Die Geschichte von ALIEN WEAPONRY klingt wie die optimistischste Fantasie einer jeden neuen Band. Der Veröffentlichung des Debüts auf einem renommierten Majorlabel folgten weltweite Beachtung und Shows mit Slayer, Black Label Society und im nächsten Jahr eine Tour mit Gojira. ALIEN WEAPONRY gelten als eine der vielversprechendsten Bands dieser Zeit und sprachen im Zoom-Video mit uns über das neue Album „Tangaroa“ und den bisherigen Werdegang der jungen Truppe aus Neuseeland.
Euer zweites Album, „Tangaroa“ steht in den Startlöchern. Wie sind die bisherigen Reaktionen, die ihr erhalten habt?
Henry: Die Rückmeldung der Journalisten, mit denen wir bislang gesprochen haben, die bereits Vorabzugriff auf das Album hatten, sind wirklich fantastisch. Erste Reviews lesen sich großartig und wir hoffen, dass sich das auch in der Fanbase bestätigt.
Davon gehe ich aus. Ich finde die neuen Stücke zeigen euch von einer sehr viel nachdenklicheren und persönlicheren Seite.
Lewis: Ja, das Album ist auf jeden Fall eine Art Reflektion, auf das, was in der Zwischenzeit passiert ist. Während „Ahi Ka“ und „Blinded“ schon vor zwei Jahren fertig waren, haben die anderen Songs etwa sechs Monate gebraucht.
Henry: Das Album zu schreiben, war für uns schon anders. Wir haben in der Zwischenzeit Erfahrungen mit dem Touren gesammelt, waren Übersee, lernten anderen Bands kennen. Viele Songs haben wir auch im Hinblick auf Liveshows geschrieben, das war auch ein Aspekt.
Wieso wurden denn „Blinded“ und „Ahi Ka“ schon vor zwei Jahren veröffentlicht? Das ist ja recht ungewöhnlich und vor allem ein langer Zeitraum für eine junge Band, die stetig an Erfahrung dazu gewinnt. Waren die beiden Songs einfach zwischendurch fertig und so etwas wie ein Lebenszeichen?
Lewis: Ja, das kann man so sagen. Sie entstanden in einem kleinen Zeitfenster, das wir zwischen dem Touren hatten. Da passte es, diese Songs zu schreiben und auch gleich die Videos dafür zu drehen.
Die neuen Songs finde ich im Vergleich zur „Tu“ etwas schwerer zugänglich. Seid ihr diesmal anders an das Songwriting herangegangen, oder ist das einfach so entstanden als ihr die Texte geschrieben habt?
Henry: Ich glaube schon, dass wir sowohl musikalisch als auch textlich ein bisschen anders an das Album herangegangen sind. Aber doch hat es weiterhin die ALIEN WEAPONRY-Roots. Das ist eine ganz natürliche Sache, die letzten Jahre haben uns natürlich geprägt und beeinflusst.
Schreibt ihr eigentlich zuerst die Musik oder den Text zu einem Song? Ich habe den Eindruck, dass ihr keine Band seid, die einfach nur Musik machen möchte, sondern eine Band mit einer Botschaft. Daher vermute ich, dass ihr zuerst die Texte schreibt und anschließend die passende Musik.
Lewis: Überwiegend haben wir schon zuerst den instrumentalen Teil fertig, bevor wir die Lyrics schreiben. Das variiert aber ein wenig, es gibt schon auch Stücke, bei denen die Texte geschrieben waren, bevor der Song entstanden ist. Aber meistens ist die Musik zuerst fertig.
Mit „Unforgiving“ und „Crooked Monsters“ habt ihr zwei Lieder geschrieben, die man so kaum erwartet hätte. Beide sind musikalisch wirklich schön, aber thematisch schwer verdaulich. Haben sie einen persönlichen Hintergrund?
Lewis: Ja, bei „Unforgiving“ geht es um Existenzängste. Auch wenn die Dinge gut laufen, hat man im Hinterkopf oftmals noch diese Ängste, dass alles schnell auseinanderbrechen kann. Diesen Song wollte ich einfach schreiben, er half mir ein bisschen, diese Gedanken zu verarbeiten. Bei „Crooked Monsters“ geht es um sexuellen Missbrauch, der einer Person widerfahren ist, die mir extrem nahesteht. Ich habe den Song geschrieben, nachdem ich erfahren habe, was da passiert ist. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Wut umgehen sollte, die ich verspürte. Also wollte ich meine Gedanken mit diesem Song verarbeiten.
Eure Texte handeln häufig von der indigenen Bevölkerung Neuseelands. Davon kriegt man abseits gezielter Recherche in Deutschland natürlich nicht so viel mit. Offenbar macht diese rund 15% der Neuseeländer aus. Hat das nur historische Aspekte, oder gibt es da tägliche Berührungspunkte?
Henry: Wir widmen uns nicht nur der Geschichte unseres Landes, sondern seiner Kultur im Ganzen. Ein Thema des Albums ist Ihenga, einem früheren Entdecker, der Neuseeland erkundet hat. Er reiste hier viel umher und hat zahlreichen Orten einen Namen gegeben. Bei „Hatupatu“ handelt es sich um eine folkloristische Erzählung eines jungen Mannes, der aus den Wäldern hervorkam. Ganz grundsätzlich lassen wir also die gesamte Geschichte der Maori in unsere Texte einfließen. Man sagt zwar, dass sich 15 Prozent der Bevölkerung als Maori identifizieren, aber tatsächlich sind es weniger. Um das in Zahlen zu fassen: nur etwa 3% der Bevölkerung sprechen die maorische Sprache nativ.
Wie darf man sich den Tag bei ALIEN WEAPONRY vorstellen, an dem ein neuer Song oder eben ein neues Album veröffentlicht wird? Vermutlich werden viele Bands den ganzen Tag die Social-Media-Plattformen verfolgen um erste Reaktionen zu erhalten. Erste Youtube-Reactions suchen und so weiter. Seid ihr da zusammen oder ist jeder für sich? Ihr beide seid natürlich Geschwister, ist Turanga dann auch bei euch?
Henry: Ja, Turanga hat etwa 15 Minuten bis zu uns. An einem solchen Tag checken wir natürlich gerne die sozialen Medien und beobachten, wie die Leute reagieren. Das ist immer spannend.
Würdet ihr kategorisch ausschließen, einen zweiten Gitarristen dazu zu holen um dem Sound zusätzliche Möglichkeiten zu geben? Das soll natürlich nicht bedeuten, dass etwas fehlt, aber habt ihr schon mal darüber nachgedacht?
Lewis: Wir wurden schon häufiger mit dieser Idee konfrontiert, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir das bräuchten, also bin ich zu diesem Zeitpunkt relativ zuversichtlich, dass wir zu dritt bleiben.
Herny: Man darf ja nicht vergessen, dass die Hinzunahme von jemandem Neuen nicht so einfach ist. Es muss alles zusammenpassen, man muss gut miteinander auskommen. Das ist im Moment absolut der Fall und wir sind glücklich, dass es so ist wie es ist.
Die Story von ALIEN WEAPONRY klingt wie ein Märchen: Das Debüt bei einem der größten Labels veröffentlicht, die letzte Slayer-Show in Deutschland eröffnen, auf Tour mit Black Label Society und Gojira. Habt ihr das alles schon realisiert, oder fühlt sich das noch wie ein Traum an, aus dem man nicht erwachen möchte?
Henry: Ich würde sagen, dass wir unglaublich viel Glück hatten. All die Möglichkeiten, die wir schon hatten, all die Bands für die wir im Vorprogramm spielen durften, überhaupt die ganzen Orte an denen wir aufgrund unserer Musik schon sein durften. Das ist etwas, wofür wir unbeschreiblich dankbar sind und etwas, das wir niemals vergessen werden. Natürlich geht es dann auch ein bisschen darum, vorbereitet zu sein. Als wir angefragt wurden, in Europa zu spielen, konnten wir sofort zusagen, aber das liegt auch daran, dass wir in den letzten drei Jahren das Geld dafür gespart haben, für den Fall, dass es eines Tages so weit sein wird.
Als ich um 2003 herum die ersten Festivals besucht habe, fiel mir auf, dass die älteren Leute gerne herausgestellt haben, dass sie älter sind. „Ich habe Motörhead schon in den 80ern gesehen, da warst du ja noch im Kindergarten“ und so weiter. Macht ihr als junge Musiker ähnliche Erfahrungen, oder spürt ihr an der Stelle mehr Offenheit?
Lewis: Ganz am Anfang haben wir das schon bemerkt, aber inzwischen wird das nicht mehr so herausgestellt. Als wir damals, so mit 13, 14 Jahren unsere ersten Gigs spielten, haben die Leute uns natürlich noch nicht so ernst genommen. Aber all die Arbeit, die wir investiert haben, führte schon dazu, dass die Leute vornehmlich auf unsere Musik achten und nicht so sehr auf unser Alter.
Ihr werdet oftmals mit Sepultura oder Soulfly verglichen. Auf „Tangaroa“ kann ich diesen Querverweis nicht mehr erkennen. Ist dieser ständige Vergleich schon nervig, oder seht ihr das als Kompliment? Habt ihr euch bei den Arbeiten für das neue Album womöglich bewusst ein bisschen davon lösen wollen?
Lewis: Um ehrlich zu sein: mit einer Band wie Sepultura verglichen zu werden, müssen wir als Kompliment nehmen. Das ist eine legendäre Band. Aber es ist auch lustig, dass dieser Vergleich so häufig angestellt wird. Denn ehrlicherweise haben wir uns mit diesen Bands erst befasst, als die Vergleiche anfingen. Vorher gab es keine Berührungspunkte, bis dahin hatten wir sie noch nicht entdeckt.
Henry: Und was das Songwriting betrifft: das hat sich bei uns natürlich auch weiterentwickelt. Viele der Songs auf dem ersten Album wurden geschrieben als Lewis 13 war und ich 15. Seither ist unheimlich viel Zeit vergangen, gerade für uns als Musiker. Insofern ist das einfach unsere musikalische Weiterentwicklung als Band.
Ihr steht vor einer großen Tour mit Gojira. Wie ist es dazu gekommen? Wenn ich mich nicht täusche habt ihr dasselbe Management. Steht ihr in persönlichem Kontakt mit den Jungs von Gojira?
Henry: Stimmt, wir haben dasselbe Management. Im Moment sind wir nicht in persönlichem Kontakt, aber vor einiger Zeit konnten wir uns auf einem Festival kennenlernen und ein wenig Zeit verbringen. Ich glaube es waren Tool, denen wir gemeinsam mit Joe und Mario (Duplantier, Gojira) zusahen. Das war interessant, mit den Leuten zu denen wir aufschauen, wie Fangirls ein Konzert einer anderen Band zu erleben. Das war wirklich cool.
Wenn wir mal in die Zukunft blicken, welche Bands sind in etwa zehn Jahren die großen Festival-Headliner, wenn Metallica, Maiden und Priest das Feld räumen?
Henry: Uff. Von den Bands, von denen ich sagen würde, dass ich so etwas noch nie zuvor gesehen habe, würde ich als erstes Ghost nennen. Sie haben eine wirklich unfassbare Liveshow. Und sonst wären sicherlich noch Gojira, Lamb Of God oder Meshuggah dabei. Aber eine solche Wahl zu treffen fällt mir wirklich schwer.
Vielen Dank Leute, ich habe mich sehr gefreut. Die letzten Worte gehören euch.
Henry: Sehr gerne, wir danken auch!
Lewis: Leute, am 17. September kommt unser neues Album raus, also haltet die Augen offen.
Henry: Anfang 2022 kommen wir nach Europa, die Karten sind schon erhältlich.
Lewis: Mit Gojira!
Henry: Mit Gojira! Das dürfte eine tolle Tour werden, also sichert euch Karten auf unserer Webseite.
Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.