
Du bist sehr aktiv auf Social Media und führst auch regelmäßig einen Blog. Wie wichtig ist es für dich, über diesen Weg mit deinen Fans Kontakt zu halten?
Es ist mir wichtig, denjenigen etwas zurückzugeben, die all die Jahre für mich da waren und es immer noch sind. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich keine Zeit oder Energie dafür habe, aber es gibt mir viel zurück und die Liebe, die ich von den Menschen auf Instagram bekomme, ist so schön.
Gibt es schon Pläne für ein neues The Dark Element-Album?
Es gibt keine Pläne, ich glaube aber, dass sie hoffen, dass wir ein neues Album machen. Momentan weiß ich aber nicht, wann das sein wird.
Wenn du für Schweden am Eurovision Song Contest teilnehmen könntest, würdest du es tun und würde dein Song eher nach deinem ersten oder zweiten Soloalbum klingen – oder eher nach Abba?
Ich glaube nicht, dass ich da mitmachen würde. Es fühlt sich nach einer großen Sache an und da ich Lampenfieber habe und Kameras nicht mag, weiß ich nicht, ob ich damit umgehen könnte. Aber wenn ich dabei wäre, würde ich natürlich einen Metalsong wie auf „Strong“ singen!
Kommen wir zum Schluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen als erstes in den Sinn?
Aktuelles Lieblingsalbum: Ghost – Prequelle
Abba: Die beste Band aller Zeiten!
TikTok: Eine spaßige Sache, um Neues auszuprobieren.
Natur: Beruhigt mich und gibt mir Stärke.
Etwas, das jeden schlechten Tag besser macht: Musik.
Nochmals vielen Dank für deine Zeit! Die letzten Worte gehören ganz dir. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern sagen möchtest?
Nur, dass ich hoffe, dass ihnen mein neues Album „Strong“ gefällt und sie gesund und sicher sind.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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