Interview mit Daniel Droste von Ahab

Vor 14 Jahren veröffentlichten AHAB mit ihrem Debüt „The Call Of The Wretched Sea“ ein Funeral-Doom-Album, das bis heute als genreprägend gilt. Nun würdigen die Heidelberger dem Werk mit einer Live-CD, die ausschließlich Material dieser Platte enthält. Wie es dazu kam, warum das Publikum auf der Aufnahme etwas untergeht und warum Live-Alben im Metal generell so ein Ding sind, erklärt AHAB-Gitarrist und -Sänger Daniel Droste.

Hattet ihr erst die Idee zu einer Special-Show und dann die zur Live-CD oder andersherum?
Wir wurden zunächst für das Deaf Row Fest in Jena gebucht. Dass das Konzert dann letztendlich aufgezeichnet werden würde, wussten wir nicht. Der nette Herr am Mischpult kam nach der Show auf uns zu und teilte uns mit, dass er das Konzert mitgeschnitten hatte. Wir waren darüber selbstverständlich dankbar, hatten aber zunächst keine konkreten Pläne mit dem Material.

Immerhin hattet ihr so nicht noch den zusätzlichen Druck der Aufnahmesituation …
Ja, da wir nicht wussten, dass das Album mitgeschnitten wurde, war es für uns ein Auftritt wie jeder andere auch. Hätte ich von der Aufnahme gewusst, wäre ich sicher etwas angespannter gewesen als üblich, da dies für mich eine neue Erfahrung gewesen wäre.

Wie wurde daraus dann das erste Live-Album von AHAB?
Letztes Jahr kam ein Freund unseres Drummers mit der Idee auf uns zu, die Show als limitiertes Tape auf seinem Label Low Fidelity Records zu veröffentlichen. Als Napalm Records das Material hörten, waren sie ebenfalls sehr daran interessiert, das Konzert sowohl auf Vinyl als auch auf CD zu veröffentlichen. Bei der Tape-Veröffentlichung mussten wir nicht lange überlegen, in sehr kleiner Auflage war das für uns als Artikel für Liebhaber und Sammler eine runde Sache. Als das Ganze dann mit dem Interesse unseres Labels begann, größere Kreise zu ziehen, waren wir uns ehrlich gesagt zunächst unsicher. Da die Aufnahme unserer Show nicht nachträglich im Studio bearbeitet wurde, bestand die Gefahr, dass der gute Sound der Platte die Erwartungshaltung einiger Käufer dennoch nicht befriedigen würde. Um klare Verhältnisse zu schaffen, entschieden wir uns schließlich, das Ganze als Live-Bootleg zu veröffentlichen.

Eine Live-DVD war demnach wohl auch kein Thema. Wäre das für euch ansonsten zur Debatte gestanden?
Nein, von der Show In Jena hatten wir kein Bildmaterial, also stellte sich diese Frage erst gar nicht. Zudem ist eine DVD-Produktion auch mit Kosten verbunden. Ich weiß nicht, ob sich dies heutzutage, wo alles binnen weniger Tage auf YouTube hochgeladen wird, überhaupt noch lohnen würde. Vielleicht landet ja das eine oder andere künftig als Bonusmaterial auf einer Veröffentlichung.

Wie viel habt ihr an dem Material dann nachbearbeitet, also habt ihr etwa mit Overdubs gearbeitet?
Meines Wissens nach hatten wir nur eine Spur als Mixdown der Show bekommen – unsere Möglichkeiten zur Nachbearbeitung waren daher sehr begrenzt. Ich weiß, dass unser Drummer im Nachhinein noch etwas am EQ der Spur gedreht hat, aber viel mehr ist meines Wissens nicht passiert. Eine im Studio nachgearbeitete Live-CD klingt im Endeffekt sicherlich fetter – aber „Live Prey“ gibt ein gut klingendes und trotzdem recht authentisches Bild des damaligen Auftrittes.

Auf der Aufnahme hört man quasi kein Publikum, was ich schade finde, weil das den Live-Charakter etwas schmälert. Gab es wegen der Samples in den Songpausen keinen Applaus, habt ihr den rausgemischt/-geschnitten, oder sind sogar die Samples nachträglich eingefügt?
Rausgeschnitten haben wir definitiv nichts. Das wäre, da sich alles auf einer Spur befand, technisch auch gar nicht möglich gewesen. Auch die Samples sind seit einigen Jahren bereits fester Bestandteil unserer Shows und nicht nachträglich hinzugefügt worden. Es gibt immer mal wieder Konzerte, bei denen das Publikum nach Songs, während die Samples laufen, still ist und lauscht. Ob dies in Jena der Fall war oder ob die Mikrophonierung, die ja in erster Linie die Instrumente auf der Bühne abnehmen  soll, das Publikum schlicht nicht einfangen konnte, weiß ich allerdings nicht.

Die Setlist speist sich komplett aus Songs von eurem Debüt „The Call Of The Wretched Sea“. Was hat euch an einer „Oldschool-Show“ gereizt?
Die Idee zur Oldschool-Show entstand ein Stück weit aus der Not heraus. Der Veranstalter des Deaf Row Fests hatte Interesse an einem Special-Set, wir schaffen es als Band jedoch nicht, regelmäßig zu proben. Da wir Anfang 2017 auf dem Roadburn-Festival bereits ein Set aufgeführt hatten, das ausschließlich aus Songs unserer ersten Platte bestanden hatte, lag es für uns nahe, dieses Set auch auf dem Deaf Row Fest zu spielen. Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder Wünsche seitens unserer Fans, auch alte Songs ins Live-Set zu übernehmen, die üblicherweise nicht live gespielt werden. Insofern war dies auch eine Möglichkeit, diesem Wunsch nachzukommen

Das Album ist 14 Jahre alt – trotzdem scheint ihr damit noch zufrieden zu sein, wenn ihr das Material so gerne live spielt. Gibt es aus heutiger Sicht etwas, das du an eurem Debüt anders machen würdest?
Ja und nein. Ich würde heute eine CD nicht mehr so aufnehmen wollen, wie wir es damals getan haben. Die Gitarrensounds auf unserer ersten Platte sind alle mittels Plugins am PC erzeugt worden, da wir nicht die Möglichkeit hatten, laute Amps aufzunehmen. Der Sound gefiel uns damals auch und er trägt sicherlich in Kombination mit den Unmengen an Hall zur speziellen Stimmung der Platte bei. Ich denke auch, dass sich dieses Gesamtklangbild – vielleicht auch weil es ein Stück weit aus unserer Unwissenheit heraus entstanden ist –, nicht so leicht reproduzieren ließe. An einer Schule für Tontechnik wäre man mit einer solchen Aufnahme sicher hochkant rausgeflogen; aber diese Nonkonformität macht dieses Album auch zu etwas  Besonderem … und auch wenn sich unsere Präferenzen bezüglich Aufnahme und Sound grundlegend von den damaligen unterscheiden, sehe ich absolut keinen Sinn darin, „The Call Of The Wretched Sea“ neu aufzunehmen.

Auf der Live-CD sind allerdings nur fünf der sechs (echten) Songs gelandet. Warum habt ihr euch „The Sermon“ gespart?
Wenn ich mich recht entsinne, lag das vor allem an der vorgegebenen Spielzeit: Die komplette Platte hätten wir in dem zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen schlicht nicht untergebracht. Daher mussten wir uns gegen einen Song entscheiden.

Weiterhin habt ihr euch dagegen entschieden, das Album in seiner damaligen Tracklist-Reihenfolge zu spielen und habt „The Hunt“ und „Ahab’s Oath“ getauscht. Warum?
„The Hunt“ hat sich bei uns über die Jahre als letzter Song in unseren Sets etabliert. Als einer der ältesten AHAB-Songs ist die Resonanz des Publikums meist bei diesem Song am besten. Wer AHAB kennt, kennt diesen Song, und da wir durch das Weglassen von „The Sermon“ die Spielfolge der Songs eh ändern mussten, haben wir uns dazu entschieden, an den alten Gewohnheiten festzuhalten und „The Hunt“ an den Schluss der Setlist zu packen.

Ihr vertreibt die CD auch selbst, postet Fotos von den Unmengen an Paketen, die ihr verschicken müsst – ist das bei eurer Bandgröße überhaupt noch machbar und was war die weiteste Reise, auf die sich eine „Live Pray“ aus eurem Shop begeben durfte?
Den Versand der Artikel unseres Shops übernimmt unser Bassist Stephan. Natürlich kommt da mittlerweile einiges zusammen, vor allem bei Pre-Order-Geschichten gibt es viel abzuarbeiten. Wie viel da wirklich an Arbeit zusammenkommt, merke ich immer dann wieder, wenn ich den Shop während Stephans Urlaub übernehme. Es ist ja nicht allein mit Verpacken und Zur-Post-Tragen getan, für die Steuer und eventuelle Reklamationen muss zudem alles akribisch in Listen festgehalten werden. Bezüglich der aktuellen Bestellungen zu „Live Prey“ bin ich nicht auf dem Laufenden – ich denke jedoch, dass die Herkunft der Kundschaft sich nicht allzu groß von den bisherigen unterscheiden werden. Neben Deutschland sind die USA für uns der größte Absatzmarkt. Vom Afrikanischen Kontinent mal abgesehen haben wir schon so ziemlich überall hin verschickt, das Weiteste wird demnach Neuseeland gewesen sein.

Generell sind Live-Alben ein sehr metaltypisches Format. Wie erklärst du dir diese Faszination in der Szene für Konzertmitschnitte?
Metal ist keine Mainstream-Musik, es gibt viele Bands – uns eingeschlossen –, die zwar schon in vielen Ländern spielen konnten, aber live bei weitem noch nicht so flächendenkend vertreten sein können wie beispielsweise Pop-Acts. Live-Veröffentlichungen – auch Bootlegs – bieten da zumindest die Gelegenheit, sich etwas Live-Feeling nach Hause zu holen.

Bist du selbst ein Live-Album-Fan und wenn ja: Was ist deiner Ansicht nach das beste Live-Album?
Ich selbst habe nur wenige Live-Alben in meiner Sammlung, so spontan fallen mir fünf ein:
„A Real Live One“ und „Live After Death“ von Iron Maiden, „Live“ von Blind Guardian, „Decade Of Aggression“ von Slayer und Kreators „Live Kreation“. Bezogen auf den Metal-Bereich würden wohl die meisten Stimmen auf „Live After Death“ von Iron Maiden fallen. Ich selbst würde mich auch für Iron Maiden oder Blind Guardian entscheiden.

Aktuell sieht es mit Live-Shows ja Corona-bedingt eher schlecht aus. Wie nutzt ihr die Zeit, arbeitet ihr an neuem Material und wenn ja, wann ist mit etwas Neuem zu rechnen?
Auch wenn wir uns bislang noch nicht zu gemeinsamen Proben treffen konnten, versuche ich so oft wie möglich daheim die Gitarre in die Hand zu nehmen und Ideen festzuhalten. Aktuell haben wir noch kein Studio gebucht, es geht jedoch voran. Zwei Songs stehen grob und an Material ist mittlerweile einiges vorhanden.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss unser traditionelles Brainstorming – was kommt dir zu folgenden Begriffen als erstes in den Sinn?
Donald Trump:
Ein stures Kind, gefangen im Körper eines hässlichen alten Mannes.
Fleischkonsum: Ich selbst bin zu 99 % Vegetarier und esse vielleicht drei-, viermal im Jahr Fleisch. Wenn ich dann Fleisch esse, weiß ich es zu schätzen. Einem Großteil der Bevölkerung ist diese Wertschätzung leider abhanden gekommen.
Christian Drosten: … meinte einst in seinem Podcast „there’s no glory in prevention“ – die zunehmende Kritik an seinen Äußerungen belegen dies leider.
Walfang: Sollte ebenso wie Massentierhaltung verboten werden.
Dein aktuelles Lieblingsalbum: „Veil Of Imagination“ von Wilderun.
AHAB in zehn Jahren: Hoffentlich noch aktiv und munter!

Danke nochmals für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für euer Interesse!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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