Ende 2015 haben die Folk-Black-Metaller WINDFAERER mit „Tenebrosum“ ein beeindruckendes zweites Album veröffentlicht, das vor allem durch den stimmigen Einsatz der Violine Eindruck macht. In folgendem interview mit Leadsänger und Gitarrist Michael Gonçalves erfahrt ihr unter anderem, welchen Stellenwert die Violine in der Band hat, was sich für WINDFAERER seit ihrem Debüt „Tribus“ geändert hat und welche Rolle die EP „Solar“ dabei gespielt hat.
Vorab würde ich dich bitten, eure Musik für all jene zu beschreiben, die euch noch nicht kennen.
Melodisch, heavy und melancholisch mit einigen Folk-Elementen – ohne allzu sehr darauf angewiesen zu sein. WINDFAERER verbinden heroische Melodien mit polternden Heavy-Metal-Riffs und erschaffen dabei eine epische Atmosphäre. Unsere Stilrichtung lässt sich am Besten mit dem Begriff Folkloric Black Metal beschreiben. Die Musik befasst sich thematisch mit meiner iberischen Abstammung.
Euer neues Album „Tenebrosum“ kann man wahrlich als gelungen bezeichnen, ich finde es sehr emotional. Was ist das Konzept hinter dem Album?
Danke sehr! „Tenebrosum“ ist ein Wort aus dem Lateinischen und bezeichnet Dunkelheit, Finsternis oder Schatten. „Mare Tenebrosum“ ist außerdem ein altertümlicher Begriff für das, was wir heute den Atlantischen Ozean nennen. Dieser spielte bekanntlich eine große Rolle im Zeitalter der europäischen Entdeckungen. Die iberische Halbinsel sitzt mitten im Atlantischen Ozean, am „Rande der Erde“, auch als „Finisterra“ bekannt. Was mich daran so fasziniert, ist, dass alles jenseits davon – wenn es da überhaupt etwas gab – für die alten Seefahrer beängstigend weit weg war. „Tenebrosum“ behandelt dieses Gefühl des Aufbruchs von Zuhause und der Reise über das unbekannte, düstere Meer. Dabei durchlebt man Sieg, Zweifel, Hoffnung und Niederlage.
Die meisten Texte darauf sind in Englisch verfasst, es finden sich aber auch Passagen in Latein und Spanisch. Was hat es damit auf sich?
Ich bin der Meinung, dass es zur Musik passt. Ich wuchs mit Spanisch (und Portugiesisch) auf, also fühle ich eine emotionale Verbindung zu dieser Sprache. Manche Gefühle, die ich transportieren wollte, konnte ich in Englisch nicht ganz erfassen. Außerdem passt die spanische Sprache zum Konzept unserer Musik.
Inwiefern unterscheidet sich „Tenebrosum“ von eurem Debüt „Tribus“?
Zuallererst ist die Produktion diesmal wesentlich fokussierter als noch auf „Tribus“, was verständlich ist, denn immerhin war „Tribus“ mein erster Versuch, ein Album zu kreieren. Da habe ich noch nicht so sehr auf Details geachtet, ich war einfach nur aufgeregt, da meine Musik endlich das Licht der Welt erblickte. Außerdem konnte ich es kaum erwarten, es zu veröffentlichen, ich wollte sehen, wie schnell ich es schaffen konnte. Auf „Tenebrosum“ galten unsere Gedanken viel mehr dem fertigen Produkt und die Songs sind anspruchsvoller und ambitionierter. Wir achteten genauer auf das Zusammenwirken der Instrumente, insbesondere Benjamins Violine, damit sie nicht einfach nur die anderen überlagert. Wir verbrachten viel Zeit damit, die Musik anzuhören, sie anzupassen und abermals anzuhören, so lange bis wir zufrieden waren. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich auf „Tribus“ musikalisch noch nicht gefestigt war. Meine Einflüsse waren ein einziges Durcheinander. Natürlich halte ich immer noch an meinen diversen Einflüssen fest, aber mir ist inzwischen klar geworden, dass ich nicht alle davon immer einbauen muss. Insgesamt war die Inspiration für „Tenebrosum“ einfach eine viel fokussiertere.
Was war der Grund für die lange Wartezeit zwischen diesen zwei Alben?
Zwischen „Tribus“ und „Tenebrosum“ veröffentlichten wir die EP „Solar“ (die einige Leute sogar als Full-Length einschätzen würden). Für „Solar“ nahmen wir uns viel Zeit, so wie später für „Tenebrosum“, da wir zu der Zeit begonnen hatten, damit zu experimentieren, wie die Violine am besten in die Musik eingebaut werden kann. Wir wollen nichts veröffentlichen, mit dem wir nicht zufrieden sind.
Das Album-Cover von „Tenebrosum“ gefällt mir persönlich sehr gut, es ist sehr hell und strahlt Hoffnung aus. Könnt ihr uns Genaueres darüber erzählen?
Das Foto, das wir dafür verwendet haben, hat unser Gitarrist Peter Lloyd (Dystrophy) geschossen, auf einem Trip nach Thailand. Das Symbol, ein stilisierter Dreizack, repräsentiert Poseidon, den Gott der Meere, und sieht außerdem wie ein „W“ aus, steht also für den Bandnamen.
Ihr habt außerdem einen neuen Schriftzug für euren Bandnamen eingeführt. Was brachte euch zu dieser Entscheidung?
Es war Zeit, ein Logo zu finden, das unsere Musik widerspiegelt. Davor haben wir einen Gothic Schriftzug verwendet, der für viele Black- und Doom-Metal-Bands typisch ist. Es war Zeit für Veränderung.
Warum spielt die Violine in euren Songs so eine große Rolle?
Ursprünglich haben wir die Violine nur eingesetzt, um Melodien zu betonen oder „traditionell“ zu klingen, wie jede andere Folk-Metal-Band. Ich war bezüglich des Kontrastes zwischen Violine und Heavy Metal stark durch Mägo de Oz beeinflusst. Bis zu einem gewissen Grad setzen wir sie auch heute noch so ein, aber eigentlich kommt die Violine inzwischen wie eine Gitarre zum Einsatz. Sie liegt akustisch nahe an der menschlichen Stimme und mit Verzerrung und Effekten klingt sie wie ein schmerzerfüllter, leidvoller Schrei. Im Kontext unserer Musik ist sie aber nicht nur ein Leadinstrument, sondern trägt auch zur Atmosphäre und zum Soundwall der Gitarren bei.
Ein wenig erinnern mich die Violinen auf eurem neuen Album an Ne Obliviscaris. Könnt ihr das so unterschreiben oder würdet ihr eher andere Bands oder Musiker für einen Vergleich heranziehen?
Ich kenne Ne Obliviscaris nicht so gut, aber ich denke, der Vergleich ist insofern berechtigt, als sie ja auch einen eigenen Violinist haben. Aber ich weiß nicht, mit wem man unsere Violine am ehesten vergleichen kann, immerhin setzen wir sie ja fast schon wie eine Gitarre ein.
Baut euer Songwriting auf der Violine auf oder gibt es da einen anderen Ablauf?
Wenn ich einen WINDFAERER-Song komponiere, überlege ich mir als Erstes, wo mich der Song hinführen soll. Ich muss mit den Instrumenten arbeiten, um die Geschichte zu erzählen. Wie bereits erwähnt, folgte die Violine ursprünglich nur den Gitarrenleads, inzwischen sehe ich sie jedoch viel losgelöster im Kontext unserer Musik. Mein primäres Instrument ist die Gitarre, also schreibe ich alles erst mal darauf. Benjamin hingegen komponiert mit seiner Violine, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass er die Musik auch als großes Ganzes betrachtet, entgegen der Vorstellung der Vorherrschaft eines einzelnen Instruments.
Zieht ihr es auch in Betracht, in Zukunft noch andere Folk-Instrumente in eure Songs einzubauen?
Ja, absolut. Nichts steht außer Frage. Auf „Tribus“ beehrte uns Sevan Kirder mit dem Beitrag seiner Gaita (Sackpfeife) auf dem Track „This Beautiful Death“. In Zukunft würde ich sehr gerne wieder auf Sackpfeifen zurückgreifen.
Im Jänner wird „Tenebrosum“ nochmals via Hammerheart Records veröffentlicht. Was war der Grund dafür, dass ihr zuvor so lange ohne Label wart? Und warum habt ihr euch letztlich für Hammerheart entschieden?
Bis jetzt hat sich uns nie die richtige Gelegenheit geboten. Schließlich haben sich die Leute bei Hammerheart Records freundlicherweise mit uns zusammengeschlossen, nachdem beiderseitig Interesse gezeigt wurde.
Was sind eure Pläne für die nahe Zukunft in Bezug auf Live-Auftritte? Und mit welchen Bands würdet ihr gerne die Bühne teilen?
Wir freuen uns schon darauf, unsere Live-Auftritte fortzuführen und uns dabei den Arsch abzuarbeiten. Ende Jänner spielen wir in New York City.
Ehrlich gesagt, es gibt viel zu viele Bands, die ich nennen müsste. Es gibt viele Künstler aus den USA, Europa und Asien, mit denen wir gerne die Bühne teilen würden – Panopticon, Saor, Vallendusk, etc. Im Dezember spielten wir einen exzellenten Gig mit der spanischen Band Saurom in New York City.
Nochmals vielen Dank für deine Zeit. Nun würde ich das Interview gerne mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming abschließen. Sag uns bitte, was dir zu den folgenden Begriffen einfällt:
Agalloch: Kaskadische Exzellenz
New Jersey vs. New York: New York City, New Jersey, USA
Clean Vocals: Vintersorg
Natur: Herbst und Bäume
Lieblingsalbum: In Flames – „The Jester Race“
Vorsätze für 2016: Üben und mehr Musik schreiben
Die letzten Worte gehören dir. Gibt es etwas, das du unseren Lesern sagen möchtest?
Danke dir für das wundervolle Interview und haltet dieses Jahr die Augen offen nach weiterer Musik von WINDFAERER!