Konzertbericht: 50 Jahre Heino: Schwarz blüht der Enzian

08.10.2015 München, Backstage (Werk)

Heino-LogoSein Cover-Album „Mit freundlichen Grüßen“ schlug in der deutschen Rock-Szene Wellen, das Folgealbum „Schwarz blüht der Enzian“ (2014) wurde zum am häufigsten heruntergeladenen Album eines deutschen Interpreten: Spätestens seit seinem Auftritt mit Rammstein vor 80.000 Metallern auf dem Wacken-Open-Air ist Schlagerstar HEINO auch dem langhaarigen Rocker nicht mehr nur aus Großmutters Schallplattensammlung ein Begriff. Was sich gratis – zumal im Kontext einer Rammstein-Show – natürlich jeder anschaut, verliert seinen Reiz jedoch scheinbar beim Ticketpreis von stattlichen 40€: Von „ausverkauft“ kann heute nicht die Rede sein. Und auch das Klientel entspricht nicht ganz dem, das HEINO im Interview als sein neues Publikum preist: Statt junger Rocker stehen dann doch größtenteils typische Heino-Fans im Saal – durchmischt mit vielleicht 30 Prozent jungem, eher „rockaffinem“ Publikum.

Heino 01Auch der Zeitplan folgt eher HEINOs gewohntem Show-Ablauf: Vorband gibt es heute keine, so dass die Stagetime für Deutschlands wohl bekanntesten Sonnenbrillenträger neben Udo Lindenberg bereits für 20 Uhr angesetzt ist. Fast wie ein echter Rockstar lässt sich HEINO dann doch noch 20 Minuten bitten, bevor er schließlich – angekündigt als „HEINO aus Bad Münstereifel, California“ – zum Die-Ärzte-Hit „Junge“ die Bühne entert. Frenetisch bejubelt legt der Entertainer zunächst ein rockiges Cover nach dem anderen aufs Parkett: „Augen Auf“ (Oomph!), „Was soll das?“ (Grönemeyer) und, bereits überraschend früh im Set, seinen eigenen „Metal-Hit“, „Schwarz blüht der Enzian“.

Die eine oder andere Skurrilität hat die Show bereits jetzt zu bieten: Während die Musiker durch die Bank vom Blatt spielen und die drei nicht mehr ganz jungen Backing-Sängerinnen eine etwas unbeholfene Choreographie abliefern, bedient sich HEINO selbst – vermutlich dank jahrelanger Übung überaus souverän – eines Teleprompters, um sich in den Texten all dieser Bands zurechtzufinden.

SONY DSCWährend die Cover-Versionen echter Rock-Hits noch überraschend schmissig daherkommen und durch HEINOs unbestreitbare Bühnenpräsenz im Vergleich zu den Studio-Versionen durchaus dazugewinnen, sieht es mit den auf hart getrimmten Schlagern anders aus: Nicht zuletzt, da HEINO Songs wie „La Paloma“, „Wir lagen vor Madagaskar“, „Rosamunde“ oder „Ja, ja, die Katja, die hat ja“ allenfalls leicht abgewandelt darbietet und zu guter Letzt auch mehrere Medleys im klassischen Schlager-Stil (z.B. „Tampico“ / „… und sie hieß Lulalei“ / „Carneval in Rio“) ins Set einstreut, steigt der Unterhaltungsfaktor der Show über die Zeit vor allem für seine „echten“ Fans.

Schlichtweg absurd wird es schließlich, als die Sängerinnen in „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ HEINO nach peinlich-gestellter „Unterbrechung“ mit einem Rap-Solo („Chabos wissen wer der neue Babo ist: HEINO!“) eine Verschnaufpause verschaffen. Dass die Einlage zumindest vom jungen Publikumsanteil dennoch abgefeiert wird, ist bezeichnend genug. Auch verliert die Show gegen Ende vollkommen ihren roten Faden: Zu den nicht enden wollenden Zugaben kommt HEINO mal mit diodengespicktem Leucht-Mantel, mal mit seinem roten Sakko auf die Bühne, um unter anderem sowohl „Enzian“ als auch „Junge“ noch mehrmals anzuspielen, bevor der Auftritt zu den Klängen von „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller (ebenfalls vorher schon im Set zu finden) schließlich nach vollen 90 Minuten sein Ende findet.

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Was auf Wacken als Gag in Form eines Gastauftritts prima funktioniert, klappt auf die volle Länge eines Konzertes noch lange nicht. Vielleicht ist sich HEINO dessen bewusst und versucht es deshalb auch gar nicht erst: Spätestens ab der Hälfte bekommt der Zuschauer eher eine allenfalls leicht aufgerockte HEINO-Show denn ein „echtes“ Rock-Konzert zu sehen. Sieht man sich im Publikum um, ist das kein dummer Schachzug: Die stattliche Summe von 40€ (Abendkasse) haben dann doch nur wenige junge Vollblut-Rocker investiert. Stattdessen sieht man vor allem jene Heino-Fans, die „im Radio schon auch mal Rock“ laufen lassen und den Schlag Jugendlicher, der mit dem richtigen Pegel alles zwischen Freiwild und Helene Fischer abfeiert. Für den Durchschnittsrocker oder gar anspruchsvollen Metalfan ist dieses Konzert höchstens ein skurriles Erlebnis.

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Fotos von: Sigi Maier

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