Konzertbericht: Buried In Black w/ Trailer Park Sex, Perception Of Verity, Timor Et Tremor

19.12.2015 Hamburg, The Rock Café

An einem kleinen Seitenarm der Hamburger Reeperbahn liegt die sympathische Musikkneipe „The Rock Café“, in der auf der Zielgerade vor den Weihnachtsfeiertagen das Konzertevent „Hamburg Goes Metal II“ stattfindet. Vier kleinere Bands aus verschiedenen Metal-Subgenres beweisen erneut, wie sehr der norddeutsche Nachwuchs-Metal beeindrucken kann: Neben BURIED IN BLACK präsentieren TRAILER PARK SEX, PERCEPTION OF VERITY und TIMOR ET TREMOR ihre decibellastige Klangkunst.

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Sonderlich voll ist die Eckkneipe noch nicht, als TRAILER PARK SEX die kleine Bühne einnehmen. In typisch norddeutscher Scheu halten die Besucher halten sich die Besucher aus dem Raum vor der Bühne fern. Sänger Juans frecher, aber nicht böser Kommentar: „Hamburg, ihr seid ein Haufen Leichen!“, trifft gut, aber das bedeutet nicht, dass das Publikum die Klänge der Hamburger Band nicht mögen würde. Wie sollten sie auch? TRAILER PARK SEX sind wirklich stark! Ihr äußerst abwechslungsreicher Modern Progressive Metal spannt einen faszinierenden Rahmen um sphärische Tiefe, brutale Death- und Mathcore-Elemente, energische Nu-Metal-Anleihen und zahlreiche weitere Metal-Spielarten. Dass das Ganze dann auch noch ernsthaft zu grooven weiß und trotz des Spektrums stets weit mehr als solide abgeliefert wird, lässt das Metallerherz über alle Genregrenzen hinweg im Takt von Leas Schlagzeug oder Kains Bass schlagen. Die Unverständlichkeit der Ansagen ist das einzige auffindbare Manko dieser Band, die auf ihrem Weg die Fußabdrücke von beispielsweise The Ocean nicht weit verfehlt. Nach dem überaus überzeugenden Schlussakt ihres Auftritts – „Got No Candy“, jetzt schon ein Klassiker – versinken TRAILER PARK SEX im Nebel. Unbedingte Hörempfehlung: ihre aktuelle EP „From Below“.

Welche Chancen hat nach so einer wunderbaren Vorstellung die nächste Band überhaupt? Zumal sie unfassbar kurzfristig für die Thrasher Headshot einspringt, ihr Bassist fehlt und einer ihrer Sänger IMG_7741erst kürzlich zur Band zurückgekehrt ist. Wie man solch widrige Umstände in ein grandioses Konzert verwandeln kann, beweisen PERCEPTION OF VERITY. „Melodic Metalcore“ bezeichnen sie selbst ihren Stil und treffen damit sehr exakt die dargebotene Mischung aus Melodic Hardcore und Metalcore. Die beiden Gitarren wissen vor allem in den ruhigeren Parts melodisch zu überzeugen, aber im Zentrum von PERCEPTION OF VERITY stehen ohne Zweifel die Stimmen von Jan und Jesse. Während Jan gelungene, aber noch ausbaufähige rockige Cleanparts beisteuert, spielt Jesse den größten Trumpf der Sulinger Coreler aus: eine Stimme, so atemberaubend aggressiv, dass sie gestandenen Genregrößen Respekt abverlangen dürfte. Wenn dann auch Jan noch unterstützend ins Shouting einsteigt – stimmlich trotz sehr kurzer gemeinsamer Zeit in der Band beeindruckend harmonierend –, bleibt mancher Mund offen stehen. Dass die erhoffte Entwicklungsrichtung der jungen Band weniger auf Singalongs und Mainstream-Metalcore liegen möge, ist vielleicht ein subjektiver Wunsch, aber: Fuck, bleibt bitte auf dem Kurs eurer herausragend einzigartigen Aggressivität! Aaaaaaaahhhhh!

IMG_7820Was wirklich großartig ist? Dass der Newcomer-Abend trotz der bisher geradezu schockierend hohen Qualität noch immer nicht nachlässt. BURIED IN BLACK erreichen sogar das Gegenteil! Mit einer grandios charismatisch-sympathischen Attitüde, die an Schauspieler Alan Tudyk („Firefly“) erinnert, steht Ron an der Spitze einer absolut überzeugenden Oldschool-Death-Metal-Band und bezeichnet das Publikum stilgerecht als „Kampfnicker“. Darauf wurde gewartet. Ab jetzt hören die Haare nicht wieder auf zu fliegen. Nach zwei älteren Titeln präsentieren BURIED IN BLACK ein komplett neues Programm, das voraussichtlich auch bald in den heimischen Wohnzimmern zu genießen sein wird. Rons Stimme lässt durch die Kombination von selbstverständlicher Leichtigkeit und dämonischer Härte vermuten, dass gutturaler Gesang seine wahre Muttersprache ist, aber auch die Instrumente können durch eine erstklassige Ausgeglichenheit die Fans für sich gewinnen: Starke Gitarren wechseln sich mit einem erfreulich dominanten Bass ab und über allem IMG_7952liegt der energiereiche Sound der mit ergreifender Freude geprügelten Drums. Wer hätte gedacht, dass Death Metal so grooven kann? Für den Song „Invisible Invincible“ fordert der Sänger von seinen Mitstreitern einen Panzer, den man dann auch förmlich über die Bühne fahren hört – und spürt. Von BURIED IN BLACK kann man sich dann demnächst sicherlich auch auf größeren Bühnen gewaltsam verzaubern lassen.

Womit kann man einen Abend entspannter ausklingen lassen als mit einer gemütlichen Runde Black Metal? Längst schon ist Mitternacht Vergangenheit, als TIMOR ET TREMOR aus dem Kasseler Raum ihren sogenannten „Chattic Black Metal“ zu spielen beginnen – man munkelt, „Chattic“ beziehe sich dabei auf einen alten Germanenstamm aus ihren Heimatlanden. Auf der Bühne und auch im sich langsam ausdünnenden Publikum fliegen die Haare zu weitgehend klassischen Black-Metal-Klängen, IMG_8056die sich mitunter folkloristisch anmutenden Melodien fügen, sodass ein Hauch – aber wirklich nur ein Hauch! – von Pagan mitschwingt. Melancholische Zwischentöne runden das starke und vor allem deutliche Growling von Vocalist Hendrik gelungen ab. TIMOR ET TREMOR sind monotone Dunkelheit, mystische Tragik und martialische Grausamkeit in ein melodiöses Gewand gekleidet, das mit einer für Black Metal ungewöhnlichen Klarheit und Eingängigkeit besticht. Was sich der ein oder andere vielleicht schmutziger wünschen mag, ist eine willkommene Abwechslung zum häufigen Black-Metal-Rausch-Kratz-Kaputt-Gehämmer, was Lust auf das 2016 erwartbare nächste Album von TIMOR ET TREMOR macht.

„Hamburg Goes Metal II“ lautete der Name des Newcomer-Konzertabends, der alles andere als amateurhaft klang. Progressiv starteten TRAILER PARK SEX, die – abgesehen von den undeutlichen Ansagen – eine berauschende Vielseitigkeit mitbrachten. Umwerfend Aggressiv und ebenso überzeugend prallten die Töne der kurzfristig eingesprungenen Melodic-Metalcoreler von PERCEPTION OF VERITY auf die bierseligen Metalheads, bevor sich BURIED IN BLACK mit ihrem Oldschool Death Metal als Publikumsliebling erwiesen und ebenso sympathisch wie hochwertig auf baldiges Studiomaterial hoffen lassen. Abgerundet wurde das Programm von beeindruckend klarem Black Metal der mehr als respektablen TIMOR ET TREMOR. Vielen Dank für so viel Qualität auf einer so kleinen Veranstaltung!

Publiziert am von Jazz Styx (Gastredakteur)

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