Auch zwölf Jahre nach seiner Veröffentlichung hat „Hoagascht“, das Abschiedsalbum von LUNAR AURORA, nichts von seiner Magie verloren. Im Juni 2025 bringt Aran das Material nun unverhofft doch noch erstmalig auf die Bühne – mit dem eigens dafür gegründeten Tribute-Project A HOAGASCHT. Das allein wäre Grund genug für ein Interview … aber nach dem Ende von BALD ANDERS hat Aran auch noch ein weiteres, neues Projekt gestartet.
Hallo Aran – wir haben das letzte Mal vor zwölf Jahren ein Interview geführt, und ich hätte nicht darauf gewettet, dass noch eines folgen wird. Nun ist die Katze aus dem Sack, und mit A HOAGASCHT so etwas wie eine Reinkarnation von LUNAR AURORA geboren. Lass uns trotzdem zunächst einmal zurückblicken: Was bedeutet dir das Album „Hoagascht“ aus heutiger Sicht?
Freut mich, dass wir wieder ein Interview führen können. Auch ich hatte nicht mehr damit gerechnet, im Kontext von LUNAR AURORA nochmal ein Interview zu führen. Das Album “Hoagascht” war aber von allen LUNAR-AURORA-Alben immer etwas Spezielles für mich. Nicht nur wegen der Atmosphäre oder weil es in Mundart gesungen wurde, sondern weil es eine Kraft und Heimatbezogenheit ausstrahlt, mit der ich persönlich bis heute viel verbinde. Ganz ohne soziale oder weltliche Komponenten, sondern was ich gefühlt im Innern damit verbinde.
Über den “Heimatbegriff” wird ja in unserem Land viel gestritten, nicht zuletzt, weil er auch oft von rechts vereinnahmt wird. Was ist das für dich, “Heimat”?
Ja, schade, dass dieser Begriff so leicht vereinnahmt wird. Heimat zu definieren ist nicht ganz einfach, aber ich würde es so umschreiben, dass es eine kulturelle Prägung aus Sprache, Herkunft, Natur und Sitten ist. Dies zusammen mit einer inneren Verbundenheit. Ich denke, dass das Gefühl von Heimat gerade in unserer heutigen Zeit oft unterschätzt wird. Als wäre es etwas, das man beliebig austauschen könnte, je nachdem, wo man gerade lebt. Natürlich kann man sich an verschiedenen Orten heimisch fühlen, aber häufig gibt es eher eine Heimat, und wenn es nur die Erinnerung an das Elternhaus, den Garten oder an die Großeltern ist. Irgendwo schwingt da immer etwas wie Heimat mit. Selbst, wenn man schon lange in einem anderen Land leben sollte.
Ihr habt damals auf Bayerisch gesungenen Black Metal quasi erfunden – zumindest meines Wissens war „Hoagascht“ das erste komplett in bayerischer Mundart betextete Album des Genres. Heute ist Black Metal mit Gesang in Mundart aus dem süddeutschen Raum bis ins Österreichische hinein ja quasi ein eigenes Genre – und ich behaupte mal, das geht auf euch zurück. Blickst du da mit Stolz auf „deinen Verdienst“?
Nein, nicht besonders. Wir haben damals was angestoßen, aber ich bin der Meinung, dass sich Mundart in diesem Genre – vor allem im alpinen Raum – so oder so durchgesetzt hätte. “Hoagascht” konnte Impulse und Inspirationen setzen, aber ich bin mir sicher, Mundart hätte ihren Weg ohnehin in das Genre gefunden.
Was hat euch damals zu diesem Schritt bewogen, und hättest du dir je träumen lassen, dass das so viel Anklang und später eben auch Nachahmer finden würde?
Wir hatten zuvor bereits einen Split-Song namens “A haudiga Fluag” gemacht, der einen bayrischen Text hat. Der Schritt zu einem ganzen Album war somit nicht weit weg. Und während ich an den Songs zu “Hoagascht” gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass die Lieder in eine Richtung gehen, die bayrische Texte sehr gut vertragen. Die Stimmung der Lieder und was ich damit verband, passte gut zur Mundart. So ergab es sich also fast auf natürliche Art von selbst.
Warum funktioniert Black Metal auf Bayerisch so gut – eben auch außerhalb Bayerns?
Ich denke, zum einen, weil der Klang der Sprache, die Phonetik, sich gut in diesen Musikstil integrieren lässt, und zum anderen, weil man mit der bayrischen, oder generell mit alpinen Regionen viel von den Stimmungen verbindet, die gut zu diesem Genre passen.
Tatsächlich gibt es – zumindest meines Wissens nach – keine vergleichbare Strömung in anderen Landesteilen beziehungsweise Dialekten. Woran liegt’s?
Ich sehe meine vorherige Antwort als Hauptthese für diesen Grund. Aber vielleicht gibt es starke Bands in anderen Mundart Regionen? Keine Ahnung.
Nach dem Ende von LUNAR AURORA seid ihr alle unterschiedliche Wege gegangen. Du hast ab 2014 mit BALD ANDERS weitergemacht, auf deren Facebook-Seite nun zu lesen ist, dass die Band mit dem Jahr 2024 Geschichte ist. Ist hier nur Pause oder wirklich Schluss – und was waren die Gründe?
Nach circa 19 Jahren LUNAR AURORA war es einfach mal an der Zeit, auf eine spielerische, fast kindliche Art neu auf Musik zuzugehen. Das hat sich dann in BALD ANDERS ausgedrückt. Diese Zeit hatte ihre Bedeutung und ihre Berechtigung, aber es ist Schluss damit. Also keine Pause, sondern dieses Kapitel ist beendet. Die Gründe dafür sind unterschiedliche Entwicklungen bei den beteiligten Musikern. Mein Bruder Constantin beispielsweise hat parallel sein Projekt Kohlrabenschwarz begonnen und auch ich bin an einem Projekt dran, von dem man hoffentlich bald mehr erfahren wird.
Ein neues Projekt klingt spannend – aber jetzt gibt es erstmal A HOAGASCHT, das sich dem „Hoagascht“-Album von LUNAR AURORA widmen wird. Allerdings bist du als einziges Mitglied von LUNAR AURORA dabei. Es ist kein großes Geheimnis, dass das Verhältnis zu Andreas nicht das beste ist. Weißt du, wie er zu A HOAGASCHT steht, hast du dir sein OK für das Projekt eingeholt, oder ist dir sein Segen für die Unternehmung egal?
Wir waren die Gründer von LUNAR AURORA und haben mit “Hoagascht” auch wieder als 2-Mann-Band aufgehört. Somit hat sich der Kreis geschlossen. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, wie mein Verhältnis zu Andreas ist, da ich persönliche und private Themen stets außen vor gelassen habe. Das A-HOAGASCHT-Live-Projekt läuft bewusst nicht als Band mit dem Namen LUNAR AURORA, da es diese Band nicht mehr gibt und ich als Einzelperson nicht LUNAR AURORA verkörpern möchte. Insofern gebe ich dem Album mithilfe von menschlich und musikalisch sehr tollen Mitstreitern nochmal die Möglichkeit, auf die Bühne zu kommen. Ich sehe mich da eher als Vermittler, um den Fans einfach nochmal die Möglichkeit zu geben, das Album live zu erleben. Diese Aktion ist abgekoppelt von dem, was LUNAR AURORA über die Jahre in seiner Ganzheit war. Es geht speziell um dieses Album. Vor etwa sieben Jahren gab es mit “Past Is Alive” bereits eine ähnliche Live-Aktion von Andreas, wo er LUNAR-AURORA-Material auf die Bühne gebracht hat. Für so etwas braucht man sich kein OK einzuholen. Solange sich solche Projekte nicht de facto als LUNAR AURORA ausgeben, sind solche Veranstaltungen einfach ein Geschenk an die Fans.
Auch Nagelfar haben zuletzt „undercover“ wieder ein paar Shows gespielt. Braucht die Szene in Deutschland diese alten Granden, kommt zu wenig nach? Oder ganz konkret auf euch bezogen: Was ist deine Motivation, ein zwölf Jahre altes Album doch noch auf die Bühne zu bringen? Das ist ja auch mit einigem Aufwand verbunden …
Ich kann dir ehrlicherweise nicht sagen, ob zu wenig nachkommt. Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr wirklich am Puls der Zeit, was Veröffentlichungen anbelangt. Ich persönlich hatte mit den alten Alben, mit der alten Zeit eigentlich abgeschlossen. Aber Matthias Jell von Gràb hat mich eines Tages gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, das “Hoagascht” Album auf die Bühne zu bringen – er würde sich um das Außenrum und um die Musiker kümmern. Ich hab das erstmal sacken lassen und zudem musste ich auch schauen, was an Song-Spuren noch auffindbar war, um möglichst die authentischen, damals verwendeten Synths auf der Bühne wiederzugeben. Und zusätzlich durfte ich mir – und den anderen Musikern – die Lieder nach circa 14 Jahren erstmal wieder anlernen. Als sich dann allmählich herauskristallisierte, dass es so aussieht, dass es praktisch machbar ist, sind wir in die volle Planung gegangen. Aber ich durfte mich da erstmal herantasten. Alleine und aus eigenem Antrieb hätte ich das nicht mehr aus der Kiste geholt. An dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön an Matthias, der sich dafür ganz wunderbar starkmacht!
Das heißt, Matthias hat dir die Band zusammengestellt? Kanntest du denn alle Beteiligten trotzdem schon, oder wie lief das dann konkret ab?
Matthias hat zusammen mit mir die Leute gesucht und vorgeschlagen. Da sind neue und alte Kontakte dabei.
Euer Live-Debüt ist im Rahmen der Gràb-Releaseshow im Juni 2025 – allerdings sind Gràb nicht unumstritten, seit Dan Capp dort als Gitarrist eingestiegen ist. Wie stehst du dazu, dass in der Band ein Mann spielt, der wilde Verschwörungstheorien und extrem rechte Standpunkte propagiert?
Für mich war und ist Musik – wie ich sie lebe und mache – nicht politisch oder ideologisch. Insofern geht mein Blick nicht in solche Richtungen und ist auch nicht geschult darin, sofort ein “Alarmlicht” wahrzunehmen. Mag jetzt vielleicht etwas naiv klingen, aber ich schaue mir solche personenbezogenen Themen nicht an, beziehungsweise kriege sie nicht mit. Klar, wenn irgendwas sehr extrem an die Öffentlichkeit dringt, bekomme sogar ich es mit, aber ansonsten interessiert mich das nicht.
Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass dieser neue Gitarrist von Gràb anscheinend sehr eigene Ansichten hat. Ich kenne ihn nicht persönlich und habe mich auch nicht mit seinen Ansichten befasst. Natürlich gerät man als Außenstehender über sowas möglicherweise in einen Dunstkreis, den man eher nicht braucht, aber für mich ist das um ein paar Ecken zu weit weg, um tiefer relevant zu sein. Ich kenne die anderen Mitglieder von Gràb und behaupte jetzt mal, dass sie nicht Dan Capps Ideologien hinterher eifern. Insofern kann und möchte ich nicht eine ganze Band in Sittenhaft nehmen. Wie diese Band intern damit umgeht, ist deren Sache. Wir sind mit A HOAGASCHT angetreten und unser Standpunkt ist nicht ideologisch.
Wird es bei dieser einen Show bleiben, oder plant ihr weitere Auftritte?
Da wir im Moment sehr viel Aufwand für die ganzen Vorbereitungen haben, wäre es eigentlich schade, das alles nur für ein Konzert zu machen. Die Idee steht im Raum, mehrere Konzerte zu geben, aber jetzt konzentrieren wir uns erstmal auf den jeweils nächsten Schritt und dann sehen wir weiter.
Blicken wir zum Abschluss noch in die Zukunft: Bleibt es ein reines Revival-Projekt, würdest du also ausschließen, dass unter dem Namen A HOAGASCHT neue Musik veröffentlicht wird?
Ja, das kann ich klar ausschließen. Wir sind eine reine Live-Band und alle Musiker haben ihre eigenen Bands. Auch ich arbeite an einem Projekt und bin da gut eingebunden.
Wann wird man von diesem Projekt etwas zu hören bekommen – oder zumindest schon mal etwas über dieses Projekt erfahren?
Ich hoffe, sehr bald. Mehr kann ich jetzt noch nicht sagen.
Danke für deine Zeit und die Antworten – zum Abschluss, daran hat sich in zwölf Jahren nichts geändert, unser traditionelles Brainstorming. Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein:
Donald Trump: Chaos!
Kohlrabenschwarz: Die Band von meinem Bruder.
Eine aufgelöste Band, die dir fehlt: Fällt mir grad keine ein…
Black Metal: Eine Ausdrucksform, die sich völlig logisch aus den möglichen Musikarten heraus entwickelt hat.
A HOAGASCHT in zehn Jahren: Hoffentlich schöne Erinnerungen.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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Seine Meinung zu Dan Capp ist nicht nur „etwas naiv“ sondern brutal ignorant. Teilt er sich die Bühne eben mit ’nem Fascho, ist im Black Metal ja zum Glück auch historisch völlig unproblematisch.