Seit 30 Jahren sind BOPPIN‘ B in der Rockabilly-Szene aktiv. Genauer gesagt stehen fünf Musiker in Deutschland für die gesamte Szene. Da ist es mehr als angebracht, ein neues Album einfach wie die (Scheiß-)Kapelle selbst zu betiteln – und damit auf ausgedehnte Tour zu gehen. Zweiteres ist bei den Aschaffenburgern mit rund 5.000 gespielten Konzerten keine wirkliche Seltenheit. Derlei Ochsentouren über mehrere Jahre sind jedoch kein Zuckerschlecken, so dass von der ursprünglichen 1985er-Besetzung nur noch der nimmermüde Gitarrist Golo Sturm und Schlagzeuger Michael Weiser zum momentanen Band-Lineup zählen. Ende 2012 verabschiedete sich Langzeitsänger Michael Treska bei den Süddeutschen, die seitdem mit Sebastian Bogensperger am Mikro eine spürbare Wandlung vollzogen haben. Jedoch nicht zum Positiven. Dazu später mehr.
Zunächst geht der Preis für den engagiertesten Schlagzeuger an: THE FLASH! Die Elvis-Combo aus München überzeugt mit unendlicher Spielfreude und steht darin dem Headliner in nichts nach. Gekleidet in verschiedenfarbige Satinhemden, die mehr an Faschingskostüme aus der Spanien-Abteilung erinnern als an Elvis Presley, wirken die fünf Musiker zwar auf den ersten Blick eher befremdlich, doch die Qualität der Musik straft dem ersten Eindruck Lügen. Bei ihrem Heimspiel bleibt keine Hüfte steif. Sänger Earl Dean Jonhnson verfügt über eine beeindruckende Röhre, und füllt mit seiner Band den oft undankbaren Platz als Vorband hervorragend aus. Die aufgefrischten Elvis-Kompositionen wie „A Little Less Conversation“ können das nicht sehr zahlreiche Publikum sichtlich aufwärmen und fördern die Vorfreude auf den Haupt-Act. Besonders positiv: Drummer Wolfgang Kotsowilis strahlt beim Spielen die pure Lebensfreude aus, so ansteckend, dass sie auch dem größten Grieskram noch ein Lächeln ins Gesicht zaubert. THE FLASH überzeugen am Ende sowohl in den rockigen wie auch in den ruhigeren Momenten und man kann ihnen nur wünschen, dass sie noch viele Jahre lang mit diesem Enthusiasmus zusammen Musik auf die Bühne bringen werden.
Über mangelnde Spielfreude oder Enthusiasmus kann sich auch anschließend bei BOPPIN‘ B wahrlich niemand beschweren. Nach drei Dekaden die eigene Musik noch mit einer derartigen Leidenschaft an den Mann bzw. die Frau bringen zu wollen, zeugt von echter Hingabe und Überzeugungstätern. Obwohl sich der Backstage Club bis zum Hauptprogramm nicht wesentlich mehr füllt als zuvor, schwingt Kontrabassist Didi sein Instrument in die Höhe, marschiert damit durch die Fans oder vollführt einen Handstand sowie andere Kunststücke darauf. Parallel dazu schwingt Gitarrist Golo seine Hüften und Beine so schnell im Takt, dass man sich ab und an über die Belastbarkeit seiner Kreuzbänder nur wundern kann. Die Präsentation und die Show rund um die Rockabilly-Hits stimmen. Einzig die Begeisterung ist abseits der tanzenden Hardcore-Fans sehr schnell sehr endlich, u.a. weil sich BOPPIN‘ B von liebgewordenen Traditionen wie dem herzlichen „Scheißkapelle“ als lautstarke Publikumsantwort auf die obligatorische „Do you feel alright?“-Frage von Schlagzeuger Michael fast vollständig verabschiedet haben. Außerdem finden sich in der Setliste anno 2015 weder der Live-Kracher „Ein toller Tag“ noch etablierte Coverversionen wie „Wind of Change“ oder „King of the Bongo“, sondern überwiegend Eigenkompositionen, primär aus der jüngeren Vergangenheit mit einigen Ausflügen in die frühen Bandjahre. Dies hat trotz der nennenswert langen zeitlichen Bandbreite von 1985 bis 2015 zur Folge, dass sich nach rund einer Stunde eine gewisse Trägheit bzw. Vorhersehbarkeit bei der Darbietung einstellt, da der Abwechslungsreichtum trotz vereinzelter Country-Einschläge und manch gelungener Einlage für den Otto-Normal-Konzertbesucher zu sehr auf der Strecke bleibt. Das beweist unterm Strich auch die Entwicklung bei den Zuschauerzahlen in der jüngeren Vergangenheit, nicht nur in München.
Neu-Sänger Andreas ist dafür kaum ein Vorwurf zu machen. Dieser erfüllt zwar weniger optische 60er-Jahre-Klischees als sein Vorgänger, überzeugt stimmlich aber besonders in den ruhigeren Passagen mit viel Timbre wie in „I can’t dance“, im Original von Genesis. Sonst mangelt es ihm vereinzelt an Wiedererkennungswert, doch die Interaktion mit dem Publikum und dem Rest der Band stimmt. Generell entpuppen sich BOPPIN‘ B im Laufe des Abends immer noch als sehr sympathischer Haufen, deren Musik man eigentlich mehr mögen will, als man es in dieser Zusammenstellung kann. Umso bedauerlicher ist es, dass der Funke nur eine begrenzte Höhe und Brenndauer erreicht, ehe er versiegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Jungs ihre neuen Trinklieder wie „Have A Good Time“ bzw. „Get A Drink“ auspacken, 14 Tage als nicht ausreichend klassifizieren oder ein „Blitzkrieg Bop“-Cover aus dem Ärmel schütteln. Zu ähnlich, zu austauschbar und am Ende auch zu viel des Guten bzw. des einen Einzigen.
Lediglich der Gastauftritt von Ski-King bei einem Dreierblock in der Mitte des Konzerts sowie im Zugabenblock sorgt für eine frische Dynamik – nicht nur wegen gezielter Seitenhiebe auf das „Rising Star“-Format von RTL und speziell Juror Sasha. Von jenem covert Ski mit „If You Believe“ und „Owner Of A Lonely Heart“ direkt zwei Erfolgshits, wobei er den ersten gezielt von einem Blatt Papier abliest. Wie diese Geste zu verstehen ist, lässt der ansonsten sehr textsichere Hüne wohl bewusst offen. BOPPIN‘ B als Kollektiv widmen sich ohne ihren Gast am Mikro wiederum der „Chemical Reaction“ – welches im sonstigen Einerlei noch positiv hervorsticht.
Alles ist endlich. Im Jahr 2005 spielten BOPPIN‘ B noch im Vorprogramm von Dick Brave & the Backbeats. In der Folgezeit erlebte die Kapelle mit ihrer Musik ihren ersten und wohl einzig echten Hype. Geblieben sind aus dieser Periode einige Erinnerungen und Sasha-Coversongs, die die Band auch rund zehn Jahre später gerne live zu spielen scheint. Gegangen ist das Publikumsinteresse, was sich wiederum besonders in der Limitiertheit der Rockabilly-Ausrichtung widerspiegelt. So eben jener Sound medial oder anderweitig keine Renaissance erfährt, dürften BOPPIN‘ B kurzfristig und langfristig weiter – auf musikalischem insgesamt sehr ordentlichem Niveau – in ihrer Nische vor sich hindümpeln. Was im Falle dieser Band und vorhandener Qualitäten durchaus schade ist.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Peter Seidel / http://www.metalspotter.de – dort findet ihr unter anderem die vollständige Galerie zu diesem Konzert!