Wer bei Amazon, iTunes und Konsorten nach CDs oder MP3s sucht, wird bei diesem Bandnamen nicht fündig: DA BILLI JEAN IS NED MEI BUA! Der Grund dafür liegt darin, dass Stefan Leonhardsberger und Martin Schmid mit ihrem Zwei-Mann-Projekt lediglich deutschsprachige Cover-Versionen internationaler Hits singen. Fein angereichert mit Schmäh und außergewöhnlicher Bühnenpräsenz. Verpackt wird die Songauswahl der letzten 30 Jahre in einem österreichischen Liederabend, der vermutlich nur bis zum Weißwurstäquator wirkt und funktioniert. Zu ausgeprägt ist sein „leicht wienerischer Akzent im feinen Hochdeutsch“, wie Leonhardsberger anfangs anmerkt. Und zudem vorschlägt: „Horcht’s zu, lasst’s euch drauf ei, so guat wie olle Songs san jugendfrei.“
Im „intimen“ Deutschen Theater wird er herzlich aufgenommen. Während parallel der FC Bayern München spielt und das Oktoberfest auf Hochtouren läuft, starten der Oberösterreicher und sein Augsburger Bandkollege mit ihrer Version des „Lazy Song“ von Bruno Mars. Das Bühnenbild ist spartanisch: lediglich zwei Hocker, ein paar Gitarren und gut ausgeleuchtet die beiden Künstler, die sich den ungewöhnlichen Namen gegeben haben. Woher dieser stammt? Dafür erhebt sich Stefan Leonhardsberger früh von seinem Stuhl und inszeniert das namensgebende „Billie Jean“ von Michael Jackson als Vaterschaftsklage. DA BILLI JEAN IS NED MEI BUA? Aber seine Moves, sein Style, sei Bua? Also, doch. Den thematischen Bogen über den gesamten Abend spannt die Geschichte von Tonic und seinem Sohn. Tonic, dessen Nachwuchs in seine Lehrerin verliebt ist. Tonic, der mit ebenjener Pädagogin selbst in die Kiste hüpft. Schwarz auf Weiß liest sich dieser Auszug wie schlechtes RTL-Freitagsprogramm. Live glänzt das blind aufeinander eingespielte Duo mit unverschämtem Charme und ausgeprägten Kontrasten. Während Stefan quirlig und mit kräftiger Stimme durch den Abend und die Lieder führt, reduziert Martin sich selbst und seine Arbeit auf das Nötigste. Er bildet den ruhigen Gegenpol, der durch seine Mimik und gezielten Wortspenden punktet.
Fehlende Instrumente ersetzt der Sänger der Presley Family kurzerhand mit seinem Mund. Der Schwabe ist ein Meister seines Fachs und liefert somit Stefan Leonhardsberger das notwendige Fundament für dessen Part, ganz egal ob im Pop, Rock oder auch im Hip Hop mit „Candy Shop“ von 50 Cent, welches nun einen „Würstelstand“ thematisiert. Manchmal musizieren die beiden auch gemeinsam an der Gitarre, singen von LKW-Fahrern im Grenzgebiet und vom „Almsee“ – powered by Bruce Springsteen. Dann zeigt sich offenkundig, wie viel mehr hinter diesem Projekt steckt: unerwartete Gänsehautmomente im großen Theater. Nicht die letzten. Doch bevor DA BILLI JEAN IS NED MEI BUA nochmals tief in die Gefühlskiste greifen, warten noch weitere tragikomische Einakter mit deutsch-wienerischen Adaptionen von Rihannas „Umbrella“, bei dem eine Freundschaft beinahe an einem Bissen Schnitzel zerbricht, oder auch David Bowies „Space Oddity“. Zweiteres handelt von der gescheiterten Mission des ersten Manns (ein Österreicher!) im Weltraum, dem Austronauten. Leonhardsberger/Schmid spielen ihr Arsenal nicht einfach nach, sie veredeln es, meist ohne die Aussagen der Originale zu verfälschen. In „Nia Wos So Schee“ (früher: „Nothing Compares To You“) wird zum Beispiel das ursprüngliche „Since you took your love away“ zwar zu einem launigeren „Seid auf mi gschissn host“, die Bedeutung ist aber inhaltsgetreu.
Zwischen den beiden Hälften, einer kürzeren und einer längeren, baut das Duo gekonnt seinen Spannungsbogen auf, so dass die Publikumsinteraktion immer weiter zunimmt und erst später kulminiert. Klassiker wie S.T.S. „Irgendwann bleib i dann dort“ (beziehungsweise an diesem Abend eigentlich das Gegenteil gemäß Text) tragen ihr Übriges dazu bei, dass die internationalen Pop-Songs mit einheimischem Liedgut einhergehen. In der fetzigen Zugabe nach rund zwei Stunden sprechen DA BILLI JEAN IS NED MEI BUA allen schüchternen Männern auf der Tanzfläche aus der Seele. „Bsoffner Tänzer“ lautet die Hommage an Tina Turner. Egal, ob der Mann aus dem Mühlviertel singt, tanzt oder einfach nur zu Martin blickt – es passt. Mehr als das. Das Stimmwunder haucht seinen Songs ein selten erlebtes Eigenleben ein. Wie sehr, das offenbart der endgültige Abschluss: „Ein treuer Husar“, tausendmal gecovert und an diesem Abend zu Tränen rührend. So endet ein Liedermacherabend, der vom ersten bis zum letzten Moment maßlos unterhält und maximal berührt.