Interview mit Robb von 1476

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„Our Season Draws Near“ – mit diesem winterlichen Album haben sich die Neuengländer 1476 zurückgemeldet. Musikalisch reduzierter und kälter ist es gewissermaßen der Gegenpol zu ihrer letzten Veröffentlichung, dem Re-Release von „Wildwood“. Im folgenden ausführlichen Interview beantwortet Frontmann Robb Fragen bezüglich seiner neuen Herangehensweise beim Songwriting und Recording, seinem neu gewonnenen Selbstbewusstsein als Sänger, seiner musikalischen Entwicklung und der Tatsache, dass weniger manchmal eben doch mehr sein kann.

Zu Beginn stell dich bitte unseren Lesern vor und beschreibe kurz die Musik deiner Band 1476.
Mein name ist Robb und ich bin eine Hälfte der Band 1476. Ich arbeite mit Neil DeRosa, der in erster Linie Schlagzeug spielt, aber in der Vergangenheit auch schon Keyboards und Kompositionen beigesteuert hat, während ich schreibe und die übrigen Instrumente spiele. Die Energie in unserer Musik speist sich aus dem Geist von Metal, Punk und Neofolk, aber sie passt nicht einfach in eine dieser Kategorien. Wir haben auch schon Elemente aus experimenteller Musik, Neoklassik und Ambient in unser Schaffen integriert. Unser Ziel ist es, nie dasselbe Album zweimal zu machen und immer etwas außerhalb unserer Grenzen zu ergründen. Auch lyrisch verfolgen wir auf jedem Album andere Ideen und wir versuchen, die Musik das widerspiegeln zu lassen. Bisher hatten alle unsere Alben spirituelle, esotherische, heidnische Untertöne, aber das ist im Normalfall nicht der primäre Fokus der Texte.

Was sind deiner Meinung nach deine Stärken und Schwächen als Musiker?
Ich denke, meine Hauptstärke ist möglicherweise Ehrlichkeit. Ich habe keine Angst davor, bei dem, was ich schreibe, objektiv zu sein, sodass es leichter ist, Musik zu verwerfen, die in meinen Augen nicht gut genug ist. Ich verwerfe wohl ungefähr 90 % der Musik, die ich schreibe. Es ist mir wichtig, zu wissen, dass das, was wir veröffentlichen, den Zielen bezüglich des jeweiligen Albums entspricht und dass wir uns nicht zu schade sind, Ideen loszulassen, in die wir vielleicht viel Zeit und Energie gesteckt haben. Eine meiner größten Schwächen ist möglicherweise die Zusammenarbeit mit anderen Musikern. Es ist mir beinahe unmöglich, mich in einem Raum mit anderen Menschen zu öffnen und kreativ zu sein. Es fällt mir ja sogar schon schwer, Neil neue Songs zu zeigen! Das liegt wohl in erster Linie daran, dass ich befürchte, dass sie ihm nicht gefallen. Ich spiele ihm normalerweise einfach einen Gitarrenpart vor und versuche, ihm zu erklären, was ich damit bezwecke, aber das ist ziemlich schwer, da ich ein vollständigeres Bild im Kopf habe. Wenn ich ihm nicht das ganze Bild vermitteln kann, mache ich mir Sorgen, dass er denken könnte, dass die Idee nicht gut ist. Deshalb arbeiten wir meist getrennt voneinander. Der Großteil der Arbeit besteht eigentlich darin, dass wir über die Ideen reden, nicht etwa das Spielen. Das ist für sich vielleicht nicht unbedingt eine Schwäche, schließlich funktioniert es, aber die Selbstzweifel sind definitiv eine.

Laut eurem Label Prophecy kommt ihr aus der Punk-Szene. In eurer Musik hört man das aber nur unterschwellig heraus. Warum habt ihr euch musikalisch so weit fortentwickelt und seht ihr noch als Teil dieser oder einer anderen Szene?
Ich persönlich habe meine Wurzeln in der Punk-Szene, in die ich zwischen 14 und 17 involviert war, aber 1476 gehörten nie irgendeiner Szene an. Als wir die Band gründeten, war ich 26 oder 27, also war seit meinen Punk-Tagen viel Zeit vergangen und in der Zwischenzeit war in meinem leben viel passiert. Ich entschied mich bewusst dazu, mich von dieser Szene zu entfernen, sowie von jeder anderen Szene auch. Ich fühlte nie eine tiefe Verbindung zu den Ideen und der Ästhetik, obwohl ich sie so tief ergründete, wie ich es in dem Alter konnte. Was mich eher anzog, war wohl die Vorstellung, die hinter den DIY-Praktiken steckte, musikalisch und ideologisch kompromisslos und konfrontativ zu sein. In den mittleren bis späteren 90er Jahren entdeckte ich dann die norwegischen Black-Metal-Bands, als ihre Alben erstmals an der amerikanischen Küste landeten, dort fand ich mein wahres Zuhause. Es gab keien Szene und keine Grenzen. es beinhaltete die Spiritualität und den Ideenreichtum, die mir im Punk gefehlt hatten, war aber auch von extrem herausfordernden Ideen, kompromissloser Musik und Ästhetik gezeichnet. Das war genau das, wonach ich gesucht hatte. Dadurch geriet ich schließlich an die Synthesizer-Musik, da viele dieser Bands ebenjene in ihren Sound integrierten – Burzum wären ein gutes Beispiel für das, was man heute als Dungeon Synth bezeichnet, welcher wiederum von den frühen Mortiis-Alben inspiriert wurde. Dazu kommen noch Neptune Towers, das Synth-Projekt von Fenriz von Darkthrone. Ulver sind ein extremeres Beispiel und wurden später einer meiner größten Einflüsse. All das führte mich an andere Künstler wie Halagaz’ Runedance heran, was mir wiederum Neofolk und Post-Industrial näherbrachte. All diese Einflüsse resultierten in 1476. Auf dem Papier klingt das vielleicht wie ein Desaster, aber wir versuchen, das so geschmackvoll wie möglich umzusetzen. (lacht) Zurück zum Punk – obwohl ich es mehr oder weniger aufgab und mich zu der Zeit von der Szene desillusioniert fühlte, blieb das, was ich daraus gelernt hatte, bis heute in mir und es ist ein wichtiger Bestandteil von dem, was wir sind. Am meisten äußert sich das im DIY-Ansatz, der 1476 ausmacht. Viele Jahre lang haben wir unsere Alben auf uns allein gestellt aufgenommen, gemixt und veröffentlicht. Unsere Special Editions waren handgemacht, wir haben selbst die Artworks und Fotos gemacht, unsere Shirts bedruckt etc. Wir haben praktisch alles, was man selbst machen kann, selbst gemacht. Abgesehen vom Veröffentlichen der Alben machen wir das auch heute bei Prophecy noch alles selbst, was wirklich wundervoll ist. Als wir bei Prophecy anfingen, war das für uns kein Opfer. Wir arbeiten genau wie zuvor, es fühlt sich einfach so an, dass unser Team jetzt größer ist und dass wir mehr Hilfe und Optionen haben. Ein tolles Gefühl.

Auch Metal ist ein Teil eures Sounds. Worin genau besteht eure Verbindung zu Metal?
Ich denke, das, was ich bereits erzählt habe, ist Teil unserer Verbindung zum Metal. Neil hat auch Wurzeln im Progressive Metal und in progressiver Musik im Allgemeinen. Wir sind generell große Metal-Fans – alles von Klassikern wie Iron Maiden, Black Sabbath und Bathory bis zu eher exzentrischen oder melodischen Sachen wie Therion, Moonspell, Opeth und Katatonia. Wie gesagt, für mich fing das mit Black-Metal-Bands wie Burzum, Emperor, Mayhem und Darkthrone an, aber das führte dann zu eher obskuren Kassetten-Releases aus Osteuropa und frühen amerikanischen Bands – insbesondere Judas Iscariot, Crimson Moon und das erste Krieg-Album „Rise Of The Imperial Hordes“ liebte ich sehr, danach hörte ich von denen aber nichts mehr. Wir sind beide große Fans von Enslaved, Ihsahns Soloarbeit und Alcest. Ich verehre außerdem Paysage d’Hiver, welche emotional und ästhetisch großen Einfluss auf unser neues Album hatten, wenn auch nicht so sehr musikalisch. Wir hegen außerdem tiefe Anerkennung für Bands wie Deathspell Omega oder Blut Aus Nord, weil sie total kompromisslos und originell sind und zu 100 % den Ideen ergeben sind, die sie auf ihren Alben verfolgen. Das ist für mich persönlich sehr inspirierend und danach streben wir auch in unserer Arbeit. Metal hat so ein gigantisches Spektrum an Stilen, aber die eine Sache, die sie aus meiner Sicht alle vereint, ist die völlige Hingabe, die die Künstler ihren Ideen zukommen lassen. Das ist aus meiner Sicht der rote Faden im Metal, der für mich extrem inspirierend ist. Jeder Künstler scheint seine eigene Welt zu erschaffen, ob nun Drudkh, Sunn O))), Mercyful Fate oder Morbid Angel – man hat immer das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Obwohl wir nicht traditionellen Metal spielen, ziehen wir aus diesen idealen viel Inspiration und Energie.

Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen dem Re-Release von „Wildwood“ und eurem neuen Album „Our Season Draws Near“ – sowohl bei der Musik als auch beim Songwriting?
Ich würde sagen, dass es bezüglich der Musik und der Produktion zwei Hauptunterschiede gibt. Erstens nehmen die Gitarren auf „Our Season Draws Near“ eine viel gewichtigere Rolle ein als auf „Wildwood“. Auf „Wildwood“ gab es zwar auch viele Gitarren, aber zur selben Zeit hört man auch viele andere Sounds und Instrumente, sodass die Gitarren eher unterstützend agieren. Auf der neuen Platte sind sie viel lauter, klarer und präsenter. Der zweite große Unterschied ist die Produktion selbst. Mit „Wildwood“ wollten wir ein Album schaffen, das groß, tief und atmosphärisch klingt. Wir nahmen es auf und mixten es praktisch ohne Erfahrung in diesem Kontext. Unser natürlicher Ansatz war, möglichst viele Schichten von Instrumenten und Reverb einzufügen, um die Platte möglichst „groß“ klingen zu lassen, aber das klappte nicht. (lacht) Ich realisierte erst später, dass der imaginäre Raum, in dem der aufgenommene Ton existiert, nicht unendlich groß ist – dementsprechend hat man weniger Platz, je mehr man aufnimmt… Das bedeutet, dass mehr Sounds ein Album eigentlich kleiner, komprimierter und überfüllt klingen lassen. Das war eigentlich das Gegenteil von dem, was wir angestrebt hatten, aber das resultat ist interessant und einzigartig… und durchaus zu der Stimmung und dem Konzept der Platte passend, also bereue ich da nichts. Auf „Our Season Draws Near“ wollten wir einen gegenteiligen Ansatz verfolgen – sehr minimalistische Parts schreiben und nur das Nötigste aufnehmen. Wir wollten auch Passagen einbauen, in denen nahezu Stille herrscht und in denen nur ein Instrument zu hören ist, um der Aufnahme eine Räumlichkeit und Tiefe zu verleihen. Wir sind das Schreiben und Aufnehmen wortwörtlich gegenteilig zu „Wildwood“ angegangen. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass „Wildwood“ im Verlauf eines Jahres aufgenommen wurde, sowie es komponiert war. Vom Großteil des Materials gibt es keine Demos. Die Version, die auf dem Album gelandet ist, war meist schon der erste Versuch. „Our Season Draws Near“ ist das gegenteil. Wir haben einenthalb Jahre geschrieben und Demos angefertigt, glaube ich. Dann haben wir monatelang geprobt, bevor wir es aufnahmen. Die eigentlichen Aufnahmen dauerten dann insgesamt ungefähr drei Wochen.

Ich habe das Gefühl, dass „Wildwood“ etwas animalischer und mystischer war, während auf „Our Season Draws Near“ die Kontraste zwischen sanftem Neofolk und härterem Punk/Metal größer sind. Diesmal wird auch mehr gescreamt. Warum habt ihr euch musikalisch etwas neu ausgerichtet?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste ist, dass wir mit einem anderen lyrischen Thema gearbeitet haben, also musste die musikalische Herangehensweise dem entsprechen. Was das Screaming angeht, das hätte ich schon auf „Wildwood“ gerne gemacht, aber damasl war ich ziemlich unsicher in bezug auf meine Stimme. Ich habe mich zu sehr darauf konzentriert, ein „guter Sänger“ zu sein – ich versuchte, absolut perfekt, hoch und außerhalb meiner natürlichen Bandbreite zu singen. Für mich persönlich ist das Ergebnis steril. Alle meine Lieblingssänger sind jene, die sehr menschlich klingen… Sie drücken einfach ihre Gefühle aus, ob gut oder schlecht – in diesem Fall kommt es nicht auf vokale Akkrobatik an. Mir ist aufgefallen, dass das bei vielen britischen Sängern der Fall ist, deshalb sind die meine Favoriten, während sich viele amerikanische Sänger mehr auf Technik und Theatralik konzentrieren. Ich schätze beides, aber mit der emotionalen Ehrlichkeit der ersten gruppe fühle ich einfach so eine tiefe Verbundenheit. Ich erkannte, dass ich zu unsicher war, um als Sänger „ich selbst“ zu sein. Unsere letzte Veröffentlichung war ein Soundtrack, basierend auf dem Leben von Edgar Allan Poe, das wir für eine Kunstgalerie gemacht haben. Darauf gab es einen Song mit Gesang namens „A Circle Is Eternal“. Da versuchte ich zum ersten Mal, loszulassen und natürlich zu singen und mit dieser Performance war ich glücklicher als mit allen davor. Das zeigte mir, wie wichtig es war, von da an so weiterzumachen. Als wir die Vocals für unsere neue Platte aufnahmen, machte ich alles in nur ein oder zwei Versuchen, um die Gefühle auf ehrliche Art einzufangen. Das war für mich sogar der wichtigste Aspekt des Albums – die wahrhaftigste Version meiner Selbst widerzugeben, wenn nötig mit Fehlern. Die Lyrics verlangten nach dieser Herangehensweise.

Welche Bands, Künstler und andere Dinge haben euch in Bezug auf „Our Season Draws Near“ beeinflusst?
Wir wollten ein bestimmtes Gefühl und eine bestimmte Atmosphäre einfangen, also umgab ich mich beim Schreiben mit einigen Bildern. Da gab es nicht so viele Sachen, weil das Thema ziemlich fokussiert war. Wir wollten, dass die Platte eine Einbahnstraße wird. Es ging uns darum, die Natur des Winters einzufangen – kalt, unversönlich, introspektiv und isolierend. Ausbalanciert mit einer kleinen Flamme des Lebens, der Hoffnung und Wärme. Es mag eine etwas fade Antwort sein, aber das, was das Songwriting am meisten geprägt hat, war das Artwork selbst, das wir ziemlich früh im Schreibprozess fertig hatten. Das Artwork für das Album von Theodor Kittelsen fing das Gefühl ein, das wir haben wollten. Bevor wir mit dem Schreiben anfingen, sagte ich mir, dass das Album sich so anfühlen sollte. Das fasst für mich die Platte zusammen – eine einsame Person wandert ganz allein hinaus in den Schnee und ins Unbekannte. Zuhause ließ ich beim Schreiben ließ ich den Film „Storm Of The Century“ von Stephen King laufen, da dieser ebenfalls von diesem Gefühl erfüllt ist – insbesondere, da wir aus Neuengland kommen. Dieser Film trifft das Gefühl, das in einer neuenglischen Kleinstadt im Winter herrscht sehr gut, dieses Ausharren gemixt mit Einsamkeit und Gemeinschaft zur selben Zeit. Wir alle haben einander, aber letztlich sind wir alle allein. Ich wollte dieses Album wie der Ozean im Winter in Neuengland sein lassen und genau so ist auch der Film.

Die Platte ist also gewissermaßen ein Konzeptalbum über den Winter, richtig? Von was genau handeln die Texte, was hat euch dazu inspiriert und inwiefern ist der Winter eure Jahreszeit?
Eigentlich geht es mehr um Einsamkeit, Isolation, Introspektion, Resignation und Entfremdung, aber diese Themen sind in winterliche Szenerien und mythologische Metaphern verpackt. Die Worte auf diesem Album sind für mich sehr persönlich, denn sie wurden in einer sehr schlechten Zeit meines Lebens verfasst, in der ich ehrlich mit mir sein, mir meine Fehler eingestehen und meine Schwächen akzeptieren und kich ihnen stellen musste. Daran führte kein Weg vorbei, wenn ich weitermachen und wachsen wollte. Musik ist für mich der beste Wege, mich mit so etwas auseinanderzusetzen, also entschieden wir uns für dieses Thema. Außerdem erwähnte ich ja bereits den minimalistischeren Ansatz, den wir diesmal umgesetzt haben, da passte das Thema perfekt dazu. Winter ist meien liebste Jahreszeit, weil es eine Zeit ist, in der Menschne sich zurückziehen und introspektiver werden. Wenn man wie wir in einem kalten Klima lebt, ist der Winter immer eine Herausforderung, die es zu überstehen gilt, das lässt einen reifen. Daraus kann man viel lernen und das habe ich über die Jahre zutiefst schätzen gelernt. Ich verbringe den Großteil meines Lebens allein. Abgesehen von der Arbeit, die meist draußen stattfindet, gehe ich nicht viel vor die Tür. In gewisser Weise musste ich wohl den Winter schätzen lernen, sonst wäre mein leben wohl ziemlich miserabel. Aber vielleicht betrüge ich mich auch nur selbst. (lacht)

Viele der Tracks sind bezüglich ihrer Titel miteinander verknüpft („Winter Of Winds“ – „Winter Of Wolves“). Was ist der Grund für diese Verbindung?
Mir ist es sehr wichtig, dass jede Platte ihre eigene Welt hat, getrennt von den anderen Alben. Deshalb ändere ich das Vokabular für jedes Projekt. Man findet in all unseren Releases miteinander verbundene Titel. Die „Smoke In The Sky“ EP und „Edgar Allan Poe: A Life Of Hope & Despair“ sind dafür die extremsten Beispiele. Normalerweise sind meine Ideen ziemlich festgefahren, wenn wir mit einem Album anfangen. Für „Our Season Draws Near“ wollte ich anfangs zum Beispiel insgesamt nur drei Songtitel, die über das Album hinweg nur leicht geändert werden sollten. „Our Silver Age“ und „Our Ice Age“ sollten Anfang und Ende sein. Dazwischen sollten alle Tracks „Solitude“ heißen, nur mit unterschiedlichen Zusätzen – wie zum Beispiel bei „Solitude (Exterior)“ und „Solitude (Interior)“. Darüber hinaus wollte ich „Winter Of Winds“, „Winter Of The Sword“ und „Winter Of Wolves“ auf dem Album. „Winter Oft he Sword“ wurde dann nicht veröffentlicht, weil ich damit nie zufrieden war und es das Album viel zu lang machte. Die Idee mit den Titeln hat also nicht geklappt. (lacht) Es war einfach zu einengend. Vielleicht haut das ja beim nächsten Album hin. Der Grund für die Verbindung zwischen den beiden von dir erwähnten Tracks ist der Verweis auf die mythologischen drei Winter – diese beiden sind der erste und der letzte. Der zweite wurde ja leider vom Album genommen. Es war einfach wichtiger, ein gutes Album zu kreieren, als sich stur an irgendein Konzept zu halten.

Welcher Song auf dem Album bedeutet dir besonders viel und wieso?
„Our Ice Age“ ist definitiv der Song, der für mich besonders ist. Es dauerte am längsten, ihn zu schreiben und er ist das Ehrlichste, Autobiographischste, was ich je geschrieben habe. Das ist schwer zu erklären. Ich wollte schon länger einen Song schaffen, der sich wie ebendieser anfühlt, aber zuvor war mir das nicht möglich. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich sonst Angst davor habe, Schwäche zu zeigen und hier erlaube ich es mir endlich.

Wie schon „Wildwood“ endet auch „Our Season Draws Near“ mit einem Longtrack. Ist das beabsichtigt und falls ja, warum?
„The Golden Alchemy“ – der letzte Song auf „Wildwood“ – war als Longtrack vorgesehen und sollte sich langsam aufbauen, gegen Ende seine Höhepunkt erreichen und sich schließlich öffnen. Es war eine ziemlich experimentelle Phase für uns und wir wollten uns in eine progressivere und avantgardistischere Richtung bewegen. Bei „Our Ice Age“, dem letzten Song auf „Our Season Draws Near“, war das purer Zufall. Mir fiel gar nicht auf, wie lang er war, bis wir ihn aufgenommen hatten. Das passierte ganz natürlich.

Für das Mixing war diesmal Markus Siegenhort von Lantlôs verantwortlich. Warum habt ihr euch für ihn entschieden und durch was zeichnet sich sein Mix eurer Meinung nach aus?
Prophecy schlugen Markus vor und stellten ihn uns vor. Es war ein vergnügen, mit ihm zu arbeiten, er hat extrem viel Hingabe für seine Kunst. Er hat sich viel mehr Zeit für das perfekte Mixing genommen, als wir es erwartet hätten. Wir arbeiteten sehr eng zusammen. Ich habe ihm tonnenweise Notizen zu den Songs gegeben und er arbeitete damit. Danach nahmen wir noch kleine Adjustierungen vor, bis es so war, wie wir wollten. Er mixte das Album weitaus besser als ich es je gekonnt hätte und es ist so nahe an meiner ursprünglichen Vorstellung, wie es geht. Markus ist auch Musiker und Künstler. Das war mir sehr wichtig, denn ich dachte mir, dass es so leichter sein würde, bezüglich des Mixings zu kommunizieren. Er verstand, was mein Ursprung als Künstler war, was es mir sehr angenehm machte, mit ihm zu arbeiten.

„Wildwood“ war noch ziemlich wechselhaft produziert, manchmal sehr klar, dann wiederum rau und fast schon lo-fi. War das beabsichtigt und bist du rückblickend damit zufrieden?
Das war eigentlich nicht geplant! Es war das Resultat aus unserer Herangehensweise an die Komposition. Wir nahmen es über ein Jahr hinweg auf, während wir es schrieben, sodass wir kaum probten. Ich zeigte Neil eine sehr rohe Idee und Struktur für einen Song. Er nahm dann simple Drums auf und ich baute darauf den jeweiligen Song. Ich hörte mir das dann wieder an, kam auf neue Ideen und fügte sie gleich hinzu. Wenn ein Song fertig war, schrieb Neil seine Drumparts und nahm sie dazu auf. Manchmal nahm er an einem Tag die Drums für zwei bis drei Songs auf, dann wiederum zwei Monate lang nichts, während ich in demselben Raum an mehr Songs arbeitete. Die Jahreszeiten wechselten und unser Equipment blieb in diesem Raum – in einem alten Lagerhaus, in dem es im Winter kaum Wärme und im Sommer keine Klimaanlage gab. Das kann für Drums und andere Instrumente schlecht sein, da das Holz austrocknet oder sich wegen des Wetters ausdehnt. Vielleicht klingt die Produktion deshalb so unterschiedlich im Verlauf des Albums. Ich bin nicht ganz zufrieden damit, aber ich akzeptiere es. Es war Teil des Experiments und ein großer Lernprozess für uns. Nachdem wir es 2012 veröffentlicht hatten, hörte ich das Album nicht mehr, doch letztes Jahr haben wir es als remasterten Vinyl-Re-Release über Prophecy veröffentlicht. Als ich es da wieder hörte, war ich überrascht, denn vieles davon klang besser, als ich es in Erinnerung hatte, einiges aber auch viel schlimmer. (lacht) Es war viel experimenteller und exzentrischer als ich zu der Zeit, als wir es gemacht haben, gedacht hätte.

Auf dem Artwork sieht man einen Leuchtturm in kalten Farben. Was kannst du uns darüber erzählen und inwiefern passt es zu der Musik der Platte?
Wie bereits erwähnt, wurde die Musik so kreiert, dass sie dem Bild entspricht. Als ich das Foto auswählte, waren wir gerade erst am Beginn des Schreibenprozesses. Zuerst wollten wir noch versuchen, den Blumenkranz darauf digital zu entfernen. Mit der Zeit gewann ich ihn aber lieb, ich finde ihn ziemlich reizend, also ließen wir ihn drauf. Ich denke, es wäre ein desaster gewesen, ihn zu entfernen. Durch den Kranz bekommt das Foto eine eigene Persönlichkeit, finde ich. Ich denke, das Foto repräsentiert die Musik insofern, als das hier die unversönliche Natur am Rande eines Sturms ist. In der Mitte steht jedoch der Kranz, das einzieg Symbol für Leben und Wärme, das zu sehen ist. Das versuchten wir, so widerzugeben. Ob uns das gelungen ist, muss natürlich der Hörer entscheiden.

Der Track „Sorgen“ ist nach dem Bild, das man auf dem Cover sieht, benannt, stimmt’s? Was ist der Grund dafür und welche persönliche Bedeutung hat dieses Wort für dich?
Ja, dieser Song ist nach dem Bild des norwegischen Künstlers Theodor Kittelsen benannt. Das englische Wort dafür wäre „sorrow“ oder „grief“. Die Verbindung zum Song ist ganz einfach die, dass er dem Titel am besten entspricht. Der Track handelt gewissermaßen davon, dass man realisiert, dass unsere Existenz durch die Verbindungen zu anderen Menschen gerechtfertigt wird. Wenn man sich lange genug isoliert und die menschheit einen ganz vergisst, existiert man dann noch? Existiert man und hat man einen Sinn, wenn es niemanden gibt, der es bezeugen oder anerkennen kann?

Wie wird es als Nächstes mit 1476 weitergehen?
Immer aufwärts und vorwärts voranschreiten. Wir haben jetzt eine Live-Besetzung, also arbeiten wir hart daran, unsere ersten Auftritte seit sechs Jahren in diesem Mai vorzubereiten. Das werden überhaupt unsere ersten Shows in einer vollen Live-Besetzung. In diesem Jahr werden wir uns ganz darauf konzentrieren und im nächsten Jahr wollen wir eine Band werden, die Vollzeit tourt. Außerdem werde ich dieses Jahr Ideen für unser nächstes Album sammeln, das wir 2018 hoffentlich schreiben und aufnehmen können. Ich würde mir damit gern Zeit lassen, da wir in unseren ersten fünf Jahren zwischen 2010 und 2015 viel Musik in 1476 und anderen Projekten geschrieben und veröffentlicht. Es waren achte Releases, glaube ich. „Our Season Draws Near“ war im Sommer 2015 schon fertig, obwohl es erst Ende März 2016 veröffentlicht wurde. Während Studioarbeit in der Vergangenheit aufregend für mich war, bin ich jetzt gespannt darauf, live aufzutreten. Ich würde gerne verschiedene Arten von Shows spielen, bei einigen mit Fokus auf unser härteres Material, dann wiederum mehr auf unser akustisches Material konzentriert und schließlich auch Shows mit expermentellen und Soundtrack-Songs.

Wir nähern uns langsam dem Ende dieses Interviews. Zum Schluss möchte ich mit dir noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen:
Geschichte: Wird vom Gewinner geschrieben.
Sommer: Halbzeit bis zum Winter.
Prophecy: Unsere Retter
Lieblingsalbum: „Wish You Were Here“ von Pink Floyd
Neuengland: Mein Fundament
1476 in zehn Jahren: Das ist vertraulich bis 2027.

Gut, dann nochmals vielen Dank für deine Antworten. Die letzten Worte sollen dir gehören:
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, um mit uns zu reden, und danke allen, die uns bisher unterstützt haben. Wir stehen in eurer Schuld, für immer!

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