Interview mit Eviga von Dornenreich: 20 Jahre – Teil 1 (1996–2001)

Im ersten Teil unseres dreiteiligen Special-Interviews zum 20jährigen Bestehen von DORNENREICH berichtet Eviga über die Anfangstage der Band und den Werdegang bis „Her von welken Nächten“: Ein Gespräch über Demo-Kassetten, musikalische Einflüsse und die schillernde Zeit der Freiheit und Peter-Panik nach dem Abitur.

Dornenreich2014

1996 wurden DORNENREICH aus der Taufe gehoben. Habt ihr, wie so viele andere Bands, auch mit Coversongs angefangen und wenn ja: Was war der erste Song, den ihr zusammen gespielt habt?
Nein. Zwar hatte ich in meinen Anfangsjahren an der Gitarre häufig anhand von Songbooks zu Metallica, Sepultura, Pantera und Megadeth geübt, bei DORNENREICH haben wir aber tatsächlich gleich an eigenen Ideen und Stücken gearbeitet. In späteren Jahren haben wir dann hin und wieder einige Stücke anderer Bands bei Proben gespielt, die wir interessant fanden und die wir wohl selbst an den Instrumenten erleben wollten. Am besten erinnere ich mich da an ‚Mourning Palace’ von Dimmu Borgir und an ‚New World Order’ von The Kovenant.

Dornenreich FlügelschlagUnd was war euer erster eigener Song?
Gar nicht mal so leicht, das in der Erinnerung eindeutig zu rekonstruieren bzw. abzurufen, aber ich meine, dass das erste wirklich gemeinsam erarbeitete Stück ‚Schlaflos träumend’ gewesen sein muss. Jedenfalls habe ich an die ersten Proben zu diesem Stück noch deutliche Erinnerungen. Die Empfindung dieser brodelnden Energie des Anfangs- bzw. Hauptthemas hat sich mir stark eingeprägt. Ahnungsvolles Surren in der Kinderstube (lacht).

Richtig los ging es dann 1997 mit der Demo „Mein Flügelschlag“. Deine Erinnerungen an die Aufnahmen?
Eine schwere Geburt. Wir waren durchaus nervös, und ganz besonders ich, als es daran ging, die Stimmen aufzunehmen. Denn das waren ja tatsächlich die ersten Male, dass ich meine Schreistimme finden musste – gemeinsam mit anderen Menschen im Raum. Und der Mann, der ‚Mein Flügelschlag’ mit uns aufnahm und in den Folgejahren auch in die Vorproduktion unserer ersten Alben involviert war, war jemand, den ich damals dafür bewunderte, dass er mit seiner Band bereits ein Album veröffentlicht hatte. Es war Christof Niederwieser von Korova (später: Korovakill), der zweiten Band, in der Gilvan damals Schlagzeug spielte. Christof gebührt großer Dank, denn er hat uns in unseren so wichtigen ersten Band-Jahren enorm viel geholfen und gerade im Rückblick würde ich sagen, dass er in jenen Tagen fast so etwas wie das vierte Band-Mitglied war, das immer mit Rat, Erfahrung und Aufnahme-Equipment zur rechten Zeit zur Stelle war. Allerdings hat er es mir während der Stimmenaufnahmen für ‚Mein Flügelschlag’ nicht eben leicht gemacht, als er immer wieder in schallendes Gelächter ausbrach ob des bizarren Anblicks, den ich wohl bot, als ich versuchte, mit meinen sechzehn Lenzen meine ersten Texte ins Mikrofon zu schreien (lacht).

Dornenreich - Mein FlügelschlagWie stehst du heute zu den Songs?
Es waren wichtige Erfahrungen, erste Schritte, die man setzen muss und die man nicht überspringen kann, auch wenn sie natürlich mitunter recht unbeholfen ausfallen (lacht), aber es ist durchaus kein Zufall, dass alle Hauptstücke von ‚Mein Flügelschlag’ es in verfeinerter Form auf unser erstes Album ‚Nicht um zu sterben’ geschafft haben. Und gerade das Stück ‚In die Nacht’ finde ich immer noch stark, sowohl die Musik als auch die Textfassung von ‚Nicht um zu sterben’, weswegen das Stück – so viel sei verraten – auch Teil unserer History-Setlist im März sein wird. Es ist ein speziell vitalisierendes Gefühl, dieses Stück nun – fast genau zwanzig Jahre später – wieder zu spielen. Es verbindet mich energetisch mit der ungestümen Euphorie der Anfangstage und das ist ein großartiges Erlebnis.

Veröffentlicht wurde die Demo damals auf Kassette – warum? Wohl nicht, weil es damals noch Stand der Technik gewesen wäre …
Es war in jenen fernen Tagen durchaus noch üblich, Demo-Tapes zu veröffentlichen. Im Besonderen Gilvan war damals noch leidenschaftlich aktiv in der weltweiten Tape-Trading-Szene, die allerorts so florierte, wie man sich das heute kaum noch vorstellen kann. Das alles ist zwar erst zwanzig Jahre her, aber im Vergleich mit der Gegenwart waren die Mittneunziger-Jahre noch eine zutiefst – sagen wir – romantische, geheimnisvolle, ja magische Zeit (lacht). So standen wir etwa noch in regelmäßigem handschriftlichem (!) Briefverkehr mit Bands wie Abigor, Summoning oder Empyrium, bezogen Szene-Informationen ausschließlich aus einschlägigen Printmagazinen und, ja, verschickten zahllose Promo-Pakete per Post. Wirklich bzw. flächendeckend abgelöst wurde das Tape erst einige Jahre später, ich würde sagen um die Jahrtausendwende, von Demo-Aufnahmen auf selbst gebrannten CDs.

Bereits euer erstes musikalisches Lebenszeichen ziert ein Bild aus der Feder deines Vaters. Wie kam es zu der familieninternen Zusammenarbeit?
Uns war von Anfang an klar, dass wir mit möglichst vielem von Hand Gemaltem arbeiten wollten und so war es das Naheliegendste, auf die Fähigkeiten meiner beiden Eltern zurück zu greifen, die beide malten und zu denen ich ein gutes Vertrauensverhältnis hatte. Tatsächlich ist im Original-Booklet von ‚Mein Flügelschlag’ eben nicht nur ein Bild meines Vaters, sonder auch ein Werk meiner Mutter abgedruckt. Und, naja, ein weiterer Grund im Lebensabschnitt von Schulbankdrücken und Taschengeld, in dem Valnes und ich uns damals ja noch bewegten, war gewiss auch der, dass meine Eltern nichts für ihre Arbeit verlangten (lacht).

Dornenreich - Nicht um zu sterbenNoch im gleichen Jahr folgte dann „Nicht um zu sterben“, euer erstes Album. Was habt ihr euch bei dem Artwork gedacht?
Nun, es gilt davon abzusehen, dass beim Druck doch einiges schief gegangen war, was der extrem minimalistischen Ausrichtung dieses Bildes natürlich alles andere als zuträglich war. Was hier angedeutet war, ist schlicht ein sich langsam in der Ferne abzeichnender Horizont. Das Ganze symbolisierte also unser Erwachen und – in Kombination mit dem Albumtitel – zugleich auch eine Art Lebenslinie, bedroht aber nicht durchtrennt von vielem, das oberhalb und unterhalb durch rote Flächen symbolisiert war, die im Druck leider fast völlig untergegangen sind. Auch lässt sich darin eine Schwelle angedeutet finden, und gerade das Bild der Schwelle zwischen Polaritäten (oder auch etwa zwischen Sein und Nichtsein) ist über die Jahre immer bedeutsamer für den Ausdruck und die Ausrichtung DORNENREICHs geworden, was nicht zuletzt auch am Cover unseres letzten Albums ‚Freiheit’ erkennbar wird, welches die Schwellen-Thematik wieder aufgreift. In den Bannern zu unserer Jubiläums-Tour verweisen wir grafisch auch eindeutig darauf, dass es eine Verbindung zwischen unserem Debüt- und unserem aktuellen Album gibt, indem wir den Horizont bzw. die Schwelle der beiden Bilder ineinander übergehen lassen.
Im Rückblick finde ich es schlicht und ergreifend toll, dass wir von Anfang bewusst unseren ureigenen – mitunter sehr radikalen – Ansatz verfolgten. Denn der Gegenwind war damals enorm. Angefangen bei unserer eigenen Plattenfirma bis hin zu den Vertrieben und Händlern, die sich zunächst weigerten dieses Album aufzunehmen beziehungsweise zu verkaufen, weil es so gar nichts mit gängigen Metal-Artworks zu tun hatte
(lacht).

Welche Bands waren zu dieser Zeit prägend für euren Sound?
Von den unzähligen Bands, mit denen wir uns damals auseinandersetzen, würde ich Abigor, Emperor, Summoning und Empyrium als die Bands nennen, deren prägender Einfluss auch klar nachvollziehbar ist, wenn man sich unsere ersten Stücke bzw. Veröffentlichungen anhört.
Einen weit geringeren aber durchaus nennenswerten Einfluss hatten dann gewiss auch noch Satyricon, Ulver, Troll, Gehenna, Old Man’s Child, Arcturus, Covenant/The Kovenant und Ved Buens Ende.

Apropos Sound – das Album wurde später nochmal unverändert wiederveröffentlicht. Hättest du aus heutiger Sicht lieber einen Re-Master gehabt? Wie stehst du generell zu dem Thema: Ist ein Remaster eine zweite Chance, oder immer dazu verdammt, die Atmosphäre des Originals zu zerstören?
Auch wenn gerade „Nicht um zu sterben“ ein neues Master gewiss gut tun würde (Stichworte: zu beißend-schrille Höhen, die das Original aufweist), so stehe ich solchen Nachbesserungen durchaus skeptisch gegenüber. Konkret würde ich sagen, dass ich es in Ordnung finden würde, unserer alten Alben zu remastern. Die Alben neu zu mischen wäre für mich persönlich aber ein zu starker Eingriff in den ursprünglichen Geist eines Albums; ganz zu schweigen von kompletten Neuaufnahmen, wie das ja nicht wenige Bands dieser Tage machen.
Gerade Black-Metal-Alben haben meiner Wahrnehmung nach ja so viel mehr und Wichtigeres zu bieten als das technisch-objektive Gelungensein einer Aufnahme.

dornenreich_-_bitter_ists_dem_tod_zu_dienenKeine zwei Jahre später erschien „Bitter ist’s dem Tod zu dienen“. Müsste es nicht „Bitter ist’s, dem Tod zu dienen heißen“?
Die CCP-Urversion erschien tatsächlich ohne Komma. Die Wiederveröffentlichung von Prophecy wies dann das angesprochene Komma auf. Und, ja, rein vom Regelwerk besehen, ist hier freilich eine Komma-Setzung angezeigt. Doch im Felde künstlerischer Arbeit – und ganz im Besonderen im Felde von Lyrik, die eindeutig Wurzeln im Expressionismus hat, wie das bei DORNENREICH der Fall ist, – ist der freie Umgang mit Sprachmaterial (inklusive Interpunktion) eine wesenhafte Grundlage. So ist ja auch der Titel ‚Wolfpuls’ scheinbar nicht korrekt, weil er das ‚S’ in der Mitte unterschlägt. Nur darfst du mir glauben, dass ich durchaus bewusst auf dieses ‚S’ verzichtet habe. Aber zurück zu deiner Ausgangsfrage: In diesem konkreten Fall und in diesen frühen Tagen DORNENREICHs hielt ich mich nicht allzu sehr mit sprachsystemischen Genauigkeiten auf, wovon auch die Tatsache zeugt, dass ich Paarreime hoch leben ließ, während mir Versmaß, Kasus-Markierung und Co doch recht lästig und gleichgültig waren. (lacht)
Nichtsdestotrotz: In der Kunst muss jede expressive Freiheit weit über jedem Regelwerk stehen, würde ich sagen. Als Beispiel möchte ich hierzu noch darauf verweisen, dass ja etwa die Urfassungen der ersten beiden Emperor-Alben vom Standpunkt einer gut durchhörbaren bzw. ausgewogenen Produktion aus auch völlig missraten sind, doch gerade darin liegt – anders besehen – auch die unvergleichlich losgelöste, geheimnisvolle Aura dieser Stücke begründet, die einen dazu zwingt, wirklich zuzuhören, hinzuspüren und im Geist weit über die Aufnahmen hinauszugehen, wodurch – nach meinem Dafürhalten – der tiefere Wert dieser Alben im Sinne von Kunstwerken erst mitentsteht.

Dornenreich Eviga 1999Dieses Album wird von vielen Fans noch heute als erster Meilenstein in der Geschichte von DORNENREICH angesehen. Wie stehst du heute zu dem Album? Das Album unterscheidet sich extrem von seinem Vorgänger, sollte aber für die Folgenden wegweisend sein. Wie ist die enorme Entwicklung, die DORNENREICH in den Jahren 1997 bis 1999 durchgemacht hat, zu erklären?
Unser Selbstvertrauen war durch die Veröffentlichung und die positiven Rezensionen von „Nicht um zu sterben“ enorm gewachsen und ohne Zweifel hatten uns die gesammelten Studio-Erfahrungen, die mit viel Übung am Instrument einhergegangen waren, zu besseren Musikern werden lassen. Und all das hört man „Bitter ist’s, dem Tod zu dienen“ deutlich an. Zudem sind die Entwicklungssprünge, welche die Jahre des Heranwachsens mit sich bringen, ja in vielen Fällen besonders augenscheinlich, verglichen mit eben dieser Zeitspanne von zwei Jahren in späteren Lebensphasen.
Dass wir in so jungen Jahren bzw. mitten in der Pubertät – Valnes und ich waren zum Zeitpunkt der Aufnahmen siebzehn Jahr jung – nicht in die Härte- oder Coolness-Falle tappten, sondern uns – ganz im Gegenteil – sogar mitunter sehr sanft, fragil und variantenreich emotional zeigten, halte ich rückblickend für die wichtigste Errungenschaft dieses Albums, die uns erst auf unseren ureigenen Pfad brachte, scheinbare Gegensatzpaare und ein großes Spektrum an Emotionen miteinander in Beziehung zu setzen. Natürlich ist das Pathos, das in so mancher Gesangspassage schwingt, immens, aber die aufrichtige Inbrunst, mit der die Texte vorgebracht sind, haben nach wie vor etwas Entwaffnendes an sich, finde ich.
(lacht)

Dornenreich - Her von welken NächtenWir schreiben das Jahr 2001, mit „Her von welken Nächten“ erscheint ein Album, das für viele Fans bis heute das DORNENREICH-Album schlechthin ist. Zu Recht?
Sicherlich legt dieses Album Zeugnis davon ab, wie tief wir uns in der Zeit nach „Bitter ist’s …“ in DORNENREICH hineingesteigert haben. Was für die Zeitspanne und den Entwicklungsschub zwischen „Nicht …“ und „Bitter …“ gilt, gilt für die Zeit zwischen „Bitter ist’s …“ und „Her von welken Nächten“ in potenzierter Weise. Denn abgesehen von einem weiteren Selbstvertrauenszuwachs, den uns die zahlreichen sehr guten Rezensionen zu „Bitter ist’s …“ bescherten (– und in so jungen Jahren des Sich-Findens und Sich-Orientierens sind äußere Reaktionen doch nicht unerheblich für die Ausbildung von Selbstvertrauen –), fällt die intensivste Zeit der Arbeiten an „Her von welken Nächten“ in den Zeitraum nach dem Abitur, der Valnes und mich in eine schillernde Zeit der Freiheit und Peter-Panik entließ. Kurzum: All die Zeit und mentale Energie, die bis jetzt für die Schule aufgebracht werden musste, konnten wir nun für unsere künstlerischen Abenteuer aufbringen. Außerdem hatte uns der Label-Wechsel weg von CCP-Records hin zu Prophecy Productions elektrisiert. Endlich konnten wir mit Menschen zusammenarbeiten, die DORNENREICH tatsächlich schätzten und uns das zeigten, endlich würden wir mit Markus Stock arbeiten, auf den wir riesige Stücke hielten und endlich hatten wir eine angemessene Studio-Zeit zur Verfügung. All das spielte zusammen bei der Entwicklung dieses Ideen-Feuerwerks namens „Her von welken Nächten“, das für viele unserer Weggefährten wohl auch deshalb eine so zentrale Rolle spielt, weil es für sie alle prägende Jahre waren, in denen sich ihnen eben die existenziellen Fragen stellten, die „Her von welken Nächten“ behandelte. Insofern ist es zurecht für viele das DORNENREICH-Album schlechthin. Für mich selbst ist es das aus heutiger Sicht nicht, aber es markiert ohne Zweifel einen wichtigen Punkt in unserem Werdegang.
Auch wenn ich heute nicht ohne Stolz darauf zurückblicke, was für einen immensen Facetten- und Ideenreichtum das Album zeigt, so erkenne ich heute eben daran auch bereits etwas, das uns nur wenige Jahre später zum Verhängnis werden sollte und zum Ausstieg von Valnes führte: die Unvereinbarkeit der unzähligen stilistischen und ästhetischen Vorlieben, die Valnes und ich entwickelt hatten …

Angizia Das Schachbrett des Trommelbuben Zacharias1998 bist du bei Angizia eingestiegen. Hat dich das hinsichtlich „Her von …“ geprägt?
Die Begegnung mit Michael Haas/Engelke von Angizia war für mich persönlich gewiss sehr fruchtbar, ja. Prägender für die vokale Vielfalt von „Her von …“ war aber meine Entdeckung von Bands und Künstlern wie Devil Doll, Meret Becker, Tori Amos und gewiss auch The Kovenant, die viel mit ihren Stimmbändern anstellten.
Was Angizia betrifft, so waren es insbesondere die enorme, ja fast schon fieberhafte Energie Michaels, seine ansteckende Begeisterung für künstlerischen Ausdruck, die so viel Resonanz in mir fand, und die Begegnung mit den vielen grandiosen Musikern, die im Rahmen von Angizia tätig wurden. Auch werde ich nicht vergessen, wie viel es mir bedeutete, 1998 selbst in eben dem Studio aufzunehmen, in dem auch viele der mir so teuren frühen Alben von Abigor und Summoning aufgenommen worden waren. Es stärkte mein Gefühl, zu diesem kreativen Kreis der österreichischen Metal-Avantgarde zu gehören – und das war selbstredend wichtig für den jungen Eviga, der – abgesehen von der Musik – noch so gar nicht recht wusste, wohin mit sich.

„Her von welken Nächten“ beinhaltet zum ersten Mal Geige – ein Instrument, das für DORNENREICH später prägend werden sollte. Wieso ausgerechnet Geige?
Akustische Instrumente waren uns immer schon wichtig. So enthält nicht nur „Mein Flügelschlag“ bereits Akustikgitarrenstücke, sondern wir hatten auch schon für die Aufnahmen zu „Bitter ist’s …“ einen Cellisten ins Studio geladen. Es war das große Spektrum hinsichtlich der Dynamik und der Emotionalität von Streichinstrumenten, das uns immer weiter in diese Richtung gehen ließ. Und für „Her von welken Nächten“ wollten wir das dann um eine Geige erweitern. Was es zudem einfacher machte, war der Zufall, dass Inve, der ja tatsächlich schon für dieses Album die Session-Geige spielte und den wir also bereits im Zuge unserer Suche nach einem Studio-Geiger im Jahre 2000 kennenlernten, seine damals erst sechzehnjährige Schwester als Cellisten vorschlug. So war alles recht familiär und unkompliziert und es wird mir unvergesslich bleiben, was für ein überwältigendes Gefühl es war, diese beiden talentierten Musiker dabei zu beobachten, wie sie die von uns selbst ersonnenen Melodien so hingebungsvoll intonierten.

Auch textlich markiert das Album einen Wendepunkt – waren die Texte von „Bitter ist’s …“ noch vergleichsweise durchschaubar, wird es auf „Her von …“ deutlich mystischer, abstrakter und kryptischer. Wie leicht ist dir das Texten damals gefallen, wie lange hast du an Texten wie „Innerwille ist mein Docht“ gefeilt?
Für die Grundkonzeption habe ich einige Nächte im Sommer 1999 durchwacht. Daran erinnere ich mich noch gut. Es war eine enorm beglückende Erfahrung, in der tiefen Stille der frühen Morgenstunden viele der Titel und Ideen, die schlussendlich „Her von …“ bilden sollten, zu Papier zu bringen. An den einzelnen Texten habe ich dann aber – wie das bei mir im Grunde immer ist – nicht sehr lange gefeilt. Wenn die Zeit erst einmal reif ist, fließt alles Wesentliche recht schnell aus mir heraus, aus der großen Stille, in die ich mich für das Schreiben immer begebe. Dass das so ist, empfinde ich als kostbares Geschenk, das für mich selbst auch immer etwas Magisches an sich hat. Das heißt wohl, dass es für mich und mein Texten wesentlich ist, dass es mir gelingt, mich auf der Ebene wieder zu finden, auf der alles Erlebte, Empfundene, Erdachte, Erträumte darauf wartet, in die Welt zu kommen und zurückzukehren – hier gekleidet in Worte.

prophecylogoDas Album war zudem euer Debüt bei Prophecy Productions. Wie kam es dazu?
Ein gute alte Freundin stellte den Kontakt her, indem sie Martin Koller von Prophecy Productions unsere ersten beiden Alben schickte. Diese Freundin war Petra Schurer, die damals bei Metal Heart und andere Magazinen schrieb. Mit ihr reiste ich im Winter 1999 dann auch an die Mosel, um – einer Einladung von Martin Koller folgend – an der ersten Prophecy Konzertnacht teilzunehmen. Was für ein Abend – speziell im Rückblick! So wurde ich etwa Zeuge des bis heute einzigen Auftritts von Sun of the Sleepless, lernte neben Martin Koller und anderen Mitarbeitern von Prophecy auch Markus Stock, Tobias Schönemann (TVB, Ewigheim…) und Thomas Helm kennen. Diese Nacht brachte also Kontakte, die bis heute freundschaftliche und künstlerische Früchte tragen. Nach meiner Rückkehr aus Deutschland war für mich folglich völlig klar, dass wir bei Prophecy unterschreiben würden, – was wir dann bekanntlich auch taten.

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