Interview mit Tommy Victor von Prong

Seit 30 Jahren treiben die Crossover-Metaller PRONG nun ihr Unwesen, und nie zuvor waren PRONG-CDs so verlässlich stark wie in der dritten Dekade ihres Bestehens. Bei mir scheinen die Musikgötter da oben beschlossen zu haben: „Ok, das ist der Idiot, der das machen soll. Er hat keine andere Wahl!“ erklärt sich Tommy Victor die Situation. Was der sympathische Fronter sonst über die vergangenen 30 Jahren und das neuen Album „X – No Absolutes“ zu berichten hat, könnt ihr hier nachlesen:

prong logo 2014
30 Jahre PRONG, Gratulation dazu! Wenn du diese lange Zeit nochmal rekapitulierst – was hat sich geändert und was ist gleich geblieben?

Ich habe in meiner Karriere immer Glück gehabt, auch wenn es natürlich Hochs und Tiefs gegeben hat. Ich glaube nicht, dass sich das ändert! Ich wurde mehrfach aus einem Loch gezogen, das ist wirklich großartig. Manche Menschen bekommen nicht so viele Chancen, geschweige denn zwei oder drei. Aber bei mir scheinen die Musikgötter da oben beschlossen zu haben: „Ok, das ist der Idiot, der das machen soll. Er hat keine andere Wahl!“

PRONG-TOMMYSOLO-1Aus heutiger Sicht: Was war das beste PRONG-Jahr?
Das Hier und Jetzt ist für PRONG am Besten. Ich denke nicht in Jahren – die Vergangenheit ist die Vergangenheit, sie existiert nicht mehr. Ich empfinde heute auch viel mehr Dankbarkeit. Die Kraft des Jetzt! Ich muss das tun! All dieses Bewusstsein um das „Jetzt“ sorgt für stete Weiterentwicklung und die Dinge werden einfach kontinuierlich besser, unabhängig von Bekanntheitsgrad, Selbstverliebtheit und dergleichen.

Und gab es einen echten Tiefpunkt in der PRONG-Karriere?
Es gab so viele schlechte Phasen bei PRONG, aber sie waren vielleicht auch nur aus meiner eigenen Sicht schlecht. So viele Phasen des Widerstands. Ich dachte oft, das Gras auf den anderen Wiesen wäre grüner, aber das stimmt nicht immer: Viele der größten Stars sind verunsicherter denn je und absolut unglücklich. Ich glaube, man kann sich da reinsteigern, und das funktioniert so einfach nicht. Ich hab es auf die harte Tour gelernt: Damals hab ich mir nicht viel sagen lassen. Ich dachte, ich wüsste, was ich tue, aber das war ein Irrtum. OK, dafür kann ich dir sogar ein Jahr nennen: Vielleicht war es ’94, bevor wir aufgewacht sind. Es war sehr chaotisch, alles war ein einziger Kampf. Aber das war gut – alles läuft so, wie es laufen muss.

Gibt es einen bestimmten Moment, eine Erinnerung, die die Essenz von PRONG darstellt?

Ja, und wieder ist es etwas sehr Aktuelles – weil die Arbeiten an unserem neuen Album „X – No Absolutes“ die beste Erfahrung waren, die ich je gemacht habe. Wir brauchten einen Opener für das Album, der alle Elemente von PRONG vereint und wie aus dem Nichts fügte sich „Ultimate Authority“ zusammen. Ich wollte noch einen etwas langsameren, düstereren Track, und „Do Nothing“ kam heraus. Die besten unserer Songs sind so entstanden: Schnell, in vielleicht fünf Minuten geschrieben.

PRONG-NOABSOLUTES-1Letztes Jahr habt ihr mit „Songs From The Black Hole“ ein Cover-Album veröffentlicht. Nach welchen Kriterien habt ihr die Songs dazu ausgewählt?
Jason Christopher kam mit der Idee und den Vorschlägen, welche Songs wir nehmen sollten. Er fand, wir sollten uns die Bands vornehmen, die meinen Gesangsstil geprägt haben und in unsere frühen Einflüsse eintauchen. PRONG haben sich aus einem Post-Punk-Umfeld heraus entwickelt, also fand er, dass sich das in dem Album wiederspiegeln sollte – war da, was seine Ideen zu Songs und Konzept angeht, ganz bei ihm. Was „Cortez The Killer“ angeht, hatte er bemerkt, dass mein Gitarrenspiel Ähnlichkeiten zu dem von Neil Young aufweist und war der Meinung, ich könnte dem Gitarrensolo gerecht werden. Bands wie Discharge, Bad Brains, Black Flag und vor allem Killing Joke mussten wir einfach Tribut zollen, wenn wir schon ein Cover-Album machen, egal, mit welchen Songs.

Prong – Songs From The Black HoleWie haben die Fans auf die Veröffentlichung reagiert?
Gerade die Reaktionen auf „Doomsday“, „Banned In D.C.“ und „Vision Thing“ bei unseren Shows waren phänomenal. „Doomsday“ hat sich, wenn man nach Spotify- und Juke-Box-Plays geht, zu einem unserer Hits gemausert!


Jetzt ist das zehnte PRONG-Studioalbum erschienen, „X – No Absolutes“ – welche Idee steckt hinter dem Titel, bezogen auf PRONG?

Er bezieht sich nicht auf PRONG, er bezieht sich auf die Menschheit als solche. Es ist ein bisschen existenziell, aber trotzdem keine nihilistische Einstellung. Überall gibt es viele Unsicherheiten und wir alle tun viele dumme Dinge, um das zu überspielen oder um die Dinge zu ändern. Ich weiß nicht, ob wir wirklich so viel Kontrolle darüber haben, was im Leben oder auf der Welt passiert. Vielleicht ist es manchmal besser, einfach „Ich weiß es nicht“ zu sagen und im Augenblick zu leben. Wer weiß schon, was als nächstes passiert?

PRONG_X_Vinyl_Gatefold_RZ.inddUnd was ist, in diesem Kontext, die Idee hinter dem Artwork?
Das Artwork verarbeitet die erwähnte Unsicherheit der Welt und die Idee, dass im großen Kontext jeder von allem, was passiert, irgendwie betroffen ist.

Während das Album in vielen Punkten ein typisches PRONG-Album ist, ist es andererseits auch von Elemente aus dem Alternative und Post-Punk geprägt. Wie kam es dazu?
Das Album ist aus den gleichen Elementen zusammengesetzt, die wir immer schon in unserer Musik hatten. Bei manchen Alben waren bestimmte Bestandteile offensichtlicher als bei anderen, aber das neue Album ist wirklich gut durchkonzeptioniert und absolut in einer Linie damit, wie PRONG immer schon klingen sollte: Diesmal haben wir die Formel gelöst – es ist einfach eine perfekte Mischung. Vielleicht sind diesemal ein paar mehr klassisch konzipierte „Songs“ auf dem Album, aber auch das ist etwas, was ich immer schon so machen wollte.

Der Sound des Albums ist sehr kraftvoll, aber auch sehr basslastig. Was war diesmal eure Intention, was den Sound angeht?
Das habe ich größtenteils Chris Collier überlassen. Ich mag Steve Evetts Mix von „Ruining Lives“ sehr, aber dieses Album wollten wir aggressiver, zuschlagender.

17-ProngVon März bis April werdet ihr in Europa und den USA ausfühlich touren. Was hat sich an eurem Tourleben über die vergangenen 30 Jahre geändert?
Nicht wirklich viel, wirklich. Ich glaube, ich habe jetzt mehr Freude daran. Vor allem, weil ich Art und Jason dabei habe. Die Jungs sind einfach großartig. Ich muss mir nie Gedanken über ihre Performance machen.

Hast du dich selbst verändert, was dein Verhalten auf Tour angeht, oder bedeutet Touren auch heute noch Rock’n’Roll-Lifestyle?
Ich trinke nicht und nehme keine Drogen. Früher habe ich phasenweise versucht, alles am Laufen zu halten, indem ich nüchtern geblieben bin. Aber die Kerle, mit denen ich unterwegs war, haben mich immer wieder überredet und dann ist alles im Chaos versunken. Bei PRONG hängt viel von mir ab, die Organisation, der Gesang und die Gitarre. Aber ich sorge mich heute auch ganz generell viel mehr um meine Gesundheit als früher, klar.

Im Dezember 2015 starb mit Lemmy der letzte echte Rockstar. Deine Gedanken zu seinem Tod?
Ja, er war wirklich der letzte Rockstar, da hast du Recht. Sein Tod markiert das Ende einer Ära: Die neue Generation zeigt kein so großes Interesse an diesen ikonenhaften Rockstars. Heute sind Musiker durch das Internet und Social Media greifbarer, weniger geheimnisvoll. Lemmy war großartig, er hat sich nie verbogen. Viele Leute versuchen heute alles, um cool zu sein. Er musste das nie tun. Aber alles ist, wie es ist, und die Leute sind, wer sie sind. Lemmy hat das gezeigt.

Vielen Dank für Zeit und Antworten – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Motörhead: Ass
Europa: Umständlich aber schön.
Adele: Mir egal.
Hund oder Katze: Hund.
Donald Trump: Ein gelangweilter Milliardär.
PRONG in zehn Jahren: Wer weiß?

ProngM103

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert