Interview mit Timo Kontio von …And Oceans

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Mit „Cosmic World Mother“ haben die finnischen Symphonic-Black-Metaller …AND OCEANS ein so unvorhersehbares wie fantastisches Comeback hingelegt. Wie sich ihre Erfahrungen als Industrial-Metal-Band unter dem Namen Havoc Unit auf ihren Symphonic Black Metal ausgewirkt hat, warum die Band nun wieder ihren alten Namen angenommen hat, welche Probleme sich bei der Entstehung des neuen Albums (nicht) gestellt haben und welche Rolle das Keyboard bei …AND OCEANS spielt, erfahrt ihr im folgenden Interview mit Bandgründer und Gitarrist Timo Kontio.

Ich grüße dich! Vielen Dank, dass du uns ein paar Fragen beantwortest. Wie geht es dir derzeit?
Es ist mir eine Freude. Wir befinden uns mehr oder weniger im Wartemodus. Wir werden sehen, wie sich die Dinge mit dieser COVID-Sache entwickeln. Wir haben eine ganze Reihe von Club-Auftritten hier in Finnland geplant und wir hoffen, dass wir sie realisieren können. Dann werden wir sehen, was uns das nächste Jahr bringen wird.

Nachdem ihr lange als Havoc Unit Industrial Metal gespielt habt, seid ihr nun zu eurem alten Namen …AND OCEANS und zum Symphonic Black Metal zurückgekehrt. Was hat euch zu diesem Comeback inspiriert?
Wir haben eine Platte mit Havoc Unit gemacht und danach haben ich und unser Schlagzeuger eine ganze Weile geprobt, für den Fall, dass wir Live-Auftritte gehabt hätten, aber wir haben es nicht geschafft, eine komplette Band oder Session-Musiker zu bekommen, sodass es ziemlich schnell auseinanderfiel. Das war keine Frage des Bandnamens. Havoc Unit war eine ganz andere Sache und eine völlig andere Band als …AND OCEANS, obwohl es eine Art Nachfolger davon war.
Wir hatten die Idee, ein paarmal im Laufe der Jahre wiederzukommen. Einfach weil wir diese Art von Musik wieder spielen und vielleicht sogar neue Sachen machen wollten. Dieses neue Zeug war eine Sache, die uns davon abhielt, früher zurückzukommen. Wir wussten nicht wirklich, ob wir mit dieser Band Musik machen sollten oder nicht. Zuerst waren wir ziemlich unsicher, ob unser neues Material würdig für …AND OCEANS ist und ob wir damit das gleiche Gefühl und die gleiche Atmosphäre schaffen könnten. Jetzt, da das Album erschienen ist, können wir sagen, dass es ein unnötiges Zögern war.

Habt ihr mit Havoc Unit nun vollkommen abgeschlossen oder ist ein zweites Comeback als Havoc Unit für euch noch eine Option?
Ja, wie bereits erwähnt, war es ziemlich schnell vorbei und wir haben darüber gesprochen. Wir werden nicht mit dieser Band zurückkommen. Wir haben bereits Festerday und jetzt …AND OCEANS wiederbelebt.

Eure Bandbesetzung hat sich derweil stark verändert. Warum war es deiner Meinung nach dennoch die richtige Entscheidung, erneut den Namen …AND OCEANS anzunehmen?
Wir hatten fast die ursprüngliche Besetzung, als wir wieder angefangen haben. Sogar unseren ersten Schlagzeuger aus der Ära ’95-’97. Ich wüsste nicht, warum wir nicht den ursprünglichen Namen nehmen sollten, wenn wir mit dieser Band weitermachen wollen. Warum sich einen neuen Namen ausdenken?

Euer alter Sänger hat kurz vor den Aufnahmen zu eurem aktuellen Album die Band verlassen. Wie kam es dazu?
Ja, wir mussten ihn gehen lassen. Nun, dafür gibt es mehrere Gründe und die meisten davon sind mehr oder weniger persönlich oder etwas, das nur eine Sache der Band ist. Ich werde nicht ins Detail gehen. Ich kann nur sagen, dass diese Entscheidung getroffen werden musste, damit wir als Band weitermachen können.

Zu eurem neuen Sänger Mathias Lillmåns hattet ihr zuvor bereits Verbindungen über Magenta Harvest. Was genau war jedoch der Grund dafür, dass ihr gerade ihn kurzfristig in die Band geholt habt?
Ja, ich habe mit ihm in dieser Band gespielt. Ich habe diese Band auch recht bald gegründet, nachdem …AND OCEANS auseinanderfiel. Ein Grund war, dass wir ziemlich schnell einen Sänger brauchten, um neue Texte für unsere Songs zu schreiben und Vorkehrungen zu treffen, bevor wir das Studio betraten. Wir kannten ihn, wussten, was er mit seiner Stimme und seiner Arbeitsethik tun kann, also wussten wir, dass er das schaffen kann. Das Endergebnis ist so großartig, wie es nur sein kann, deshalb sind wir mit dieser Lösung sehr zufrieden.

Gerade der Leadsänger kann das Image und den Stil einer Band entscheidend beeinflussen. Inwiefern hat Mathias …AND OCEANS seinen Stempel aufgedrückt?
Wie dieser Stempel aussieht, bleibt abzuwarten. (lacht) Nun, wegen dieser Pandemie hatten wir bisher nur zwei Auftritte. Obwohl wir natürlich wussten, dass die Live-Situation nichts anderes als großartig sein würde. Sein Gesang auf der Platte ist auch erstaunlich, obwohl er so kurzfristig arrangiert wurde usw. Bis jetzt sind wir mehr als zufrieden mit allem. Wir sind bestrebt, die nächste Platte zu machen und alles noch weiter voranzutreiben. Neue Lieder sind bereits entstanden.

Die COVID-19-Pandemie hatte auf die Musikbranche gravierende Auswirkungen. Wie schwer macht euch die Situation zu schaffen?
Natürlich erschwert sie es uns, unser neues Album anzukurbeln. Fast alles wurde abgesagt oder verschoben. Wie bereits erwähnt, hoffen wir, dass wir diese Club-Gigs hier in Finnland in den kommenden Monaten arrangieren können. Der Rest Europas ist für nächstes Jahr geplant. Mehr können wir noch nicht sagen.
Wir befürchten nur, dass uns dies härter trifft, als wir bisher überhaupt wissen. Wir werden sehen, wie viele Veranstaltungsorte das überleben werden und wie sie Bands aufnehmen werden, wenn alles unsicher ist und sich Situationen und Einschränkungen ständig ändern.

Eure Rückkehr als …AND OCEANS scheint ziemlich große Wellen geschlagen zu haben. Hättest du erwartet, dass die Leute von eurem neuen Album „Cosmic World Mother“ derart begeistert sein würden?
Das Feedback war bisher so stark, dass wir inzwischen sicher wissen, dass es an der Zeit war, wiederzukommen. Die Leute scheinen sich nach dieser Art von symphonischem Black Metal gesehnt zu haben, der heute nicht mehr so typisch ist. Natürlich weiß man nie, wie die Leute unser neues Material aufnehmen werden, obwohl wir wussten, dass wir ein wirklich starkes Album gemacht haben. Glücklicherweise teilen die Leute diese Meinung mit uns und sie haben unser neues Material wirklich positiv aufgenommen. Das gibt uns einen großen Auftrieb und wir können es kaum erwarten, diese Auftritte und Festivals in ganz Europa und hoffentlich auf der ganzen Welt zu haben.

Musstet ihr euch erst einmal daran gewöhnen, wieder Symphonic Black Metal zu kreieren?
Eigentlich nicht. Es war irgendwie seltsam, wie leicht diese Riffs und Melodien kamen. Das ist immer noch der Fall und wie ich vorhin schon sagte, haben wir bereits neue Sachen fertig. Warum jetzt aufhören, wenn das so einfach kommt? Ein neues Album ist gar keine so schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass wir das aktuelle Album wegen COVID vielleicht nicht so promoten können, wie wir es wollten.

An einigen Stellen klingen auf „Cosmic World Mother“ noch eure elektronischen Einflüsse durch. Denkst du, dass eure Zeit als Industrial-Metal-Band euch dabei geholfen hat, besseren Symphonic Black Metal zu kreieren?
Wir haben diese Elemente hier und da. Diesmal wollten wir den Sound unserer beiden ersten Alben kreieren und nicht nur um des Sounds willen irgendwelche elektronischen Sachen machen. Man weiß nie, was ein neues Album bringen wird, aber diese Elemente werden auch in Zukunft ein Teil unserer Musik sein, wenn auch vielleicht nicht so direkt wie auf unseren späteren Alben. Wir haben einen neuen Keyboarder, der sich sehr für diese Art von Musik interessiert, also kommen diese Elemente wirklich ganz natürlich von ihm.

Euer neuer Sound wirkt sehr ausgefeilt, aber zugleich etwas konventioneller als zuvor. Denkst du, dass eure Experimente in der Vergangenheit zum Teil auch missglückt sind?
Experimentieren kann immer ein Risiko sein. Es ist schwer zu sagen, ob uns das gelungen ist oder nicht, aber alles spiegelt uns und was wir in der jeweiligen Zeit tun wollten wider. Aber wir sind alle zufrieden mit den Ergebnissen, auch nach so vielen Jahren. Wir können unsere Alben sogar durchhören, das ist eine gute Sache. (lacht)

Ihr setzt auf „Cosmic World Mother“ nahezu durchweg Keyboards ein, im Gegensatz zu vielen Bands des Genres ahmt ihr damit jedoch keine anderen Instrumente nach. Denkst du, dass eine Orchestrierung ohne echtes Orchester zwangsläufig kitschig klingt?
Da hast du Recht, wir wollen sie nicht benutzen, um irgendeine Lücke in unserer Musik zu füllen. Eher um die Musik zu ergänzen. Natürlich kann es hier und da eine Stelle geben, an der sie die Hauptrolle spielen. Für mich sind sie spannender, wenn sie nicht die ganze Zeit vorne stehen und wenn man mehr Nuancen hört und findet, je mehr man diese Lieder hört.
Ich stehe nicht so sehr auf große Orchestrierungen, deshalb kann ich diese nicht wirklich kommentieren. Für mich sind sie ein bisschen zu viel für diese Art von Musik.

Also würde es dich nicht reizen, mit einem Orchester zusammenzuarbeiten, sofern ihr die Möglichkeit hättet?
Wie in der vorigen Frage erwähnt, daran bin ich im Moment nicht so interessiert.

Neben der Musik wurde auch Adrien Boussons Artwork in vielen Reviews positiv hervorgehoben. Warum habt ihr gerade ihn mit der Arbeit an dem Bild beauftragt?
Er arbeitet für Season of Mist und hat einige großartige Artworks für verschiedene Bands gemacht, also war das für uns eine ganz offensichtliche und praktische Lösung. Umso mehr, nachdem wir hörten, dass er ein alter Fan von …AND OCEANS ist und die Idee hatte, mehrere Illustrationen und sogar eine für jeden Song zu machen.

Welche Vorgaben habt ihr ihm im Hinblick auf das Artwork gegeben?
Zunächst gaben wir ihm für das Cover den Ausgangspunkt. Diese Idee stammte von einem russischen Maler und einem bestimmten Werk von diesem. Für die Track-Illustrationen erhielt er Richtlinien von unserem Sänger. Sie geben also die Idee hinter den Liedtexten für jedes Lied wieder. Auch das war wirklich interessant und das Ergebnis ist einfach erstaunlich! Ich glaube nicht, dass das irgendjemand bestreiten kann.

Wie wird es nun mit …AND OCEANS weitergehen?
Wir machen immer wieder neue Sachen für das nächste Album. Wir warten gespannt auf die Club-Gigs später in diesem Jahr und hoffen, dass wir nächstes Jahr anfangen können, durch Europa zu touren. Das wäre ein guter Anfang.

Zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
The Kovenant: In Times Before The Light
Raumfahrt: Interessant
Dimmu Borgirs „Spiritual Black Dimensions“: Vielleicht das letzte Album mit diesem alten Geist und Gefühl.
Traditioneller Black Metal: Darkthrone
Klimaschutz: Darüber sollte man nachdenken.
Spiritualität: Nicht mein Ding oder besser gesagt nicht möglich in der modernen Gesellschaft.

Nochmals vielen Dank dafür, dass du uns deine Zeit geschenkt hast. Die letzten Worte würde ich gern dir überlassen:
Ich danke dir für dieses Gespräch. Ich danke allen für die bisherige Unterstützung und hoffe, euch auf Tour zu sehen! Das wird wohl nächstes Jahr oder in zwei Jahren sein …

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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