Die australischen Death-/Doom-Metaller THE MALEDICT legten 2015 mit „Dread“ ein interessantes Debüt vor, auf dem Death- und Doom-Elemente gleichwertig einander gegenüberstanden. In folgendem Interview mit Bandleader Ian McLean erfahrt ihr unter anderem Genaueres über die textlichen und musikalischen Merkmale der Band sowie die australische Metal-Szene im Allgemeinen.
Und los geht’s. Warum ist THE MALEDICT (engl. „Die Verfluchten“) der perfekte Name für euch?
Es klang cool und war noch nicht vergeben. „Maledict“ ist eigentlich nur ein schickes Wort für „cursed“, beides bedeutet „verflucht“. Wir alle in der Band sind mit unserem unglaublich guten Äußeren verflucht, also passt das ganz gut.
Welche Bands oder Musiker haben eure Musik am meisten beeinflusst?
Wir wurden vom Sound her ziemlich oft mit Paradise Lost, My Dying Bride und Anathema verglichen, also sind unsere Einflüsse, denke ich, sehr offensichtlich. Ich lobe mir ja etwas Death/Doom, aber ich habe auch ein paar andere Metal-Einflüsse wie zum Beispiel Celtic Frost und noch etwas mehr Gothic-Sachen wie The Cure oder The Sisters Of Mercy, dazu noch zeitgenössische Soundtracks und klassische Komponisten wie Max Richter und Kenji Kawaii.
Beschreibt doch bitte mal eure Musik für all jene, die von euch noch nichts gehört haben.
Der Luftzug von Angestellten-Angst, Gefühlen sexueller Unzulänglichkeit und Existenzängsten vor einer Kulisse aus Blast-Beats, Gitarren und gelegentlicher MIDI-Violine.
Ihr habt als Death-Metal-Band angefangen, habt eurer Musik auf eurem Debüt „Dread“ jedoch viele Doom-Elemente beigemengt. Wieso diese Neuausrichtung?
Die Tendenz, doomiger zu werden, war schon immer da, aber als ich begann, mehr Emotion in die Musik einfließen zu lassen, bekam ich es mit der Angst zu tun, jemand könne es als zu kitschig betrachten und es runtermachen. Es ist okay, wenn man ein paar Haufen Riffs zusammenwirft und es niemanden kümmert, aber der Gedanke, dass jemand etwas zerreißt, in das ich viel Herzblut gesteckt habe, machte mir mehr Angst, als es sollte.
Erst, als ich Ratschläge von meinen Bandkollegen bekam und die lauwarmen Reaktionen der Leute auf unsere erste Demo sah, von der ich eigentlich erwartet hatte, dass sie den Leuten gefallen würde, fing ich an, mutig genug zu werden, meine Haltung zu ändern. Bis jetzt sieht es bezüglich der Kritiken ganz gut aus, aber noch viel wichtiger ist, dass ich jetzt besser schreiben kann, was ich denke und fühle, ohne mich allzu sehr darum zu kümmern, was die Meinung anderer ist.
Anstatt diese zwei Stile jedoch ganz miteinander zu verknüpfen, habt ihr sie zum Teil voneinander abgeschottet. „Column Of Voracious Souls“ ist beispielsweise ein purer Death-Metal-Brecher, in anderen Tracks ist der Doom Metal präsenter. Welche Intention steckt hinter dieser Abgrenzung?
Die Intention war es, das Album als ein großes Stück zu präsentieren, das jedoch Aspekte in sich trägt, die sich voneinander abheben und doch aufeinander reagieren. Darauf haben wir ganz besonders bei dem Arrangement der Tracklist geachtet – wenn der Hörer sich beim langsamen Abstieg von „Frozen“ entspannt hat, kommt „Column…“ aus dem Nichts und verpasst ihm eine ordentliche Tracht Prügel. Später spielen wir auf „Carrion…“ verrückt und schenken auf „…Lips…“ etwas Trost nach dieser großen Kakophonie.
Da es ein sehr langes Album ist, wollten wir sichergehen, dass sich die Leute nicht langweilen. Nach 30 Minuten geradlinigen Death Metals kann man von all der Heaviness taub werden. Nach 30 Minuten soliden, schlendernden Doom Metals schläft man womöglich ein! Deshalb war es wichtig, das Album gut zu timen und diese beiden Szenarien zu vermeiden. Jeder neue Song ist eine Reaktion auf den davor.
In „A Muse In Requiem“ kommen sogar düstere Symphonic-Elemente zum Einsatz. Wie kamt ihr auf die Idee dafür?
Orchestrale Elemente sind dieser Tage schon ein ziemlich alter Hut im Doom-Genre, aber sie eignen sich immer noch gut dazu, den Songs eine träumerische Note zu verleihen. Mir gefällt es, dass ich dadurch so sehr beruhigt werde, dass ich die Atmosphäre eines Stücks geradezu trinken kann. Orchestrale Elemente schaffen emotionale Verbindungen zu Situationen und Gefühlen, das tun sie immerhin schon seit 400 Jahren oder so.
Werden ihr in Zukunft öfter solche Ausflüge in andere Genres machen?
Oh ja, absolut! Ich habe schon viel darüber nachgedacht, wie ich das in Zukunft angehen könnte. Ich würde gerne etwas sehr Originelles tun und etwas schaffen, das etwas ausdrückt, das man nachempfinden kann, aber auf eine einzigartige Weise. Musik ist wie Genetik – neue Genres sind die Nachkommen älterer Kompositionen, die wiederum eigene einzigartige Ursprünge haben, und werden womöglich zu etwas völlig Neuem und Andersartigem mutieren.
Unser künstlerischer Output ist ein Amalgam unserer Einflüsse und Erfahrungen. Um weiterzugehen, müssen wir diesen Vorrat mit neuen Ideen und Dingen füllen, die wir ausdrücken wollen und die uns inspirieren. Alte Motive abzunutzen und nichts Neues auszuprobieren, wäre ein Fehler, wie ich finde.
Wie wurde euer musikalischer Kurswechsel von Fans und Kritikern aufgenommen?
Wir sind ziemlich verblüfft über die Reaktionen auf das Album. Die Leute scheinen es zu mögen und ich fühle, dass ich darin eine Stimme gefunden habe. Die Kritiken waren also eine wirklich angenehme Überraschung.
Was für Themen verarbeitet ihr in euren Texten?
Ich schreibe ein Tagebuch. Ich weiß nicht, ob das die meisten Leute auch so machen, aber ich setze mich nicht wirklich hin und schreibe einfach so Lyrics per se. Meistens beginnt es mit Gedankenzügen aus meinen Tagebucheinträgen, die ich dann adaptiere, damit sie zu dem Song passen. Ich überarbeite sie viele Male, bis ich das Gefühl habe, dass sie fertig und gut in den Song integriert sind, ohne dass dabei die Bedeutung oder die Gefühle auf der Strecke bleiben.
Manche sollen nur einen Eindruck oder generelle Gefühle wiedergeben. „Frozen“ bezieht sich auf meine Tendenz, mich öfters zurückzuziehen, um meine Gefühle von der Außenwelt abzuschirmen, davon handelt, glaube ich, auch Pink Floyd’s „The Wall“. „A Muse…“ und „Deadened…“ sind Geschwister-Songs und behandeln die Idee, einen Schatten zu lieben – den Moment, wenn die verzerrte Version dieser Person, die man im Herzen hält, zerbricht und die Realität einsetzt, wenn man dann mit diesem Zerfall umgehen muss. Zuerst ist es Unglaube, dann der Versuch, es zu rationalisieren oder darüber zu verhandeln, dann Gefühle der Rage und des Hasses. „Tenebrae“ handelt von der Reue, die ich darüber empfand, dass ich bestimmte Dinge vor dem Tod einer geliebten Person getan oder nicht getan habe, und davon, dass ich es nicht wiedergutmachen konnte, als diese Person nicht mehr war. „…Lips…“ war ursprünglich viel länger und behandelte das Erwachsenwerden und die Erkenntnis, dass unsere glücklichen Kindheitserinnerungen das Resultat der Opfer sind, die andere für uns gemacht haben, und dass die Welt nicht einfach besser war, als wir noch kleiner waren. Der Song wurde schließlich ein Instrumental, aber ich habe trotzdem einige der Lyrics im Booklet gelassen.
Das ist allerdings nur meine Sicht – das Tolle an Musik ist, dass wir sie mit Bedeutung durchtränken, die aus uns selbst als Hörer kommt. Damit kannst du die Musik wirklich zu deiner machen, unabhängig davon, wer sie geschrieben oder was die Idee des ursprünglichen Schöpfers war.
Ihr habt das Album ohne ein Label veröffentlicht. Habt ihr bisher noch keines gefunden oder war das von euch so gewollt?
Unser allererstes Ziel war es, ein Album für uns selbst zu machen, etwas dadurch auszudrücken und einfach sagen zu können, dass wir es gemacht haben. Da das unser Antrieb war, war ein Label oder eine weite Verbreitung für uns nie von hoher Priorität. Inzwischen haben wir zusätzlich zu unserem eigenen auch einen US-Release via Transcending, das ist schon toll.
Für mich als Europäer ist das vielleicht etwas vermessen, aber ich habe den Eindruck, dass Australien immer mehr interessante Bands hervorbringt. Wie seht ihr die australische Metal-Szene?
Wir haben hier definitiv eine großartige Underground-Metal-Szene, besonders in Perth, Melbourne und Adelaide gibt es ein gesundes Ökosystem. Eine große Erfolgsgeschichte ist hier aktuell die von King Parrot, auf die ist Phil Anselmo aufmerksam geworden und dadurch konnten sie über sein Label ein Album aufnehmen und veröffentlichen. Jetzt sind sie als Support für Soulfly auf Welttour, das ist wirklich ermutigend!
Welche anderen australischen Bands könnt ihr uns so empfehlen?
Myraeth, Headbore, Brutonomy, Iconic Vivisect, Mournful Congregation, Ne Obliviscaris, Abremelin, Psycroptic, Disembowelment, Elysian Blaze, The Amenta, etc…
Das wär’s dann auch schon. Zum Abschluss würde ich dich bitten, bei unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming mitzumachen. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn:
Gothic Metal: Evanescence. Ich bin verdorben.
Wüste: Überall
Clean Vocals vs Growls: Sie sollten in Frieden und Harmonie zusammenleben. Clean Growls!
My Dying Bride: Legenden
Schnorcheln: Stechrochen
Lieblingsalbum: Oh weh, das ist schwer. Ich sage mal „This Godless Endeavour“ von Nevermore.
Sehr schön, dann nochmals vielen Dank für dieses Interview. Wenn du den Lesern etwas sagen möchtest, kannst du das jetzt gerne noch tun.
Ihr könntet ein Interview mit einer anderen, cooleren Band lesen, aber ihr lest stattdessen dieses hier mit uns. Das musstet ihr nicht, aber ihr tut es! Also danke! Wir lieben euch!