Mike Ness und seine Band SOCIAL DISTORTION machen auch nach 36 Jahren Bandkarriere noch keine Anstalten, ihren Beruf an den Nagel zu hängen und gehen zu Ehren des 25. Geburtstages ihres selbstbetitelten Albums im April 2015 endlich wieder auf ausgedehnte Europatour. Das letzte Konzert in der bayrischen Landeshauptstadt ist schon fünf Jahre her, weswegen ein Besuch bei der amerikanischen Punk-/Rock’n’Roll-/Blues-Legende Pflicht ist. Mit dabei sind Jessica Hernandez & The Deltas und SOCIAL-DISTORTION-Gitarrist Jonny Wickersham schiebt als JONNY TWO BAGS als Opener eine Doppelschicht.
Das Zenith ist heute auf gut die Hälfte seiner Größe mit einem Vorhang verkleinert, was wieder einmal schmerzlich ins Gedächtnis ruft, dass es einfach zu wenige Konzerthallen in München gibt – zwischen der TonHalle und dem Zenith gibt es einfach keine Hallen mittlerer Größe.
Zu Beginn des Abends, der mit 19.30 an einem Mittwoch sehr früh angesetzt ist, ist noch eine sehr überschaubare Menge anwesend. JONNY TWO BAGS an der akustischen Gitarre, mit seinen beiden Mitmusikern an E-Gitarre und Orgel, stört das allerdings nicht weiter. Mit seiner Mischung aus Country, Americana und bluesigen Elementen wird der Abend eigentlich sehr stimmig eröffnet – allein, das Zenith ist eine Industriehalle und mit seiner nicht gerade hervorragenden Akustik nicht für derartige Musik gedacht. Zusätzlich breitet sich diese aufgrund der wenigen Zuschauer zu diesem Zeitpunkt auch noch schön hohl nachhallend überall hin aus. JONNY TWO BAGS macht das Beste aus den Gegebenheiten und erntet dafür am Ende seines halbstündigen Sets lauten, wenn auch nur kurzen Applaus vom zahlenmäßig inzwischen doch gut angewachsenen Publikum.
Nach einer kurzen Umbaupause erlischt das Licht erneut und JESSICA HERNANDEZ & THE DELTAS begeben sich auf die Bühne. Mit ihrer Mischung aus 60s Beat, Rock’n’Roll und Soul sorgt die Band schnell für mitwippende Füße und nickende Köpfe. Besonders die Stimme von JESSICA HERNANDEZ selbst weiß voll zu überzeugen und erinnert in manchen Momenten sogar an Amy Winehouse. Sowohl die ruhigeren als auch die lauteren Songs sorgen für begeisterten Jubel im Zenith, sodass die Band sich sicher sein kann, heute einige neue Fans hinzugewonnen zu haben. Dass nach einem in sich stimmigen Set als letzter Song „Deceptacon“ von Le Tigre gecovert wird – ein Song, dem man sowieso schon nicht entgehen kann – hätte es gar nicht gebraucht, allerdings scheint dies ein Lieblingssong der Frontfrau zu sein. In einer kleineren Halle mit Wissen um die Songs der Band ist ein Einzelkonzert von JESSICA HERNANDEZ & THE DELTAS aber auf jeden Fall in der Zukunft eine Überlegung wert.
In der darauf folgenden Umbaupause, welche mit über 30 Minuten deutlich länger ausfällt als die Pause zwischen den beiden Supports, wird ein überdimensionales Banner hinter der Bühne nach oben gezogen, welches das Cover des selbstbetitelten Albums von SOCIAL DISTORTION zeigt. Als das Licht erlischt, ertönt „Gimme Shelter“ der Rolling Stones als Intro und die Band betritt die Bühne. Frontmann Mike Ness hat dabei seinen eigenen Auftritt, tritt in seiner Lederjacke an den Bühnenrand und begrüßt das Publikum, bevor der Abend mit „So Far Away“ beginnt. Im Folgenden spielen SOCIAL DISTORTION ihr drittes Album am Stück. Dass dabei „Story Of My Life“ bereits als dritter Song erklingt, heizt die Stimmung noch einmal zusätzlich an: Bierbecher fliegen durch die Luft, im vorderen Bereich der Halle wird wild getanzt und das ganze Zenith singt aus voller Kehle mit. Immer wieder zeigt Mike Ness seine berühmten Posen, weiß mit seinen prägnanten Gitarrensoli zu begeistern und die erste Hälfte des Konzerts vergeht nahezu wie im Flug. Zwischenzeitlich bittet Ness darum, das Licht in der Halle anzumachen, um das Publikum besser sehen zu können und erzählt immer wieder vernuschelte, kleine Anekdoten aus der Bandgeschichte.
Nach „Drug Train“ verlassen SOCIAL DISTORTION die Bühne, um nach ein paar Minuten für die zweite Hälfte der Show zurückzukommen. Leider verliert das Konzert nach dem Rolling-Stones-Cover „Wild Horses“ ein wenig an Fahrt – das Konzept, ein Album komplett durchzuspielen, schränkt die restliche Songauswahl leider zu stark ein, weswegen viele Hits heute außen vorbleiben. Als Mike Ness daran erinnert, dass sie doch vorhin irgendwie einen Song vom selbstbetitelten Album zu spielen vergessen hätten, drehen alle Anwesenden im Zenith vollständig durch, als das Johnny-Cash-Cover „Ring Of Fire“ ertönt. Der Jubel wird allerdings noch einmal gesteigert, als daran anschließend mit „Don’t Drag Me Down“ die SOCIAL-DISTORTION-Hymne schlechthin erklingt. Danach ist der Abend nach nicht ganz zwei Stunden ohne eine weitere Zugabe vorbei.
- So Far Away
- Let It Be Me
- Story Of My Life
- Sick Boys
- Ball And Chain
- It Coulda Been Me
- She’s A Knockout
- A Place In My Heart
- Drug Train
- Cold Feelings
- Machine Gun Blues
- Wild Horses (The Rolling Stones Cover)
- I Won’t Run No More
- 99 To Life
- Gimme The Sweet And Lowdown
- Ring Of Fire (Johnny Cash Cover)
- Don’t Drag Me Down
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FAZIT: SOCIAL DISTORTION bieten dem Publikum gemeinsam mit ihren beiden Vorbands ein gutes Konzert – allerdings ist nicht alles rosig: Die Songauswahl im zweiten Teil des Auftritts wirkte zu zerfaster, besonders gegenüber dem dichten, in sich stimmigen Album in der ersten Häfte. Dass vor allem „White Light, White Heat, White Trash“ bis auf einen Song vollständig ausgespart wurde ist schade. Dies ändert allerdings nichts an den herausragenden Livequalitäten von SOCIAL DISTORTION, die bei ihrer nächsten Europatour hoffentlich auch ein neues Album im Gepäck haben.Die Rente kann definitiv noch warten.