Im Hause SOILWORK ging es die letzten Jahre wahrlich turbulent zu. Angefangen mit dem Ausstieg des Hauptsongwriters Peter Wichers 2005, welcher zwar drei Jahre später wieder zurückkehrte, nur um dann nach einem Album schon wieder zu verduften, verabschiedete sich auch der zweite Langzeitgitarrist Ola Frenning im Jahre 2008 mitsamt seinen gewichtigen Songwritercredits. Geschadet hat das den Schweden ironischerweise keineswegs. Das Doppel-Album „The Living Infinite“ zeigte vor zwei Jahren auf, dass die Band um Sänger Björn Strid und dem neuformierten Gitarrenduo Coudret/Andersson stärker denn je zu klingen vermag und sich zudem musikalisch enorm weiterentwickeln konnte. Können SOILWORK diesen positiven frischen Schwung auch auf „The Ride Majestic“, der neuen Langrille, mitnehmen?
Schon nach dem ersten Durchgang lautet die Antwort eindeutig „ja“! Geradezu sprachlos lassen einen die elf neuen Geschosse vor den Boxen verharren und ungläubig den Kopf schütteln. SOILWORK haben auf „The Ride Majestic“ opulent aufgetischt und servieren ein Album, welches an Ideenvielfalt, Abwechslung, musikalischer Finesse und Mörder-Refrains nur so strotzt. War schon der Vorgänger ziemlich ambitioniert und detailverliebt, setzen die Schweden nun noch einen drauf. Was hier an unterschiedlichen Genre-Ansätzen angeboten wird und mit den typischen SOILWORK-Trademarks kombiniert wird ist schon gewaltig. Dabei beginnt alles so unscheinbar: Der eröffnende Titeltrack ist streng genommen ein 08/15-Song, den man von den Jungs gewohnt ist, was ihn aber natürlich nicht sofort schlecht macht. Strids bekannter Wechsel von Growls und cleanem Gesang, die modernen Riffs sowie der ultraeingängige Refrain – all das kennt und schätzt man von SOILWORK. Spannender wird es erst danach, denn die Band brennt auf dem Rest des Albums ein wahres Feuerwerk ab und zieht in der Gesamtheit merklich den Härtegrad an. Man muss sich nur mal die Abrissbirnen „Alight In The Aftermath“ oder „The Phantom“ verinnerlichen, die mit ihrem schwarzmetallischen Flair und gezielter Brutalität überraschen und gar an die ersten beiden Werke der Schweden verweisen. In die gleiche Kerbe schlagen Songs wie „All Along Echoing Paths“, „Petrichor By Sulphur“ oder „Enemies In Fidelity“, die allesamt irrwitzige Riffs und Drum-Patterns aufbieten. Gerade letzterer klingt durch den zuckersüßen Refrain, der von schädelspaltenden Blastbeats unterlegt wird, schräg und genial zugleich. Was Drummer Dirk Verbeueren generell auf „The Ride Majestic“ abliefert ist ohnehin wieder einmal überragend.
Aber SOILWORK wären nicht SOILWORK ohne die typischen Hits, die sie immer wieder produzieren. „Death In General“ überzeugt diesbezüglich mit seinem rockigen Flair und einem dieser Refrains, die einen einfach nicht loslassen wollen. Ähnlich verhält es sich beim quasi zweiten Titeltrack sowie dem vermeintlichen Übersong des Albums, „Shining Lights“, dessen Melodieführung einfach nur toll ist. Man könnte an dieser Stelle auf viele weitere Hits verweisen, die das Album zu bieten hat. Dennoch fällt insgesamt auf, dass das Songmaterial auf „The Ride Majestic“ um einiges sperriger anmutet, als auf den Platten zuvor. SOILWORK bedienen sich konkret komplexerer Songstrukturen beziehungsweise -schemata und klingen dadurch unvorhersehbarer. So bleibt man auch nach 20 Jahren Bandgeschichte weiterhin musikalisch spannend.
Letzten Endes haben SOILWORK mit „The Ride Majestic“ ein weiteres Mal gezeigt, dass sie sich aktuell in ihrem zweiten Frühling befinden. Das Album enthält sämtliche Trademarks, aber auch viele neue Elemente. Natürlich muss erst der Langzeittest die wahre Stärke der Scheibe untermauern, aber es ist womöglich nicht vermessen zu behaupten, dass die Schweden hiermit ihr gegenwärtiges Meisterwerk abgeliefert haben, welches auch den modernen Metal an sich extrem stark repräsentiert. Chapeau!
Wertung: 9.5 / 10
Ich hätte auch nicht erwartet das Soilwork The Living Infinite nochmal toppen können, aber das ist so eine gewaltige Weiterentwicklung ohne befremdlich zu klingen. Nur leider scheint die Platte niemand auf dem Papier gehabt zu haben. Mein Album des Jahres. Gute review.