Review Symphony X – Underworld

Wieder einmal haben sich die amerikanischen Progger SYMPHONY X satte vier Jahre Zeit gelassen, um den Nachfolger ihres ambitionierten 2011er Albums „Iconoclast“ (die Doppel-CD brachte es damals auf gut 90 Minuten Spielzeit) fertigzustellen, welcher nun also auf den verheißungsvollen Titel „Underworld“ hört und sich seit einigen Tagen der lechzenden Fanschar stellen muss. In diesen vier Jahren reifte aber auch immer mehr die Erkenntnis heran, dass der besagte Vorgänger rückblickend ein eher schwächeres Release der ansonsten bockstarken Diskographie der Mannen aus New Jersey darstellt – zu verkopft, klinisch und auf pseudo-hart getrimmt erschienen die Songs, die dadurch vieles an Atmosphäre und dem normalerweise hervorragenden Gespür für feine Melodien vermissen ließen. Stellt „Underworld“ nun also wieder eine Rückbesinnung auf vergangene Stärken dar?

Nun, ja und nein. Natürlich wäre es naiv zu glauben, die Jungs um Flitzefinger Michael Romeo und Sangeskünstler Russell Allen würden sich nun wieder gänzlich an ihre melodischeren Frühwerke orientieren. Zu eingespielt und letzten Endes ja auch überzeugend wirkt der Sound, der seit 2002 („The Odyssey“) von der Band praktiziert wird und sich seitdem zwischen progressiven sowie modernen Power-/Thrash-Metal-Klängen bewegt – meisterhaft inszeniert beispielsweise auf dem Opus „Paradise Lost“ (2007). Diesen Kurs fahren SYMPHONY X 2015 demnach weiter und loten ihn auf ihrem neunten Machwerk sogar streckenweise weiter aus. Speziell die erste Albumhälfte enthält mit Songs wie dem Titeltrack oder besonders „Kiss Of Fire“, die mit ihren Death- und Black-Metal-Anleihen wohl zu den heftigsten Momenten der Amerikaner gehören dürften, Material, welches in ähnlicher Form auch auf dem Vorgänger hätte stehen können. Dies gilt ebenso für die erste Single „Nevermore“ welche sozusagen einen prototypischen SYMPHONY X-Song neuerer Zeitrechnung darstellt: Rasantes Riffing und Gefrickel von Romeo, dessen Spiel natürlich immer noch eine Augenweide ist, eine plättende Rhythmusfraktion, bei der speziell das Schlagzeug mit teils übertriebenem Double-Bass-Einsatz den Ton angibt, sowie Russell Allen, der mit seiner aggressiven wie melodischen Stimme immer noch das Aushängeschild der Band darstellt und vor allem dann punktet, wenn der Song ein wenig die Luft raus nimmt. All diese Tracks sind beileibe nicht schlecht, aber im Vergleich zu vergangenen Taten eben auch nicht herausragend – die Ballade „Without You“ beispielsweise kratzt nicht mal ansatzweise am Thron von „Paradise Lost“ (dem Song). Böse Zungen könnten hier sogar von Stagnation reden, wenn…

Ja, wenn da nicht die zweite Albumhälfte wäre, denn auf dieser präsentieren sich SYMPHONY X plötzlich wie ausgewechselt. Der harte, ballernde Sound weicht einer deutlich melodischeren, wärmeren Ausrichtung, bei der sich Romeo mit seinem Spiel zurücknimmt und Keyboarder Michael Pinella etwas mehr Luft zum Atmen gibt. Dies mündet dann in solch abwechslungsreichen Songs wie dem leicht orientalisch angehauchten „Charon“, der Hymne „In My Darkest Hour“ (was für ein Refrain!) oder „Run With The Devil“, welcher mit seiner lockeren positiven Stimmung für Furore sorgt. Des Weiteren kommt natürlich kein SYMPHONY X-Album ohne Longtracks aus, die grundsätzlich immer zu den Höhepunkten zu zählen sind und auch den Vorgänger noch etwas über Wasser gehalten haben. Im Falle von „Underworld“ kredenzen und die Amerikaner mit „To Hell And Back“ und „Swan Song“ zwei epische Knaller vor dem Herrn, die man einfach als Fan progressiver Musik gehört haben muss. Speziell von letzterem kann ich einfach nicht genug bekommen, ein wunderbares Stück Musik. Punkt. Aus. Auch das abschließende „Legend“ überzeugt mit seiner unwiderstehlichen Melodieführung und einem fast schon europäisch klingenden Power-Metal-Refrain erster Güte.

So gesehen stehen 25 Minuten eher durchschnittliches Material gegen 40 Minuten abwechslungsreiche und mitreißende Progressive-Metal-Kost, was dann letzten Endes doch zu einer hohen Bewertung führt. SYMPHONY X liefern demnach mit „Underworld“ ein überzeugendes Album mit kleinen Schönheitsfehlern ab und falls es ihnen gelungen sollte, diese auf dem nächsten Album vollends abzustellen, freue ich mich jetzt schon auf einen vermeintlich neuen Klassiker.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Sebastian Ostendarp

2 Kommentare zu “Symphony X – Underworld

  1. Eine schöne, treffende Rezension! Symphony X machen dem Rezensenten seinen Job ja eher leicht, wie ich bereits in meinen unbeholfenen Rezis vor geschätzt tausend Jahren darlegte. :-D
    Echte, nennenswerte Innovationen muss man zwar wieder mit der Lupe suchen gehen, aber Symphony X kriegen es dennoch ein um’s andere Mal hin, ein paar neue Nischen ihrer Komfortzone aufzuzeigen. Für mich sind es vor allem die „positiven“ Anklänge, die so richtig aufhorchen lassen. Stimmungen wie in „Without You“ – keinesfalls durchschnittliche Allerweltskost, wenn man mich fragt – oder „Legend“ gab es von der Band ungeachtet der schwermütigen Lyrics schon sehr lange nicht mehr zu hören. Und der Rest ist einfach gewohnt guter, arschgeil rockender und groovender Heavy Metal mit dem mit Abstand besten Sänger, den dieses Subgenre hergibt. Wie gut, dass er neben Schrottkapellen wie Adrenaline Mob und The Winery Dogs wenigstens in einer guten Band singt. :-D

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