(Post Black Metal / Screamo / Post Rock) Das ständige Gerede einiger Altrockstars darüber, dass die aktuelle Rockmusik langweilig oder sogar tot sei, ist in Anbetracht diverser Genrehybridisierungen und deren großen Erfolgen als absoluter Schwachsinn abzutun – ganz egal, ob diese Bands jetzt ’neu‘ klingen oder Bekanntes spannend neu kombinieren. Besonders die Verbindung zwischen (Post-)Hardcore, (Post-)Black Metal und Post Rock erfuhr in den letzten Jahren immer größere Beliebtheit und brachte viele abwechslungsreiche Bands hervor. Dass in der Folge des 2013 veröffentlichten Meisterwerks „Sunbather“ von Deafheaven viele Bands aus dieser Stilrichtung ihre fünf Minuten Rampenlicht bekommen würden: Ehrensache. Dass viele dieser Bands qualitativ nicht wirklich überzeugen: nahezu selbstverständlich. SELVA, welche sich erst Ende 2013 gründeten, nachdem die Musiker zuvor in unterschiedlichen Hardcorebands gespielt hatten, beweisen auf ihrem Debütalbum „Life Habitual“, dass sie mit ihrer ambitionierten Herangehensweise an Blackened Post-Hardcore eine eigenständige Vision verfolgen, mit der sie nahezu vollständig zu begeistern wissen.
Da „Life Habitual“ nahezu aus Stärken besteht, ist es wohl nur angebracht, die Schwächen zuerst zu nennen, da SELVA dies ähnlich praktizieren: Der Einstieg in Form von „[I]“ versucht durch bedrohliches Basswummern und ein verhalltes Klavier zwar atmosphärisch zu wirken, plätschert aber reichlich ziellos dahin und fadet schließlich genauso unspektakulär aus, wie er begonnen hat. Auch „[/]“, welches aus rückwärts abgespielten Gesängen besteht, wirkt zu lang und unterbricht den Fluss des Albums. Während „Gloaming“ mit seinen Akustikgitarrenklängen zunächst noch als stimmiger Abschluss eines intensiven Albums gewertet werden kann, sorgt seine Spielzeit von nahezu sieben (!) Minuten mit kaum wahrnehmbarer Abwechslung dafür, dass man sich fragt, wieso ein so packendes Album einen derart uninspirierten Schluss anbietet.
Abgesehen von diesen ‚Fehlgriffen‘ gibt es nämlich an den restlichen dreieinhalb Songs auf „Life Habitual“ quasi nichts auszusetzen. Der großartige Opener „Enclosure“ steigt mit einer markanten Gitarrenmelodie ein, bevor er sich in einen wahren Orkan an eingängigen Harmonien, Blastbeats und Geschrei hineinsteigert. Gerade die Tatsache, dass SELVA eingängige Dur-Melodien auspacken und so nie den Eindruck erwecken, wirklich ‚böse‘ klingen zu wollen, ist erfrischend. Umso heftiger wirkt der dissonante, düstere und chaotische Schluss des Songs. Durch stetige Brüche entsteht eine packende Dynamik irgendwo zwischen Screamo, Punk und Metal, die absolut mitzureißen vermag, was sicherlich durch das Einschieben ruhiger Elemente und einem Verzicht auf klassische Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain-Schemata verstärkt wird. Während „Persistence“ und „Existence“ hinsichtlich ihres Songaufbaus ähnlich funktionieren, unterscheiden sich die einzelnen Nummern durchaus in ihrer Atmosphäre und warten immer wieder mit großartigen Momenten auf. Dabei wütet „Persistence“ hinsichtlich des Sounds am deutlichsten in den Gefilden des (Post-)Black Metal, während das infernalische Blastbeatgewitter im Mittelteil von „Existence“ sogar Deafheaven den Atem rauben dürfte und mit seinem epischen Schlussteil ein würdiges Ende findet. „Life Habitual“ dient – trotz seiner Länge von vier Minuten und dem Einsatz von Gesang – eher als ein sludge-lastiges Interlude, welches im Unterschied zu den anderen Zwischenschüben vollständig zu überzeugen weiß.
Ohne so chaotisch zu klingen wie ihre Landsmänner La Quiete oder die Amerikaner von Loma Prieta, ist der vom Black Metal infizierte Post-Hardcore von SELVA keine Spur weniger intensiv und weiß absolut zu begeistern.Fans von Bands wie Deafheaven, (frühen) Alcest und den eben genannten La Quiete und Loma Prieta sollten ohne Bedenken zugreifen. Dass Jack Shirley, welcher bereits Deafheaven und Loma Prieta zu einem großartigen Klang verhalf, an den Reglern saß, unterstützt die packende Stimmung dieses Debütalbums merklich. Generell ist es mehr als beeindruckend, wie die junge Band mit ihrem ersten Album mit Ausnahme der planlosen Interludes im Hinblick auf Atmosphäre, Songwriting und Melodiegespür (inklusive des angemessenen Härtegrads) sofort einen Platz unter den aktuell besten Vertretern ihres Genres einnimmt. Chapeau!
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Wertung: 8.5 / 10