Sich mit seinen eigenen Klassikern zu messen, tut selten gut. Auch THE-MISSION-Fronter Wayne Hussey stünde ein wenig mehr Bescheidenheit gut zu Gesicht. „Für mich ist das neue THE-MISSION-Album das fehlende Puzzleteil zwischen ‚First And Last And Always‘ von The Sisters Of Mercy und ‚God’s Own Medicine“ von THE MISSION“, verkündet der Sänger und Gitarrist mit stolzgeschwellter Brust. Da darf man getrost die Augenbrauen hochziehen. Nimmt der Gute den Mund da nicht zu voll?
Beim eröffnenden Titeltrack stellt sich zunächst Ernüchterung ein. „Another Fall From Grace“ ist nett und vereint alle Trademarks der Band: Perlende, vor sich hin mäandernde Gitarrenlinien treffen auf einen Wayne Hussey, der die Pathos-Keule schwingt, als wäre Bono in einen Patchouli-Topf gefallen. So richtig aus dem Quark kommt die Nummer trotzdem nicht. Dafür fehlen der Melodie die Widerhaken und die Tiefe.
Doch was ist das? Die erste Single-Auskopplung „Met-Amor-Phosis“ schlägt ganz andere Töne an! Da sind sie wieder, die Ohrwurm-Hooks, die Düsterhymnen wie „Wasteland“, „Like A Hurricane“ oder „Butterfly On A Wheel“ einst so unwiderstehlich machten. Im Backgroundgesang hat sich übrigens ein gewisser Ville Vallo verewigt, der hier zwar unaufdringlich auftritt, aber als beschwörend grummelnder Andrew-Eldtrich-Ersatz eine formidable Figur macht. Mit dem Namedropping geht es im atmosphärischen „Within The Deepest Darkness (Fearful)“ gleich weiter – mit Gary Numan am Mikro.
In der zweiten Albumhälfte hängt „Another Fall From Grace“ dann leider wieder etwas durch. „Never’s Longer Than Forever“ verwirrt mit einem unpassend leichtfüßigen Refrain, von „Bullets & Bayonets“ und „Jade“ bleibt kaum etwas hängen. Doch keine Sorge. Die Band fängt sich auch diesmal wieder, nur um das Album mit zwei der besten THE-MISSION-Nummern seit vielen, vielen Jahren zu beschließen: In „Only You & You Alone“ – Martin Gore übernimmt die Backing Vocals – schmachtet Hussey so unwiderstehlich, als wäre er nicht 58, sondern nach wie vor ein kaum 30-jähriger Tröster einsamer Teenager-Herzen: „Sky is black. Even the moon has abandoned us tonight.“ Der absolute Wahnsinn ist dann „Phantom Pain“. Knapp siebeneinhalb kurzweilige Minuten kriecht das Ungetüm, getrieben von einem stoisch pluckernden Drum-Computer, voran. „Sometimes it feels like the night will never end.“ Der Einsatz einer Klarinette und eines Saxofons entlockt der Nummer Facetten, die man von THE MISSION so bisher nicht gekannt hatte.
Natürlich ist „Another Fall From Grace“ kein neues „God’s Own Medicine“ und schon gar kein neues „First And Last And Always“. Doch wer hätte das auch erwartet? Unterm Strich bleibt ein mehr als solides THE-MISSION-Album, mit dem die Gruppe zwar kaum neue Fans gewinnen, die alten aber dafür umso mehr zufrieden stellen dürfte. Immerhin finden sich auf der Platte deutlich mehr gute Songs als Füllmaterial. Wer also den einen oder anderen Durchhänger verzeiht, wird mit Nummern belohnt, die im Backkatalog ziemlich weit oben mitspielen können.
Wertung: 7 / 10