Interview mit Mournful Morales von Jack Frost

Nach sieben Jahren Abstinenz meldeten sich JACK FROST im Dezember mit „Mélaine Cholé“ zurück. Aufgrund dieser Veröffentlichung stand uns Gitarrist Mournful Morales Rede und Antwort zur Zusammenarbeit mit Michelle Darkness von End Of Green, die lange Schaffensphase des achten Studioalbums, die Anfangszeiten der Band und persönliche musikalische Einflüsse.

Jack Frost LogoZwischen eurem letzten Album „My Own Private Hell“ und der Veröffentlichung von „Mélaina Chole“ sind sieben Jahre vergangen. Wie kam es zu dieser langen Schaffensphase?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen waren wir nie eine Band, die ununterbrochen neues Material geschrieben hat. Wir haben immer erst dann mit dem Songwriting begonnen, wenn wir beschlossen hatten, dass es Zeit für eine neue Platte war. Oft war das so, dass wir ein Angebot für einen Deal hatten und dann
Jack Frost - My Own Private Helleben sagten: Gut, dann lass uns Songs für ein neues Album schreiben. Ja, und aus irgendeinem Grund war beides nach „My Own Private Hell“ nicht der Fall. Wir haben in den Jahren danach kaum geprobt oder live gespielt und ab Mitte 2010 war überhaupt Schluss, weil wir auch persönliche Differenzen hatten. Es war eine sehr vorsichtige Annäherung, als wir dann 2013 beschlossen, doch ein paar Sessions miteinander zu spielen. Und wie so oft in unserer Geschichte sprang der Funke sofort über. Es entstand in der ersten Session gleich der Song „Half A Man“ und wir wussten, dass wir nicht anders konnten, als wieder miteinander Musik zu machen. Es folgten die wahrscheinlich kreativsten und auch friedlichsten Proben, die wir je hatten – gerade so, als wären wir erwachsen geworden. Wir haben uns dann auch richtig Zeit gelassen, Songs aufgenommen, mehrere Monate pausiert, wieder reingehört, umarrangiert oder zusätzliche Spuren aufgenommen, neu gesungen… bis wir ganz zufrieden waren. Und so hat‘s schließlich nochmal zwei Jahre gedauert bis alles im Kasten war.

Der Albumtitel steht in der Temperamentenlehre für schwarze Gallenflüssigkeit. Diese Auswahl steht sicherlich auch im Zusammenhang zur schwermütigen Atmosphäre und Geschichten, die vom Scheitern erzählen?
Völlig richtig. Wir hatten längere Zeit den Arbeitstitel „No Place In The Sun“, aber waren nicht recht glücklich damit, das Album nach einem Song zu benennen. Ich bin dann irgendwie wieder über den Begriff der schwarzen Galle gestolpert und fand das gleich ein sehr starkes Bild für schwere, runterziehende Musik. Und weil mich die englische Übersetzung, also „Black Bile“ nicht besonders ansprach, haben wir uns für das griechische Original entschieden, das noch dazu sehr deutlich auf den Zusammenhang mit dem Begriff Melancholie hinweist. Ein Titel also, der die Stimmung unserer Songs auf den Punkt bringt – die wie du richtig sagst, alle in irgendeiner Weise vom menschlichen, oder noch viel mehr vom männlichen Scheitern handeln.

Die Produktion für euer neuestes Studiorelease hat Michelle Darkness von End Of Green übernommen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
 Wir kennen die Jungs von End Of Green ja schon seit den 1990ern, eine Ewigkeit also. Und mindestens genauso lange reden wir davon, einmal etwas gemeinsam zu machen. Für ein musikalisches Projekt hat’s trotz vieler – zumindest verbaler – Anläufe noch nicht gereicht, aber das war mal ein Anfang. Michelle hat gehört, dass wir an einem neuen Album arbeiten und hat kurzerhand angeboten es in seinenJack Frost - Mélaina Cholé Darkland City Recordings aufzunehmen. Wir hatten mit den Aufnahmen allerdings schon begonnen, daher haben wir uns darauf geeinigt, dass wir ihm das aufgenommene Material am Ende schicken und er das Teil produziert. Und diese Entscheidung war goldrichtig. Michelle weiß eben genau, wie unsere Musik klingen muss, wir sind einander ja in der Art, wie wir Musik fühlen, sehr ähnlich. Mit „Mélaina Cholé“ klingen Jack Frost endlich einmal so, wie sie klingen müssen. Das war ja in der Vergangenheit immer ein bisschen unser Problem, dass die Alben am Ende oft steril klangen und nicht das Feeling unseres Live-Sounds hatten. Herr Darkness hat hier echt das Beste rausgeholt und es sich natürlich auch nicht nehmen lassen, ein paar Backing Vocals beizusteuern.

Welchen Song der neuen Platte würdest du als Favoriten nennen?
Ich muss sagen, dass sich das immer wieder ändert. Ich mag auf jeden Fall „No Place In The Sun“ sehr gerne, weil es der wahrscheinlich heavieste Jack-Frost-Song aller Zeiten ist. Aber nach längerem Zaudern bin ich auch sehr überzeugt von „I Am Nothing“, den ich anfangs am wenigsten mochte. Michelle hat diesen Song persönlich zur Reife geführt, nicht zuletzt mit den schönen Chören am Ende.

Ihr bezeichnet euren Stil selbst als Gloom Rock, der einige Merkmale aus den Bereichen Doom Metal und Gothic aufzuweisen hat. Wie kam es zu dieser Bezeichnung?
Das kam, als wir nach den ersten drei Alben mehr und mehr das Gefühl hatten, in die Doom-Metal-Ecke so gar nicht mehr reinzupassen – falls das überhaupt jemals der Fall gewesen war. Wir fanden immer, dass wir im Grunde nur düsteren Rock machten, Gloom Rock also. So nannten wir das vierte Album gleich „Gloom Rock Asylum“ – ein Bekenntnis dazu, dass der Düsterrock unser Zufluchtsort geworden war – natürlich nicht ohne die Doppeldeutigkeit, dass dies möglicherweise zugleich eine Anstalt ist.

Jack Frost 2015Jack Frost existieren bereits seit 1993. Wie war es Anfang der 90er Jahre eine Band zu gründen und wie kam es dazu?
Das war eine völlig andere Zeit. Dazu muss ich sagen, dass manche von uns bereits seit den frühen 80ern 
Musik machen und die Entstehung der gesamten alternativen Musikszene in Linz – und sie ist eine der fruchtbarsten in Österreich – miterlebt und mitgeprägt haben. Die erste Jack-Frost-Probe fand ja tatsächlich schon 1989 statt, mit Phred Phinster am Schlagzeug, mir an der Gitarre und einem Sänger, der sich während der Probe mit einer Flasche Wodka hinrichtete. Das wars dann, bis wir vier Jahre später einen neuen Anlauf machten. Es war damals noch eine große Sache ein Album aufzunehmen und es international zu vertreiben. Wir waren damals mit Estatic Fear und Astaroth, auch beides Linzer Bands, wohl die ersten in unserer Stadt, denen das gelang. Heute ist die Fülle an Bands und Tonträgern ja völlig unüberschaubar geworden. Und während wir noch für unser allererstes Konzert gute Gage bekommen haben, bezahlen heute alle jungen Bands für jeden hundsmiserablen Support-Slot. Ich bin sehr froh, dass wir eine andere Zeit erleben durften.

Ist es deiner Meinung nach damals oder heute einfacher ein Musiker zu sein? Ist der Spaß an der Sache nach 22 Jahren unverändert?
Es ist heute für jeden sehr einfach, zu Hause am PC ein Album aufzunehmen. Allerdings ist es ungleich schwieriger, am Markt aufzufallen. Vor 20 Jahren gab es eine handvoll Labels, wenn man in einem davon unterkam war garantiert, dass man automatisch Presse-Echo und ein gewisses Following hatte. Musiker zu sein ist technisch heute einfacher, aber erfolgreich zu sein ist vermutlich schwieriger. Unsere gesamte Einstellung zur Musik hat sich in den Jahren gravierend verändert. Wir wollten früher um jeden Preis Anerkennung und Erfolg für unsere Arbeit, da sind wir heute sehr viel gelassener. So gesehen macht mir die Musik heute mehr Spaß als damals. Wir müssen es niemandem recht machen, wir tun nur noch was wir wollen – dem haben wir dieses Mal auch dadurch Rechnung getragen, dass wir das Album völlig alleine rausgebracht haben. Wir brauchen kein Label und keine Verträge, die uns nur einengen und uns nehmen, was uns gehört. Das hat schon eine völlig neue Qualität.

Könnt ihr denn mittlerweile ausschließlich von der Musik leben oder geht ihr auch anderen Berufen nach?
Wer kann schon in unserer Liga von der Musik leben? Doch nur Bands, die das ganze Jahr über touren, keine Fixkosten haben und jeden Abend eine Mahlzeit und ein Bett dafür bekommen. Wir haben natürlich Jobs und ein Leben neben der Band, anders ginge das gar nicht.

Jack Frost BandIm Jahr 2008 habt ihr einen Auftritt aus Nowosibirsk als Live-Mitschnitt veröffentlicht und wart 2010 für ein Konzert beim Moscow Doom Festival. Ist eure Musik in Russland besonders beliebt oder welche Länder geben euch die beste Unterstützung?
Eine schwierige Frage. Wir haben in den letzten 23 Jahren hauptsächlich in Deutschland gespielt und daher auch hier das stärkste Following. In den Niederlanden sind wir auch ganz gut unterwegs. Und ja, der Russe als solcher hat offenbar auch eine starke Affinität zu unserem Sound. In Russland zu spielen ist eine ganz großartige Sache, das ist Rockstar-Feeling reinsten Wassers. Die Leute dort sind immer noch ganz geil auf alles, was man live zu sehen bekommt, umso mehr wenn es Bands aus dem Westen sind.

Euer Bandname entstammt laut meinen Recherchen einem Songtitel von Saint Vitus. Waren die Amerikaner ein großer Einfluss für euch? Gibt es noch andere Bands, die euren Stil geprägt haben?
Ein Einfluss in musikalischer Hinsicht waren Saint Vitus wohl eher weniger. Es waren eher die Inhalte, die uns so gefangen genommen haben – ja, und natürlich die Kombination von heavy und langsam, die ja nicht so oft vorkam. Aber Songs vom Versagen, von Alkoholismus und Unzulänglichkeit haben uns ganz tief erwischt, so dass wir gesagt haben: lasst uns so etwas machen. Es ist ja immer sehr schwierig auszumachen, was einen geprägt hat und wenn du alle vier von uns fragen würdest, würde Gary Gloom vielleicht Thin Lizzy sagen, Collossos Rossos Melvins, Phred Phinster My Bloody Valentine und ich Joy Division. Ich denke, genau das macht unsere Musik aus, dass wir alle aus völlig unterschiedlichen Ecken kommen. Uns verbindet vor allem eines: dass Heavy Metal nicht Teil unserer musikalischen Sozialisation war.

Wenn du auf die Karriere von Jack Frost zurückblickst. Was waren die schönsten Momente für dich? Gab es eventuell besonders amüsante Erfahrungen?
Die schönsten Momente sind immer die, wenn spürbar wird, wie wichtig unsere Musik für Menschen ist. Das können dreizeilige Emails genauso sein wie gute Shows, bei denen man den Draht zum Publikum fühlen kann. Das Moscow Doom Festival war aber wohl einer der ergreifendsten Momente in unserer Karriere. Da hatten wir das Gefühl die Leute hätten schon 15 Jahre auf uns gewartet. Die meisten amüsanten Erfahrungen sind erst im Nachhinein amüsant, waren aber in der Situation höchst prekär. Wir könnten zum Beispiel ein Buch mit Geschichten füllen, die uns mit unseren Tourfahrzeugen passiert sind – wir waren eine Zeit lang sogar dafür bekannt, nach Pannenmarathons stets in letzter Minute in den Clubs anzukommen. Beinahe-Unfälle und Nahtod-Erfahrungen im Tourbus gehören dazu, waren aber zum Zeitpunkt, als sie sich ereigneten, ebenfalls alles andere als lustig.Jack Frost Russland Tourbus

In letzter Zeit sind mir wieder vermehrt Rock-/Metal-Bands aus Österreich aufgefallen. Es scheint mir als wäre die Szene dort erneut am Aufblühen. Würdest du das so unterschreiben?
Sorry, aber ich verfolge die österreichische Szene so gut wie gar nicht.

Werdet ihr mit „Mélaina Chole“ im Jahr 2016 live zu sehen sein und gibt es schon konkrete Planungen für eine eventuelle Tour?
Alles ist gerade in Planung, ich kann dazu aber noch nichts Konkretes sagen. Aber wir werden gewiss ein paar schöne Konzerte spielen.

Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Stay true, kauft CDs oder elektronische Formate und spart euch Gratis-Downloads. Das Geschäft ist für Bands hart genug, lasst ihnen die paar Euro.

An dieser Stelle vielen Dank für das Interview. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich das Interview gern mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein:

Pentagram: Uralt-Doom-Format, nicht umzubringen. So werden wir vermutlich auch enden.
Heinz-Christian Strache: Ein weiteres Symbol dafür, dass der Österreicher unfähig ist, aus der Geschichte zu lernen.
Linzer Torte: Eine absolut köstliche Leckerei, ich kenne aber keinen Menschen, der imstande ist, eine zuzubereiten. Eine Torte aus dem Labor sozusagen.
Skifahren: Ehemaliger österreichischer Volkssport. Wir sind als Kleinkinder noch auf die Piste geprügelt worden, um es zu lernen.
Tony Iommi: Die Ikone und der eigentliche Vater des Doom Metal.
Almdudler: Ein Klassiker und eine österreichische Erfolgsgeschichte. Gäbe es keinen Alkohol, würden wir immer noch Almdudler trinken.

Publiziert am von Christian Denner

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