Steve Rothery, seit fast 30 Jahren Gitarrist von Marillion, veröffentlichte sein 2CD/DVD-Set „Live In Rome“ ziemlich genau einen Monat, bevor sein Solowerk „The Ghosts Of Pripyat“ herauskam. Ein geschickter PR-Schachzug. Das Live-Paket präsentiert aber nicht nur Vorabversionen der Songs seines mittlerweile erhältlichen Soloalbums, sondern macht auch vor eigenen Interpretationen einiger Marillion-Klassiker nicht halt.
Schon nach den ersten Minuten des Openers „Morpheus“ sitzt man verzaubert vor den Boxen: Atmosphärisch-getragene Soundlandschaften und Rotherys wunderbar melodisches, beinahe Geschichten erzählendes Gitarrenspiel laden zum Träumen ein. Mit viel Feingefühl werden Stimmungen und Dynamik entwickelt. Auch die weiteren Tracks von „The Ghosts Of Pripyat“ wissen zu überzeugen, vorausgesetzt man kommt mit ihrer rein instrumentalen und sehr ausladenden Natur klar: Fast alle sind über zehn Minuten lang und eher im sanften Midtempo angesiedelt. Aber das macht nichts – Rotherys Gitarrenspiel ist einzigartig, sein Sound sensationell, seine Kompositionen perfekt darauf zugeschnitten.
Auf dem zweiten Silberling folgen im Anschluss noch „Easter“, „Afraid Of Sunlight“, „Sugar Mice“ und weitere Fan-Favoriten von Rotherys Hauptband Marillion. Obwohl diese Interpretationen durchaus gelungen sind, wird schnell deutlich: Ohne Sänger Steve Hogarth verfehlen die Lieder ihre Wirkung.
Manuela Milanese und Alessandro Carmassi hinter dem Mikro machen ihre Sache sehr gut und begehen nicht den Fehler, Hogarths Theatralik zu kopieren. Stattdessen interpretieren sie die Stücke lieber auf ihre eigene Art. Doch obwohl sie eine perfekte Performance abliefern und die Versionen interessant klingen, erreicht die STEVE ROTHERY BAND nicht die Ausdrucksstärke der Originale. An dieser Stelle kämpfen die Musiker mit den gleichen Problemen wie jede andere Coverband: Als Hörer ist man an die Originale gewöhnt und emotional mit ihnen verbunden, selbst perfekte Interpretationen der Lieblingssongs lösen da nicht die gleiche Begeisterung aus.
Von dieser Tatsache abgesehen liefern Steve Rothery & Co. auf „Live In Rome“ einen blitzsauberen Auftritt in intimer Atmosphäre und tollem Sound ab. Die Tracks von „The Ghosts Of Pripyat“ machen richtig Lust auf die Studioversionen. Steve Rothery gehört zu den Meistern seines Fachs – dabei ist ihm Ausdrucksstärke aber sicher wichtiger als Technik. Das untermauert er mit diesem Live-Dokument eindrucksvoll. Zur im Set mitgelieferten DVD kann ich an dieser Stelle nichts sagen, weil sie mir leider nicht vorliegt. Alles in allem: Kaufen und genießen!
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