Während die renommierten Metal-Festivals mehr und mehr zu überlaufenen Mega-Events verkommen, etablieren sich Underground-Events als echte Alternative: Günstig, lokal und Fan-nah haben regionale Open Airs oft die bessere Atmosphäre und Stimmung zu bieten als die einzig auf Profit und Konsum getrimmten Großveranstaltungen.
Ein solches Underground-Festival ist das SICK MIDSUMMER: In seiner nunmehr sechsten Auflage in der lokalen Szene bereits gut etabliert, bietet es auf dem Bäckerberg bei Scharnstein gelegen nicht nur eine einmalige Kulisse, sondern auch ein hochwertiges Programm, günstige Preise und eine familiäre Atmosphäre. Und Stoffbändchen gibt es auch noch – was will das Metaller-Herz mehr.
Pünktlich um 15:00 eröffnen CONSPIRACY aus Linz auf der im Innenhof des Gebäudekomplexes aufgestellten Bühne das Sick Midsummer 2015. Dass die Fans sich sogleich zahlreich vor der Bühne einfinden, haben CONSPIRACY sicher nicht zuletzt ihrem Lokalmatador-Status zu verdanken – gänzlich unverdient ist die Aufmerksamkeit jedoch nicht. Zwar ist die Darbietung nicht ganz fehlerfrei und auch die Ansagen wirken etwas unbeholfen – mit ihrem soliden Death Metal sorgen CONSPIRACY jedoch gleich für Stimmung. Eine halbe Stunde statt 40 Minuten Spielzeit hätte hier aber auch gereicht.
Bei den Melodic-Deathern SYMBOLIC aus dem bayerischen Ingolstadt verhält es sich genau andersherum: Während die Band eine technisch astreine Show hinlegt, bei der vor allem Sänger Bastian Löser durch seine extrem vielseitige Stimme zu überzeugen weiß, gibt sich das Publikum eher unterkühlt. Schade, denn musikalisch haben die Bayern einiges zu bieten: Fette Grooves finden sich hier ebenso wie flotte Soli oder schnelles Shredding – Abwechslungsreichtum wird bei SYMBOLIC groß geschrieben. Ein Auftritt, der Lust auf mehr weckt … das aktuelle Album „Omnidescent“ steht seit Oktober 2014 in den Läden!
Pünktlich um 17:00 beginnen SEDUCED aus Graz ihre 45-Minuten-Show. Bereits das Logo-Backdrop lässt keinen Zweifel daran, was die Fans hier erwartet: Oldschool-Schweden-Death in Reinstform! Und in der Tat: Blutbespritzt entfesselt das Quintett ein wahres Riff-Gewitter. Getragen von perfektem Sound knallen SEDUCED dem Publikum ein Brett nach dem anderen vor den Kopf. Und das mit beeindruckender Technik: Während die Saiten-Fraktion geschlossen durch herausragende Präzision zu überzeugen vermag, verdient sich Sänger Svart durch den gekonnten Wechsel zwischen Growls und Screams Respekt. Gereckte Fäuste und stattlicher Applaus sind der Lohn für diesen gelungenen Auftritt.
Dass man auch als alter Hase noch auf die Schnauze fallen kann, müssen im Anschluss CASKET aus Reutlingen in Baden-Württemberg erfahren: Das Trio, welches bereits seit 1990 aktiv ist, kommt mit seinem Death-Grind beim Sick-Midsummer-Publikum nicht sonderlich gut an. Schnell lichten sich die Reihen vor der Bühne. Schade für die Band, aus Publikumssicht jedoch nicht unverständlich: Nach der mitreißenden Show von Seduced ist das, was CASKET abliefern schlicht langweiliges Gebolze. Planlos herumirren muss trotzdem niemand: Drei Bars sowie ein Essens-Stand, der neben Leberkas auch mit über offenem Feuer gekochtem Chili con Carne und indischem Linseneintopf zum fairen Preis von 3,50€ aufwartet, bieten genug Anlaufstellen für alle, die ihren Ohren eine Pause gönnen wollen.
Pünkltich um 19:10 versammelt sich das Publikum wieder nahezu geschlossen vor der Bühne, um dem Auftritt von ELLENDE beizuwohnen. Besser ist das, denn wer sich diese Show entgehen lässt, verpasst definitiv ein Highlight des Sick Midsummer: Von vier Live-Musikern tatkräftig unterstützt, gelingt es Fronter Lukas Gosch, das Publikum 50 Minuten lang mit der atmosphärischen, abwechslungsreichen Musik seines Soloprojektes wie auch seinem extravaganten Auftreten in den Bann zu ziehen: In ein Knochenhemd aus Tiergebein gekleidet, zieht er eine absolut hingebungsvolle Show ab. Dass er dabei selbst so in seiner Musik aufgeht, dass er streckenweise fast abwesend wirkt, ist (neben dem eher missratenen Corpsepaint) das einzige, was man ELLENDE ankreiden könnte. Ansonsten sind sowohl die Musik als auch deren Darbietung am heutigen Abend mehr als gelungen.
Während für die Fans aus der Region die lokalen Bands heute oftmals Attraktion genug zu sein scheinen, dürften FÄULNIS die Band im Billing sein, die die meisten Fans von auswärts angelockt hat: Die Hamburger um Fronter Seuche, die nicht erst seit ihrem 2014er-Album „Snuff || Hiroshima“ in Szenekreisen für Aufsehen sorgen, enttäuschen nicht.
Wie bei den schwedischen Shining lebt die Show auch hier vom verschrobenen Auftreten des Fronters und dem Kontrast zum Rest der Band: Während Seuche die Spielzeit intensiv durchlebt, den Mikrophonständer mehrfach auf den Boden schmettert und mal panisch-paranoid, mal aggressiv dreinblickt, könnte seine Instrumental-Fraktion rein optisch auch eine Schülerband sein, die über Metallicas „Enter Sandman“ zusammen gefunden hat. Gerade dieser krasse Kontrast lässt das Gebahren des Fronters noch extremer wirken – ein gelungener Kniff, zumal die Musiker ihr Ding allesamt so lässig wie gekonnt durchziehen.
Dass FÄULNIS am Ende statt der angekündigten Stunde nur knapp 50 Minuten spielen, ist bei der Intensität dieses Auftritts verkraftbar. Zumal FÄULNIS mit Marrok (Mastermind von Anomalie sowie Gitarrist bei Harakiri For The Sky) als Gastsänger beim finalen „Hiroshima“ noch ein echtes Ass im Ärmel haben.
- Scheiße, Rückfall
- Weil wegen Verachtung
- Trümmer
- 30. Juli, bewölkt
- Distanzmensch, verdammter!
- Landgang
- Atomkinder und Vogelmenschen
- Weiße Wände
- Hiroshima
Die weiteste Anreise mussten in diesem Jahr wohl DEMONICAL aus Avesa nahe Stockholm auf sich nehmen, um auf den Bäckerberg zu gelangen – von Erschöpfung ist dem Quintett jedoch nichts zu merken: Auf nur spärlich ausgeleuchteter Bühne legen die Schweden mit mächtig Power los. Bei absolut fettem Sound kommt so jeder Fan des griffigen Death Metal von DEMONICAL auf seine Kosten. Allein, all zu viele dieser Sorte scheinen es nicht auf den Bäckerberg geschafft zu haben. So gibt es zwar einige Übermotivierte, die einen rüden Moshpit starten und auch der eine oder andere Kopf wird geschüttelt. Von frenetischem Jubel sind die Reaktionen auf DEMONICAL allerdings weit entfernt. Selbst der erfahrene Fronter Sverker „Widda“ Widgren ist von der Stille, die ihm zwischen den Songs entgegenschlägt, sichtlich irritiert: Selbst die plattesten Mitmach-Ansagen laufen heute ins Leere: „We are …?“ – Schweigen. Wie es sich für eine professionelle Band gehört, ziehen DEMONICAL ihre Show dennoch absolut professionell durch. Allerdings – und wer könnte es ihnen verdenken – eher routiniert als enthusiastisch. So ist die Show für Fans der Band gewiss noch ein Konzert-Highlight. Die Band dürfte das anders sehen.
- Cursed Liberation
- World Serpent
- To Become The Wapon
- Return In Flesh
- Throne Of Perdition
- The Arrival Of Armageddon
- Drown In Flames
- The Order
- Death Metal Darkness
- All Will Perish
- The Healing Control
Nachdem sich die eigentlich als Headliner vorgesehenen Dark-Metaller Bethlehem vor nichteinmal zwei Monaten aus gesundheitlichen und sonstigen Gründen aufgelöst hatten, war diesbezüglich Not am Mann auf dem Sick Midsummer. Die Lösung dieses Problems, als Ersatz-Headliner die Schweden von HYPOTHERMIA zu verpflichten, ist jedoch aus mehreren Gründen unglücklich.
Während die Band vor allem dadurch bekannt ist, dass Sänger und „Gitarrist“ Kim Carlsson dereinst Teil von Lifelover war, machte Schlagzeuger Richard Abrams vornehmlich mit homo- und islamophoben Posts in sozialen Netzwerken auf sich aufmerksam. In diesem Kontext ist es fast erfreulich, dass HYPOTHERMIA sich auch musikalisch schnell ins Abseits und den politisch korrekten Hörer vor kein moralisches Dilemma stellen. Waren schon Lifelover nicht als Virtuosen bekannt, blamiert sich „Gitarrist“ Kim Carlsson bereits vor Beginn der Show bis auf die Knochen, als er (wie auch während des Auftritts noch mehrfach) daran scheitert, seine eigene Gitarre nach einem vom Kollegen vorgegebenen E zu stimmen. Auch sonst holpert und rumpelt es bei HYPOTHERMIA gewaltig: Die Übergänge zwischen den nett gedachten Clean-Passagen und dem absolut belanglosen Distortion-Geschraddel wirken mehr improvisiert denn geübt … und was dabei herauskommt, wenn Dilletanten meinen, improvisieren zu müssen, ist allseits bekannt. HYPOTALENTIA wäre hier definitiv der passendere Bandname gewesen. So ist es wenig verwunderlich, dass das Publikum nach anfänglicher Faszination für die Kostümierung des Trios schnell die Lust verliert und sich der Innenhof mit fortschreitender Stunde merklich leert. Begeisterung empfinden hier nur ein paar Besoffskis, die schlussendlich jedoch nicht einmal merken, dass ihnen als Zugabe ein bereits gespielter Song untergejubelt wird.
Sieht man von der Fehlbesetzung des Headliner-Slots ab, kann man dem SICK MIDSUMMER 2015 ein durchweg gutes Zeugnis ausstellen: Bei ausnahmslos amtlichem Sound durfte das Publikum sich über eine illustre Mischung aus lokalen und internationalen Acts freuen. Doch vor allem die familiäre Atmosphäre, das in allen Belangen mehr als faire Preis-Leistungsverhältnis und das großartige Ambiente machen das SICK MIDSUMMER zu einem Festival, das man gerne auch für 2016 wieder in den Kalender schreibt.