Bereits zum zehnten Mal gastiert FRANK TURNER zusammen mit seiner Band THE SLEEPING SOULS in München. Eine Übersättigung ist trotz der vielen Shows – immerhin nur zweimal war er als Support in der Stadt – noch nicht festzustellen. Auch die Locations wurden dabei kontinuierlich größer, sieht man von den beiden Clubshows im familiären Strom ab. Dass er mit seinem neuen Album „Positive Songs For Negative People“ seinen Bekanntheitsgrad noch einmal steigern konnte, zeigt sich nun auch daran, dass der Abend in der TonHalle eine Woche vor Konzerttermin bereits ausverkauft ist.
Pünktlich um 20 Uhr betritt zunächst WILL VARLEY die Bühne. Mit seiner verschrobenen Art irritiert der Folkmusiker große Teile der TonHalle, zupft er doch sehr enthusiastisch und teilweise nahezu übertrieben an seiner Gitarre herum, und liefert in breitestem englischen Akzent stark gesellschaftspolitisch geprägte Songs, die er teilweise nahezu rezitierend vorträgt. Textlich ist das Dargebotene dabei durchgängig stark und auch musikalisch auf keinen Fall schlecht – in der doch sehr großen TonHalle geht der Charme der Musik allerdings verloren. In einem kleinen Pub würde WILL VARLEY durchweg begeistern, besonders wenn er vielleicht auch seine doch recht prollige Art zwischen den Songs etwas zurückfahren würde. Sein halbstündiger Auftritt ist insgesamt stimmig für einen Opener, das permanente Gerede des gesamten Publikums und die Atmosphäre der Halle überlagern die Musik allerdings zu sehr.
Nach einer fünfzehnminütigen Umbaupause betreten als zweiter Support SKINNY LISTER die Bühne. Dass die Folkrocker aus London derzeit großen Zuspruch von großen Künstlern aus dem Genre erfahren, ist kein Geheimnis, war die Band doch letztes Jahr auch als Support von Chuck Ragan in München zu sehen. Mit ihrer an Flogging Molly erinnernden, druckvollen Mischung aus Shanties, Folk und Punk reißt die Band das Publikum schnell mit – im Weg steht SKINNY LISTER dabei erneut ihre überdrehte Art, auch wenn sie im Vergleich zum Konzert mit Chuck Ragan heute wenigstens die Töne treffen. Das obligatorische Crowdsurfen mit Contrabass darf natürlich auch heute wieder nicht fehlen, Bierflaschen werden auf und vor der Bühne geleert, es wird laut mitgegröhlt, ausgiebig getanzt – und zwar ganze 45 Minuten lang, was an einem Donnerstag abend mit Konzertbeginn um 20 Uhr für einen späten Abschluss des Abends sorgt. Als Anheizer für Frank Turner haben SKINNY LISTER heute alles richtig gemacht, ohne allerdings wirklich absolut begeistern zu können.
Um 22 Uhr erlischt erneut das Licht und die Töne eines Gewitters erklingen aus den Lautsprechern in der TonHalle. In den lauten Jubel hinein betreten die SLEEPING SOULS die Bühne und mit den ersten Tönen von „The Next Storm“ stürmt auch FRANK TURNER auf die mit großen „+ / -“-Bannern dekorierte Plattform. Von der ersten Sekunde an frisst das Münchner Publikum dem sympathischen Engländer aus der Hand, tanzt mit, ist bei jedem Mitsingteil dabei und dabei erstaunlich laut und textsicher. Im Vergleich zu seiner Clubshow in München im September hat FRANK TURNER sein Set dabei deutlich um-, und so etwas wie eine Best-Of-Show auf die Beine gestellt. Dass dabei in seinem kurzen Solo-Ausflug sogar „Pass It Along“ von der Rock’nRoll-EP seinen Weg ins Set findet, zeigt, dass hier nicht einfach Stangenware abgeliefert wird, sondern das zur Schau gestellte Herzblut zu jeder Sekunde echt ist.
Dass „The Opening Act Of Spring“ von FRANK TURNER kurz nach Beginn unterbrochen wird, um einem Crowdsurfer, der ununterbrochen über die Menge segelt, klarzumachen, dass er sich als Wiederholungstäter allmählich zum Affen macht, sorgt für spontanen Jubel. Als sich die Hitdichte schließlich immer mehr erhöht, verabschiedet sich die Band nahezu überstürzt nach „Recovery“ von der Bühne, nur um für vier weitere Hits zurückzukommen und das Publikum mit der Kombination aus „I Still Believe“ und „Four Simple Words“ selig grinsend und verschwitzt nach zwei Stunden musikalischem Dauerfeuer in die Nacht zu entlassen.
- The Next Storm
- The Road
- Losing Days
- Eulogy (Deutsche Version)
- If Ever I Stray
- Try This At Home
- Peggy Sang The Blues
- Josephine
- Polaroid Picture
- I Knew Prufrock Before He Got Famous
- I Am Disappeared
- The Opening Act Of Spring
- Pass It Along (Solo)
- The Fisher King Blues (Solo)
- The Ballad Of Me And My Friends (Solo)
- Reasons Not To Be An Idiot
- Glory Hallelujah
- Mittens
- Long Live The Queen
- Out Of Breath
- Photosynthesis
- Plain Sailing Weather
- Get Better
- Recovery
- The Way I Tend To Be (Solo)
- Love Ire & Song
- I Still Believe
- Four Simple Words
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FAZIT: Sicher, das intime Setting einer Clubshow steht FRANK TURNER & THE SLEEPING SOULS aufgrund der familiären Stimmung der Musik und des Auftretens besser zu Gesicht, doch auch auf der großen Bühne weiß die Band mit einem packenden Set – und dafür mehr Rock’n’Roll-Attitüde – zu überzeugen. Auch wenn ein Supportact es heute getan hätten, konnten auch diese beiden Gruppen ihren Zweck voll erfüllen. Die elfte Show in München kann kommen.