Die einheimischen Progger von ANDSOLIS machen es dem Hörer wahrlich nicht leicht. Ihr bald erscheinendes Debüt „Vigil“ (Review) steckt voller verschiedener Ideen und Stilen, entpuppt sich nach mehreren Durchgängen jedoch als musikalische Wundertüte und somit zu einer der angenehmeren Überraschungen in diesem noch jungen Jahr. Wir haben uns mit Sänger Manu sowie dem Bandkopf Simon über den Entstehungsprozess des Albums, die musikalischen Vorlieben sowie interessante Vergleiche unterhalten.
Hallo und danke, dass ihr euch Zeit für dieses Interview genommen habt. Wie geht’s euch soweit?
Simon: Im Moment ganz fabelhaft, vielen Dank der Nachfrage! Ich freue mich auf das Interview und höre nebenher das großartige „The Book of Lambs“-Album von Internecine (R.I.P.) – Tipp!
Manu: Soweit alles im Lack. Ich kann mich nicht beschweren. Läuft quasi!
Ich denke, die meisten unserer Leser kennen euch eher nicht. Stellt euch und eure Musik doch bitte einmal kurz vor.
Manu: Nun, ANDSOLIS ist im Kern Simons Baby. 2012 fing er an, Songs zu schreiben ohne überhaupt zu dem Zeitpunkt zu wissen, wie und mit wem er diese Songs verwirklichen kann. So ging er nach Fertigstellung der Demo-Tracks auf die Suche nach geeigneten Musikern. Dabei war es ihm scheinbar wichtig, dass die Musiker sich wirklich mit dem Material identifizieren konnten. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, dass er letzten Endes unter anderen auf mich zugekommen ist, auf Empfehlung eines gemeinsamen Freundes (Hauber / Revel In Flesh). Trotz der logistischen Schwierigkeiten was die Entfernung anbelangt – wohne ich doch in Norddeutschland, Marco und Bryan studieren Musik in den Niederlanden – hielt er daran fest. Mit Stefan und Martin waren noch zwei ältere Weggefährten von ihm von vornherein mit im Boot. Oliver von Liquid Horizon komplettierte das Ganze dann und ANDSOLIS war geboren.
Trotz des Umstands, dass wir fast alle noch andere Hauptbands haben, ist ANDSOLIS aber mitnichten als Projekt anzusehen, sondern hat schon den Status einer gleichberechtigten Band.
Wofür steht der Name „ANDSOLIS“?
Simon: Der Name geht zurück auf einen altnordischen Begriff andsoelis, was so viel wie „gegen die Sonne“ bedeutet. Dieser Begriff wurde im Altnordischen häufig verwendet, vor allem bei spirituellen Handlungen und um vermeintlich übernatürliche Phänomene zu beschreiben. Mir haben diese verloren gegangene Bedeutung wie auch der Klang des Wortes sehr gefallen – ich habe für unseren Bandnamen lediglich das „e“ entfernt.
Euer Debüt „Vigil“ steht kurz vor der Veröffentlichung. Wie fühlt ihr euch dabei?
Manu: Es ist schön zu sehen, dass nach der langen Zeit nun endlich die Veröffentlichung vor der Tür steht. Ich erinnere mich nämlich noch gut daran, wie Simon vor gut zwei Jahren Kontakt zu mir aufnahm und mir seine Idee unterbreitete, mitmachen zu wollen. Für mich klang das zunächst wie eine fragwürdige Idee, da ich doch die Problematiken auf Grund der Entfernung vor Augen hatte. Aber ich war sehr angetan von dem Material und hatte schon immer Lust, solche Musik zu machen. Nun zu sehen, welche Entwicklung die Songs gemacht haben – von den spartanischen Demoaufnahmen zu dem finalen Produkt – macht ein schon ein wenig glücklich und zufrieden.
Simon: Das ist schwer zu beschreiben – auf der einen Seite überglücklich, dass das Album so ist, wie es ist und wir mit Quality Steel Records ein tolles Label gefunden haben, das für uns das Risiko eingegangen ist, eine Platte einer völlig unbekannten Band herauszubringen. Auf der anderen Seite immer noch sehr spannungsgeladen! Denn natürlich hat man, wenn man so abgeschottet unter dem Radar werkelt, überhaupt keine Ahnung, wie man von der Szene angenommen wird – aber bisher waren die Reaktionen wirklich weitgehend toll. Ohne Frage ist das Liebhabermusik, aber wenn wir einige Menschen mit der Musik wirklich berühren können, ist das schon ein großartiges Feedback.
Zunächst einmal: Chapeau! Ihr habt da ja ein ziemlich interessantes Stück Musik geschrieben, welches verschiedene Genres abdeckt und voller Details steckt. Was könnt ihr uns denn zum Entstehungsprozess des Albums sagen? Wie kommen solche vielschichtigen Tracks zustande?
Simon: Vielen herzlichen Dank für diese Worte. Ich freue mich sehr darüber. Die Entstehung von „Vigil“ begann im Jahre 2012, als ich beschloss, ein Album zu schreiben, das ich mir gern im Auto anhören würde. Eigentlich ein völlig banaler Beginn für eine Band (lacht). Das habe ich auch noch niemandem erzählt, soweit ich weiß. Dann habe ich mich so für ein Jahr quasi eingeschlossen und an den Demos gearbeitet. Als die fertig waren, habe ich mich auf Musikersuche begeben. Zunächst machte mich Sebastian von Into Darkness mit unserem Drummer Marco bekannt, der seinerseits unseren Bassisten Bryan mit an Bord brachte. Ralf von Revel In Flesh empfahl mir mit Nachdruck Manu, weil er das Gefühl hatte, Manu und ich teilen einen ähnlichen Musikgeschmack. Unseren Keyboarder Martin kenne ich schon seit sehr langer Zeit, ebenso wie unseren anderen Gitarristen Stefan. Unseren anderen Sänger Oliver habe ich über das Video „Shine“ von dessen Band Liquid Horizon gefunden, das mir unglaublich gut gefallen hat – er hatte genau die Stimme, die ich gesucht habe. Ich bin sehr froh, dass ich all diese tollen Leute gefunden habe, sowohl als Musiker wie auch als Menschen. Die von Dir angesprochene Vielschichtigkeit kommt vermutlich hauptsächlich von meinem eigenen Musikgeschmack. Wobei diese Lieder so viel mehr an Lebendigkeit, Dynamik und für mich völlig unerwarteten Elementen gewonnen haben, wenn man sie mit den rudimentären Demoskizzen vergleicht. Erst durch die gemeinsame Arbeit von uns sieben im Studio und den Input unseres Produzenten Marc Ayerle (der auch als Gastmusiker auf dem Album zu hören ist) wurde das erst zu einem richtigen Bandalbum. Es klingt abgedroschen: Aber jetzt ist das Album für mich genauso, wie es sein muss.
Hattet ihr beim Komponieren nicht manchmal das Gefühl, euch eventuell selbst ein Bein zu stellen, sprich, eure Hörer mit den verschiedenen Stilen zu überfordern?
Simon: Ich habe darüber während der Kompositionsphase gar nicht wirklich nachgedacht. Ich wusste nur immer jeweils, was ich als nächstes gerne im Lied haben würde. Für mich klang das auch gar nicht so verschiedenartig – vielleicht bin ich aber zu nahe an diesem Album dran, um da noch irgendwie objektiv zu sein. Und im Vergleich zu anderen Bands passiert zwar viel in den Liedern, aber es sind immer nur die Basisinstrumente (Drums, Bass, Gits und Keys) plus eben unsere Sänger zu hören. Wir haben keine allzu extravaganten Sounds, keine elektronischen Drums, usw. Ich wollte das so haben – es sollte organisch sein, mit einem erdigen Klang, und – ganz wichtig – kein Loudness-War-Album, das dich niederwalzt, wenn du es rein machst. Es sollte Druck haben, klar, aber mit viel Transparenz, und es sollten alle Instrumente zu hören sein. Wer das Album lauter will, muss an seiner Stereoanlage drehen (lacht). Eigentlich hatte ich während des Songwritings nur Angst, keine Musiker zu finden, die die Lust und den Enthusiasmus haben, mit mir eine Band daraus zu machen. Zum Glück war diese unbegründet.
Manu: Es ist ja nun kein Novum, solche Musik zu machen und ich denke auch, dass es weitaus vielschichtigere Musik gibt, dennoch ist „Vigil“ sicherlich alles andere als Easy Listening. Deshalb werden Musikliebhaber, die Spaß daran haben, Musik sich entwickeln zu lassen, mit jedem Hördurchlauf bei uns auf ihre Kosten kommen. Überfordern wird es demnach meiner Meinung niemanden. Leute, die auf solch progressivere Klänge abfahren, werden „Vigil“ denke ich schnell verstehen und mögen. Alle anderen werden auf Grund des Genrelabels bestimmt schon einen Bogen um uns machen (lacht).
Auf dem Promozettel zum Album steht unter anderem: „Für Fans von Opeth, Disillusion, Enslaved, Nevermore, Amorphis und Psychotic Waltz.“ Wie seht ihr persönlich diese Vergleiche? Und sind euch solche Aussagen nicht sogar etwas unangenehm?
Manu: Nun, man muss dem Kind ja irgendeinen Namen geben. Wenn du als Newcomer daher kommst und versuchst, deine Musik zu beschreiben, zieht man natürlich Bekanntes heran, um das Ganze schon mal grob zu kategorisieren. Das soll mitnichten heißen, dass man sich auf demselben Level wie diese bekannteren Acts wähnt, sondern schlicht und ergreifend dem Hörer kurz skizzieren, mit was er in etwa zu rechnen hat. Jeder meint auch immer andere Einflüsse wahrzunehmen. Im Zuge der Rezensionen sind noch viel mehr krude Vergleiche herangezogen worden, wo mir persönlich schon die Ohren fast schlackerten, aber ok, wenn die Leute das so wahrnehmen soll es mir recht sein.
Simon: Eigentlich nicht – ich bin ja selbst in erster Linie Metalfan und kategorisiere auch sehr gern, wenn ich eine neue Band höre. Als ich das erste Mal die fantastischen Mars Volta hörte, dachte ich: „Geil – die Band vermischt ja Björk mit Led Zeppelin!“ Und wir haben für „Vigil“ selbst inzwischen schon so viele Bandvergleiche gehört – mit den stilistischen Extremwerten Muse (!) und Bathory (!!). Muss man auch erstmal schaffen (lacht). Ein Problem habe ich mit solchen Vergleichen also nicht – ich freue mich einfach darüber, wenn die Musik dem einen oder anderen gefällt.
Welche Band(s) würdet ihr denn persönlich als größte Inspirationsquelle(n) ansehen?
Manu: Nun, da ich inzwischen mehr als 20 Jahre Metal höre, dürften die Einflüsse mannigfaltig sein. Ich bin großer Fan der schwedischen Death-Metal-Schule, sowohl Old-School-Stockholm als auch die melodische Göteborg-Schiene. Das schlägt sich dann eher in meinem Wirken bei December Flower nieder. Ansonsten war für mich Opeth über Jahre das Non Plus Ultra. Ich habe „Still Life“ vergöttert und das steht immer noch unangefochten an der Spitze meiner Alltime-Faves. Katatonia sind für mich persönlich sehr wichtig, ansonsten waren Blind Guardian für mich meine ersten Helden und ich mag sie immer noch, auch wenn ich das alte Material bevorzuge. Gerade dreht sich sogar die neue Scheibe auf meinem Plattenteller.
Simon: Ich denke, meine Lieblingsbands im Metal sind Iron Maiden, Death, Pink Floyd, Opeth, Psychotic Waltz, Hate Eternal, Dark Tranquillity, Savatage, Anacrusis, Watchtower und Cynic. Plus vermutlich 1000 weitere, die mich und meinen persönlichen Musikgeschmack geprägt haben, sei dies nun im Metal oder einigen anderen Genres, die ich liebe.
Mir ist bei „Vigil“ speziell das schöne Cover-Artwork aufgefallen. Wer hat es entworfen und inwiefern hängt es mit dem Album bzw. den Texten zusammen?
Simon: Als ich das Cover zum ersten Mal gesehen habe, ist mir die Kinnlade runtergeklappt. Mein erster Gedanke war: So ein Cover verdient unsere Platte überhaupt nicht. Juanjo Castellano, der es gestaltet hat, ist ein unglaublich netter Mensch, ein verdammtes Genie und vermutlich in fünf Jahren einer der Top-Fünf Coverdesigner im Metal. Guck dir mal an, was er unlängst für die letzten Großtaten von Obscure Infinity oder Revel in Flesh gemacht hat – das ist absolute Weltklasse. Juanjo hat sich von den Texten des Albums sowie einigen Kernaussagen zur Band, zu unserer Naturverbundenheit und unserem eher introvertierten und melancholischen Charakter leiten lassen. Das Kernthema von „Vigil“ ist Verlust – sei es der Verlust einer geliebten Person, von schönen Zeiten oder von mentaler und seelischer Kraft. Dieses Gefühl des daraus resultierenden Verlangens nach etwas nicht länger Erreichbarem hat Juanjo in meinen Augen in seinem leicht surrealen Landschaftsportrait mit großer Sensibilität eingefangen.
Ich habe auf eurer offiziellen Facebook-Seite gesehen, dass die bisherigen Kritiken zu „Vigil“ sehr euphorisch ausgefallen sind. Hättet ihr mit so einer positiven Resonanz gerechnet? Wie viel bedeuten euch solche Reviews persönlich?
Manu: Es ist immer schön zu sehen, dass das, was man erschaffen hat und selbstverständlich selber auch gerne mag, außerhalb auch dementsprechend wahrgenommen und aufgenommen wird. Gerade beim Lesen dieser positiven Kritiken merkt man, dass sich der eine oder andere Rezensent wirklich mit dem Album auseinandergesetzt hat. Es gab nämlich auch die eine oder andere mittelmäßige Kritik, wenn man diese aber gelesen hat, merkte man aber auch schnell, wie viel Zeit der Schreiberling sich dafür genommen hat (lacht).
Simon: Da wir wirklich quasi völlig abgeschottet vor uns hingebastelt haben, hatten wir null Ahnung, wie das draußen angenommen wird. Wir waren auch zu sehr im Produktionsprozess, um da groß drüber nachdenken zu können. Vor diesem Hintergrund sind die positiven Rezensionen fabelhaft – es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man merkt, dass sich einige Menschen mit der Musik echt verbunden fühlen. Plattenkritiken an sich sind halt irgendwo immer ein zweischneidiges Schwert für eine Band. Auf der einen Seite freut man sich natürlich über positive Resonanzen – ebenso wie einem negative Kritiken fast weh tun: Man gibt emotional so unglaublich viel von sich in die Musik hinein und macht sich damit sehr verletzlich. Ich persönlich nehme Kritiken und die Kritiker sehr ernst, weil ich umgekehrt von den Rezipienten erwarte, dass sie sich ebenso ernsthaft mit der Musik auseinandersetzen. Für mich hat das mit gegenseitigem Respekt zu tun (keiner wird ja gezwungen, eine Platte zu hören und darüber zu schreiben). Ich weiß auch nicht, ob es irgendeinen Musiker gibt, dem das anders geht. Zudem lese ich gerne über Musik – was vermutlich auch mit meinem Faible für Literatur im Allgemeinen zu tun hat. Wir hatten für „Vigil“ bisher auch einige durchschnittliche und negative Reviews – aber die posten wir nicht. Wir sind ja kein objektiver Nachrichtensender (lacht).
Sind anlässlich der Veröffentlichung von „Vigil“ irgendwelche Konzerte/Touren geplant?
Simon: Fix und spruchreif ist gegenwärtig unsere Releaseparty am 17.04. im altehrwürdigen Schwimmbadclub in Heidelberg, zusammen mit Fragments of Unbecoming, Lyfthrasyr, Zombieslut und Olphor. Des Weiteren sind wir am Planen von einer Reihe von Gigs und kleineren Touren – möchten alles aber erst bekannt geben, wenn es in trockenen Tüchern ist. Wir sind bereit zu spielen, möchten uns aber auch nicht verheizen und auf alle Fälle den Hörern emotional und qualitativ hochwertige Bandpakete bieten. Wir freuen uns sehr darauf, „Vigil“ endlich live zu spielen, denn letztlich ist man dafür Musiker.
Wie sehen bei euch generell die Pläne für die nächste Zeit aus? Sind eventuell schon weitere Songs in Arbeit?
Simon: Aktuell stehen die letzten Vorbereitungen für die Konzerte an. Mittelfristig die Livetermine, und am Horizont hoffe ich, dass wir bis Ende 2015 das zweite Album fertig haben.
Die letzten Worte gehören euch – gibt es noch etwas, was ihr unseren Lesern mitteilen möchtet?
Manu: Stand Vigil and listen to ANDSOLIS!
Simon: Erst einmal vielen lieben Dank an dich, Sebastian, für das Interview bei Metal1.info und dein Interesse an unserer Band. Ich fand deine Fragen klasse, weil sie dazu angeregt haben, nachzudenken und die eigenen Standpunkte zu reflektieren.
Ok, dann danke ich euch an dieser Stelle nochmals. Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich das Interview an dieser Stelle gern mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was fällt euch spontan zu folgenden Begriffen ein:
Heidelberg: Simon: Studium, Leben, echt erwachsen werden. / Manu: Da wohnt der Simon.
Opeth: Manu: „Still Life“! / Simon: „My Arms, Your Hearse“!
Pegida/Legida: Simon: Problematisches Konglomerat aus fehlender Demokratiebildung, Politikverdrossenheit und falsch kommunizierter Integrationspolitik. / Manu: Dumm ist der, der dummes tut, und da sind die ganz weit vorne
Dein Lieblingsalbum 2014: Manu: At The Gates – „At War With Reality“! / Simon: Pallbearer – „The Foundations of Burden“!
ANDSOLIS in zehn Jahren: Simon: Viel live spielen, Alben machen! / Manu: Zehn Jahre älter!